Das „Wir“ des Kollektivismus – „eine Lehre des Krieges, der Intoleranz und der Verfolgung“
9. August 2024 – von Rainer Fassnacht
Das „Wir“ ist schwer in Mode. Kaum eine Formulierung dürfte in Politikerreden so häufig zu finden sein, wie das mit Vehemenz vorgetragene „Wir müssen …“. Wir müssen dieses tun oder jenes lassen, um die politischen Ziele zu erreichen, so wird suggeriert. Auch ein Buch des Bundespräsidenten trägt den Titel „Wir“.
Doch Vorsicht, obwohl sowohl kollektivistisch denkende als auch freiheitsliebende Menschen dasselbe Wort verwenden, ist nicht das Gleiche gemeint. Besonders deutlich wurde dies, als eine Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels auf einer Konferenz formulierte: „Es wird uns beständig vorgemacht, es gäbe zu allen Fragen gleichermaßen wertige, gleichermaßen vernünftige, einander widersprechende Positionen. Das ist, mit Verlaub, einfach Bullshit. Wir müssen es abschaffen.“
Diskursverweigerung, die Verhinderung echter Kontroversen, das Flüchten vor Pro und Contra offenbart ein totalitäres Verständnis von „Wir“. Solche Menschen scheinen ernsthaft zu glauben, dass der verordnete Konsens eine Gesellschaft zusammenhält. Ein Kommentator betitelte dies treffend mit „Der Diskurs, das bin ich!“
Es ist kaum zu glauben, aber nicht zu übersehen, dass es Menschen gibt, die davon ausgehen, es sei der Demokratie, dem Frieden und der Freiheit förderlich, keine zwei Meinungen mehr zuzulassen. Ludwig von Mises (1881 – 1973), der bekannte Ökonom und Sozialphilosoph, schrieb dazu passend:
Die kollektivistische Geschichtsauffassung, die durchaus asozial ist, kann sich daher die Entstehung der gesellschaftlichen Verbände nicht anders vorstellen, denn als Ergebnis des Eingreifens eines Weltbildners.
Die Gemeinwirtschaft (GW), 2. Aufl. 1932, S. 42
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Wir dürfen davon ausgehen, dass die Vertreter solcher Positionen annehmen, selbst Teil dieses gottgleichen Wissens zu sein. Und wie können es andere Menschen, welche diese göttliche Eingebung und Erhebung nicht hatten, wagen, andere Positionen vorbringen zu wollen? Mises schrieb dazu:
Der Kollektivismus ist eine Lehre des Krieges, der Intoleranz und der Verfolgung.
Theorie und Geschichte (TG), S. 107
Das kollektivistische „Wir“
Das kollektivistische „Wir“ ist ohne Unterdrückung und Zwang nicht überlebensfähig. Die Handlanger, welche eine solche Entwicklung wünschen und unterstützen oder sich im Alltag entsprechend verhalten, sind daher moderne Unterdrücker. Ob ihnen dies bewusst ist oder nicht, tut dem Umstand keinen Abbruch. Auch hierzu ein weiteres Zitat von Mises:
Der Kollektivismus ist eben nicht aus wissenschaftlicher Notwendigkeit, sondern allein aus den Bedürfnissen der Politik zu erklären.
GW, S. 42
Durch die Diskursverweigerung sind die Vertreter des kollektivistisch-knechtschaftlichen „Wir“ nicht mehr erreichbar. Sie schotten sich gegenüber jeder anderen Weltsicht hermetisch ab. Dass solches Denken und Handeln Applaus bekommt, zeigt das Ausmaß aktueller Fehlentwicklungen.
Doch auch wenn einige Menschen die Realität (mit unterschiedlichen Meinungen) nicht mehr wahrnehmen können oder wollen, lohnt es sich, ein Blick auf das freiheitliche „Wir“ zu werfen, jenes „Wir“, dass mit der Realität kompatibel ist und das ohne Zwang auskommt.
Dazu nochmal Mises:
Bestünde der Gegensatz von Allgemeininteresse des Ganzen und Sonderinteressen des Einzelnen, so wie die kollektivistische Lehre es behauptet, dann wäre überhaupt gesellschaftliches Zusammenwirken der Menschen unmöglich.
GW, S. 42
Das freiheitliche „Wir“
Das freiheitliche „Wir“ achtet den individuellen Willen und die moralische Selbst-Bestimmung. Damit verbunden ist die Erkenntnis, dass Strukturen, die von oben verordnet werden, sich nicht bewähren, weil sie dezentral vorhandenes Wissen ungenutzt lassen.
Wenn eine allmächtige Autorität die Macht hat, jedem Individuum die Aufgaben, die es zu erfüllen hat, vorzuschreiben, kann nichts von dem, was übrigbleibt, Freiheit genannt werden.
TG, S. 362
Strukturen, die sich im Laufe von Generationen bewährt haben, sind von unten gewachsen. Der Versuch dies zu ändern, scheitert früher oder später. Beispiele für solches Scheitern sind die Planwirtschaft in ihren unterschiedlichen Ausprägungen oder auch der krampfhafte Versuch, Sprache von oben umzugestalten.
Fazit
Kollektivisten umzustimmen, ist fast unmöglich – weil es die Wahrnehmung abweichender Meinungen voraussetzt. Aber ebenso unmöglich ist es, die Realität dauerhaft zu ignorieren, ohne die Folgen dieses Tuns schmerzhaft erfahren zu müssen. Lassen wir uns also nicht daran hindern, abweichende Meinungen laut und deutlich auszusprechen. Dem Obskurantismus folgt die Aufklärung. Auf das freiheitliche „Wir“!
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Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.
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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
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