Wenn das Gewaltmonopol versagt
25. November 2020 – Recht auf Leben, Freiheit und Terrorabwehr
von Andreas Tögel
Wenn Friedrich Schiller in der Schlussszene seines Trauerspiels „Die Braut von Messina“ dem Chor folgende Worte in den Mund legt: „Das Leben ist der Güter höchstes nicht, Der Übel größtes aber ist die Schuld“, stößt er damit in der Alten Welt heute auf wenig Verständnis – was auch immer der Dichter damit sagen wollte. Für die meisten Menschen steht kein anderer Wert über dem Leben. Das kommt auch in Grund- und Verfassungsgesetzen, sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zum Ausdruck, wo es im Artikel zwei heißt:
(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
Das deutsche Grundgesetz normiert im Artikel 2, Abs. 2:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Ganze vier Worte findet der österreichische Gesetzgeber, der die Frage des Rechts auf Leben zudem nur indirekt regelt. Im Bundesverfassungsgesetz (B-VG) heißt es in Art 85:
Die Todesstrafe ist abgeschafft
Wie die gesetzlichen Bestimmungen auch aussehen – eines ist sicher: Das Recht auf Leben steht an der Spitze jeder Wertehierarchie, wenn das Heil nicht im Jenseits gesucht wird. Dieser Einsicht sind die folgenden Überlegungen gewidmet.
Mehrere Staaten Europas blicken auf leidvolle Erfahrungen mit dem Terror zurück:
► In Spanien tobte der Kampf mit den baskischen Separatisten von der ETA, die bis zur Einstellung ihrer Aktivitäten im Jahr 2011 für den Tod von 830 Menschen verantwortlich waren.
► Das Vereinigte Königreich zahlte im „Nordirlandkonflikt“ einen hohen Preis im Kampf gegen die nordirische Terrororganisation IRA, der zeitweise bürgerkriegsartige Formen annahm, von 1969 bis 1998 andauerte und mit dem „Karfreitagsabkommen“ beigelegt wurde.
► Deutschland erlebte viele Jahre des Terrors, der von linksradikalen Gangstern der RAF getragen wurde. Der 1972 bei den in München stattfindenden Olympischen Spielen von einem palästinensischen Kommando ausgeführte Anschlag, bei dem 11 Israelis und ein deutscher Polizist den Tod fanden, stand im Zusammenhang mit der RAF. Der RAF-Terror erlebte im „Deutschen Herbst“ des Jahres 1977 seinen Höhepunkt. 1998 endete der Spuk mit der Selbstauflösung der mörderischen Bande.
► In Italien waren in der Zeit von 1970 bis 1988 die kommunistischen „Brigate Rosse“ aktiv, auf deren Konto bis zum Jahr 1988 73 Morde, sowie mehrere Banküberfälle und Entführungen gingen.
Diese terroristischen Aktivitäten hatten eines gemeinsam: Sie waren allesamt „hausgemacht“ – wurden von autochthonen Einwohnern der jeweiligen Staaten oder von mit diesen in enger Beziehung stehenden Ausländern ausgeführt. Alle diese Terrororganisationen standen politisch links. Keiner der Täter hatte einen religiös fundierten Hintergrund. Das hat sich mit der Massenzuwanderung aus dem Orient und Nordafrika dramatisch gewandelt. Durch den damit einhergehenden Import muslimischer Fundamentalisten hat sich die Motivlage der Terroristen ebenso verändert, wie die zu deren Abwehr notwendigen Gegenmaßnahmen.
Die opferreichen Anschläge vom 11. September 2001 in den USA markierten einen Wendepunkt in der jüngeren Geschichte des Terrorismus: Erstmals wurden spektakuläre Anschläge nicht aus politischen, sondern aus fundamental-religiösen Gründen unternommen. Der von Samuel Huntington schon fünf Jahre vor „9/11“ beschworene „Kampf der Kulturen“ zwischen dem aufgeklärten Okzident und der geistig im Mittelalter steckengebliebenen Welt des Islam fand darin einen ersten Höhepunkt – wenn auch auf andere Weise als vom Autor angenommen. Die „Asymmetrie“ des inzwischen – ohne Kriegserklärung und ohne erkennbare Frontlinien – voll entbrannten Kampfes, hat er in dieser Form nicht kommen sehen.
