Wirtschaftskrise, Inflation und Energieknappheit sind menschengemacht – eine handlungslogische Betrachtung

8. Mai 2023 – von Andreas Tiedtke

Andreas Tiedtke

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Dieser Beitrag wurde am 17. März 2023 als Vortrag beim Hayek-Club Trier-Luxembourg gehalten.

Der Titel dieses Beitrages ist die Menschengemachtheit der Wirtschaftskrise, der Inflation und der Energieknappheit, aber in den Medien wird über solche Phänomene berichtet, als kämen sie quasi wie Naturkatastrophen über uns – und der Staat müsste uns mit politischen Maßnahmen retten. Und politische Maßnahmen bedeuten letztlich das Androhen von Zwang und – leider auch – Gewalt gegenüber friedlichen Menschen, um eine Handlung oder Unterlassung zu bewirken, oftmals eine Zahlung. Im Gegensatz dazu werden potentielle Naturkatastrophen wie etwa ein Klimawandel oder Krankheitswellen als menschengemacht beschrieben, und deshalb müsse auch hier die Politik mit Zwangsmaßnahmen ins Spiel kommen, damit die CO2-Emittenten oder potentielle Überträger von mutmaßlich außergewöhnlich gefährlichen Krankheitserregern in ihrem Verhalten gemaßregelt werden.

Klimawandel und Krankheitswellen

Lassen Sie uns zunächst mit dem Letzteren beginnen, der Menschengemachtheit des Klimawandels und dem Verlauf von Krankheitswellen. Die Methoden, die die Experten bei diesen historischen, das heißt nicht wiederholbaren, komplexen Phänomenen mit Rückkoppelungen anwenden, beschränken sich keinesfalls auf diejenige der klassischen Naturwissenschaft. In den klassischen Naturwissenschaften wie Physik oder Chemie geht es um Beobachtungen von konstanten, isolierbaren Zusammenhängen zwischen messbaren Größen. Dabei heißt Messen das Vergleichen mit einem objektiven Standard, etwa Kilogramm, Meter, blau oder gasförmig. Die Ergebnisse sind von jedermann jederzeit überprüfbar und die Wissenschaftler gelangen generell zu denselben Ergebnissen.

Anders bei komplexen historischen Phänomenen mit Rückkoppelungen. Sie können eine Krankheitswelle oder das Erdklima nicht unter den exakt gleichen Bedingungen wiederholen. Die Zusammenhänge zwischen messbaren Größen sind komplex und rückgekoppelt, das heißt es gibt Rückwirkungen auf die Ausgangsgröße. Die Methode, die die Wissenschaftler hier anwenden, nannte Ludwig von Mises „eigentümliches Verstehen“, eben insoweit sie mit der Methode der klassischen Naturwissenschaften nicht weiterkommen, weil sich Zusammenhänge nicht isolieren lassen, der Faktoren viele sind und es unterschiedliche Auffassungen geben kann, welche Faktoren relevant sind und wie relevant ein jeweiliger Faktor für die Entwicklung des Phänomens war oder sein wird. Eigentümlich meint hier also persönlich, denn die Experten, die die Daten interpretieren, geben letztlich persönliche Bedeutsamkeitsurteile ab über Korrelationen, also scheinbare Zusammenhänge, die nicht nach einem objektiven – sprich unpersönlichen – Standard testbar sind. Und aus diesem Verstehen heraus entwickeln sie Prognosen, also eigentümliche Mutmaßungen, wie sich solche komplexen Phänomene in der Zukunft entwickeln werden.

… aus diesem Verstehen heraus entwickeln [die Experten] Prognosen, also eigentümliche Mutmaßungen, wie sich solche komplexen Phänomene in der Zukunft entwickeln werden.

Solche Expertenmutmaßungen können dahingehend untersucht werden, ob sie Denkfehler enthalten, also gegen die Schlüsse der Logik, der Mathematik oder der Handlungslogik, also der Praxeologie, verstoßen, oder ob sie gegen klassisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisse verstoßen. Aber soweit sie dies nicht tun, können zwei Experten, die mit den exakt gleichen Daten Interpretationen und Mutmaßungen anstellen, zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, je nachdem, welche Faktoren sie für relevant erachten und für wie relevant sie diese erachten. Und ein und derselbe Experte kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen. Dass es in diesen Wissenschaftsdisziplinen zu unterschiedlichen Expertenmutmaßungen kommt, ist also keine „Panne“, sondern es liegt in der Natur der Sache. Und selbst im Nachhinein kann nicht gesagt werden, ob ein Experte mit seiner Prognose „richtig lag“, denn es bleibt offen, ob das Ereignis aus den Gründen eintrat, die der Experte für die maßgeblichen Gründe hielt, oder aus anderen.

