„Der Staat ist ja gar nicht die Feuerwehr, sondern der Brandstifter“
Interview
4. August 2025 – Thorsten Polleit im Interview mit Olivier Kessler über dessen neues Buch „Befreiungsschlag. Hoffnungsschimmer für eine verloren geglaubte Welt“ (*)
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Thorsten Polleit (TP): Lieber Olivier, das Liberale Institut in Zürich ist seit jeher ein Fels in der Brandung, der sich den tosenden Wellen der Unfreiheit entgegenstellt. Zudem ist es in den letzten Jahren unter Deiner Leitung auf einen geradezu fulminanten Expansionskurs eingeschwenkt — man betrachte nur einmal die stark zunehmenden Besucherzahlen Eurer Website. Wie erklärt sich aus Deiner Sicht das geradezu explosive Interesse an den Themen der Freiheit? Vermute ich richtig, dass nicht nur die Schweizer zur wachsenden Zahl Eurer Lesern und Fans zählen?
Oliver Kessler (OK): Immer mehr Leute scheinen zu spüren, dass die Entwicklungen in letzter Zeit in eine völlig falsche Richtung gehen: ein unfassbarer Glaube in die Allmacht, das Allwissen und die Perfektheit des Staates auf der einen Seite, und die von ihm dilettantisch verursachten Krisen, das Misstrauen gegenüber seinen Bürgern sowie das Unterdrücken von Kritikern mittels Cancel Culture und Gewaltandrohung auf der anderen Seite lassen sich je länger je weniger miteinander vereinbaren.
Wir befinden uns in den späteren Phasen der von Ludwig von Mises (1881 – 1973) beschriebenen Interventionsspirale, wo jede weitere politische Intervention zu noch gravierenderen Folgeproblemen führt – und die wieder zum Anlass für weitere Staatseingriffe genommen werden. Immer mehr Leute realisieren: Der Staat ist ja gar nicht die Feuerwehr, sondern der Brandstifter. Das spielt freiheitsorientierten, machtkritischen Organisationen wie dem Liberalen Institut momentan in die Hände. Immer mehr dürsten nach alternativen Einordnungen und Analysen, die sie im staatsgläubigen Mainstream nicht finden.
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TP: Und jetzt aber Gratulation zu Deinem neuen Buch „Befreiungsschlag. Hoffnungsschimmer für eine verloren geglaubte Welt“ (*)! Mit diesem Roman hast Du Dich in ein Genre begeben, in dem sich bisher nur ganz wenige liberal-libertäre Denker tummeln. Ich frage mich: warum eigentlich? Kurt Tucholsky hat einmal geschrieben: „Der Leser hat’s gut: Er kann sich seine Schriftsteller aussuchen.“ Meine Frage an Dich lautet: Wie steht es um den liberal-libertären Schriftsteller? Genauer: Wie gelangt er an das Publikum, das er erreichen möchte und auch sollte?
OK: Meine Entscheidung, die Freiheitsideen nach einigen Sachbüchern nun auch in Form einer spannenden Geschichte zu vermitteln, kam nicht aus einer Lust heraus, sondern aus der Erkenntnis, dass Storytelling ein wirksames Kommunikationsinstrument ist. Studien haben ergeben, dass Geschichten 22-mal besser in unserem Gedächtnis verhaftet bleiben als reine Sachaussagen.
Doch nicht nur das effektivere Kommunizieren, sondern auch die Möglichkeit, damit neue Zielgruppen zu erreichen, fand ich verlockend. Es gibt viele, die kaum je ein wirtschaftspolitisches Sachbuch zur Hand nehmen würden, sich jedoch auf einen packenden Roman einlassen und damit nebenbei mit den von uns so wichtig erachteten Ideen in Berührung kommen.
Natürlich stehen am Anfang der Kette die bereits Überzeugten, die das Buch an jene empfehlen oder verschenken, die bislang noch keine Berührungspunkte mit der Österreichischen Schule und dem Liberalismus gehabt haben. Unternehmer, die das Buch ihren Mitarbeitern schenken. Libertäre Söhne, die das Buch an ihre Mutter oder Tante weitergeben, nachdem sie das Buch gelesen haben. Und so weiter.
