Der Kapitalismus hilft den Armen

20.7.2016 – von Steven Horwitz.

Steven Horwitz

Häufig werden die Märkte und der Kapitalismus beschuldigt, sie würden den Armen das Leben vermeintlich schwerer machen. Das hört man nicht nur häufig in den Hallen der eher linken Akademien, sondern auch in breiteren intellektuellen Kreisen. Aber wie viele andere Kapitalismuskritiken auch, ignoriert diese Anschuldigung die sehr realen – und klar ersichtlichen – historischen Tatsachen.

Die größten Fortschritte in der Armutsbekämpfung wurden in den Ländern erzielt, die ihre Märkte geöffnet haben.

Kein Bestreben der Menschheit war so erfolgreich in der Armutsbekämpfung wie die Marktwirtschaft. Diese Aussage ist wahr, ganz gleich ob man einen Zeithorizont von Jahrzehnten oder Jahrhunderten betrachtet. Weltweit ist die Anzahl der Menschen, denen täglich weniger als 2 Dollar zur Verfügung stehen, seit 1990 um mehr als die Hälfte gesunken. Länder wie China oder Indien, die ihre Märkte geöffnet haben, erlebten die größten Fortschritte in der Armutsbekämpfung.

Betrachten wir einen größeren historischen Zeitraum, so sehen wir, dass die heutigen Trends nur eine Folge der kapitalistischen Fortschritte in der Armutsbekämpfung sind. Im weitaus größten Teil der bisherigen Menschheitsgeschichte gab es nur wenige Reiche und sehr viele Arme. Mit dem Kapitalismus und der Industriellen Revolution setzte sich eine Gegenbewegung in Gang. Das Wirtschaftswachstum beschleunigte sich, verbreitete sich in der Bevölkerung und erschuf unsere eigene Welt im Westen, in der es ziemlich viele Reiche und einige wenige Superreiche gibt.

Ein Beispiel: Der Anteil der amerikanischen Haushalte unter der Armutsgrenze, der grundlegende Haushaltsgeräte besitzt, ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Arme Familien in 2005 besitzen jetzt mehr Trockner, Spülmaschinen, Kühlschränke oder Klimaanlagen als der durchschnittliche Haushalt in 1971. Und Dinge wie Handys, die damals nicht einmal existierten, waren 2005 im Eigentum von 50% der armen Haushalte und sind heute im Eigentum einer gewaltigen Mehrheit von ihnen.

Kapitalismus verbesserte das Leben der Armen auch darin, dass Säuglings- und Kindessterblichkeitsraten – ganz zu schweigen von Sterberaten der Mütter während der Geburt – reduziert und Lebenserwartungen um Jahrzehnte verlängert worden sind.

Wir verbringen einen sehr viel kleineren Teil unseres Lebens damit, für Geld zu arbeiten, egal ob wir reich oder arm sind

Denken Sie auch daran, dass es das kapitalistische Wachstum möglich gemacht hat, dass die Erde heute fast 7 Milliarden Menschen versorgen kann, im Vergleich zu 1 Milliarde Menschen im Jahr 1800. Deirdre McCloskey von der University of Illinois in Chicago bemerkte, dass es der Menschheit, wenn man den Konsumanstieg des Durchschnittsmenschen mit dem weltweiten Anstieg der Lebenserwartung mit 7 multipliziert (7 Milliarden anstatt 1 Milliarde Menschen), um einen Faktor von ungefähr 120 besser geht. Das sind seit 1800 nicht 120 Prozent besser, sondern 120 mal besser.

Der Wettbewerbsprozess des Marktes machte Bildung, Kunst, und Kultur für mehr und mehr Menschen zugänglich. Selbst die ärmsten Amerikaner, ganz zu schweigen von den Armen auf der Welt, haben durch Internet und Fernsehen Zugang zu Konzerten, Büchern, und Kunstwerken, die Jahrhunderte lang exklusiv das Metier der Wohlhabenden waren.

In den wohlhabendsten Ländern führte die kapitalistische Dynamik zu Änderungen in der Art und Weise, wie wir arbeiten. Dort, wo die Menschen einst 14 Stunden am Tag im Freien Schwerstarbeit leisteten, arbeiten mehr und mehr von uns gemütlich in einem klimatisierten Büro. Dank dem gesteigerten Wert unserer Arbeitskraft, die durch das Arbeiten mit produktivem Kapital zustande kommt, sind unsere Werktage und Arbeitswochen geschrumpft. Wir verbringen einen sehr viel kleineren Teil unseres Lebens damit, für Geld zu arbeiten, egal ob wir reich oder arm sind. Und selbst mit Änderungen und wirtschaftlichen Trendwechseln sind die Einkommensquellen der Armen sehr viel weniger gefährdet, da sie nicht mehr länger mit den unvorhersehbaren Wetterrisiken für die Landwirtschaft verknüpft sind.

