Zurechtkommen mit der Komplexität des Klimawandels. Eine genauere Betrachtung der wissenschaftlichen Methode und ihrer Einschränkungen

15. März 2024 – von Frank Hollenbeck

Die physikalischen Wissenschaften haben bei der Erforschung einfacher Phänomene große Fortschritte gemacht. Bei einem einfachen Phänomen haben wir eine begrenzte Anzahl wichtiger Variablen, die alle identifizierbar und messbar sind. Dies ermöglicht es uns, ein wissenschaftliches Experiment durchzuführen. In einem solchen Experiment halten wir alle anderen Variablen konstant und untersuchen den Einfluss einer Variablen auf das Phänomen. Wir können also messen, in welche Richtung diese Variable geht und wie wichtig sie für das Phänomen ist. Anschließend können wir dasselbe Experiment mit allen anderen Variablen durchführen, um ihre Einflussrichtung und relative Bedeutung zu bestimmen. Wir können feststellen, welche angenommenen Beziehungen korrekt und welche falsch sind. Wir können Erkenntnisse aus Hypothesen über einfache Phänomene gewinnen.

Komplexe Phänomene hingegen haben einige oder viele nicht messbare oder nicht beobachtbare Faktoren oder Variablen, deren Einflüsse und Wechselwirkungen variieren können. Daher ist es unmöglich, ein wissenschaftliches Experiment durchzuführen, um die Einflüsse der einzelnen Faktoren zu isolieren. Dies schränkt den Wert empirischer oder historischer Erkenntnisse über komplexe Phänomene stark ein, da es unmöglich ist, zwischen Verursachung und Auftreten-zusammen-mit zu unterscheiden.

Dies schränkt den Wert empirischer oder historischer Erkenntnisse über komplexe Phänomene stark ein, da es unmöglich ist, zwischen Verursachung und Auftreten-zusammen-mit zu unterscheiden.

Wirtschaftswissenschaftler kennen dieses Problem nur zu gut. Vor mehr als hundert Jahren wurden die Grenzen der Empirie in den Wirtschaftswissenschaften deutlich aufgezeigt. In dem Artikel “The Elasticity of Demand for Wheat” (Die Elastizität der Weizennachfrage) versuchte R. A. Lehfeldt (1914), die Elastizität der Nachfrage zu bestimmen, indem er die historischen Daten des Weizenpreises im Verhältnis zum Weizenverbrauch betrachtete. Er versuchte, Veränderungen bei anderen Faktoren zu korrigieren (ceteris paribus) und stellte fest, dass die Elastizität der Nachfrage nach Weizen ein positiver Faktor von +0,6 ist.

Sollten wir aus dieser Studie schließen, dass die Nachfragekurve für Weizen ansteigend ist? Hat diese empirische Studie nicht gezeigt, dass die Wirtschaftstheorie falsch ist? Sollten wir die Theorie erneut überprüfen?

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Jeder vernünftige Wirtschaftswissenschaftler würde erklären, dass es sich bei den beobachteten Punkten nicht um Punkte auf einer stabilen Nachfragekurve handelt, sondern um sich ständig verändernde Schnittpunkte zwischen Nachfrage und Angebot oder um Punkte, die sich auf ein solches Gleichgewicht zubewegen. Eine Nachfragekurve ist wie ein Foto: Sie ist nur für den jeweiligen Fall gültig, da sich andere Faktoren ständig ändern, so dass die Positionen der Kurven von einem Fall zum nächsten unterschiedlich sind. Es ist unmöglich, die Steigung einer Nachfragekurve empirisch zu messen. Dies erinnert an die Heisenbergsche Unschärferelation in der Physik, die die inhärenten Schwierigkeiten bei der gleichzeitigen Bestimmung von Position und Geschwindigkeit eines Objekts verdeutlicht.

Dennoch haben viele andere empirische Studien seit 1914 zu verschiedenen Waren und Dienstleistungen diese inverse Beziehung zwischen Preis und nachgefragter Menge nachgewiesen. Dieser Empirismus unterstützt diese komplexe Hypothese lediglich, er kann sie niemals beweisen.

Wirtschaftswissenschaftler haben sich im Allgemeinen wenig zum Klimawandel geäußert, obwohl sie sich regelmäßig mit ähnlich komplexen Phänomenen beschäftigen. Doch wenn sich Ökonomen zum Klimawandel geäußert haben, haben sie den Schaden noch vergrößert. William Nordhaus erhielt 2018 den Nobelpreis für seine Arbeit an einem integrierten Bewertungsmodell, das seiner Meinung nach die Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels auf die Wirtschaft misst.