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Letztlich kann mit Daten aus komplexen historischen Phänomenen mit Rückkoppelungen eine Experten-Hypothese a priori nicht bewiesen werden, wie bereits Ludwig von Mises erkannte. Zu diesem Ergebnis gelangt man schon auf erkenntnistheoretischem Wege, hierzu muss man kein Experte des betreffenden Fachgebietes sein, sondern nur willens und in der Lage, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. In der Lage hierzu wären sicherlich viele, aber am Willen fehlt es eben oft.

Letztlich kann mit Daten aus komplexen historischen Phänomenen mit Rückkoppelungen eine Experten-Hypothese a priori nicht bewiesen werden, wie bereits Ludwig von Mises erkannte.

Gibt es unterschiedliche Experten-Annahmen betreffend ein solches komplexes Phänomen und möchte man politisch nur eine Auffassung als die Maßgebliche darstellen, so stehen einem prinzipiell zwei Wege offen.

Erstens könnte man versuchen, einen vorgeblichen Konsens der richtigen oder wahren Experten zu etablieren. Es gibt dann gute und schlechte Experten, ja sogar solche, denen man Böswilligkeit oder „Leugnung“ unterstellt. Die namhaften, wirklichen Experten sind hingegen nahezu einer Meinung, beispielsweise dass menschliches Handeln relevant ist für den Klimawandel, auch wenn wir dann noch lange nicht wissen, wie relevant die jeweiligen Experten den menschlichen Beitrag einschätzen, also ein Prozent, fünf Prozent oder über fünfzig Prozent.

Und die schlechten Experten könnte man in den Leitmedien und in sogenannten Social Media mit den Mitteln Cancel Culture, „Verzwergung“ und Ignorieren, Diffamierung und Ausgrenzung zum Schweigen bringen. Zum Einsatz käme das klassische Argument ad hominem, also kein Sachargument, sondern ein Argument direkt gegen die Person, deren Glaubwürdigkeit, Redlichkeit etcetera. Diese Experten wären praktisch aus der ansonsten vorgeblichen Konsensgesellschaft exkommuniziert. Menschen, die trotzdem diesen schlechten Experten vertrauten oder – noch schlimmer – im eigenen Denken zu einem eigenen, vom herrschenden Narrativ abweichenden Urteil gelangen, könnten als Aluhutträger gebrandmarkt werden, als Verschwörungstheoretiker oder Klima- oder Coronaleugner, Querdenker und dergleichen. Auch sie sind exkommuniziert. Und damals wie heute gilt: Wer sich mit Exkommunizierten einlässt, den kann man der Kontaktschuld bezichtigen.

Die zweite Methode kommt zunächst recht harmlos als „Better-safe-than-sorry-Prinzip“ daher, also lieber auf Nummer sicher gehen. Man könne zwar letztlich nicht oder noch nicht evidenzbasiert die jeweiligen Katastrophenprognosen beweisen, schlicht auch deswegen, weil die Sache ja in der Zukunft spielt, aber, und das stimmt sogar, auch das Gegenteil könne ja nicht bewiesen werden. Also sei es doch besser, wenn wir jetzt „whatever it takes“ unternehmen, also was immer es auch kostet, um den dräuenden Weltuntergang oder eine humanitäre Katastrophe gigantischen Ausmaßes zu verhindern.

