Klimawandel: Die falsche Behauptung vom „97-Prozent-Konsens“

20. November 2019 – von Robert P. Murphy

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Robert P. Murphy

Eines der populären Argumente der Verfechter aggressiver Staatseingriffe in der Klimawandeldebatte besteht darin, sich darauf zu berufen, dass „97% aller Wissenschaftler“ ihrer Meinung sind, und folglich alle Kritiker unwissenschaftliche „Leugner“.

Diese Behauptungen waren von Anfang an zweifelhaft; Leute wie David Friedman haben bewiesen, dass die Behauptung vom 97%-Konsens nur deshalb zum beliebten Argument werden konnte, weil mit einer verzerrenden Methode völlig falsch dargestellt wurde, wie wissenschaftliche Artikel bewertet werden. So wurde die Zahl extrem aufgeblasen.

Abgesehen davon verwendet die Rezension eines Buches im Magazin The New Republic, das sich kritisch mit der Hauptstromökonomie auseinandersetzt, exakt denselben extrem hohen Konsens-Prozentsatz, um die Wissenschaft der Ökonomie in schlechtem Licht dastehen zu lassen. Mit anderen Worten: wenn es um die fast einstimmige Ablehnung von Mietpreiskontrollen oder Zöllen unter Ökonomen geht, kommen zumindest manche Linke zu dem Schluss, dass es sich hier um Gruppendenken handeln muss. Die einzige Gemeinsamkeit in diesen beiden Fällen besteht darin, dass sich The New Republic auf die Seite derer stellt, die mehr Staatseingriffe befürworten – eine der Kernphilosophien seit Gründung durch Herbert Croly vor fast einem Jahrhundert.

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Die zweifelhafte „97%-Konsens-Behauptung“ zur Klimaforschung

Schon 2014 studierte David Friedman intensiv den Originalartikel, der den Ursprung des „97%-Konsens“-Argumentes darstellt. Tatsächlich stellten die damaligen Autoren, Cook et al., in ihrem Artikel von 2013 nur fest, dass 97,1% aller relevanten Artikel der Behauptung zustimmen, die Menschen würden zur globalen Erwärmung beitragen. Das ist allerdings überhaupt nicht dasselbe, wie zu behaupten, die Menschen seien die Hauptverursacher einer beobachteten globalen Erwärmung seit der industriellen Revolution.

Im Gegenteil – dies ist ein großer Unterschied. So bin ich zum Beispiel Mitautor einer Studie des Cato-Instituts, zusammen mit den Klimawissenschaftlern Pat Michaels und Chip Knappenberger, in der wir uns vehement gegen eine CO2-Steuer in den USA aussprechen. Und trotzdem sind sowohl Michaels als auch Knappenberger laut Cook et al. als Klimawissenschaftler Teil des „97%-Konsenses“, weil sie beide der These zustimmen, dass, vorausgesetzt alle anderen Bedingungen bleiben gleich, CO2-Ausstoß durch menschliche Aktivitäten die Welt wärmer macht als sie es sonst wäre. Diese Beobachtung an sich bedeutet noch nicht, dass es eine Krise gibt, oder dass eine hohe CO2-Steuer gerechtfertigt wäre.

Übrigens hat der Ökonom David R. Henderson herausgefunden, dass der Artikel von Cook et al. tatsächlich sogar zu einer noch unspektakuläreren Beobachtung kommt, als Friedman berichtete. Henderson schreibt:

(Cook et al.) sind zu ihren 97% gekommen, in dem sie nur die Zusammenfassungen berücksichtigt haben, die zur menschengemachten globalen Erwärmung überhaupt Stellung bezogen haben. Ich finde es interessant, dass 2/3 der Zusammenfassungen überhaupt keine Position bezogen haben. Wenn man also David Friedmans und meine Kritik berücksichtigt, lassen sich Cooks und Bedfords Ergebnisse folgendermaßen zusammen fassen: „Von ca. einem Drittel der über die globale Erwärmung schreibenden Klimawissenschaftler, die sich zu der Rolle der Menschen geäußert haben, sind 97% der Meinung, dass die Menschen zumindest irgendeinen Teil dazu beitragen.“ Das klingt längst nicht mehr so dramatisch, oder? [David R. Henderson, Fettschrift hinzugefügt.]

Um es also zusammenzufassen: Die saloppen Bemerkungen in den Hauptstrommedien und den Online-Diskussionen bringen den Durchschnittsbürger dazu, zu glauben, dass 97% aller Wissenschaftler, die zum Klimawandel etwas veröffentlicht haben, denken, dass die Menschen zum größten Teil dafür verantwortlich sind. Wenn wir allerdings die ursprüngliche Veröffentlichung von Cook et al. von 2013 betrachten, so haben sie tatsächlich herausgefunden, dass von den untersuchten Veröffentlichungen zum Thema Klimawandel nur ein Drittel überhaupt eine Meinung zu dessen Ursachen enthält, und von diesem Drittel 97% der Meinung sind, dass die Menschen zumindest einer der Gründe dafür sind. Dies so zu schreiben wäre wahrheitsgemäß – aber die Wahrheit hat in politischen Diskussionen (und heute sind fast alle Diskussionen über den menschengemachten Klimawandel politisch) keinen allzu hohen Stellenwert.

