Javier Milei, die ersten 6 Monate | #2

12. Juli 2024 – von Stephan Ring

Dies ist der zweite Teil dieser dreiteiligen Artikelserie. Den ersten Teil finden Sie hier.

4. Der ausgeglichene Haushalt

Gleich im Dezember 2023 wurde der Haushalt auf null gestellt. Im Gegensatz zu allen Vorhersagen ist der von Milei verantwortete Haushalt des Zentralstaats seit Januar jeden Monat positiv. Real wurden die Ausgaben um über 30 % gekürzt. Es ist das erste Mal seit 2008, dass fünf Monate in Folge ein finanzieller Überschuss erzielt wurde. Für Juni wird, insbesondere wegen der Besonderheiten des Monats für Gehaltszahlungen, ein Verlust erwartet, der jedoch von den Ersparnissen der Vormonate abgedeckt sein sollte.

Diese Möglichkeit, auf neue Schulden zur Finanzierung des Staatshaushaltes zu verzichten, hat Milei in eine starke Position gegenüber dem Kongress gebracht. Anders als in dem die Politik seit Jahrhunderten bestimmenden Szenario will die Regierung nicht mehr Geld ausgeben und braucht daher das Parlament nicht. Auch hier hat sich die Opposition verrechnet. Milei nutzt eine Regelung, die bei Nichtverabschiedung eines neuen Haushaltes einfach den Haushalt des Vorjahres fortschreibt und der Regierung dabei sogar die Möglichkeit gibt, die Gelder anders zu verteilen. Milei hat daher gar keinen neuen Haushalt vorgelegt. Die Opposition hat somit keine Möglichkeit, ihre Kostgänger mit Staatsmitteln zu versorgen.

Um den ausgeglichenen Haushalt zu sabotieren, hat der Kongress beschlossen, die Renten pauschal – ohne schuldenfreie Gegenfinanzierung – zu erhöhen. Milei hat schon sein Veto angekündigt, sollte der Senat diesem Angriff auf den ausgeglichenen Haushalt auch zustimmen. Ein solches Veto könnte nur durch eine erneute Abstimmung beider Kammern mit jeweils 2/3 Mehrheit überstimmt werden, was nach derzeitigem Stand unwahrscheinlich ist.

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Das Gesetz zur Rentenerhöhung ist der verzweifelte Versuch der Opposition, die Bevölkerung gegen Milei zu positionieren, was ihr aber nach aktuellen Umfragen nicht gelingt. Die Bevölkerung wird vielmehr immer radikaler im Wunsch nach Veränderung. Vor allem auch, da Milei keine Gelegenheit auslässt, auf die bisher verschwiegenen Missstände hinzuweisen. So beziehen 2,6 % der Bevölkerung ohne Einzahlungen eine Invalidenrente. Das sind ohne jede kriegerische Auseinandersetzung in den letzten 30 Jahren zehnmal mehr Personen als 2001.

5. Die wirtschaftliche Entwicklung

Seit März steigen die Gehälter im “legalen Bereich” wieder real. Diverse Industrien verzeichnen, wenn auch geringe, Wachstumszahlen und die staatlichen Renten haben im Mai 2024 erstmals wieder real das Niveau beim Amtsantritt im Dezember 2023 erreicht.

Die Auguren unterschätzen regelmäßig die Inflationsentwicklung, die im Mai noch bei 4,2 % pro Monat und damit etwa halb so hoch wie noch im April liegt. Die Schätzungen lagen bei 5,5 %. So hat es Milei geschafft, dass seit Mai 2024 die Inflation in den Umfragen nicht mehr das wichtigste Problem der Argentinier ist.

Die Deregulierung zeigt sehr rasch Ergebnisse. So hat die im Dezember erfolgte Aufhebung der Mietpreisbremse und die Entschlackung des Mietrechts zu einem rasanten Anstieg der zu vermietenden Wohnungen geführt. Gleichzeitig sanken die realen Mieten um bis zu 20 %.

