Die fragwürdigen Mittel der sozial-ökologischen Transformation

15. Dezember 2023 – von Eduard Braun

Eduard Braun

Die deutsche Bundesregierung rüstet sich für den Klimawandel und möchte Deutschland unter dem Schlagwort der „sozial-ökologischen Transformation“ bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral machen. Gleichzeitig möchte sie, daß Deutschland dabei seine Wettbewerbsfähigkeit behält, um als gutes Beispiel andere Länder davon zu überzeugen, einen ähnlichen Weg zu gehen. In diesem Artikel möchte ich einige der von der Bundesregierung zu diesem Zweck eingesetzten wirtschaftspolitischen Mittel untersuchen und kritisieren.

Die Regierung meint zunächst einmal, Wachstum dadurch erzeugen zu können, daß sie bestehende Güter – beispielsweise Heizungen – verbietet und damit im Endeffekt zerstört. Dadurch, so der Gedankengang, würde die Produktion von Ersatzprodukten angekurbelt und somit Arbeitsplätze geschaffen werden. Da ich diese Maßnahme schon an anderer Stelle besprochen habe, genügt hier ein kurzer Hinweis. Die Bundesregierung unterliegt einer naiven, jedoch weit verbreiteten Illusion, die der französische Ökonom Frédéric Bastiat (1801-1850) in seiner Parabel vom zerbrochenen Fenster sehr schön beschrieben und widerlegt hat. Bastiats Parabel sei jedem zur Lektüre empfohlen.

Aber die deutsche Bundesregierung hält neben Verboten noch weitere wirtschaftspolitische Instrumente bereit, um die „sozial-ökologische Transformation“ der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft durchzusetzen. Da wären auf der einen Seite die klassischen Subventionen, Förderungen und Staatsgarantien. Um ein Beispiel zu nennen, der Konzern Siemens Energy erhält allein vom Bund Förderungen in Höhe von rund 110 Millionen Euro, unter anderem aus den Programmen „Bundesförderung für effiziente Gebäude“, „Internationale Wasserstoffprojekte“ und „7. Energieforschungsprogramm“. Da Siemens Energy aber trotz dieser hohen Fördersumme riesige Verluste einfährt, soll der Konzern nun außerdem noch Staatsgarantien in Höhe von 7,5 Milliarden Euro erhalten.

Nach Einschätzung des Marktes sollte Siemens Energy seine Ausrichtung oder wenigstens die seiner Tochter Siemens Gamesa offensichtlich ändern. Die Bundesregierung hingegen ignoriert dieses Signal, dreht mit ihren Garantien die Interventionsspirale weiter und verhindert somit eine Bereinigung des Marktes um Projekte und Unternehmen, die Verluste schreiben und daher Ressourcen verschwenden. Durch diese Behinderung der Marktkräfte wird nichts anderes bewirkt, als daß der Abstand zwischen einer vernünftigen Verwendung der Ressourcen im Interesse der Endverbraucher einerseits und der tatsächlichen, ideologischen Ver(sch)wendung der Ressourcen andererseits immer größer wird. Es findet eine Fehlallokation der gesellschaftlichen Ressourcen im großen Stil statt.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Die Bundesregierung geht bei der sogenannten „sozial-ökologischen Transformation“ aber noch über die klassischen Förderinstrumente hinaus. Sie will außerdem zwei Maßnahmen einsetzen, die der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ausdrücklich als „zwei neue Instrumente“ bezeichnet: grüne Leitmärkte und Klimaschutzverträge. Als „neu“ werden sie vermutlich deswegen bezeichnet, weil es sich nicht um klassische Nachfragesteuerung handelt. Letztere ist spätestens seit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967 ein Bestandteil der deutschen Wirtschaftspolitik. Bei diesem wichtigen Gesetz geht es um Globalsteuerung im Sinne des Keynesianismus. Ziel ist die Beeinflussung volkswirtschaftlicher Gesamtgrößen wie Wachstum, Volkseinkommen, Preisniveau, Investitionen, Außenhandel oder Beschäftigung. Es geht hingegen nicht, wie bei den grünen Leitmärkten und den Klimaschutzverträgen, um die großangelegte Förderung einzelner Industriezweige mit dem Ziel der Transformation der Industrie. Insofern läßt sich das Urteil nachvollziehen, daß es sich dabei um neue Instrumente handle.

Die Bundesregierung … will außerdem zwei Maßnahmen einsetzen, die der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ausdrücklich als „zwei neue Instrumente“ bezeichnet: grüne Leitmärkte und Klimaschutzverträge.

Die Klimaschutzverträge sind dabei besonders interessant und verdienen eine nähere Betrachtung von einem freiheitlichen Standpunkt. Sie sind nämlich keineswegs so neu, wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz behauptet. Wie ich anderswo nachgewiesen habe, finden sich ganz ähnliche industriepolitische Maßnahmen in der europäischen, vor allem aber der deutschen Rüstungspolitik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch damals ging es um die Transformation der deutschen Industrie. Allerdings war das Ziel nicht die sogenannte „Klimaneutralität“. Stattdessen sollte die Industrie vor dem Hintergrund der geplanten oder bereits laufenden Kriege auf Autarkie und Aufrüstung getrimmt werden. Einige der damals verwendeten Mittel ähneln sehr denen der sozial-ökologischen Transformation – vor allem den Klimaschutzverträgen.