Nun, was sich zunächst recht harmlos anhört, ist die Umkehr der Beweislast zu Lasten derjenigen, die mit Zwangsmaßnahmen bedroht werden. Denn durch die mit Zwang bewehrte Verteuerung von Energie oder durch Drohung mit Zwang bewirkte Verhaltensmaßregeln über medizinische Injektionen, das Tragen von Masken etcetera wird den Menschen definitiv ein Übel zugefügt. Das ist a priori so, also von vornherein, denn alle, die nicht bereit und willens sind, die Zwangsabgaben zu zahlen, die aufgenötigten medizinischen Maßnahmen über sich ergehen zu lassen oder Abstand zu halten und so weiter, stehen durch den Zwang schlechter als sie sonst stehen würden. Ihnen wird absichtlich ein Leid zugefügt, ohne dass man ihnen letztlich beweisen kann, dass die Zwangsmaßnahmen erforderlich sind, um das prophezeite Übel durch die gewähnte Katastrophe abzuwenden.

Die Prinzipien friedlichen Zusammenlebens „primum non nocere!“, also „zuallererst füge kein Leid zu!“ und das daraus abgeleitete Prinzip „in dubio pro reo“, also im Zweifel für den Angeklagten, und in einem weiteren Sinne „im Zweifel füge kein Leid zu!“, diese Prinzipien werden zu Lasten der Betroffenen umgekehrt. Eine Gesellschaft, in der jeder als schuldig gilt im Hinblick auf einen unbeweisbaren Vorwurf, der nicht seine Unschuld beweisen kann, ist aber keine Gesellschaft, in der freiwillige Kooperation und Frieden zwischen den Menschen im Mittelpunkt stehen, es ist ein Gewalterlebnispark.

Eine Gesellschaft, in der jeder als schuldig gilt im Hinblick auf einen unbeweisbaren Vorwurf, der nicht seine Unschuld beweisen kann, ist aber keine Gesellschaft, in der freiwillige Kooperation und Frieden zwischen den Menschen im Mittelpunkt stehen, es ist ein Gewalterlebnispark.

Die Menschengemachtheit der aktuellen Krisen

Hingegen können wir die Menschengemachtheit der aktuellen Krisen, um die es heute geht, klar beweisen. Es sind staatliche Interventionen, die die Wirtschaftskrise, die Inflation und die Energiekrise wie wir sie heute haben, herbeigeführt haben.

Der am besten ausgearbeitete Teil der Praxeologie war bis vor kurzem die Ökonomie. Bis vor kurzem, weil es mit dem Kompass zum lebendigen Leben jetzt auch ein Buch gibt, das die Praxeologie als die Grundlagenwissenschaft für all diejenigen Disziplinen beschreibt, die sich mit dem Handeln und Denken befassen, also etwa auch die Soziologie, die Psychologie, die Politologie und so weiter.


Im Hinblick auf die Ökonomie hat Ludwig von Mises bereits Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts mit seinem Buch „Die Gemeinwirtschaft“ sowie in den 40er Jahren mit seinem Hauptwerk „Human Action“, also menschliches Handeln, nachgewiesen, dass der sogenannte Interventionismus zu wirtschaftlichen Katastrophen führen muss und letztlich in einer Kommando- und Zuteilungswirtschaft endet, die die Lebensgrundlagen der Menschen – zumindest für die Masse der Menschen – zerstört.

Eine staatliche Intervention in den Markt, also ein Staatseingriff, ist jede Maßnahme, bei der Zwang eingesetzt wird gegenüber friedlichen Menschen, um ein Handeln oder Unterlassen zu bewirken. Beispiele sind Zwangsabgaben, also Steuern, Beiträge, Gebühren und Umlagen, Zölle, Mengeneinfuhrbeschränkungen, Beschränkungen der Vertragsfreiheit, insbesondere Preisfixierungen, Regulierungen, die staatliche Einrichtung eines Währungsmonopols, also das sogenannte Fiat-Geld, und so weiter.

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Die Kenntnis der ökonomischen Gesetze, wie sie Ludwig von Mises in seinem Grundwerk „Human Action“ umfassend dargestellt hat, ergibt, dass sich der Wohlstand einer freiwillig und freundlich kooperierenden Gesellschaft mehrt. Das Gesetz der Assoziation, also der Mehrertrag der Arbeitsteilung, die ergiebigere Produktion beim Einsatz von Kapitalgütern und so weiter – all diese ökonomischen Gesetzmäßigkeiten lassen die Gesellschaft prosperieren und belohnen jeden Einzelnen für seine freiwillige Teilnahme, ohne dass dieser bezwungen oder beherrscht werden müsste. Besitz kann schadlos für Dritte durch Erstinbesitznahme erlangt werden und in der Folge durch freiwilligen Austausch übertragen. Auch wenn im Hinblick auf den Umfang des Besitzes soziale Anschauungen und Vereinbarungen eine Rolle spielen, so müssen diese doch keineswegs aufgezwungen werden.

