Vince Ebert: „Ich bin frei“

18.3.2016 – Interview mit dem Kabarettisten Vince Ebert zu seinem neuen Buch „Unberechenbar“.

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Vince Ebert

Herr Ebert, ein Rezensent zu Ihrem neuen Buch „Unberechenbar“ schreibt auf Amazon „Ebert for Kanzler!“. Würden Sie den Job annehmen?

Auf keinen Fall. Das Schöne an meinem Job ist ja, dass ich unabhängig von Political Correctness und irgendwelchem parteipolitischem Hickhack agieren kann. Ich kann genau das tun und lassen, was ich selbst für richtig und vor allem für witzig halte. Diese Position als „Hofnarr“ genieße ich sehr. Ich bin frei.

Wie schätzen Sie die Chance ein, dass Ihre Botschaft „Unberechenbar“ in Berlin ankommt und sich die Politiker künftig zurücknehmen, sich permanent und immer mehr in unser Leben einzumischen?

Da bin ich eher skeptisch. Zum einen sägen sich Bürokraten ja nicht gerne ihren eigenen verwaltungstechnischen Ast ab, zum anderen bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Bürger insgeheim Regelungen, Verbote und Reglementierungen wollen. Sie schimpfen zwar gerne auf „die da oben“ aber wenn der Nachbar zwei Minuten auf dem Behindertenparkplatz steht, würden sie am liebsten gleich den Weltsicherheitsrat anrufen.

Woraus beziehen Politiker und Ökonomen die Selbstsicherheit für den Kurs, den sie Wirtschaft und Gesellschaft vorgeben wollen?  

Ich denke, die meisten verwechseln ein komplexes mit einem komplizierten System. Ein Flugzeug zum Beispiel ist ziemlich kompliziert, aber man kann es präzise steuern. Volkswirtschaften jedoch sind komplex. Und komplexe Systeme verhalten sich oftmals ziemlich unberechenbar. Leider geistert die Vorstellung von perfekter Planbarkeit in vielen Führungsetagen herum. Und zwar nicht nur in der Politik. Ein alter Schulfreund von mir ist inzwischen ein Top-Controller in einem großen Konzern. Und auch privat ein totaler Kontrollfreak: Firewalls, Antivirusprogramme, versichert bis unter die Hutschnur, Alarmanlage. Und irgendwann war seine Wohnung ausgeräumt und die Konten geplündert. Von der eigenen Frau! Je mehr wir ein komplexes System kontrollieren wollen, umso planmäßiger trifft uns der Zufall.

Da fällt mir der Begriff „Inkompetenzkompensationskompetenz“ aus Ihrem Buch ein…

Neben meinen Bühnenshows halte ich ja sehr viele Vorträge zum Thema „Zufällig erfolgreich!“ vor Führungskräften. Danach kommen immer wieder gestandene Manager zu mir und erzählen unter der Hand: „Sie haben ja recht, aber wenn ich offen sagen würde, dass mein Einfluss auf den Unternehmenserfolg minimal ist, würden sich alle fragen: Und warum ist der Typ dann an der Spitze? Warum verdient der so viel?“ Das ist in der Tat ein großes Dilemma. Daher tun etliche Führungskräfte viel dafür, um dieses unangenehme Detail zu verschweigen. Manch einer simuliert dagegen großspurig souveränes Expertentum. In Insiderkreisen spricht man dann von einer fundierten „Inkompetenzkompensationskompetenz“.

Kabarettisten ziehen das politische Geschehen und Politiker durch den Kakao. Sie tun das auch ab und an, gehen aber völlig anders an das Thema heran, nämlich mit „weniger“ Staat und nicht mit „bitte noch mehr davon“, wie es die meisten Ihrer Berufskollegen tun. Sie gehen damit auch über ihr eigentliches Spektrum „Wissenschaftskabarett“ hinaus. Haben Sie sich für politische Themen schon immer interessiert?

Schon, aber mir lagen die üblichen Rechts-Links, Gut-Böse Kategorien schon immer fern. Mit Ideologien konnte ich noch nie etwas anfangen. Als Naturwissenschaftler haben mich immer schon die wissenschaftlichen Zusammenhänge hinter politischen Phänomenen interessiert. In meinem neuen Buch etwa beschreibe ich einen spannenden Test, den der Psychologe Alexander Todorov von der Princeton University vor einigen Jahren durchgeführt hat. Er zeigte seinen Studenten einen kurzen Augenblick Portraitfotos von jeweils zwei, ihnen unbekannten Männern und forderte sie dann auf, spontan zu entscheiden, welche der beiden Person in ihren Augen kompetenter wirkt. Was die Studenten nicht wussten: Bei den Paarungen handelte es sich um reale Politiker, die bei unterschiedlichen Wahlen gegeneinander antraten. Das verstörende Ergebnis: In 70 Prozent aller Fälle entsprachen die Entscheidungen der Studenten dem tatsächlichen Wahlgewinner! Nicht, weil er möglicherweise kompetenter als sein Gegner war, sondern weil er den Wählern lediglich kompetenter erschien.

