Geldreform und Goldeuro als Ausweg aus der “Fiat-Falle”

19. Februar 2024 – von Philipp Bagus

Philipp Bagus

Das Geld- und Finanzsystem bleibt eines der größten gesellschaftlichen Probleme. Das teilgedeckte Bankensystem erzeugt schwere Wirtschafts- und Finanzkrisen wie 2008, verleitet zu Fehlinvestitionen, verändert die gesellschaftlichen Werte durch seine Inflationskultur, verteilt zuungunsten der Schwachen um und erlaubt dem Staat, sich immens auf­zublähen. Ursächlich sind vor allem zwei problematische Eigenschaften unseres Geldsystems. Zum einen kann in unserem Fiatgeldsystem Geld aus dem Nichts produziert werden, um Staatsausgaben zu finanzieren. Zum anderen kann eine nicht durch reale Ersparnisse gedeckte Kredit­ausweitung der Banken die Zinsen unter ihr natürliches Niveau drücken, was zu Fehlinvestitionen und Konjunk­turzyklen führt. Diese beiden Systemfehler zu korrigieren, ist aufgrund der Interessenlage schwierig.

Die beiden großen Nutznießer des gegenwärtigen Sy­stems sind der Staat und die Banken. Der Staat hat kein Interesse daran, sein Geldmonopol aufzugeben, durch das er seine Ausgaben mehr oder weniger direkt zu finan­zieren vermag. Die Banken wiederum haben vom Staat das kostbare Privileg erhalten, nur mit einer Teildeckung auf Sichteinlagen operieren zu dürfen. Somit können sie durch Kreditvergabe zusätzliche Sichteinlagen schaffen. Damit entsteht neues Bankengeld.

Das Teildeckungsbankensystem befindet sich in einer Symbiose mit dem Staat. Denn mit einem Teil des neu geschaffenen Geldes finanzieren die Banken den Staat. Dieser greift wiederum den Banken bei Schwierigkeiten indirekt mit Zentralbankgeld oder direkt mit Steuergel­dern unter die Arme. Dass sich sowohl der Finanzsektor als auch der Staat Reformen oder gar einer Abkehr vom bestehenden System widersetzen, liegt auf der Hand.

Sind wir also in diesem unvorteilhaften System gefan­gen? Nicht unbedingt, denn es gibt historisch einmalige Gelegenheiten, in denen sich der Türspalt für Reformen öffnet. So ist es derzeit in Argentinien zu beobachten. Der argentinische Präsident[1] Ja­vier Milei hat sich eine tiefgreifende Reform des Geld- und Finanzwesens zur Aufgabe gemacht. Er möchte Argentinien dollarisieren und die argentinische Zentralbank abschaf­fen. Damit wäre das erste der beiden Probleme gelöst: Der argentinische Staat verlöre seine Kontrolle über die Geld­menge und könnte seine großzügigen Ausgabenprogramme nicht mehr durch Drucken neuen Geldes bestreiten. Auch das zweite Problem, das des teilgedeckten Bankensystems, möchte Milei angehen. Er will das Privileg der Teildeckung aufheben. Die Banken sollen nach seinem Plan künftig eine hundertprozentige Reservedeckung auf Sichteinlagen vor­halten. Sie könnten dann nicht mehr neues Geld schaffen und somit die Zinsen verzerren.

Sind wir also in diesem unvorteilhaften System gefan­gen? Nicht unbedingt, denn es gibt historisch einmalige Gelegenheiten, in denen sich der Türspalt für Reformen öffnet.

*****

Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

HIER KLICKEN, um Thorsten Polleits Beitrag zu diesem Thema zu lesen.

*****

Milei nennt dieses System „Simons-Bank“, nach dem Chicago-Ökonomen Henry Simons. Henry Simons hat­te 1933 zusammen mit den Chicago-Ökonomen Lloyd Mints, Aaron Director, Frank Knight, Henry Schultz, Paul Douglas, und Albert Hart ein anonymes sechsseitiges Do­kument mit dem Titel „Banking and Currency Reform“ lanciert. In diesem Dokument forderten die Autoren eine hundertprozentige Reservedeckung für Sichteinlagen. Spä­ter bauten die Chicago-Ökonomen ihre Vorschläge aus. Irving Fisher veröffentlichte seinen Vorschlag in Buch­form mit dem Titel „100 Percent Money.“ Auch Milton Friedman verfocht 1959 in seinem Werk „A Program for Monetary Stability“ eine Volldeckung für Sichteinlagen.