Das sogenannte Länderrisiko, also der Zinsaufschlag auf Dollaranleihen Argentiniens im Vergleich zur USA, sank von über 20 % auf im tiefsten Punkt unter 12 %.

Der noch nicht freigegebene Dollarwechselkurs zum argentinischen Peso wurde unmittelbar nach Amtsübernahme im Dezember 2023 von 300 auf 800 und später 900 Peso pro USD angehoben und erhöht sich seitdem monatlich um 2 %. Unter Berücksichtigung einer Finanztransaktionssteuer, die beim Eintauschen von legalen USD in Höhe von 17,5 % fällig wird, entspricht der Kurs damit unter teils größeren Schwankungen fast dem inoffiziellen Schwarzmarktkurs, dem sogenannten “blauen” Dollar. Erwartet und durch die Politik Mileis verhindert wurde, dass der USD sich eher in Richtung 3.000 Peso bewegt.

Eine Freigabe des Pesos ist erst zu erwarten, wenn die Zentralbank ihre Fremdwährungsreserven ausreichend gefüllt hat, um einen zu erwartenden Angriff auf den Peso nach Freigabe abwehren zu können. Milei ist zwar Libertärer, aber nicht so dumm, um auf die Sirenengesänge der früheren linken und jetzt plötzlich angeblich libertären Kommentatoren hereinzufallen, die ständig die Freigabe fordern, die er doch in seinem Wahlprogramm versprochen habe.

Die überschuldete Zentralbank hatte bei Amtsübernahme eine Unterdeckung in fälligen Fremdwährungen von rund 12 Mrd. USD. Diese Unterdeckung wurde zum Teil durch Umschuldung, aber auch durch Ankauf von USD ohne Erhöhung der monetären Peso-Basis bis Mai in der Rechnungssystematik des Internationalen Währungsfonds (IWF) faktisch ausgeglichen. Berücksichtigt man die erst später fälligen Fremdwährungsbonds, also alle Fremdwährungsschulden der Zentralbank, bleibt jedoch immer noch eine Unterdeckung von rund 11 Mrd. USD.

Auch die zeitliche Tilgungslücke von Kaufpreisen in USD zwischen getätigten Importen und bezahlten Importen Argentiniens schließt sich zunehmend. Vom Tiefpunkt, an dem nur 17 % der Fremdwährungsimporte zeitnah bezahlt wurden, liegt die Quote mittlerweile im Mai bei 75 %. Auch hier sind mehr als 2/3 des Weges zur Normalität geschafft. Allerdings bleibt immer noch ein Rückstau aus der Zeit der Vorgängerregierungen und der Monate seit Dezember 2023 aufzuarbeiten.

Zusätzlich hat die Zentralbank trotz hoher Inflation und ganz entgegen der Lehrmeinung die Zinsen in mehreren, teils schnell hintereinander ausgeführten Schritten von 250 % jährlich (p.a.) auf im Mai 40 % p.a. gesenkt. Dass dies die Inflation unbeeinflusst gelassen hat, liegt an der besonderen Situation Argentiniens. Jahrzehnte des Sozialismus haben das private Kreditgeschäft faktisch beseitigt. Kredite an Private machen nur rund 4 % des Bruttosozialproduktes aus. Selbst Entwicklungsländer liegen hier eher bei 20 %. Entwickelte Länder bei 80-100 %. Entsprechend ist die private Kreditgeldschöpfung in Argentinien vernachlässigbar und zudem als Transmissionsriemen für die Inflationsbekämpfung unbrauchbar. Die hohen Zinsen haben nur das Staatsvermögen zu Lasten der Banken, die ihr gesamtes Geld der Zentralbank hingelegt haben, verringert. Mit der Absenkung des Zinses auf eine Rate von 40 % p.a. weit unter der jährlichen Inflation, die trotz der positiven Entwicklung im kurzfristigen Bereich immer noch um die 100 % liegt, hat sich die Zentralbank zu Lasten der Finanzindustrie entschuldet.

