Anthony Fauci: Wenn Politik die Wissenschaft übertrumpft

11. Mai 2020 – von William L. Anderson

William L. Anderson

Seitdem der Ausbruch von COVID-19 in den USA zu einem öffentlichen Ereignis geworden ist, ist allen das Gesicht von Anthony Fauci, dem Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases, vertraut – der wahrscheinlich am meisten polarisierenden Person nach dem US-Präsidenten Donald Trump. Für Progressive und zumindest für die gemäßigte Linke ist Fauci der große Held – der Mann, der mit den Launen des irren Trump gerungen hat, um die Amerikaner vor der Geißel namens Coronavirus zu retten. Wenn man CNN oder MSNBC schaut oder die New York Times liest, bekommt man den Eindruck, Fauci sei ein Gott, der einzig zu diesem Zweck zu den Menschen herabgestiegen ist.

Konservative und Libertäre haben ein anderes Bild von Fauci. Für sie ist er ein Agent des Deep State, der gegen den Präsidenten arbeitet, um Joe Biden dazu zu verhelfen, im November zum US-Präsidenten gewählt zu werden. (Für die New York Times oder das linksorientierte Buzzfeed sind das natürlich Verschwörungstheorien – wie von Rechten nicht anders zu erwarten, die samt und sonders die tödliche Gefahr von COVID-19 leugnen.)

In diesem Artikel soll Fauci weder als Held noch als Schurke dargestellt werden – zumindest nicht als Schurke im Bunde mit der Demokratischen Partei, mit dem Ziel, den US-Präsidenten zu Fall zu bringen. Zweifellos wäre Fauci begeistert von einem Demokraten im Weißen Haus, und wir können getrost annehmen, dass er Trump gerne zu Fall bringen würde, aber nur wenn dies im Zusammenhang mit seiner Arbeit stünde. (Sein kriecherischer Tweet, in dem er Hillary Clinton nach deren katastrophaler Benghazi-Anhörung anhimmelte, sollte jeden Zweifel an seiner politischen Meinung zerstreuen.) Menschen wie Fauci sehen sich selbst jedoch nicht als politische Akteure, sonder wähnen sich gerne weit über den politischen Niederungen, weil sie Profis des öffentlichen Gesundheitswesens sind – in ihren Augen dem höchsten Amt auf Erden. Progressive glauben, dass Menschen wie Fauci mehr Macht haben sollten, wofür Menschen wie Fauci natürlich ebenfalls sind – schließlich sind sie Experten. Der Glaube, Experten sollten Regierungsmacht erhalten, und nicht tölpelhafte Politiker – und sicher nicht tölpelhafte Politiker wie Donald Trump -, steht im Zentrum progressiven Gedankenguts.

Progressive und Bürokraten

Um Anthony Fauci zu verstehen, ist es nötig, progressive Ideologie zu verstehen, und dafür sollte man am besten Bürokratie von Ludwig von Mises lesen. Das Buch selbst handelt nicht von progressiver Ideologie – Mises erwähnt sie nicht einmal. Aber es erklärt die Vorgänge der Entscheidungsfindung in Bürokratien, und wie Bürokraten wie Fauci zu ihren Entscheidungen kommen. Fauci ist ein Bürokrat wie er im Buche steht – allerdings ein kameratauglicher.

Moderne Progressive – Sozialdemokraten – glauben, dass Märkte zwar gut darin sind, unwichtige Güter zu erzeugen, wie die zu große Auswahl an Deos, über die sich Bernie Sanders in seinem Wahlkampf zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten beschwert hat, aber nicht dazu geeignet sind, eine große Nation zu führen. Dazu seien sie zu schwerfällig, und es gäbe keine Möglichkeit, die wahren Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Experten sind nötig, um die Menschen hinsichtlich ihrer Bedürfnisse anzuleiten, von Lebensmitteln über Kleidung und Fortbewegungsmitteln bis hin zu medizinischer Versorgung. Danach entwerfen sie einen Plan, wie die Menschen an diese Dinge gelangen sollten.

Mises schreibt, Bürokratien seien dazu da, die Anweisungen der Träger politischer Macht umzusetzen, und nicht, um selber Politik zu machen. Nach mehr als einem Jahrhundert linker Herrschaft sind die Bürokratien selbst jedoch zu Zentren der Regierungsmacht geworden. Männer wie Fauci, mit ihrer antikapitalistischen Haltung und ihrer einseitigen Sichtweise des Lebens bestimmen, wie die Dinge laufen. Die meisten Menschen verstehen instinktiv, dass man Kompromisse zwischen gegensätzlichen Zielen eingehen muss. Bürokraten des öffentlichen Gesundheitswesens wie Fauci glauben hingegen, dass die Gefahrenabwehr, mit der sie betraut sind, das einzige sei, was zählt, unabhängig von den Kosten.

