Kommt ein Bargeldverbot für Richter und kommunale Mandatsträger?

18.8.2017 – von Stephan Ring.

Der Kampf um das Bargeld nimmt zunehmend groteske Züge an. Dabei stehen sich Befürworter und Gegner immer unversöhnlicher gegenüber. Durch schwammige Formulierungen eines neuen Gesetzes könnten demnächst fast alle Richter und viele Kommunalpolitiker als potentielle Kriminelle eingestuft und behandelt werden.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der 4. EU Geldwäscherichtlinie hat die Bundesregierung im Juli die Verschärfung der Geldwäscheregelungen und dabei insbesondere die Ausweitung der Verpflichtungen für den Handel eingeführt. Zukünftig sollen sich nicht nur Banken, sondern auch alle Warenhändler schon dann strafbar machen, wenn sie rein formale Überprüfungen bei Bargeldgeschäften unterlassen. Dies gilt selbst dann, wenn keine Geldwäsche vorliegt.

Schon früher galten bei Bargeschäften über 15.000 € erhöhte Sorgfaltspflichten. Vor allem sind die Personalien des Käufers vom Händler festzuhalten. Diese Schwelle wurde nun auf Geheiß der EU auf 10.000 € herabgesetzt. Im Rahmen der Umsetzung dieser Weisung ist auch die Verschärfung des Umgangs mit sogenannten PEPs vorgesehen. PEPs sind Personen, die im öffentlichen Leben stehen und daher als besonders korruptionsgefährdet gelten.

Neu ist die veränderte Definition dieser Personen. Während bisher praktisch nur die Mitglieder der Bundesregierung und in Deutschland auch noch der Landesregierungen betroffen waren, über deren potentielle Kriminalität sie selbst am besten urteilen können, sieht der neue Katalog ausdrücklich auch Richter und Mitglieder in Aufsichtsgremien privater Gesellschaften vor, sofern diese dem Staat gehören. Unerheblich ist die Bedeutung der Beteiligung. Jeder Gemeinderat, der in einem Beirat einer gemeindlichen Gesellschaft sitzt, wird so zum potentiellen Geldwäscher. Jeder Aufsichtsrat der örtlichen Sparkasse sowieso.

Bei Richtern umfasst die neue Formulierung sicherlich alle Richter der höchsten deutschen Gerichte einschließlich des Bundesverfassungsgerichts, da gegen deren Urteile eine Revision nicht möglich ist. Allerdings gilt dies auch für viele Urteile der Oberlandesgerichte, der Landgerichte, soweit sie selbst Revisionsinstanz sind, und sogar für die meisten Urteile der Amtsgerichte, soweit der Revisionswert nicht überschritten wird. Das ist sicher nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt, eine vorsichtige Lesart muss jedoch zu diesem Ergebnis kommen.

Dem betroffenen Händler ist zur Vorsicht zu raten. Er macht sich strafbar, wenn er mit einem PEP Geschäfte macht, ohne die Formalien einzuhalten. Für den PEP ist die Sache unangenehm. Er kann ein Bargeschäft nur noch eingehen, wenn er dem Händler die Herkunft des Bargeldes lückenlos aufdecken kann.

Das Einhalten der Formalien ist aufwendig, teuer und strafrechtlich risikoreich, so dass der Händler am einfachsten fährt, wenn er mit PEPs einfach keine Bargeschäfte über 10.000 € mehr macht. Faktisch haben sich die Gegner des Bargeldes damit durchgesetzt. Selbst ohne ausdrückliches Verbot wird es keine Bargeschäfte über 10.000 € mehr mit PEPs geben.

Von besonderer Brisanz ist dabei, dass die Bundesregierung nicht beabsichtigt, eine PEP-Liste kostenlos im Internet zur Verfügung zu stellen. Diese muss vom Händler teuer bei amerikanischen Unternehmen bezogen werden. Diese entscheiden ohne jeden Rechtsschutz des Betroffenen, ob er auf eine solche Liste kommt. Das Zusammenspiel aus strafrechtlichem Risiko und kostenintensiver Regulierung wird faktisch zu einem Bargeldverbot führen.

Das Beispiel Bargeld zeigt, wie sich Politik in einer immer schneller werdenden Spirale in Richtung Kriminalisierung des Bürgers treiben lässt, nur um sich nicht eingestehen zu müssen, dass man vielleicht etwas übertrieben hat. Nicht das bisherige und eigentlich erfreulich erfolglose Verfahren wird in Frage gestellt, sondern verzweifelt der kriminelle Bürger mit eben anderen Mittel gesucht. Ganz nach dem Motto, irgendwo muss er doch sein, der kriminelle Bürger.