Das ist ziemlich verstörend, oder? Selbst bei so etwas Wichtigem wie einer politischen Wahl spielen für uns Rationalität und logische Argumente offenbar eine untergeordnete Rolle. Vernunft kann uns davor bewahren, als kompletter Idiot dazustehen, aber sie wird uns nicht davon abhalten, unsere Stimme einer Flachpfeife mit tollem Haarschnitt zu geben.

Haben Sie Hayek gelesen? Sie zitieren ihn sogar in Ihrem Buch…

… und zwar mit dem sensationellen Satz: „Ökonomie besteht darin, dem Menschen vor Augen zu führen, wie wenig er wirklich über das weiß, was er planen zu können glaubt.“ Das ist mit das Intelligenteste, was jemals über Ökonomie gesagt wurde. Mit Hayek kam ich schon vor Jahren in Berührung. „Der Weg zur Knechtschaft“ habe ich damals verschlungen. Außerdem bin ich mit einer Österreicherin verheiratet, deren Onkel sogar ein Schüler Hayeks war. In der Familie meiner Frau können Sie es sich also praktisch gar nicht leisten, nichts über Hayek zu wissen (lacht).

In einem Video auf der Website „Achse des Guten“ sind Sie vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt zu sehen mit einem „Rettungsschirm“, pardon: mit einem „Regenschirm“ in der Hand. Was fällt Ihnen zum Stichwort „Nullzinspolitik“ ein?

Da muss ich gestehen, bin ich überfragt. Geldpolitik ist solch ein Expertenthema, zu dem ich gerne meinen Kollegen Dieter Nuhr zitiere: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten…“

Ich muss jetzt unbedingt noch ein Zitat aus Ihrem Buch anführen: „Sozialismus: Theoretisch ist er eine gute Idee, aber in der Praxis steht man immer ohne Bananen da.“ Bitte kommentieren Sie das abschließend für uns…

Viele Menschen lieben Utopien. Das klingt im ersten Moment recht charmant. Das Problematische an utopischen Ideen ist jedoch, dass sie nicht realisierbar sind. Fast alle Utopien ignorieren grundsätzliche menschliche Verhaltensweisen und meist sogar fundamentale physikalische oder ökonomische Gesetze. Utopische Projekte genügen sich dadurch, dass sie unerreichbare Ziele setzen, an die viele dennoch glauben: Weltfrieden, saubere und gleichzeitig billige Energie, das Ende des Kapitalismus, der Mensch im perfekten Gleichgewicht mit der Natur. So gesehen sind Utopien ein bisschen wie eine Gruppe von Personen, die sich zu einer gemeinsamen Reise nach Südamerika entschließt, ohne sich über das Fortbewegungsmittel Gedanken zu machen. Und nach fünf Jahren wundern sich alle, dass man immer noch im Odenwald herumsteht. Und dort gibt’s bekanntlich keine Bananen.

Vielen Dank, Herr Ebert.

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Die Fragen stellte Andreas Marquart.

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Vince Ebert wurde 1968 in Amorbach im Odenwald geboren und studierte Physik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Nach dem Studium arbeitete er zunächst in einer Unternehmensberatung und in der Marktforschung, bevor er 1998 seine Karriere als Kabarettist begann. Seine Bühnenprogramme „Physik ist sexy“ (2004), „Denken lohnt sich“ (2007), „Freiheit ist alles“ (2010) und „Evolution“ (2013) machten ihn als Wissenschaftskabarettisten bekannt, der mit Wortwitz und Komik sowohl Laien als auch naturwissenschaftliches Fachpublikum begeistert. Im September 2016 feiert er mit seinem vierten Bühnenprogramm „Zukunft is the future“ Premiere.

In der ARD moderiert Vince Ebert regelmäßig die Sendung „Wissen vor acht – Werkstatt“; ob als Kabarettist, Autor oder als Referent, Vince Eberts Anliegen ist die Vermittlung wissenschaftlicher Zusammenhänge mit den Gesetzen des Humors.

Seine Bücher „Denken Sie selbst! Sonst tun es andere für Sie“, „Machen Sie sich frei! Sonst tut es keiner für Sie“ und „Bleiben Sie neugierig!“ (alle Rowohlt Verlag) verkauften sich über eine halbe Million Mal und standen zum Teil monatelang auf den Bestellerlisten. Am 26.02.2016 erscheint Vince Eberts viertes Buch: „Unberechenbar: Warum das Leben zu komplex ist, um es perfekt zu planen“.

Abseits der Bühne engagiert sich Vince Ebert als Botschafter für die „Stiftung Rechnen“ und „MINT Zukunft schaffen“, um naturwissenschaftliche Kompetenzen in Deutschland zu fördern.

Mehr über den Autor erfahren Sie unter: www.vince-ebert.de und auf www.facebook.com/Vince.Ebert

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Fotos: Copyright – Michael Zargarinejad

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