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Fauci lässt sich auf die Sichtweise der Medien ein, zu Lasten wissenschaftlicher Nachforschungen

Fauci versteht die Macht der Medien und der Konzentration auf nur ein einziges Thema so gut wie jeder andere Bürokrat des öffentlichen Gesundheitswesens in der Geschichte der USA. In den 1980ern hatte er eine führende Rolle bei der Förderung der AIDS-Forschung. Keine seiner Vorhersagen bezüglich AIDS trat ein. Es wurden nicht weite Teile Amerikas infiziert. Die “schwere Pandemie”, von der er und andere AIDS-Forscher redeten, gab es nie. Das hielt Behörden jedoch nicht davon ab, die AIDS-Forschung mit unverhältnismäßig hohen Summen zu fördern – zu Lasten von Krankheiten, deren Opfergruppen weniger politische Macht besitzen als die AIDS-Opfergruppe. Forscher und Bürokraten des öffentlichen Gesundheitswesens verkündeten, der AIDS-Teufel sei entfesselt – er war jedoch ein Gespenst ihrer Einbildung.

Zweitens lernte Fauci durch seine Arbeit mit HIV und AIDS, dass wissenschaftliches Arbeiten im öffentlichen Gesundheitswesen nicht unbedingt der Schlüssel zum Erfolg ist – zumindest nicht traditionelle Methoden der klinischen Forschung. Vielmehr geht es darum, Dinge wie wissenschaftliche Peer-Review-Prozesse zu umgehen, und sich direkt mit den Medien zu verbünden, insbesondere der New York Times. Zum Beispiel stand die HIV-AIDS-These 1984 für die klinische Forschung keinesfalls fest genug, um die volle Macht der staatlichen Maschinerie in Gang zu setzen, aber Fauci und andere überzeugten die Verantwortlichen der New York Times, sie hätten den Stein der Weisen dazu gefunden. Danach gab es kein Halten mehr, mit oder ohne wissenschaftliche Bestätigung. In einem Artikel in Reason von 1994 schreiben Charles A. Thomas, Kary B. Mullis (der 1993 den Nobelpreis für Chemie gewonnen hat) und Phillip E. Johnson:

Das HIV-Establishment und seine verbündeten Journalisten nehmen die verschiedenen Kritiker der HIV-Theorie nicht ernst. Es gibt keine überzeugende wissenschaftliche Arbeit – eine Arbeit, die dies nicht einfach als gegeben betrachtet -, die darlegt, dass HIV wirklich die Ursache für AIDS ist. Robert Gallos Pressekonferenz von 1984 präsentierte die HIV-Theorie einfach als Tatsache, als es noch keine Veröffentlichungen dazu in amerikanischen Journalen gab. Danach war dies für die Wissenschaft in Stein gemeißelt, und Kritiker wurden ignoriert oder es wurde gegen sie vorgegangen. Das führte zum Zusammenbruch der Mechanik der wissenschaftlichen Fehlerkorrektur, und zum Ausfall der Journalisten als kritische Nachfrager.

So haben weitere Akademiker, wie zum Beispiel die Historikerin Nancy MacLean mit ihrem erschütternd schlechten Werk Democracy in Chains und die Autoren des 1619 Project der New York Times herausgefunden, dass man akademische Kritik vermeidet, in dem man ein paar einflussreiche Journalisten davon überzeugt, dass die eigene “Wahrheit” dem linken Weltbild entspricht. Danach stehen ihnen alle Toren offen. So werden aus Unwahrheiten unumstößliche Tatsachen, die dann von radikalen Professoren an den Universitäten verbreitet werden und schließlich in das öffentliche Bewusstsein gelangen. Fauci hat diese Lektion sehr gut gelernt, und dabei noch die Medal of Freedom verliehen bekommen, als George W. Bush US-Präsident war.