Die abweichenden Meinungen von The New Republic zum Konsens

Die Zeitschrift The New Republic wurde 1914 gegründet. Auf ihrer Internetseite heißt es: „Seit über 100 Jahren verfechten wir progressive Vorstellungen und stellen landläufige Meinungen in Frage. … The New Republic setzt sich für neue Lösungen zu den wichtigsten Fragen unserer Zeit ein.“

Wenn man dies weiß, wundert es einen nicht weiter, dass The New Republic den angeblichen 97%-Konsens der Klimawissenschaftler so verwendet, wie es linksprogressive Medien üblicherweise tun. Dies ist ein Auszug aus einem Artikel aus dem Jahr 2015 von Rebecca Leber, in dem Republikaner für ihre angeblich wissenschaftsfeindliche Haltung zum Klimawandel verdammt werden:

Vor zwei Jahren hat eine Gruppe internationaler Wissenschaftler unter Führung von John Cook von der Universität von Queensland 12.000 Zusammenfassungen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Klimawandel, die seit den 1990er Jahren erschienen sind, untersucht. Von den 4.000 Artikeln, die sich auf die eine oder andere Weise zu den Ursachen der globalen Erwärmung geäußert haben, waren 97% einer Meinung: Die Menschen sind die Hauptverursacher. Die Studie hat allen Menschen, von Präsident Barack Obama bis zum Komiker John Oliver, ein wunderbares Argument geliefert, in dem sie den wissenschaftlichen Konsens mit einer Zahl versehen hat. [Leber, Fettschrift hinzugefügt.]

Wir stellen fest, dass Leber hier schon falsche Tatsachen verbreitet, obwohl man sie entschuldigen kann – David Friedman zeigt in seinem Artikel, dass schon John Cook selbst für die Verwirrung in Bezug auf die tatsächlichen Ergebnisse der Studie verantwortlich ist (David Friedman spricht von einer offenen Lüge). Und wir stellen weiter fest, dass Leber bestätigt, was ich schon weiter oben vermutet habe, nämlich dass der Artikel von Cook et al. (2013) die Quelle des „Arguments“ (ihre Worte) vom sogenannten Konsens der Klimawissenschaftler ist.

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Zweck von Lebers Essay ist der dann folgende Angriff auf Ted Cruz und einige andere Republikaner, weil sie diesen Konsens der Klimawissenschaftler ignorieren:

All diese Debatten über eine einzige Statistik mögen albern erscheinen, aber es ist wichtig, dass die Amerikaner verstehen, dass eine überwältigende Mehrheit von der menschengemachten globalen Erwärmung überzeugt ist. Die Leugner haben es geschafft, die öffentliche Meinung über die Klimawissenschaften zu untergraben, was dazu führt, dass es weniger wahrscheinlich ist, dass die Wähler für Klimaschutzmaßnahmen stimmen.

Und jetzt kommt das wirklich Interessante: Ein Kollege hat mir eine Kritik von The New Republic eines Buches von Binyan Appelbaum geschickt, welches sich kritisch zum Beruf des Ökonomen äußert. Der Kritiker, Robin Kaiser-Schatzlein, zitiert zustimmend Appelbaums negative Meinung zum Konsens in der Ökonomie:

Appelbaum weist auf den merkwürdig einstimmigen Konsens auf dem Feld der Ökonomie hin, einschließlich einer Umfrage unter Ökonomen von 1979, die herausgefunden hat, dass “98% gegen Mietpreiskontrollen sind, 97% gegen Zölle, 95% für freie Wechselkurse, und 90% gegen Mindestlöhne.” Mit bitterem Humor merkt er an: „Obwohl die Natur zur Entropie neigt, waren sie alle überzeugt, dass Wirtschaften sich stets im Gleichgewicht einpendeln.” Den Ökonomen waren seltsamerweise jegliche Zweifel darüber, wie die Welt funktioniert, fremd. [Kaiser-Schatzlein, Fettschrift hinzugefügt.]

Ist das nicht faszinierend? Anstatt Jagd auf demokratische Politiker zu machen und sie zu dämonisieren, weil sie es wagen, den Konsens der Experten in Bezug auf Dinge wie Mietpreiskontrollen – für die sich Bernie Sanders noch vor kurzem eingesetzt hat – in Frage zu stellen, gibt es eine ganz andere Reaktion: Man macht sich über die Überheblichkeit und das „seltsame Fehlen jeglicher Zweifel, wie die Welt funktioniert“, lustig.

Fazit

Die Behauptung vom 97%-Konsens zum Klimawandel war von Anfang an dubios. Seine Unterstützer haben ihn stets weit über seine tatsächliche Bedeutung überhöht. Außerdem zeigt eine kürzlich erschienene Buchkritik in der The New Republic, dass ein 97%-Konsens unter Wissenschaftlern rein gar nichts bedeutet, sofern er linksprogressiver Politik nichts nützt.

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Aus dem Englischen übersetzt von Florian Senne. Der Originalbeitrag mit dem Titel The Bogus “Consensus” Argument on Climate Change ist am 23.10.2019 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Robert P. Murphy ist Senior Fellow des Mises Institute und Autor zahlreicher Bücher – zuletzt erschienen: Contra Krugman: Smashing the Errors of America’s Most Famous Keynesian. Weitere Bücher: Chaos Theory, Lessons for the Young Economist, and Choice: Cooperation, Enterprise, sowie Human Action (Independent Institute, 2015), ein modernes Destillat der Grundlagen von Mises’ Denken für den Laien. Murphy ist Co-Moderator in Tom Woods populärem Podcast Contra Krugman, einer wöchentlichen Gegenrede zu Paul Krugman’s Kolumne in der New York Times. Außerdem ist er Gastgeber der Bob Murphy Show.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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