Können Freie Privatstädte den Staat ersetzen?
12. April 2019 – Lesen Sie nachfolgend ein Interview, das das Mises Institute in Auburn, US Alabama, vor wenigen Tagen mit Titus Gebel führte. Titus Gebel ist Gründer, Präsident und CEO von Free Private Cities, Inc. Er ist ein deutscher Unternehmer, hat in internationalem Recht promoviert und ist der Autor von Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt.
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Mises Institute (MI): Angesichts der heutigen Macht großer Staaten, welche Hoffnung besteht, dass Privatstädte überhaupt existieren können? Würden diese nicht einfach von größeren Mächten überfallen oder besetzt werden?
Titus Gebel (TG): Erfolgreiche Privatstädte würden wirtschaftliches Wachstum und einen Mehrwert für die umliegenden Gebiete bieten. Gewalttätige Eingriffe seitens anderer Staaten würden diesen Wert schädigen. Die Situation, die wir bei heutigen Kleinstaaten beobachten können, ist nicht anders. Nur sehr wenige Staaten können völlig unabhängig von Großmächten handeln und dennoch können selbst mächtige Staaten andere Territorien nicht einfach nach Belieben besetzen. Solche aggressiven Handlungen bewirken nämlich, dass wiederum andere Mächte in das Geschehen eingreifen, was klar eine derartige Verletzung der Souveränität verhindert. Wenn dies nicht der Fall wäre, würde keiner der heutigen Kleinstaaten existieren.
MI: Kann sich dieses Modell im Laufe der Zeit behaupten? Würden den Bewohnern mit der Zeit nicht bedeutende Änderungen im Regierungs-Modell auferlegt werden und somit die Privatstädte in eine andere Form eines konventionellen Staates verwandelt?
TG: Es sollte für Privatgerichte möglich sein, eine neue rechtliche Vereinbarung unter Anwendung der seit Jahrhunderten geltenden Rechtsgrundsätze zu beschließen und einen angemessenen Interessenausgleich zu erreichen. So funktioniert Common Law.
MI: In einem Markt ist es unvermeidlich, dass sich einige Stadtbetreiber verkalkulieren und in Konkurs gehen. Sind denn dann alle Lebenspläne der Einwohner dieser Städte zum Scheitern verurteilt?
TG: Wenn dem Betreiber Insolvenz droht oder er tatsächlich insolvent wird, besteht wie bei anderen Unternehmen immer die Möglichkeit, dass ein Konkurrent, ein Teil der Einwohner oder die Gesamtheit der Einwohner selbst die Stadt übernehmen („Resident Buy-Out“). Darüber hinaus ermöglicht eine Insolvenz einen normalen und schuldenfreien Neustart für Schuldner. Gegenwärtige wäre unsere Welt auch besser dran, wenn bankrotte Länder ein Insolvenzverfahren effizienter durchlaufen könnten.
MI: Sind freie Privatstädte nicht einfach nur Trittbrettfahrer? Sie nutzen die Infrastruktur des sie umgebenden Gaststaates und dessen militärischen Schutz, könnten jedoch nicht alleine existieren.
TG: Nahezu kein Staat der Welt ist wirklich unabhängig. Dies ist auch nicht weiter problematisch, wenn diejenigen, welche von außerhalb der Stadt aus Infrastruktur oder militärischen Schutz bieten, entsprechend bezahlt werden. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass erfolgreiche unabhängige Privatstädte im Laufe der Zeit eine ausreichende Infrastruktur sowie defensive Kapazitäten aufbauen werden, so wie es in Singapur der Fall ist.
MI: Sind die Betreiber der Stadt nicht wie kleine Diktatoren? Würden die Einwohner der Stadt ihnen nicht ausgeliefert sein?
TG: Der Stadtbetreiber ist gebunden an den Vertrag zwischen der Stadt selbst und den Bewohnern. Dies beschränkt die Vorrechte der Stadtbetreiber auf nur wenige Bereiche. Bezüglich Streitigkeiten hat sich der Betreiber darüber hinaus einem unabhängigen Schiedsverfahren unterworfen, welches außerhalb seiner eigenen Kontrolle liegt. Natürlich könnte er aufgrund des territorialen Gewaltmonopols innerhalb der Stadtgrenzen tatsächlich das ausüben, was manche als „Diktatur“ bezeichnen. Angesichts der Leichtigkeit, eine private Stadt zu verlassen, stehen Stadtbetreiber jedoch unter dem Druck, ihre Macht nicht zu missbrauchen. Wenn Betreiber tatsächlich missbräuchlich werden sollten, würden die meisten Bürger die Stadt verlassen und es wäre aufgrund des Reputationsverlustes für Betreiber unmöglich, an anderen Orten erfolgreich neue Privatstädte zu gründen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Betreiber nicht vom Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes auf hoher See oder dem Manager eines abgelegenen Ferienortes. Beide haben theoretisch die Möglichkeit, als Diktatoren zu agieren, verzichten aber aus wirtschaftlichen Gründen darauf.