Drittens ist es wichtig, zu verstehen, dass es sich bei der öffentlichen Gesundheit tatsächlich um politische Gesundheit handelt. Dies ist vermutlich die wichtigste Erkenntnis. Anders gesagt ist es für Beamte mit Karriereambitionen wie Fauci am einfachsten, im Medienzeitalter Kultstatus zu erlangen, in dem sie sich keinesfalls in der unsichtbaren Arena der medizinischen Forschung und des Peer-Review-Prozesses bewegen, sondern in dem sie eine Krise nach der anderen aufdecken, sich dann in den Mittelpunkt des darauf folgenden Medienzirkus stellen, wo Journalisten und Politiker vor der eigenen “Expertise” in Ehrfurcht erstarren. Ihr Appell an die Wissenschaft hintertreibt diese in Wahrheit. Ist eine Krise erst einmal ausgemacht, lässt die Flut an Steuerzahlergeld nicht lange auf sich warten.

Wie schon bemerkt, glauben Linke an sogenannte Experten, und niemand gilt in Bezug auf die COVID-19-Pandemie für Journalisten und die Politikerkaste als größerer Experte zu diesem Thema als Anthony Fauci. Betrachten wir jedoch, was er in dieser Krise geleistet hat, scheint es dafür keinerlei Grund zu geben. Seine Modelle lagen meist weit daneben. Als die Medien anfingen, vermehrt über das Virus zu berichten, verwendete er die vollkommen untauglichen Imperial College-Modelle, die 2,2 Millionen Coronavirustote in den USA voraussagten, würden die Behörden untätig bleiben. (Stellen wir uns den Film Animal House vor, in dem die Band erfolglos versucht, durch eine Wand zu marschieren.)

Keines der Modelle, die Fauci und andere verwenden, war in der Lage, die COVID-19-Todesrate in den USA vorauszusagen. Mögliche Todeszahlen waren stets weit übertrieben. Die Tatsache, dass Modellrechnungen immer weit an der Realität vorbeigehen, ist keine Nebensächlichkeit, sondern im öffentlichen Gesundheitswesen immanent. Organisationen wie das National Institutes for Health, die Food and Drug Administration, und das Centers for Disease Control werden als Bollwerk der Experten betrachtet, in denen nur geniale, selbstlose Männer und Frauen arbeiten, die alle Antworten auf die Fragen im Zusammenhang mit einer Gesundheitskrise haben.

Tatsächlich haben diese Experten des öffentlichen Gesundheitswesens in jeder Hinsicht versagt, wie Shikha Dalmia in ihrem Artikel für Reason schreibt:

[E]ine der richtigen Entscheidungen der WHO bestand darin, innerhalb weniger Wochen tausende von Tests an Labore auf der ganzen Welt zu versenden. Wenn die USA dem Beispiel von Südkorea, Taiwan und Deutschland gefolgt wären und zugelassen hätten, dass private und staatliche Labore diese Tests massenproduziert hätten, wären sofort landesweite Screenings möglich gewesen. Stattdessen erfand die CDC erst das Rad neu und entwickelte eigenen Tests. Private Labore wurden angewiesen, nichts zu tun und auf diese Tests zu warten, die dann nicht funktionierten, als sie endlich entwickelt waren. Ende Februar waren nur 4000 Menschen getestet worden. Deshalb wusste niemand, wie schnell sich das Virus verbreitete.

Unterdessen war die Vorgehensweise der US-Bundesbehörden bei den Meldungen stümperhaft, was zu weiteren Verzögerungen führte. Anfang März, als private Tests noch im Anfangsstadium waren und es noch keine Alternativen zu den staatlichen Laboren gab, erließ die FDA eine Anweisung an die CDC, alle positiven Tests noch einmal von diesen Laboren wiederholen zu lassen, bevor die Ergebnisse ihren Segen erhielten. Das bedeutete, dass in den entscheidenden Wochen in den USA viel zu niedrige Zahlen vorlagen und die Bedrohung von allen unterschätzt wurde. Schlimmer noch, es bedeutete, dass Laborkapazität und Testsubstanzen, an denen akuter Mangel herrschte, nicht für neue Tests zur Verfügung standen. Die FDA hatte anscheinend Angst davor, dass falsche positive Ergebnisse die Verbreitung schlimmer erscheinen lassen konnten, als sie wirklich war.

Beamte des öffentlichen Gesundheitssektors und Epidemiologen wie Fauci haben das grundlegende Problem, dass ihre Weltsicht eine administrative ist. Wie die meisten Linken glauben sie, dass eine komplette Wirtschaft und auch eine komplette Gesellschaft verwaltet werden kann – hierarchisch von oben nach unten. Mises hat sich diesem Problem in Bürokratie gewidmet, und er betonte, dass Bürokratien zwar erfolgreich Anweisungen in Bezug auf begrenzte Probleme umsetzen können, dass jedoch die Prinzipien der Bürokratie bei Anwendung auf eine Gesamtwirtschaft zu katastrophalen Ergebnissen führen würden.