Dabei sind dem Wohlstand generell auch keine physischen Grenzen gesetzt, denn Gewinn im handlungslogischen Sinne ist stets ein psychisches Phänomen, nämlich die Verminderung der Unzufriedenheit, die sich die Parteien von ihrem Austausch versprechen.

Wenn ich Ihnen ein Fahrrad für 100 Euro verkaufe, dann hat sich unser beider Wohlstand alleine durch diesen Austausch gemehrt, ohne dass etwas zusätzlich produziert werden muss. Der Mensch geht einen Austausch nur ein, wenn ihm das, was er erhält, wertvoller ist als dasjenige, was er dafür aufgibt. Dem Verkäufer sind also die 100 Euro lieber als das Fahrrad, mit dem er vielleicht gar nichts mehr anfangen kann und das er ansonsten auf den Schrottplatz schaffen müsste. Dem Käufer hingegen ist das Fahrrad denknotwendig mehr wert als die 100 Euro, die er dafür aufgibt. Freiwilliger Austausch führt also notwendig zu einem neuen sogenannten Pareto-Optimum, also zu Win-win-Situationen, bei denen sich beide Parteien besserstellen.

Da Wohlstand ein psychisches und kein physisches Phänomen ist, gibt es eben auch keine physischen Grenzen der Außenwelt, keine „Grenzen des Wachstums“ in diesem Sinne. Auch ein schöner Garten, angenehme Lebensbedingungen für Tiere, eine saubere Umwelt und so weiter sind Ziele, die Menschen anstreben und die also ihren Wohlstand mehren – nicht nur Traktoren und Maschinenparks.

Da Wohlstand ein psychisches und kein physisches Phänomen ist, gibt es eben auch keine physischen Grenzen der Außenwelt, keine „Grenzen des Wachstums“ in diesem Sinne.

Interventionismus

Im Gegensatz zum Marktgeschehen in der Gesellschaft, das durch ablehnbare Angebote geprägt ist, ist eine politische Intervention stets mit der Androhung von Zwang verbunden. Es wird ein Übel angedroht, sodass sich denknotwendig Win-lose-Situationen für all diejenigen ergeben, die ohne den Zwang anders gehandelt hätten, also eine sogenannte Pareto-Verschlechterung. Die einen gewinnen auf Kosten und zu Lasten der anderen. Wird Paul bedroht, 1.000 Euro abzugeben, von denen 100 Euro an Peter ausgekehrt werden und 900 Euro behält sich der Drohende für die Finanzierung eigener Angelegenheiten, einschließlich der Versorgung seiner Gefolgsleute, dann gewinnen die Letzteren die 1.000 Euro zu Lasten und auf Kosten von Paul. Paul stehen die 1.000 Euro nun nicht mehr zur Verfügung für die Befriedigung drängenderer Bedürfnisse als derjenigen, die der Drohende damit zu finanzieren gedenkt. Denn wären dies Pauls drängendste Bedürfnisse, hätte man ihn nicht dazu zwingen müssen, sie zu finanzieren. Wir wissen nicht, was Paul die zwangsfinanzierten Leistungen wert sind, die er unter Umständen konsumiert, wie Nahverkehr, Kindergarten oder staatlicher Rundfunk; was wir wissen, ist, dass Paul es höher schätzt, die 1.000 Euro abzugeben, als das angedrohte Übel zu erleiden, also etwa Zwangsgeld, Zwangshaft oder unmittelbaren Zwang.

Je mehr Interventionen es gibt, desto geringer werden die Anreize für Paul, sich freiwillig am gesellschaftlichen Austausch zu beteiligen. Die Arbeitsteilung wird weniger profitabel, wenn Zwangsabgaben entrichtet werden müssen. Der Handwerker kostet mehr, man geht zum „do-it-yourself“ in den Baumarkt und braucht Stunden länger für Arbeiten, die ein Fachmann in kurzer Zeit zuwege gebracht hätte, und zuvor muss man sich auch noch das „How-to“ auf YouTube anschauen. Und wird für zwangsfinanzierte Projekte Geld ausgegeben, steht dieses Kapital nicht mehr den Unternehmern zur Verfügung, die ansonsten damit beschäftigt gewesen wären, die drängendsten Bedürfnisse der Verbraucher zu befriedigen, wenn sie am Markt erfolgreich sein möchten.