Zugleich wurden die Banken angeregt, endlich wieder vermehrt Privatkundengeschäfte zu tätigen. So ist erstmals seit April 2024 überhaupt wieder möglich, was in Argentinien lange unmöglich war, ein langfristiges Hypothekendarlehen zu bekommen. Andererseits kann durch das Ausschöpfen des großen Potentials, das in der aktuell praktisch nicht vorhandenen Kreditvergabe an Private liegt, die Kreditgeld-Druckmaschine auch wieder ins Laufen kommen, was eine Gefahr für die Inflationsentwicklung darstellt.

Ein großer Treiber der Inflation ist der gezielte Abbau der staatlich regulierten Preise, wie etwa der Mietpreisbremse. Die Regulierungen der Vorgängerregierungen haben einen geschätzten Preisdruck bis zur Amtsübernahme im Dezember 2023 von 59 % aufgebaut. Im April 2024 ist davon noch eine Inflationserwartung von 22 % übrig. In nur 6 Monaten wurden so bereits zwei Drittel des Weges geschafft.

Gleichzeitig werden staatliche Subventionen, wie beispielsweise die Bezuschussung privater Unternehmen im öffentlichen Nahverkehr, insbesondere aber im Energiebereich abgebaut. Auch diese versteckte Inflation wird damit technisch in der ausgewiesenen Inflationsrate sichtbar werden. Vorausgesagt werden so bis Dezember monatliche Inflationsraten von um die 5 %.

Allerdings haben die Auguren in den letzten 5 Monaten die Reduktion der Inflation regelmäßig unterschätzt. Zuletzt im Mai 2024, wo die Schätzungen bei 5,5 % pro Monat lagen und die Inflation tatsächlich nur 4,2 % erreichte. Die Schätzungen lagen damit immerhin um 30 % daneben. Der Markt für Finanzderivate geht jedenfalls ab Januar 2025 von einer Inflationsrate von 0 % aus. Im nicht mehr subventionierten Lebensmittelbereich lag die Inflation erstmals seit mehreren Jahrzehnten Anfang Juni für 3 aufeinanderfolgende Wochen bei praktisch 0 %.

Daneben hat Milei durch viele kleinere und größere Deregulierungen und Einsparungen eine positive Stimmung erzeugt. Nur beispielhaft zu nennen: Die “Blue Card” für Fahrzeugeigentümer, die für jeden Fahrer personalisiert notwendig war und verhindert hat, dass man einem Freund einfach mal so sein Auto überlassen konnte, wurde abgeschafft. Einfuhrbürokratie wurde aufgehoben. Bisher war damit unter anderem die Einfuhr von Büchern verboten, deren Tinte mehr als 0,06 % Blei enthielt. Exportgenehmigungen, die für praktisch alle Lebensmittel notwendig waren, wurden abgeschafft. 10 von 18 Ministerien wurden aufgelöst und als Abteilungen in andere Ministerien integriert. Das zunächst zur Unterabteilung des Justizministeriums degradierte ehemalige Ministerium für Frauen, Geschlechter und Diversität, wurde endgültig geschlossen und 800 Stellen abgebaut, nachdem die interne Überprüfung ergeben hat, dass die Aufgaben ohnehin auch von anderen Ministerien wahrgenommen werden. Verwaltungsangestellte, die aufgrund staatlichen Benennungsrechts einen Direktorensitz in den Organisationen der Sozialverbände innehaben, müssen zukünftig ihre von dort bezogenen, offenbar weit überzogenen Vergütungen an den Staat abführen. Die Regierung kündigt die Überprüfung der Rentenberechtigung an, die ohne Einzahlungen der Berechtigten gewährt wurden. Eine Stichprobe von 3.000 Empfängern hat angeblich eine Fehlerquote von 80 % ergeben. Eine Einrichtung zur Förderung wirtschaftlicher Betätigung indigener Argentinier wurde aufgelöst, nachdem die Gelder zu 90 % an 900 Mitarbeiter verschwendet wurden.