Neben der Chicago-Schule vertritt auch ein großer Teil der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ein vollgedecktes Bankensystem. Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek trat vor allem in seinen früheren Werken wie „Monetary Nationalism and International Stability“ für einen Goldstandard mit hundertprozentiger Reserve­deckung für Banknoten und Sichteinlagen an. Dasselbe vertrat auch sein Lehrer Ludwig von Mises, der 1953 der englischen Ausgabe seines Werkes „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ einen Reformplan beifügte, in dem alle künftigen Sichteinlagen vollständig goldgedeckt sein mussten. Auch Mises’ Schüler Murray N. Rothbard, und heute Joseph Salerno, Hans-Hermann Hoppe und Jesús Huerta de Soto sind Verteidiger einer vollgedeckten Warenwährung wie eines Goldstandards und haben dem­entsprechende Reformvorschläge formuliert. Im Gegensatz zu ihren Chicago-Kollegen wollen indes die Österreichi­schen Ökonomen nicht nur mit der hundertprozentigen Reservedeckung den Banken das Privileg nehmen, Geld zu schaffen, sondern sehen es auch als essentiell an, dass dem Staat der Einfluss auf das Geld entzogen wird. Eine Warengeldwährung wie Gold würde dieses Ziel erreichen.

Die Dollarisierung Argentiniens ist dahingehend ein Zwischenschritt. Zwar verschwindet das argentinische Staatsgeld, der Peso, es kommt mit dem US-Dollar aber ein anderes staatliches Geld. Daher möchte Milei einen freien Währungswettbewerb ermöglichen. Geht es nach Milei, darf jedermann das Zahlungsmittel verwenden, welches er vorzieht, sei es Gold, Silber oder auch eine Kryptowährung wie Bitcoin. Letztlich könnte Mileis Re­form also doch in einer hundertprozentigen Goldwäh­rung münden. Neben einer evolutiven über Wettbewerb entstandenen Goldwährung kann sie selbstverständlich auch durch eine Währungsreform eingeführt werden, so wie ich es 2018 im Finanzausschuss des Bundestags mit dem Goldeuro vorgeschlagen habe.

Ein vollgedeckter Goldeuro hätte mehrere Vorteile: Sy­stematische wiederkehrende Wirtschaftskrisen ausgelöst durch künstlich niedrige Zinsen, monetäre Umverteilung und die Inflationskultur würden der Vergangenheit ange­hören. Auch der Staat müsste ohne die Finanzierung durch Fiatgeld den Gürtel enger schnallen. Die Goldeuroländer könnten ihre Währung nicht abwerten, was die heutige Währungsstabilität innerhalb der Eurozone aufrechterhal­ten würde. Vor allem die so inflationsgewohnten Südländer müssten ihre Staatsausgaben reduzieren und Marktreformen einleiten. Der Goldeuro würde ein gewaltiges Wachstum in der Eurozone entfesseln.

Ist die Einführung eines Goldeuros überhaupt machbar? Ein oft vorgebrachter Einwand befürchtet, dass es nicht genug Gold gebe, um den Euro vollständig mit Gold zu decken. Bei diesem Einwand wird oft übersehen, dass es sich bei der Deckung um eine reine Definitionsfrage han­delt. Im Juni 2023 belief sich die Eurozonengeldmenge M1 (Sichteinlagen und Bargeld) auf 10,7 Billionen Euro. Diese Menge ist mit dem verfügbaren Gold zu decken. Das Eurosystem ist der größte Goldbesitzer der Welt und hält kurioserweise zusammen etwa 10.700 Tonnen Gold. Das sind 10,7 Billionen Milligramm Gold. Der Goldeuro könnte also als 1 mg Gold definiert werden. Um das Ge­wicht pro Goldeuro zu erhöhen, könnten die Zentralbanken der Eurozone ihre Staatanleihen in Gold umtauschen. Zu­sätzlich könnten noch Goldkredite aufgenommen werden, um sich international Gold zu leihen. Dementsprechend würde das Goldgewicht des Euro steigen.

Der Charme des Vorschlags eines Goldeuros läge für Deutschland in der Rückgewinnung der Target2-Forde­rungen der Bundesbank, die sich auf etwa eine Billion Euro belaufen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind diese Forderungen uneinbringlich und Abbild von an das Euro­ausland verlorener Wirtschaftsleistung. Durch einen Goldeuro wären diese Forderungen plötzlich Gold wert. Sie würden zu einer in Gold zu zahlenden Schuld zugunsten der Bundesbank. Es gibt indes noch weitere Hürden. Die nationalen Zentralbanken der Eurozone haben nicht die gleiche Goldquote in ihrer Bilanz. Einige Zentralbanken wie in Deutschland oder Italien besitzen relativ viel Gold in Relation zu der von ihnen ausgegebenen Zentralbankgeld­menge; andere Zentralbanken halten weniger. Aus Gerech­tigkeitsgründen sollte jedes Land, das am Goldeuro teilhat, entsprechend seinem Anteil an der Zentralbankgeldmenge auch Gold beibringen. Um die Mengen auszugleichen, könnten die Zentralbanken, die über relativ wenig Gold pro ausgegebenem Euro verfügen, ein Golddarlehen von den Zentralbanken erhalten, die relativ mehr Gold besit­zen. Die Bundesbank (etwa 3.300 Tonnen Goldreserve) könnte beispielsweise der Banco de España (282 Tonnen Goldreserve) Gold leihen. Die spätere Rückzahlung dieses Darlehens in Gold würde den Deutschen eine Golddivi­dende einbringen, zuzüglich zu den eine Billion Goldeuros, die den Target2-Forderungen entsprechen.