MI: Viele Beobachter befürchten, dass aufgrund des fehlenden Sozialstaates und das Fehlen der entsprechenden Schutzbestimmungen, die Schwächeren von den Starken ausgebeutet würden.
TG: Selbst in einer freien Privatstadt sind die Schwachen nicht wehrlos, weil es ein privatrechtliches System gibt, das zum Beispiel vor betrügerischen oder versteckten Klauseln in Verträgen schützt. Der Einwand ignoriert schließlich auch die Tatsache, dass der Schutz der Schwachen und die Hilfe für die wirklich Bedürftigen, die sich nicht helfen können, auch ohne staatliche Zwangsmittel gewährleistet werden kann. Dies würde ohne die schädlichen Nebeneffekte staatlicher bürokratischer Systeme gewährleistet. Infolgedessen können freie Privatstädte einen besseren sozialen Schutz bieten als sogenannte Sozialstaaten. Die Frage der sozialen Sicherheit ist jedoch legitim und wird in meinem Buch ausführlicher behandelt.
MI: Wie können mit freien Privatstädten globale menschliche Probleme wie Umwelt- und Klimaschutz angegangen werden?
TG: Die meisten Umweltprobleme sind regional und können daher auch auf regionaler Ebene gelöst werden. Zur Attraktivität einer freien Privatstadt gehört auch eine saubere Umwelt und somit wird das Regulierungssystem diesen Aspekt auch berücksichtigen. Freie Privatstädte oder Einwohner, die die Umwelt anderer Länder über ihre Grenzen hinaus beeinflussen, sind auch rechtlichen Maßnahmen der Betroffenen ausgesetzt.
Was angebliche globale Probleme angeht, sind Lösungen ohne eine einheitliche Weltregierung möglich, wie dies bei der Beschränkung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) der Fall war. Oder aber: das Problem oder die vorgeschlagenen Lösungen sind so fragwürdig, dass unterschiedliche Ansätze wünschenswert sind. Beispielsweise sagte 1972 der «Club of Rome» voraus, dass viele Metalle bis 1990 erschöpft sein würden. Wenn die Welt sich auf diese falsche Vorhersage verlassen hätte, hätte der Aufstieg der aufstrebenden Volkswirtschaften, welcher Milliarden von Menschen aus der Armut zerrte, nie stattgefunden. Wahrscheinlich wären Millionen völlig unnötig aufgrund einer geplanten und mangelhaft funktionierenden Wirtschaft gestorben. Keine der bisher in meinem Leben vorhergesagten Katastrophen hat sich verwirklicht: Hungersnöte durch Bevölkerungsexplosion, Atomkrieg, durch eine Atomkatastrophe verursachte Verstrahlung der Welt, Wüstenbildung, Abholzung, Zusammenbruch der Artenvielfalt der Meere, Verdunkelung der nördlichen Hemisphäre durch Verbrennung von Ölquellen im ersten Irakkrieg, Erschöpfung der Ölreserven, Lithium und seltenen Erden, usw.
Aus dem Englischen übersetzt von Nikolai Stengel.
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Und hier können Sie den Vortrag von Dr. Titus Gebel im Rahmen der 5. Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Institut Deutschland am 21. Oktober 2017 sehen: „Freie Privatstädte – die Zukunft gehört politikfreien Gemeinwesen“
Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er gründete unter anderem die Deutsche Rohstoff AG. Er möchte mit Freien Privatstädten ein völlig neues Produkt auf dem „Markt des Zusammenlebens“ schaffen, das bei Erfolg Ausstrahlungswirkung haben wird. Zusammen mit Partnern arbeitet er derzeit daran, die erste Freie Privatstadt der Welt zu verwirklichen. Im April 2018 ist sein Buch „Freie Privatstädte – mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“ erschienen.
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