Insgesamt wurden seit Amtsantritt über 20.000 Stellen im öffentlichen Bereich gestrichen. Milei ist entschlossen, insgesamt 20.000 bürokratische Hemmnisse Schritt für Schritt aufzuheben und 70.000 Stellen einzusparen. Das Ley Bases sollte ihm die Macht dazu geben. Sein Motto ist: Wo der Staat sich nicht einmischt, da ist Korruption ausgeschlossen.

6. Mehr Hilfe für die Opfer des Sozialismus

Gleichzeitig nimmt Milei die Schwächsten der Gesellschaft mit, die von den sozialistischen Vorgängerregierungen und den mit ihnen verbundenen angeblich sozialen NGOs sowie vor allem durch die brutale Inflation ausgebeutet wurden. Milei verteilt alle Überschüsse seines Haushalts erst einmal an sie. So ist die Kinderzulage für sozial schwache Eltern im Zeitraum vom Amtsantritt bis Juni 2024 real um 88 % gestiegen. Die Durchschnittsrente stieg real um 2,8 %. Der Mutterschutz wurde deutlich aufgestockt. Ein Zuschuss zum Schulgeld für Privatschulen wurde etabliert, um armutsbedingte Schulwechsel zu vermeiden. Der Schulsachenzuschuss für sozial Schwache wurde erhöht. Insgesamt sind die Sozialausgaben real um mehr als 11 % gestiegen.

7. Innere Sicherheit

Seine für die innere Sicherheit zuständige Ministerin nimmt den Kampf gegen die Kriminalität auf. Dabei ist es wichtig, die besondere Lage Argentiniens zu verstehen. Der Rio Paraná verbindet auf einer Länge von über 3.000 km, davon ca. 1.000 auf argentinischem Boden, die westlich und zentral gelegenen Staaten Südamerikas mit dem Atlantik. Er ist eine wesentliche Transportader für Drogen in Richtung Argentinien und Europa.

Die am unteren Ende des Flusses gelegene Stadt Rosario, die drittgrößte Stadt Argentiniens, ist der Drogenumschlagplatz. Die Drogenkartelle haben versucht, in Rosario einen rechtsfreien Raum zu schaffen, ähnlich wie es den Kartellen in Mexiko gelungen ist. Es gab einen regelrechten Bürgerkrieg zwischen Polizeikräften und Drogenkartellen. Unschuldige Passanten wurden willkürlich erschossen, um Terror zu verbreiten und den Staat zum partiellen Rückzug zu zwingen.

Aus historischen und verfassungsrechtlichen Gründen war der Regierung der Einsatz des Militärs versagt. Dennoch ist es gelungen, durch massive Erhöhung der Zahl der Einsatzkräfte in Verbindung mit einer Bekämpfung der innerpolizeilichen Korruption, die Situation innerhalb kürzester Zeit in den Griff zu bekommen.

Die Gefängnisse wurden personell verstärkt, die Kommunikation der Häftlinge, oft Drogenbosse, mit der Außenwelt, wohl auch mit technischer Unterstützung der USA, unterbunden, Bandenmitglieder systematisch in unterschiedliche Gefängnisse verlegt, um die Strukturen und Machtzirkel in den Gefängnissen zu zerstören.

Dies alles führte zu einem Rückgang der Mordrate in Rosario von fast 70 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und zur niedrigsten Mordrate seit 10 Jahren – mit weiter fallender Tendenz. Die Menschen fühlen sich wieder sicherer. Straftäter werden konsequent abgeschoben, ganze Clanfamilien in ihre Heimatländer ausgeliefert, wo sie oft strafrechtlich gesucht sind.

Ende des 2. Teils der dreiteiligen Artikelserie. Der dritte Teil erscheint am 15. Juli 2024.

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Dr. Stephan Ring ist Jurist und Vorstand des Ludwig von Mises Institut Deutschland.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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Titel-Foto: Quelle: Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e.V., YouTube @HayekSociety, Hamburger Rede von Javier Milei am 22. Juni 2024 (Deutsche Übersetzung); bearbeitet

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