… ganz ähnliche industriepolitische Maßnahmen [finden sich] in der europäischen, vor allem aber der deutschen Rüstungspolitik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. … Einige der damals verwendeten Mittel ähneln sehr denen der sozial-ökologischen Transformation – vor allem den Klimaschutzverträgen.

Die Nationalsozialisten setzten beispielsweise sogenannte „Wirtschaftlichkeitsgarantieverträge“ ein, die zwischen dem Staat und (zumeist) einzelnen Unternehmen geschlossen wurden.[1] Mittels Preis- und Absatzgarantien verlagerte der Staat das Amortisationsrisiko von Investitionen auf sich. Als rechtliche Grundlage diente das ab Dezember 1933 geltende Gesetz über die Übernahme von Garantien zum Ausbau der Rohstoffwirtschaft. Am bekanntesten ist vermutlich der Benzinvertrag aus dem Jahr 1933, auch Feder-Bosch-Abkommen genannt. Darin übernahm der deutsche Staat Wirtschaftlichkeitsgarantien für alle synthetischen Produkte der Leunawerke. Der Vertrag legte einen bestimmten Garantie- und Gestehungspreis pro Liter Benzin fest. Wenn die tatsächlichen Kosten über diesem vereinbarten Gestehungspreis lagen, mußte der Staat den Differenzbetrag an das Leunawerk zahlen; lag der Preis jedoch darunter, mußte umgekehrt das Leunawerk die Differenz an den Staat abführen. Im Gegenzug zu den Wirtschaftlichkeitsgarantien stimmte die I.G. Farben zu, bis zum 31. Dezember 1935 mindestens 300.000 Tonnen synthetisches Benzin herzustellen.

Ganz ähnlich funktionieren die geplanten Klimaschutzverträge. Sie werden zwischen dem Staat und einem Unternehmen geschlossen und sollen die klimafreundliche Produktion eines Gutes ermöglichen. Hintergrund ist, daß sich Investitionen in klimafreundliche Produktionsanlagen im Regelfall nicht lohnen. Ein Klimaschutzvertrag garantiert dem Unternehmen daher eine Ausgleichszahlung, um es für die höheren Kosten der klimaneutralen Produktion zu entschädigen. Gleichzeitig sichert er das Unternehmen gegen Preisrisiken (vor allem Schwankungen des CO2-Preises) und andere Risiken ab.

Auch ein weiteres Detail der Wirtschaftlichkeitsgarantieverträge kehrt bei den geplanten Klimaschutzverträgen wieder. Die Klimaschutzverträge sehen ebenfalls vor, daß Unternehmen erhaltene Förderungen anteilig zurückzahlen müssen, sobald der Fall eintritt, daß klimaneutrale Produktion konkurrenzfähig wird, was insbesondere durch einen Anstieg des CO2-Preise über die Mehrkosten der klimaneutralen Produktion geschehen könnte.

Angesichts dieser Ähnlichkeiten wird man davon ausgehen müssen, daß die jetzige Industriepolitik grundsätzlich vergleichbare Folgen haben wird wie die Rüstungspolitik vor und in den Weltkriegen. Wie der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) in seinem Buch Omnipotent Government (S. 247) nämlich bemerkte,

liegt es nicht in der Macht von Regierungen, das Angebot einer Ware zu erhöhen, ohne eine entsprechende Einschränkung des Angebots anderer Waren zu verursachen, die von den Konsumenten dringender nachgefragt werden.

Dem Deutschen Reich erging es mit seiner Rüstungspolitik auf alle Fälle genauso, wie Mises das beschrieb. Bekanntermaßen prägte Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß in einer 1936 gehaltenen Rede das Schlagwort „Kanonen statt Butter“. Damit rief er dazu auf, die entstehenden Versorgungsengpässe hinzunehmen und sich wegen des geplanten Krieges einzuschränken.

Es steht zu befürchten, daß auch auf das heutige Deutschland Einschränkungen zukommen, wenn die Bundesregierung weiterhin Ernst macht mit ihrer „sozial-ökologischen Transformation“. Alle in diesem Artikel beschriebenen Maßnahmen – Verbote, Förderungen und Klimaschutzverträge – haben zur Folge, daß die vorhandenen Ressourcen umgelenkt werden in sogenannte klimafreundliche Industriezweige und Unternehmen. Es dürfte dabei kaum realistisch sein zu hoffen, daß eine künstlich und durch staatlichen Zwang herbeigeführte Ausdehnung „klimafreundlicher“ Industrien nicht mit dem Rückbau von Industrien einherginge, die Produkte herstellen, die aus Sicht der Konsumenten eigentlich viel wichtiger wären. Daß Deutschland im Jahr 2023 als einzige Industrienation wirtschaftlich schrumpfen wird, dürfte nur ein Vorgeschmack auf die kommenden Einschränkungen sein.

[1] Vgl. Scherner, Jonas: Die Logik der Industriepolitik im Dritten Reich. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2008, Kapitel 2.2

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Dr. Eduard Braun hat im Jahr 2011 bei Professor Dr. Jörg Guido Hülsmann an der Universität Angers (Frankreich) promoviert und ist Privatdozent an der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld, (https://www.wiwi.tu-clausthal.de/ueber-uns/abteilungen/volkswirtschaftslehre/ueber-uns/team/dr-rer-pol-eduard-braun).

Zuletzt erschien sein Buch Finance Behind the Veil of Money.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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