Auf dem Weg in die Planwirtschaft

23. Februar 2022 – von Rainer Zitelmann

Rainer Zitelmann

Für die Autohersteller werden in Brüssel „Flottenziele“ bestimmt, die festlegen, was sie zu produzieren haben. Mit einer Verordnung über „Taxonomie“ entscheidet die EU, welche Investitionen gut und welche schlecht sind. Mit einer EU-„Gebäuderichtlinie“ werden Immobilieneigentümer extrem umfassende Sanierungsverpflichtungen auferlegt.

Drei Beispiele dafür, dass das Verständnis dafür, wie Marktwirtschaft funktioniert, immer mehr schwindet. Daher zunächst eine Erinnerung: Marktwirtschaft beruht auf Privateigentum und Wettbewerb – die Unternehmen entscheiden, was und wie viel produziert wird. Bei dieser Entscheidung helfen ihnen die Preise, die sich am Markt bilden. Die zentrale Rolle spielen die Unternehmer, die neue Produkte entwickeln und neue Marktchancen entdecken, sowie die Konsumenten, die mit ihren individuellen Käufen letztlich über Erfolg oder Misserfolg des Unternehmers entscheiden. Im Sozialismus dagegen gibt es keine wirklichen Preise. Welche Produkte in welcher Menge produziert werden, entscheiden staatliche Planbehörden.

Freilich, in dieser reinen Form existiert keines dieser Systeme irgendwo auf der Welt. Alle Systeme sind tatsächlich Mischsysteme. In sozialistischen Systemen gab und gibt es Reste von Marktwirtschaft (andernfalls wären sie viel früher zusammengebrochen). In kapitalistischen Ländern gibt es heute eine Menge sozialistischer und planwirtschaftlicher Bestandteile (die das Funktionieren der Marktwirtschaft oft behindern). Das Problem liegt darin, wenn sich die Gewichte immer mehr zugunsten der planwirtschaftlichen Elemente verschieben.

Um es am Beispiel der drei eingangs erwähnten EU-Regelungen zu verdeutlichen:

Die Taxonomie-Verordnung bestimmt, ob eine Wirtschaftstätigkeit als „nachhaltig“ einzustufen ist. Nicht mehr Unternehmen, sondern Politiker und Beamte bestimmen, welche Investitionen getätigt werden sollen. Wozu das führt, hat die Debatte gezeigt, ob Kernenergie und Gas als „nachhaltig“ qualifiziert werden sollen oder nicht: Politische Erwägungen entscheiden über die Lenkung der Investitionen.

Die Automobilunternehmen passen sich brav an und verlangen Subventionen des Staates.

Gleiches gilt für die sogenannten Flottenziele der EU. Nicht mehr die Automobilhersteller – bzw. letztlich die Konsumenten – entscheiden, welche Autos produziert werden, sondern der Staat. Oliver Luksic, FDP-Verkehrsexperte und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr brachte es schon vor zwei Jahren so auf den Punkt: „Das Zeitalter grüner Planwirtschaft hat begonnen, wenn nicht mehr Angebot und Nachfrage, sondern der Staat bestimmt, welche Autos gebaut werden. Statt auf Technologieoffenheit wird allein auf die batteriebetriebene Elektromobilität gesetzt, die für sich aber kein Fortschritt und keine Innovation sein kann.“ Die Automobilunternehmen passen sich brav an und verlangen Subventionen des Staates. Meldungen wie  „Marke Volkswagen übererfüllt EU-CO2-Flottenziele 2020“ erinnern fatal an die DDR.

In der Wohnungswirtschaft wird darauf verwiesen, dass eine bedingungslose Pflicht zur Erreichung bestimmter Standards mit Bestrafung bei Nichterreichung einer Enteignung gleichkommt, wenn die Umsetzung bei einem Gebäude faktisch unmöglich ist.

Drittes Beispiel: Die EU-Kommission will die Mitgliedsländer verpflichten, »Minimum Energy Performance Standards« durchzusetzen. Private Eigentümer müssen bis 2030 nach strengsten Vorgaben ihre Häuser modernisieren, öffentliche Gebäude sollen bis 2027 renoviert werden. Von der Richtlinie mit Sanierungszwang sind knapp 15 Prozent der rund 220 Millionen Wohnungen in der EU betroffen. Der Lobbyist eines Dämmstoffherstellers jubelte: „Alle Gebäude mit zu hohem Energieverbrauch müssen in den kommenden Jahren renoviert werden.“ In der Wohnungswirtschaft wird darauf verwiesen, dass eine bedingungslose Pflicht zur Erreichung bestimmter Standards mit Bestrafung bei Nichterreichung einer Enteignung gleichkommt, wenn die Umsetzung bei einem Gebäude faktisch unmöglich ist.

Vor 100 Jahren veröffentlichte der Ökonom Ludwig von Mises sein epochales Werk „Die Gemeinwirtschaft“, in dem er nachwies, dass Sozialismus nicht funktionieren kann, weil es keine echten Preise gibt, wenn der Staat bestimmt, was produziert wird. Das Scheitern aller sozialistischen Systeme hat ihm Recht gegeben. Doch scheinbar haben die Menschen nichts aus der Geschichte dieses Scheiterns gelernt. Hegel meinte in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte: „Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dies, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.“

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Dieser Beitrag erschien bereits am 12. Januar 2022 als Gastkommentar in der WELT.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist promovierter Historiker und Soziologe. Am 22.02.2022 erschien sein Buch Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten: Zur Kritik der Kapitalismuskritik.

Rainer Zitelmann war zunächst Wissenschaftlicher Assistent am Zentralinsitut für sozialwissenschaftliche Forschung der FU Berlin. Danach war er Cheflektor des Ullstein-Propyläen Verlages und Ressortleiter bei der Tageszeitung “Die Welt”. Im Jahr 2000 gründete er sein eigenes Unternehmen, das er zu führenden Kommunikationsagentur der Immobilienbranche machte. Vermögend wurde er als Immobilieninvestor. Heute lebt er als Autor in Berlin. Zitelmann hat 24 Bücher geschrieben und herausgegeben, u.a. „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“. Er schreibt regelmäßig für Medien wie Neue Zürcher Zeitung, Welt, Focus, Le Loint, Linkiesta, Washington Examiner und National Interest. Zitelmanns Bücher sind in zahlreichen Sprachen erschienen und er ist ein gefragter Vortragsredner in Asien, den USA und Europa. Mehr Informationen: www.rainer-zitelmann.de

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

 

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