Der Charme des Vorschlags eines Goldeuros läge für Deutschland in der Rückgewinnung der Target2-Forde­rungen der Bundesbank, die sich auf etwa eine Billion Euro belaufen.

Das Gold könnte in Form von Münzen oder auch Goldbanknoten (sogenannten Goldbacks) in den Um­lauf gebracht werden, so dass sich die Bevölkerung wieder an den physischen Gebrauch von Gold gewöhnt. Nach Abwicklung der Währungsreform und Rückzahlung der Ausgleichs- und Target2-Kredite könnten dann auch die nationalen Zentralbanken aufgelöst werden. Denn bei ei­ner hundertprozentigen Reservedeckung braucht es keine Zentralbank mehr, um Banken aus Liquiditätsengpässen zu retten. Banken können die Sichteinlagen immer in bar auszahlen. Wären die anderen Euroländer nicht bereit, beim Goldeuro dabei zu sein und die Target2-Forderungen in Gold zu zahlen, dann würde sich ein Alleingang mit einer Goldmark anbieten. Zwar wären dann die Target2-Forde­rungen verloren, jedoch ließe sich der Alleingang politisch besser begründen. Man hätte sich aus dem Euro freigekauft.

Der Goldeuro erfüllt daher mehrere Ziele zugleich. Den Staaten wird die Möglichkeit zur Manipulation der Währung genommen. Europäische Südländer können ihre Staatsdefizite nicht mehr zuungunsten anderer Länder mo­netisieren. Den Banken wäre die Möglichkeit genommen, Geld aus dem Nichts zu schaffen. Schließlich könnten die schon verlorenen Target2-Forderungen gerettet werden. Man muss es nur machen.

*****

Dieser Beitrag ist im November 2023 unter dem Original-Titel “Was man nicht kaufen kann. Gold als Reformhebel in der Finanz- und Wirtschaftskrise” bei der Jungen Freiheit erschienen.

[1] Redaktioneller Hinweis: Im Originalartikel schrieb Philipp Bagus „der aussichtsreiche argentinische Präsidentschaftskandidat“. Mittlerweile ist Javier Milei Präsident Argentiniens. Der Text wurde dahingehend angepasst.

*****

Philipp Bagus ist Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Zu seinen Forschungsschwerpunkten Geld- und Konjunkturtheorie veröffentlichte er in internationalen Fachzeitschriften wie Journal of Business Ethics, Independent Rewiew, American Journal of Economics and Sociology u.a.  Sein Buch “Die Tragödie des Euro” erscheint in 14 Sprachen. Philipp Bagus ist ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Hier Philipp Bagus auf Twitter folgen. Im Mai 2014 ist sein gemeinsam mit Andreas Marquart geschriebenes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen”(*) erschienen. Zuletzt erschienen, ebenfalls gemeinsam mit Andreas Marquart: Wir schaffen das – alleine!

[(*) Mit * gekennzeichnete Links sind Partner-Links. Kommt über einen solchen Link ein Einkauf zustande, unterstützen Sie das Ludwig von Mises Institut Deutschland, das mit einer Provision beteiligt wird. Für Sie entstehen dabei keine Mehrkosten.]

*****

Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

*****

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Das Ludwig von Mises Institut Deutschland e.V. setzt sich seit Jahren für die Verbreitung der Lehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ein. Freiheit gibt es nicht geschenkt, sie muss stets neu errungen und erhalten werden. Bitte unterstützen Sie daher das Ludwig von Mises Institut Deutschland mit einer Spende, damit wir uns weiterhin für unser aller Freiheit einsetzen können!

Spendenkonto:

Ludwig von Mises Institut Deutschland e. V.

IBAN: DE68 7003 0400 0000 1061 78

BIC: MEFIDEMM

Merck Finck A Quintet Private Bank (Europe) S.A. branch

Verwendungszweck: Spende

*****

Titel-Foto: Adobe Stock Fotos

Soziale Medien:
Kontaktieren Sie uns

We're not around right now. But you can send us an email and we'll get back to you, asap.

Nicht lesbar? Text ändern. captcha txt

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen