Entscheidung der Fed zeigt: Zentralbanken halten sich nicht an Regeln

7. September 2020 – von Philipp Bagus 

Philipp Bagus

Die Federal Reserve hat ihr offizielles Inflationsziel angepasst, um noch flexibler und inflationärer agieren zu können. Schon immer war die amerikanische Notenbank inflationärer ausgerichtet als die Bundesbank und nach ihr die EZB, zumindest auf dem Papier. Das vorrangige Ziel der EZB ist die Preisstabilität. Die EZB sieht kurioserweise Preisstabilität als gegeben an, wenn die Teuerung unter aber nahe bei 2% liegt. Erst wenn dieses Ziel erreicht ist, unterstützt die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik.

In den USA sehen die Präferenzen etwas anders aus. Die amerikanische Notenbank verfolgt drei gleichberechtigte Ziele. Neben der Preisstabilität möchte die FED auch für moderate langfristige Zinsen und Vollbeschäftigung sorgen. Ein wenig mehr Inflation, um kurzfristig die Beschäftigung zu erhöhen, ist mit dem Mandat der Fed leichter zu begründen, als mit dem der EZB. Zudem hat die Fed seit 2012 ihr Inflationsziel auf 2% explizit festgesetzt, womit sie auch in diesem Punkt inflationärer als die EZB aufgestellt ist.

Durch die Strategiekorrektur geht die Fed noch einen Schritt weiter. Sie will nun auch Teuerungsraten von über 2% akzeptieren und ansteuern, wenn die Rate zuvor unter 2% gemessen wurde. Liegt beispielsweise die gemessene Teuerung drei Jahre lang bei 1%, dann besteht für die Fed bei einer Inflationsrate von 5% kein Problem. Da die US-amerikanische Inflationsrate in den letzten Jahren meist unter 2% lag, öffnet sich die Notenbank einen Spielraum für höhere Inflation. Damit ist die Ermessensfreiheit bei der Auslegung des Preisstabilitätsziels, das eigentlich Null Prozent Inflation bedeuten sollte, weiter gewachsen.

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Die wichtigste Einsicht ist folgende: Mit der Strategieanpassung legitimiert die Fed lediglich den Weg eines höheren Geldmengenwachstums, den sie eingeschlagen hat und fortsetzen will. Mit anderen Worten: Die Fed war gezwungen, diese Anpassung vorzunehmen, wenn sie ihrem Inflationskurs treu bleiben wollte. Wenn das Mandat im Weg steht, dann muss sich das Mandat ändern. Deshalb kommt der Strategiewechsel nicht überraschend, sondern ist die logische Folge der Absicht der Fed, weiterhin eine überschuldete Wirtschaft zu retten und die Regierung zu finanzieren.

Auch die EZB wird dieses Jahr ihre Strategien überprüfen und sie möglicherweise anpassen, d.h. inflationärer gestalten und damit ihren bereits eingeschlagenen Kurs festigen und nachträglich rechtfertigen.

Auch wenn die Strategieanpassung erwartet werden konnte, sind ihre symbolische Kraft und langfristigen Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Die Qualität des Dollars ist gesunken. Die Inflationserwartungen steigen. Das gibt den Aktienmärkten weitere Luft nach oben. Der Euro gewinnt relativ zum Dollar an Attraktivität, zumindest bis auch im Euroraum eine Strategieanpassung stattgefunden hat. Die Eurostärke schmerzt die deutsche Exportwirtschaft und erfreut die Eurokonsumenten.

Die wichtigste Einsicht der flexibleren Zielsetzung der Fed ist, dass sich die Zentralbanken nicht an Regeln halten. Sie machen die Regeln, indem sie sie neu interpretieren. Die Zentralbanken existieren in einer Symbiose mit den Regierungen, die sie finanzieren. Mit ihren überschuldeten Wirtschaften im Schlepptau haben sich die Notenbanken schon zu weit auf die Inflationsbahn hinausgewagt. Sie müssen Zinsen niedrig und die Geschwindigkeit der Druckerpresse hoch halten. Dadurch wurde auch der Schritt der Strategieanpassung letztlich unvermeidbar.

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Dieser Beitrag ist in gekürzter Fassung zuerst in der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ erschienen.

Philipp Bagus ist Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Zu seinen Forschungsschwerpunkten Geld- und Konjunkturtheorie veröffentlichte er in internationalen Fachzeitschriften wie Journal of Business Ethics, Independent Rewiew, American Journal of Economics and Sociology u.a.. Seine Arbeiten wurden ausgezeichnet mit dem O.P.Alford III Prize in Libertarian Scholarship, dem Sir John M. Templeton Fellowship und dem IREF Essay Preis. Er ist Autor eines Buches zum isländischen Finanzkollaps (“Deep Freeze: Island’s Economics Collapse” mit David Howden). Sein Buch “Die Tragödie des Euro” erscheint in 14 Sprachen. Philipp Bagus ist ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Hier Philipp Bagus auf Twitter folgen. Im Mai 2014 ist sein gemeinsam mit Andreas Marquart geschriebenes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen” erschienen. Zuletzt erschienen, ebenfalls gemeinsam mit Andreas Marquart: Wir schaffen das – alleine!

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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