Wir haben es hier also mit zwei komplexen Phänomenen zu tun: dem menschengemachten Klimawandel und seinen Auswirkungen auf die Wirtschaft sowie der Entwicklung eines mathematischen Modells zur Beschreibung ihrer Wechselwirkungen. Dabei spielt es keine Rolle, dass viele Faktoren in Nordhaus’ Analyse nicht beobachtbar sind und dass diejenigen, die beobachtbar sind, Auswirkungen und Wechselwirkungen haben, die entweder instabil oder nicht messbar sind. Außerdem sind alle Messungen dieser Auswirkungen nur statistische Schätzungen. Im Allgemeinen gilt: Je größer das Modell, desto größer die Varianz der Ergebnisse.

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Es ist normal, dass es Meinungsverschiedenheiten über Hypothesen zu komplexen Phänomenen gibt. Diese Meinungsverschiedenheiten wären irrelevant, wenn es dabei bliebe, aber Nordhaus empfahl in seiner Rede, dass die Regierungen Beschränkungen auferlegen (zum Beispiel Obergrenzen und Handel, Kohlenstoffsteuern und Vorschriften), um die CO2-Emissionen zu bremsen. Das Pariser Abkommen von 2015, in dem sich 195 Parteien zur Bekämpfung des Klimawandels verpflichtet haben, zielt darauf ab, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf “deutlich unter” 2 ºC zu begrenzen und “die Bemühungen fortzusetzen”, um die Erwärmung innerhalb der sichereren Grenze von 1,5 ºC zu halten.

Eine Studie zeigte, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe mehr als 75 Prozent der anthropogenen Treibhausgasemissionen und mehr als 90 Prozent der Kohlendioxidemissionen verursacht. Fossile Brennstoffe, die aus bestehenden Öl-, Gas- und Kohlefeldern gewonnen werden, sind mehr als ausreichend, um die 1,5ºC-Grenze zu überschreiten. Die Förderung fossiler Brennstoffe aus neuen Öl- und Gasfeldern ist laut einem Bericht des Internationalen Instituts für nachhaltige Entwicklung und einem weiteren der Internationalen Energieagentur nicht mit dem 1,5ºC-Grenzwert vereinbar.

Bei der Klimadebatte greift also die eine Seite in das Leben, die Freiheit und das Eigentum anderer ein wegen einer Hypothese, die stets unbewiesen bleiben wird. Eine jüngere Studie ergab, dass 99,9 Prozent der Klimastudien darin übereinstimmen, dass der Mensch den Klimawandel verursacht. Wir müssen uns jedoch fragen, wie viele dieser Autoren die Leser über die Begrenztheit ihrer Folgerungen informieren? Können wir sie wirklich als Wissenschaftler bezeichnen, wenn sie die wissenschaftliche Methode nicht behandeln oder diskutieren?

In einem jüngeren Bericht des Weltklimarates der Vereinten Nationen (United Nations Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) geht diese wichtige Feststellung bei der Vielzahl der Details unter:

In der Klimaforschung und -modellierung sollten wir anerkennen, dass wir es mit einem verflochtenen, nichtlinearen, chaotischen System zu tun haben und dass daher eine langfristige Vorhersage künftiger Klimazustände nicht möglich ist.

Diese Komplexität führt zu einer wichtigen Schlussfolgerung: die Anerkennung der Begrenztheit des Wissens über den menschengemachten Klimawandel.

Diese Komplexität führt zu einer wichtigen Schlussfolgerung: die Anerkennung der Begrenztheit des Wissens über den menschengemachten Klimawandel.

In einer Welt, die oft von starken Meinungen geprägt ist, sollte eine echte Diskussion über den Klimawandel mit Demut beginnen und die Grenzen des menschlichen Wissens anerkennen. Ein Abgleich zwischen wissenschaftlichem Verständnis, wirtschaftlichen Erwägungen und politischen Entscheidungen in diesem komplizierten Bereich erfordert einen nuancierten Ansatz, der sowohl die Komplexität des Klimasystems als auch die inhärenten Unsicherheiten bei der Modellierung und Vorhersage beachtet.

Doch in unserer rechthaberischen Welt ist eine solche Bescheidenheit unwahrscheinlich.

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Dieser Artikel ist am 31. Januar 2024 auf der Website des Mises Institute, Auburn, Alabama (USA) im Original unter dem Titel Navigating the Complexity of Climate Change: A Closer Look at the Scientific Method and Its Challenges in Englischer Sprache erschienen. Übersetzt von Florian Senne.

Frank Hollenbeck lehrte Volkswirtschaft an der “International University” in Genf, Schweiz. Er war Senior Economist beim State Department, Chefökonom bei Caterpillar Overseas und Associate Director einer Schweizer Privatbank.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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