Denken Sie folgendermaßen: Die unglaublich wohlhabenden Könige von damals hatten Bedienstete, die sich um jeden ihrer Wünsche kümmern, aber ein retinierter Eck- oder Weisheitszahn hätte sie wahrscheinlich das Leben gekostet. In den größtenteils kapitalistischen Ländern genießen die Armen eine medizinische Versorgung und Lebensmittel von einer solch hohen Qualität, von der die damaligen Könige nur hätten träumen können.

Denken Sie auch daran, dass die armen Arbeiter im London vor 100 Jahren bestenfalls in der Lage dazu waren, weniger als ein halbes Kilo Fleisch pro Woche unter all ihren Kindern aufzuteilen – und die Menschen hatten damals mehr Kinder als heute. Außerdem aß die ganze Familie nur einmal in der Woche am Sonntag Fleisch – dem Tag in der Woche, an dem der Mann im Haushalt zum Abendessen zu Hause sein konnte. Das war die Ration für eine Woche.

Dieser Fortschritt ist nicht der Technologie zu verdanken

Vergleichen Sie das mit heute, wenn wir uns darum sorgen machen, dass arme Amerikaner zu einfach in der Lage sind, sich jeden Tag für weniger als eine Stunde Arbeit eine Mahlzeit mit über 100g Fleisch zu leisten. Selbst wenn Sie der Meinung sind, dass Kapitalismus bei armen Menschen zu Übergewicht geführt hat, ist das eine große Errungenschaft, wenn man bedenkt, dass es vor dem Kapitalismus normal war, konstant unterernährt zu sein und dass es für die arbeitenden Armen noch vor 100 Jahren sehr schwierig war, genug Kalorien zu sich zu nehmen.

Die Realität ist, dass die Reichen in der Geschichte immer gut lebten, da sie Jahrhunderte lang andere Menschen damit beauftragen konnten, all ihre Wünsche zu erfüllen. In einer vorkapitalistischen Welt hatten die Armen keine Chance, in der Gesellschaft aufzusteigen oder sich vom endlosen Schuften, das sie gerade so am Leben erhielt, zu befreien.

Heute leben die Armen in den kapitalistischen Ländern wie die Könige. Das lag hauptsächlich an der Befreiung der Arbeit und der Fähigkeit, Kapital anzusammeln, was die Arbeit an sich produktiver macht und selbst die Ärmsten bereichert. Dank fallender Kosten von Gütern, die einst Luxusartikel waren und jetzt als lebensnotwendig gelten – getrieben vom Markt und den Profit- und Verlustsignalen – haben die Massen Zugang zu arbeitssparenden Maschinen. Als Profitstreben und Innovation für das Bürgertum akzeptable Verhaltensweisen wurden, begann ein Prozess des Wohlstandes, der selbst die Ärmsten bereicherte.

Seit Menschen nicht mehr Länger eine Erlaubnis für Innovation brauchen, und seit der Wert neuer Erfindungen durch Gewinn und Verlust bewertet werden, fingen die Armen damit an, ihr Leben komfortabler und in Würde zu leben.

Manche würden sagen, dieser Fortschritt käme durch Technologie zustande, aber das ist nicht der Fall. In der Sowjetunion gab es großartige Wissenschaftler, aber die Sowjets konnten aus diesem Wissen keinen materiellen Komfort für die Armen schöpfen. Und dieser Fortschritt kommt auch nicht durch Bodenschätze zustande. Das ist offensichtlich, wenn man bedenkt, dass das rohstoffarme Hong Kong dank Kapitalismus eines der reichsten Länder der Erde ist, während Sozialismus das rohstoffreiche Venezuela vernichtete.

Erfindungen werden nur dann zu Innovationen, wenn die richtigen Institutionen existieren – erst dann können sie bewirken, dass sich das Leben einer großen Anzahl von Menschen verbessert. Das brachte der Kapitalismus zustande und er tut es Tag für Tag. Und daher ist Kapitalismus für die Armen etwas Gutes.

Ziehen Sie in Betracht, was passierte, als die Sowjets die Verfilmung von Früchte des Zorns als antikapitalistische Propaganda darstellten. Im Roman und im Film musste eine arme amerikanische Familie zur Zeit der Großen Depression ihr Haus in der Dust Bowl  verlassen. Sie nutzten ihr altes Auto und machten eine furchterregende Reise nach Kalifornien auf der Suche nach einem besseren Leben. Nach einer kurzen Zeit stoppten die Sowjets die Ausstrahlung des Films, weil das russische Publikum erstaunt darüber war, dass sich arme Amerikaner ein Auto leisten konnten.

Selbst antikapitalistische Propaganda kann nur Beweise hervorbringen, die ihrem eigenen Argument widersprechen. Die historischen Fakten sind klar: Nichts hat den Armen so sehr geholfen wie der Kapitalismus .

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Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg. Der Originalbeitrag mit dem Titel Capitalism Is Good for the Poor ist am 9.6.2016 auf der website der Foundation of Economic Education erschienen.

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Steven Horwitz ist Charles A. Dana Professor of Economics an der St. Lawrence University und Autor von Hayek’s Modern Family: Classical Liberalism and the Evolution of Social Institutions.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Fotos: fee.org / youtube

 

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