Selbstmordaktionen liegen den auf ein Leben im Diesseits hin orientierten, westlichen „Kuffar“ nicht. Für nicht wenige „Rechtgläubige“ dagegen sind sie ein Freifahrschein ins Himmelreich – vorausgesetzt, ihre Taten sind durch Koran und Sunna gedeckt – dienen also der Verbreitung des Islams über den Erdball oder dessen Verteidigung. Der dem kriegerischen Vorbild Mohammeds folgende und im heiligen Krieg gegen die „Ungläubigen“ – im „kleinen Dschihad“ – fallende Kämpfer, ist im Lichte der kanonisierten Schriften des Islam das Idealbild des glaubensfesten Muslims. Der Al-Qaida-Slogan „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“, der nach den Anschlägen in Madrid im Jahr 1994 ertönte und inzwischen auch aus den Reihen der Hamas zu hören ist, bringt es präzise auf den Punkt.
Die fehlende Rücksicht auf das eigene Leben unterscheidet den muslimischen vom linken, westlich-materiell motivierten Terror – und macht ihn so außerordentlich gefährlich. Zudem findet jeder „Rechtgläubige“ die zur Begründung selbst grausamster Untaten nicht nur berechtigenden, sondern diese sogar gebietenden Textstellen im Koran, dem Hadith oder der Sira. Muslimische Terroristen morden mit unbeschwertem Gemüt und in der festen Überzeugung, Allah damit zu dienen. „Islamismus gibt es nicht. Es gibt nur den Islam“ stellt Recep Tayyip Erdoğan klar und hat damit recht. Der Begriff „Islamismus“ ist nichts weiter als eine bizarre Kopfgeburt westlicher Intellektueller. Wer würde wohl auf die kuriose Idee verfallen, Angehörige des Opus Dei als „Katholizisten“ zu bezeichnen? Entscheidend ist: Moslemische Legalisten berufen sich auf exakt dieselben Bücher wie die Kämpfer der Al-Qaida, des IS oder der Boko Haram.
Allahu Akbar! (Allah ist größer!) lautet der in Europa immer häufiger ertönende Schlachtruf. Der jüngst in Deutschland, Frankreich und zuletzt auch in Österreich erlebte Terror geht ausnahmslos auf das Konto muslimischer Täter. Von ganz wenigen nichtmuslimischen Einzeltätern wie Anders Breivik oder Branton Tarrant (die keinerlei religiöse Rechtfertigung für ihre Untaten vorzuweisen hatten) abgesehen, waren es stets in ihren Umfeldern bestens vernetzte „Rechtgläubige“, die sich anmaßten, über Leben und Tod von „Ungläubigen“ zu entscheiden.
Wie weiter oben bereits festgestellt: Terroristen, die auf ihr eigenes Leben keine Rücksicht nehmen, sind schwer zu bekämpfen. Dazu kommt, dass die mittlerweile in allen westlichen Staaten existierenden, starken muslimischen Parallelgesellschaften genau das ermöglichen, was Mao Tse Tung in folgende Worte fasste: „Der Revolutionär muss sich in den Volksmassen bewegen, wie ein Fisch im Wasser.“ Und das ist bei muslimischen Tätern – anders als im Fall der RAF-Terroristen, bei denen es sich um einen weltfremden, ohne jede Unterstützung durch die Gesellschaft agierenden Klüngel handelte – längst der Fall. Man ersetze den Begriff Revolutionär durch Jihadist und wir sehen den Istzustand. Die notorische Rechtfertigung muslimischen Terrors durch Funktionäre muslimischer Gemeinden und das von vielen „Rechtgläubigen“ immer wieder geäußerte Verständnis für religiös motivierte Morde (an Personen, die vorgeblich den Islam oder seinen Propheten beleidigen), lassen tief blicken.
Der jüngste Terroranschlag in Wien, in dessen Vorfeld die Behörden in unglaublichem Maße versagten, macht deutlich, dass das staatliche Gewaltmonopol die Sicherheit der Bürger nicht gewährleisten kann. Ludwig von Mises (1881-1973) verdanken wir die folgende Einsicht, die sich bedauerlicherweise nur noch wenigen Zeitgenossen erschließt:
Der Staatsapparat ist ein Zwangs- und Unterdrückungsapparat. Das Wesen der Staatstätigkeit ist, Menschen durch Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu zwingen, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antriebe verhalten würden.