TP: Ich will hier nicht zu viel verraten — denn die Leser sollen Dein großartiges Werk ja noch mit Spannung genießen. Aber so viel darf ich vielleicht sagen: Es geht auch um Geld, ein Grossteil des Buchs handelt sogar davon. Und damit wird es jetzt ernst, ich führe uns in das Hier und Jetzt und sage: „digitales Zentralbankgeld“. Die EZB will es bald den Menschen im Euroraum unterschieben, aufzwingen. Vor allem auch nach der Lektüre Deines Buches bin ich mehr denn je geneigt, dieses Geld als „Orwell-1984-Geld“ zu bezeichnen. Schieße ich damit über das Ziel hinaus?
OK: Nein, überhaupt nicht. Es ist sogar noch schlimmer. Digitales Zentralbankengeld (CBDC) ist viel gravierender, als viele meinen. Und ich sage das nicht als Gegner digitalen Geldes. Ich habe nichts gegen digitales Geld, sofern dieses privat, dezentral und mit einem Inflationsschutz versehen ist. Das kann man ja vom heutigen Bargeld zum Beispiel nicht behaupten.
Wer sich gegen digitales Zentralbankengeld zur Wehr setzt, ist kein rückständiger Feind der Digitalisierung, wie das immer wieder dargestellt wird. Das zentrale Problem ist der Zwangscharakter dieses Geldes, was es per se unethisch macht. Sofern CBDC als ablehnbares Angebot in einem freien Geldwettbewerb präsentiert würde, hätte ich nichts dagegen und jeder, der das verwenden möchte, könnte dies dann tun. Doch es ist eben kein ablehnbares Angebot, was da auf uns zukommt, sondern etwas, das uns unter Androhung von Zwang und notfalls Anwendung von Gewalt aufgedrückt werden soll.
Was CBDCs zu einer Art Orwell-Geld macht, ist ihre Programmierbarkeit: Es macht die Bürger nicht nur gläsern, weil die Herrscher über jede einzelne Transaktion Bescheid wissen. Es degradiert die Bürger zu entrechteten Untertanen, die nicht mehr souverän über ihr Geld entscheiden können. Denn die Zentralbank könnte zum Beispiel festlegen, dass das Geld aus „Klimaschutzgründen“ nur noch in einem Radius von ein paar Kilometern ausgegeben werden könnte, weil ja nur „Klimaschweine“ in die Ferne schweifen. Es könnte bestimmte Ausgaben – zum Beispiel Spenden für das Ludwig von Mises Institut oder den Einkauf von Fleisch – einfach verunmöglichen. Guthaben könnte nur für eine bestimmte Dauer seine Gültigkeit bewahren, damit die Möchtegernplanwirtschaftler „den Konsum ankurbeln“ können. Oder Guthaben könnte einfach für ungültig erklärt werden, wenn jemand unliebsame politische Ansichten äussert. Wie sich das für den Einzelnen auswirken könnte, beschreibe ich in meinem Roman ausführlich.
TP: Das ist in der Tat erschütternd … und man muss befürchten, vielen Menschen ist all das gar nicht klar. Ich würde gern zwei weitere Befürchtungen anfügen, die mit der Einführung und Verbreitung von CBDC verbunden sein werden. Erstens: Die Inflationierungsmöglichkeiten in den Händen der Regierenden werden geradezu maximiert. Denn das CBDC in den „Wallets“ der Menschen lässt sich dann per Knopfdruck jederzeit ausweiten, man braucht nicht einmal kreditgewährende Banken dazu. Zweitens: Der Sozialismus lässt sich „von oben“ einführen, indem die Regierung den einen viel, den anderen wenig oder kein neues digitales Zentralbankgeld zukommen lässt … sind das berechtigte Befürchtungen?
OK: Das sind sehr berechtigte Befürchtungen. Natürlich werden sich die Herrschenden dafür dann auch immer die entsprechenden Narrative für ihr Intervenieren ausdenken. Ein Narrativ, das sich immer das Mäntelchen des Allgemeinwohls überhängt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass ein CBDC auch die grosse Gefahr einer Sonderprivilegien-Ordnung für einige Super-Privilegierten schaffen könnte, während die Allgemeinheit die Zeche bezahlen muss. Ganz nach dem Orwell‘schen Motto: „Alle sind gleich, nur einige sind gleicher.“
TP: Ja richtig, das ist sicherlich auch noch zu befürchten. Doch blicken wir jetzt einmal nach vorn: Die Europäische Zentralbank will vermutlich 2028 einen „digitalen Euro“ ausgeben, also CBDC. Was können wir noch dagegen machen? Darf man noch Hoffnungen hegen, dass das CBDC-Übel noch abgewendet, vielleicht sogar überwunden wird? Mit dieser Frage lenke ich nun vielleicht auch unsere Gedanken zurück auf Deinen Roman …
OK: Erstens muss man diese Allmachtsfantasien Brüssels mit aller Vehemenz zurückweisen – publizistisch, aktivistisch und politisch. Gebietskörperschaften, die diesen dystopisch-totalitären Kurs nicht mittragen wollen, könnten sich überlegen, der EU ihren Austritt mitzuteilen. Das muss nicht unbedingt auf nationalstaatlicher Ebene geschehen. Auch Länder, Kantone und Gemeinden könnten sich zu liberalen Prinzipien bekennen und ihre Unabhängigkeit erklären.