Deutschland ist aber, anders als dies die EU offenbar in weiten Teilen von sich selbst und den Mitgliedsländern denkt, keine Bananenrepublik und unsere Richter, Gemeinderäte und Bürgermeister sind, anders als möglicherweise in anderen Ländern, keine korrupten Kriminellen. Sie pauschal als solche zu behandeln, zeigt ein verqueres Bild von unserem Staat und seinen Staatsdienern. Dass die Bundesregierung und auch unser Volksvertreter dieses verquere Staatsverständnis auch noch umsetzen, zeigt, wie wenig der Staat auf sich selbst vertraut. Woher soll denn dann das Vertrauen des Bürgers in den Staat kommen?

Dabei wäre es angebracht, die überhitzte Diskussion um das Bargeld etwas zu versachlichen. Die über zehnjährigen und vom Bundeskriminalamt in jährlichen Berichten gut dokumentierten Erfahrungen im Finanzbereich zeigen, dass die Deutschen ehrliche Menschen sind. Weit über 20.000 Menschen werden Jahr für Jahr der Geldwäsche verdächtigt und mit gleicher Konstanz werden dadurch maximal 20 Verurteilungen erreicht und das auch nur, wenn man der Kriminalpolizei, der Sitte und der Drogenfahndung unterstellt, sie hätten ohne Geldwäscheverdacht keinen dieser Täter erwischt. Anstatt aber die Sinnhaftigkeit des Systems deshalb zu hinterfragen, soll es nun auf alle Bereiche des Lebens ausgeweitet werden. Wollen wir wirklich ein Volk von Spitzeln und Bespitzelten werden? Jeder Händler wird so zum Blockwart. Werden wir von Kriminellen regiert? Ist unsere Justiz von Korruption zerfressen?

Auch die Beträge, mit denen in der politischen Debatte hantiert wird, sind fragwürdig. So wird eine bis heute nicht veröffentlichte und auf Nachfrage auch nicht ausgehändigte Studie des Finanzministeriums in allen Medien damit zitiert, jährlich würden 100 Milliarden Bargeld durch Schwarzmarkttransaktionen gewaschen. Das wären pro Tag zwischen dreißigtausend und hunderttausend Transaktionen in Höhe von 5.000 € bis 15.000 € in bar. Über 15.000 € gelten schon heute die verschärften Bestimmungen. Es würde in Deutschland jährlich fast so viel schwarzes Bargeld verwendet wie weißes. Drei Euro Barzahlungen im Supermarkt stünden zwei Euro Schwarzgeldtransaktion gegenüber. 100 Milliarden sind fast die Hälfte des weltweiten jährlichen Luxusgüterumsatzes. 100 Milliarden würde bedeuten, dass jeder in Deutschland zugelassene PKW alle 3 Jahre auf dem Schwarzmarkt verkauft und mit Schwarzgeld bar bezahlt wird. Wohlgemerkt auch jeder beim Neuwagenkauf in Zahlung gegebene. Und alles unter Verzicht auf jede Gewährleistung durch den Käufer. Oder der illegale Schmuck- und Uhrenmarkt müsste sechzehn mal größer sein als alles, was in Deutschland im Jahr von Juwelieren legal umgesetzt wird. Ähnliches gilt für den Edelmetallhandel. Da hätten die Gebrauchtwagenhändler, Juweliere und Goldhändler, die laut Gesetz – abgesehen von Airbus als Flugzeughändler – die gefährdeten Bereiche abdecken, gut zu tun und müssten eigentlich alle mehrfache Millionäre sein.

Die nur rund 30 Millionen Euro, die ausweislich des Berichts des Bundeskriminalamtes jährlich tatsächlich beschlagnahmt werden, erscheinen da als eine wesentlich plausiblere und damit brauchbarere Basis für politische Aktion. Allerdings rechtfertigt diese kleine Zahl den volkswirtschaftlichen Aufwand, der heute schon völlig sinnlos in den Banken und der BaFin betrieben wird, nicht. Von einer Rechtfertigung für die Kriminalisierung hunderttausender ehrlicher Bürger allein in den letzten 10 Jahren ganz zu schweigen.

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Dr. Stephan Ring ist Jurist und Vorstand des Ludwig von Mises Institut Deutschland.

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