Wegen ihrer administrativen Weltsicht können sich Leute wie Fauci gar nicht vorstellen, welchen Platz Märkte haben könnten, da sie ihrer Meinung nach langsam, chaotisch und ungerecht sind. Dass Menschen einfach im eigenen Interesse und ohne medizinische Aufsicht durch Leute wie sie selbst handeln, dient in ihren Augen nicht dem menschlichen Fortschritt, sondern führt nur zu Katastrophen.

Als einer der radikaleren Vertreter dieser Sichtweise hat Dr. Ezekiel Emanuel, der Gesundheitsberater von Joe Biden, verlangt, die USA für achtzehn Monate vollständig abzuriegeln, als ob das keine schwerwiegenden und bleibenden Konsequenzen haben würde. (Emanuel hat auch vorgeschlagen, medizinische Hilfe für über fünfundsiebzigjährige zu verbieten. Vermutlich gäbe es eine Ausnahme für seinen achtundsiebzigjährigen Chef.)

Fauci hat zwar nicht öffentlich Partei für Emanuel ergriffen, aber seine Vorgehensweise spiegelt seine linke, administrative Weltsicht wider, in der es neben der Auslöschung (oder mindestens massiven Senkung) von COVID-19 kein anderes Ziel gibt, was unter den gegenwärtigen Bedingungen unmöglich ist. Wir müssen damit leben lernen, wie Gesellschaften in früheren Zeiten gelernt haben, mit noch viel schlimmerem zu leben, von der Beulenpest, die lange Zeit weite Teile der Welt heimgesucht hat, über Pocken-, Masern- und Kinderlähmungsepidemien meiner Kindheit (Ich bekam die Masern, und alle hatten Todesangst vor Kinderlähmung, an der einer meiner Verwandten starb), bis zur Grippe der heutigen Zeit. Dank dem Kapitalismus – genau, dem Kapitalismus – gibt es nicht nur immer weniger Pandemien auf der Welt, sonder wir werden auch besser mit den verbliebenen fertig.

Man kann davon ausgehen, dass Fauci keine Vorstellung davon hat, welche Rolle der Kapitalismus nicht nur bei der weltweiten Bekämpfung von Krankheiten spielt, sondern auch bei der Bekämpfung von Armut und Hunger. Für jemanden, der sein ganzes Leben Bürokrat des öffentlichen Gesundheitswesens war und nur in Begriffen wie Budgets, Ausgaben und Anweisungen denkt, muss es unvorstellbar sein, wie privater Unternehmergeist die Welt zu einem besseren Ort macht. Er wird sich auch nicht vorstellen können, dass man eine Seuche nicht bekämpft, in dem man die Wirtschaft vernichtet. Diese Tatsache, und nicht irgendwelche ominösen Deep State-Aktivitäten, sorgen dafür, dass er als öffentliches Gesicht der Bekämpfung des Coronavirus ungeeignet ist.

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Aus dem Englischen übersetzt von Florian Senne. Der Originalbeitrag mit dem Titel Anthony Fauci: When Politics Trumps Science ist am 22.4.2020 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

William L. Anderson ist Fellow des Mises Institute und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Frostburg State University. Er erwarb seinen MA in Wirtschaftswissenschaften an der Clemson University und seinen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften an der Auburn University, wo er als Mises Research Fellow tätig war. Er schreibt seit 1981 über die Österreichische Nationalökonomie, nachdem er durch den verstorbenen William H. Peterson erstmals in die österreichische Sichtweise eingeführt wurde. Im Jahr 1982 gewann er den Olive W. Garvey Economic Essay Contest und präsentierte seine Arbeit bei der Mont Pelerin Gesellschaft in Berlin. Dort lernte er die Ökonomen Murray Rothbard, Milton Friedman, James Buchanan, Morgan Reynolds, William Hutt und andere kennen. Er hat zahlreiche Artikel und Abhandlungen über Wirtschaft und politische Ökonomie veröffentlicht, darunter Artikel in The Independent Review, Reason Magazine, The Free Market, The Freeman, Public Choice, The American Journal of Economics and Sociology, Quarterly Journal of Austrian Economics, The Journal of Markets and Morality, Regulation, Freedom Daily und anderen. Häufig schreibt er auch für LewRockwell.com.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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