Links- und Rechtslibertäre? Gibt’s nicht!
23. Juni 2025 – von Rainer Fassnacht
Vermehrt taucht „Libertär“ mit der Ergänzung rechts oder links auf. In einer Onlineenzyklopädie wird „Linkslibertarismus“ als politische Strömung bezeichnet, die Libertarismus und Elemente sozialer Politik verbindet. „Rechtslibertarismus“ wird dort als eine politische Strömung beschrieben, welche individuelle Freiheit und Marktfreiheit möglichst ohne staatliche Regularien versteht.
In den Medien taucht der Begriff „Linkslibertär“ deutlich seltener auf als „Rechtslibertär“. Dabei wird meist versucht, eine Verbindung zwischen libertär und rechtsextrem oder rechtspopulistisch herzustellen. Häufig wird offen oder indirekt der Eindruck erweckt, dass libertäre Vorstellungen und rechtsradikale Ideologien zusammengehören würden.
Sowohl die genannte lexikalische als auch die beschriebene mediale Verwendung zeigt, dass die Nutzer der Begriffe in diesem Sinne nicht verstehen, was libertäres Denken wirklich ausmacht. Manchmal zeigt schon die Schlagzeile das Missverständnis oder Unwissen der Autoren.
Libertarismus in Verbindung mit linker oder rechter Politik zu interpretieren, steht im Widerspruch zu dessen Dreh- und Angelpunkt. Politik – gleich welcher Ausrichtung – geht von gedanklichen Kollektiven aus und setzt Ideen mit Zwang gegenüber jenen Menschen durch, die freiwillig anders handeln würden. Demgegenüber betonen Libertäre die individuelle Handlungsfreiheit.
Wer Libertarismus mit ‚sozialer Politik‘ – im weitverbreiteten Verständnis von staatlicher Intervention durch Umverteilung – kombiniert, ist nicht libertär, sondern Sozialist. Wirklich libertär denkende Menschen verstehen ‚sozial‘ nicht politisch, für sie ist
(d)er Inbegriff der Kollektivierung oder Sozialisierung die Marktwirtschaft, und das grundlegende Prinzip des Kollektivhandelns ist der gegenseitige Austausch von Diensten, das do ut des (ich gebe, damit du gibst). Der Einzelne gibt und dient, um von seinen Mitmenschen mit Gaben und Diensten belohnt zu werden. (Ludwig von Mises (1881 – 1973), „Die Letztbegründung der Ökonomik“, S. 149)
Ob eine Politik ‚sozial‘ genannt wird, ist irrelevant. Da die Politik Zwang einsetzt, steht sie im Gegensatz zum Libertarismus (und wirkt tatsächlich unsozial, weil die Intervention Menschen schadet). Linkslibertär ist daher ein Oxymoron, also ein selbstwidersprüchliches Wort. Dies gilt aber nicht nur für sozial oder links genannte Politik.
Auch national oder rechts ausgerichtete Politik steht im Widerspruch zum Libertarismus. Gleiches gilt für ökologisch oder weltanschaulich orientierte Politik. Das Wesen jeder Politik ist Zwang gegenüber jenen, die freiwillig anders handeln würden, und daher mit Libertarismus unvereinbar.
Wer linke Positionen politisch (also mit Zwang gegen den Willen einiger Menschen) durchsetzen will, ist ebenso wenig ein Libertärer, wie jener, der rechte Positionen auf diesem Wege durchsetzen will. Man kann politisch links, politisch rechts oder libertär sein. „Linkslibertäre“ gibt es daher ebenso wenig wie „Rechtslibertäre“.
Es stellt sich die Frage, warum die Begriffe trotzdem vermehrt auftauchen. Zwei Erklärungen bieten sich dafür an: Unwissenheit oder politische Instrumentalisierung. Für die erste Annahme spricht die schlechte ökonomische Bildung. Das Konzept der Handlungslogik beziehungsweise die Praxeologie ist sehr vielen Menschen nicht vertraut. Für die zweite Annahme spricht, dass durch eine weitere Verbreitung libertärer Vorstellungen die Handlungsspielräume der Politik eingeschränkt werden könnten, was weder Linke noch Rechte für wünschenswert halten.
Blickt man optimistisch auf die Entwicklung, könnte die vermehrte Verwendung dieser Begriffe ein Indiz dafür sein, dass libertäre Vorstellungen eine breitere Aufmerksamkeit erhalten und dadurch diese Reaktionen auslösen. Dies wiederum könnte helfen, das Wissen darüber, was Libertarismus wirklich ausmacht bekannter zu machen – Hoffnung für die Freiheit.
Ebenfalls zu diesem Thema bei Misesde.org erschienen:
„Achtung, Libertarismus! Was das Wort ‚libertär‘ bedeutet, und was es nicht bedeutet“, von Thorsten Polleit und Andreas Tiedtke
Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Das Ludwig von Mises Institut Deutschland e.V. setzt sich seit Jahren für die Verbreitung der Lehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ein. Freiheit gibt es nicht geschenkt, sie muss stets neu errungen und erhalten werden. Bitte unterstützen Sie daher das Ludwig von Mises Institut Deutschland mit einer Spende, damit wir uns weiterhin für unser aller Freiheit einsetzen können!
Spendenkonto:
Ludwig von Mises Institut Deutschland e. V.
IBAN: DE68 7003 0400 0000 1061 78
BIC: MEFIDEMM
Merck Finck A Quintet Private Bank (Europe) S.A. branch
Verwendungszweck: Spende
Titel-Foto: Adobe Stock – bearbeitet