„Gegen den Marktradikalismus und Plutokratenkapitalismus“ – was will die AfD-Wirtschaftspolitik?

Rainer Zitelmann

11. August 2023 – von Rainer Zitelmann

Das Vokabular und die wirtschaftlichen Positionen des soeben als Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl gekürten Maximilian Krah ähnelt in mancher Hinsicht linker Rhetorik.

Auf ihrem Europa-Kongress hat die AfD Maximilian Krah als Spitzenkandidaten für die Europawahl im nächsten Jahr gekürt. In einem soeben erschienenen „Manifest“ mit dem Titel „Politik von rechts“ (Maximilian Krah, Politik von rechts. Ein Manifest, Verlag Antoaios, Schnellroda 2023) hat er seine Vorstellungen ausgebreitet, unter anderem von der Wirtschaft. Das Buch ist aufschlussreich, denn das offizielle Grundsatzprogramm der AfD wurde im Frühjahr 2016 beschlossen, als in der Partei pro-marktwirtschaftliche Kräfte noch sehr viel stärker waren als heute. Was Krah schreibt, dürfte den heutigen AfD-Mainstream besser widerspiegeln als das sieben Jahre alte Programm.

So wie die Politiker aller Parteien – bis hin zum linken Flügel der SPD und der LINKEN – bekennt auch Krah sich plakativ zum Privateigentum und zur Marktwirtschaft. Aber wichtiger als diese plakativen Bekenntnisse sind die Einschränkungen.

Rechte Politik, deren Kern die Verwurzelung des Menschen ist, ein Leben im Ich, mit der Identität als Kernbegriff, befindet sich damit immer in einer Spannung zum Markt,

so der AfD-Spitzenkandidat Krah. Der Markt kenne eben „keine Rücksicht auf Tradition, Natur und Identität“ und auch keine „menschliche Würde“. Deshalb solle sich rechte Politik dezidiert gegen den „Marktradikalismus“ stellen.

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„Marktradikalismus“ ist auch ein Begriff, der von linken Kapitalismuskritikern gerne gebraucht wird. Und so wie die Linke betont auch Krah „das Primat des Politischen“ über den Markt. Auch sonst findet man viele Begriffe der kapitalistischen Konsumkritik, so etwa, wenn gegen den „Schund und Schmutz der Wegwerfgesellschaft“ polemisiert wird. Skeptisch ist Krah generell, ob nicht der Wohlstand der „westlichen, liberalen Ökonomie“ schädlich sei, denn durch diesen Wohlstand sei die politische Rechte marginalisiert worden.

Natürlich darf nicht die Polemik gegen den „Ausverkauf nahezu aller DAX-Konzerne“ an die US-Heuschrecke Blackrock“ fehlen, betrieben durch CDU-Chef Friedrich Merz. Der Begriff „Heuschrecke“ für Private Equity-Investoren wurde 2005 von dem damaligen SPD-Vorsitzenden Müntefering in die Diskussion eingebracht und ist seitdem fester Teil der linken Rhetorik.

Auch die Globalisierung wird kritisch gesehen, denn sie gehe „mit dem extremen Liberalismus Hand in Hand“. Beim Thema Freihandel ist es ähnlich. Nach dem grundsätzlichen Bekenntnis zum Freihandel kommen sofort zahlreiche Einschränkungen. Handelsbeschränkungen seien notwendig, weil „Produkte politische und kulturelle Botschaften“ transportierten. Als Beispiel nennt Krah Coca Cola, das für den „American Way of Life“ stehe und damit „kulturelle Transformationen“ begünstige.

An Stelle von weltweiten Plattformen wie Google sollten nationale oder regionale Plattformen treten. Auch dürfe sich die politische Rechte nicht scheuen „der Elitenmigration“ entgegenzutreten, so Krah. Gemeint sind damit Vorstände von Unternehmen, die nicht deutscher Abstammung sind. Russischer Wodka statt Coca Cola und Arbeitsverbot für Manager ohne deutschen Pass?

Krah polemisiert gegen den „Plutokratenkapitalismus“. Es gelte, den Superreichen entgegenzutreten, und zwar insbesondere dann, wenn der Vermögensaufbau – wie etwa bei den Internet-Pionieren – in einer Generation erfolgt sei. Die Ziele dieser Superreichen seien „zumeist undurchsichtig und letztlich finster“. Schlimm sei auch, wenn Unternehmen „potenziell die ganze Welt als Kunde“ gewinnen wollten, denn:

Rechte Ökonomie basiert aber auf der Idee, dass Staaten eine Wirtschaft haben, und nicht, dass eine globale Wirtschaft Staaten als Standorte hat.

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Krah spricht zwar nicht von Autarkie wie einige andere rechte Antikapitalisten in der AfD , aber man sieht doch einen deutlichen Vorbehalt gegen Globalisierung, internationale Arbeitsteilung und freien Warenverkehr. Diese Vorbehalte, besonders gegen die Globalisierung, sind in der AfD weit verbreitet, und dies hat eine lange Tradition in Deutschland. Auch in dieser Beziehung gibt es Schnittmengen zwischen Links und Rechts.

Viele dieser Bekenntnisse dürften auch von einer Sahra Wagenknecht unterschrieben werden, was AfD-Gründer und Ehrenvorsitzende Alexander Gauland im Vorwort zu dem Buch auch ausdrücklich betont:

Dass sich manche seiner Einsichten mit denen von Sahra Wagenknecht decken“, so lobt Gauland, „macht das ganze noch spannender … Was Maximilian Krah und Sahra Wagenknecht eint, ist ein sozialer Konservatismus.

Manches, was man bei Krah liest, ist nicht ungewöhnlich, sondern Teil des kapitalismuskritischen Konsenses heute in Deutschland. Bemerkenswert sind sie deshalb, weil die linken Gegner der AfD diese nach wie vor als „marktradikal“ oder „wirtschaftsliberal“ kritisieren, obwohl sich die Partei von den einstmals vertretenen wirtschaftspolitischen Positionen Stück für Stück verabschiedet hat.

Es mag sein, dass es immer noch einzelne Marktwirtschaftler in der AfD gibt, aber die Wahl von Maximilian Krah ist ein weiterer Beleg dafür, dass sich inzwischen eine andere Position durchgesetzt hat. Bei Wahlen hat das der AfD genutzt, vor allem im Osten Deutschlands, wo Antikapitalismus noch stärker verbreitet ist als im Westen. Auf diese Weise konnte es ihr auch gelingen, relevante Teile der Wählerschaft von der LINKEN oder der SPD zu gewinnen.

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Eine etwas kürzere Version dieses Artikels ist bereits am 4. August 2023 bei Focus-Online erschienen.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist promovierter Historiker und Soziologe. Zitelmann hat 27 Bücher geschrieben und herausgegeben, u.a. „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“. Seine Bücher werden weltweit in zahlreiche Sprachen übersetzt – sein Buch „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“ (englisch: In Defense of Capitalism) erscheint in 30 Sprachen. Mehr Informationen: www.rainer-zitelmann.de

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