Das ist ganz offensichtlich! Denn wer seine fünf Sinne beisammen hat, wird sich nicht wehrlos von Terroristen oder anderen Gewaltverbrechern abschlachten lassen – vorausgesetzt, es ist ihm nicht verboten und daher möglich, sich wirkungsvoll selbst zu verteidigen.
Im April 2016 wurden an dieser Stelle folgende, angesichts der latenten Bedrohung durch muslimische Terroristen plötzlich wieder hochaktuell gewordene Fragen zum Thema des privaten Waffenbesitzes aufgeworfen:
Hat ein Regierungsmitglied das Recht, seinen Bürgern passive Untätigkeit im Falle gewaltsamer Attacken zuzumuten? Sollte der Bürger riskieren, auf der Intensivstation oder vorzeitig im Sarg zu landen, anstatt aggressiven Verbrechern robusten Widerstand zu leisten? Ist es eine staatsbürgerliche Pflicht, sich im Falle akuter gewaltsamer Bedrohungen schwer verletzen oder gar umbringen zu lassen, um das vom Politestablishment reklamierte Gewaltmonopol nicht herauszufordern? Und ist es nicht eine haarsträubende Tatsachenverdrehung, Notwehr – also die unmittelbare Abwehr eines Angriffs – mit Selbstjustiz, das heißt, mit der Verfolgung und Aburteilung eines Delinquenten, ohne ordentliches Gerichtsverfahren, gleichzusetzen, wie der Justizminister und die Mehrheit der Journaille das wider besseres Wissen tun?
Die Antwort auf all diese Fragen ist ein klares nein! Im Rechtsstaat darf das Recht dem Unrecht niemals weichen. Es ist eine Zumutung, wenn der Staat die Bürger der gewalttätigen Willkür von Gewaltkriminellen ausliefert und ihnen die Flucht als einzige Wahl lässt.
Wer jemals Israel bereist und gesehen hat, mit welch unbefangener Selbstverständlichkeit dort Zivilisten Waffen tragen, versteht, weshalb dieses kleine Land, das ständig von Feinden im Inneren und von außen bedroht wird, bereits seit geraumer Zeit sein Terrorproblem gelöst hat: Jeder zur Tat schreitende Terrorist muss dort mit augenblicklich einsetzender, bewaffneter Gegenwehr rechnen, während er es in Europa mit einer Herde wehrloser Opfer zu tun hat.
Es ist, nicht nur angesichts der laufend zunehmenden Bedrohung durch den islamisch motivierten Terror, hoch an der Zeit, die Illusion zu begraben, der einzelne Bürger hätte keinerlei Veranlassung, sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit selbst zu verteidigen. Antiterroreinheiten sind in dem Moment mit Sicherheit nicht an Ort und Stelle, wenn ein Jihadist damit beginnt, Zivilisten zu töten. Da Terroristen nicht dazu neigen, sich an waffengesetzliche Regeln zu halten, wie das aktuelle Beispiel des in Wien wütenden, „radikalisierten“ Muslims einmal mehr beweist (der Täter benutzte ein vom Balkan stammendes, vollautomatisches Gewehr, dessen Erwerb und Besitz Privatpersonen verboten ist), ist es geradezu irrsinnig, wenn der Gesetzgeber den Tätern auch noch einen erheblichen Vorteil verschafft, indem der die Opfer mittels restriktiver Waffengesetze entwaffnet.
Wer sein Recht zu leben verteidigt, braucht dafür keine Rechtfertigung. Aber er braucht geeignete Mittel dazu. Ein Staat, der Wert darauf legt, ein Rechtsstaat genannt zu werden, hat indes kein Recht dazu, mündigen, rechtschaffenen Bürgern die Selbstverteidigung faktisch zu verunmöglichen, indem er den legalen Erwerb von Feuerwaffen und das Recht diese bei sich zu führen, gesetzlich unterbindet.
Wie formulierte es der US-amerikanische Schriftsteller Robert A. Heinlein so schön: „Eine bewaffnete Gesellschaft ist eine höfliche Gesellschaft.“ Und wer kann gegen Höflichkeit ernsthaft etwas einwenden?
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.
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