Doch nicht nur sollte man politisch dagegen ankämpfen. Auch auf persönlicher Ebene gilt es alles zu tun, um sich vom heutigen Fiatgeldsystem so weit wie es geht, unabhängig zu machen. Indem man sich heute schon nach Alternativen umsieht, indem man sein Vermögen in Sicherheit bringt, indem man es dem dysfunktionalen Fiatgeldsystem entzieht. Edelmetalle und dezentrale Kryptowährungen wie Bitcoin oder Kaspa bieten hier mögliche Optionen. Optionen, die auch in meinem Roman genauer beleuchtet werden.
Vernetzen Sie sich lokal mit Gleichgesinnten, die Ihnen ihre Brötchen, ihre Früchte, ihr Fleisch auch noch verkaufen, wenn Sie nicht mit CBDC bezahlen können oder wollen. Weisen Sie auch diese Leute auf die heute schon verfügbaren alternativen Zahlungs- und Sparmethoden hin, damit möglichst viele Akteure auf besseres Geld umstellen und den Umgang damit erlernen, bevor es zu spät ist.
TP: Lieber Olivier, ganz herzlichen Dank für das Interview und Deine Gedanken. Ich wünsche Dir viel Erfolg mit Deinem neuen, nicht nur spannenden, sondern auch überaus wichtigen Buch „Befreiungsschlag. Hoffnungsschimmer für eine verloren geglaubte Welt“ (*). Mögen viele Menschen es lesen, damit sie den Wert der Freiheit erkennen und für sie eintreten.
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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
Olivier Kessler ist Ökonom, Publizist und Direktor des Liberalen Instituts in Zürich. Zuvor war er für mehrere Public Affairs- und Medienunternehmen tätig. Kessler hat an der Universität St. Gallen International Affairs & Governance studiert. Er ist Mitglied der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft und der Jury zur Vergabe der Roland Baader Auszeichnung. Er veröffentlichte Beiträge unter anderem in der Neuen Zürcher Zeitung, Finanz und Wirtschaft, Weltwoche, Basler Zeitung, im TagesAnzeiger, Nebelspalter, in CH-Media-Publikationen, auf Finews und im Schweizer Monat.
Seine letzten Buchveröentlichungen: Befreiungsschlag – Hoffnungsschimmer für eine verloren geglaubte Welt (2025) (*), 64 irreführende Politikbegrie (2023), Wissenschaft und Politik: Zuverlässige oder unheilige Allianz? (2022), Verlockung der Macht: Die Kunst, die oene Gesellschaft zu verteidigen (2022), Liberalismus 2.0: Wie neue Technologien der Freiheit Auftrieb verleihen (2021).
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Professor Dr. Thorsten Polleit war als Ökonom 15 Jahre im internationalen Investment-Banking tätig und danach 12 Jahre im internationalen Edelmetallhandelsgeschäft. Er ist zudem seit 2014 Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Thorsten Polleit ist Adjunct Scholar Mises Institute, Auburn, Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „ROME“ und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Im Jahr 2012 erhielt er den The O.P. Alford III Prize In Political Economy. Thorsten Polleit ist Autor zahlreicher Aufsätze in referierten Journals, Magazinen und Zeitungen. Seine letzten Bücher sind: „Des Teufels Geld. Der faustische Fiatgeld-Pakt – wie wir ihn kündigen und zu gutem Geld zurückkehren“(*) (Oktober 2023), „The Global Currency Plot. How the Deep State Will Betray Your Freedom, and How to Prevent It“(*) (2023), „Ludwig von Mises. Der kompromisslose Liberale“(*) (2022) und „Der Weg zur Wahrheit. Eine Kritik der ökonomischen Vernunft“(*) (2022). Die Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.com. Hier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.
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