Energiepolitik

Bei der Energiepolitik sehen wir die Folgen der Eingriffe des Staates in den steigenden Energiepreisen. Zwar werden nunmehr der Krieg und der Terroranschlag auf die Nordstream-Pipelines medial für die Energiekrise verantwortlich gemacht – und diese haben bestimmt einen Anteil daran –, aber die steigenden Energiepreise sind auch das Ergebnis einer radikalen unter Androhung von Zwang durchgeführten sogenannten Energiewende, die unter den Industrienationen ihres gleichen sucht. Ausstieg aus Atomstrom und Kohlestrom, Abschaffung der Verbrennungsmotoren, Energieumlagen und Energiesteuern, um Energiepreise zu verteuern, und Subventionen für ansonsten am Markt nicht-rentable Energieformen auf Kosten und zu Lasten der Betroffenen. Die Zwangsabgaben auf Energieträger sind zum Teil höher als der Preis ohne Abgaben. Hinzu kommt die allgemeine Inflation, also die planmäßige Zunahme der Geldmenge, die nahezu alle Preise auf breiter Front seit Jahrzehnten steigen lässt, zu denen eben auch die Energiepreise gehören. Das explodieren der Energiepreise ist also nicht nur deshalb menschengemacht, weil der Krieg in der Ukraine und der Anschlag auf die Pipelines menschengemacht sind, sondern weil die allgemeine Politik der Energiewende, die Besteuerung und die Geldmengen-Inflation die Energie verteuern.

Preisfixierung

Auch Preisfixierungen sind ein klassisches Beispiel für staatliche Wirtschaftspolitik. Mindest- und Höchstpreise verschieben das Problem jedoch nur vom Preis auf die Menge. Ein Mietpreisdeckel lässt das Angebot an Wohnraum ceteris paribus schrumpfen, sofern der Deckel unterhalb des Marktpreises liegt. Ein Mindestlohn lässt die Arbeitslosigkeit tendenziell ansteigen, sofern der Mindestlohn oberhalb des Marktlohes liegt. Die Folgen von Preisfixierungen sind bekannt. Bei Höchstpreisen allgemein Verschlechterung und Rückgang des Angebotes, bei Mindestpreisen ein Rückgang der Nachfrage wie etwa Anfang der 1980er Jahre die Milchseen und Butterberge oder etwa ein Heer von Arbeitslosen, je nachdem, wie stark die Preisfixierungen von Marktpreisen abweichen.

Boom-and-Bust-Cycle

Bei der Geld- und Fiskalpolitik sind Boom-und-Bust-Zyklen inhärenter Bestandteil unserer Wirtschaftsordnung. Im Kartell aus Zentral- und Geschäftsbanken kann der Zins unter das Marktniveau gedrückt werden, die Geschäftsbanken monetarisieren Sicherheiten und schaffen durch eine Zunahme der Netto-Kreditmenge eine Geldmengen-Inflation, ebenso die Zentralbanken, wenn sie beispielsweise unmittelbar Assets wie Anleihen oder Aktien von Nichtbanken aufkaufen. Und das vorgebliche Problem, dass die Menschen zu viel Giral- oder Bargeld hielten, lässt sich auch nicht dadurch lösen, dass die Sparer sich Aktien oder Anleihen kaufen, denn dann hat das Geld nur jemand anderes auf seinem Bankkonto, die Geldmenge aber schrumpft nicht. Nur wenn Banken ihre Netto-Kreditvergabe verminderten oder Assets an Nichtbanken verkauften, verminderte sich die Geldmenge.

Durch die Zinsen unterhalb des Marktniveaus und die Geldmengenausweitung werden nun auch Projekte rentabel, die sich ansonsten nicht gerechnet hätten. Wird die Geldmenge nun nicht weiter ausgeweitet, werden die Menschen aber weiterhin nach solchen Gütern nachfragen, die sie benötigen, um ihre drängendsten Bedürfnisse zu befriedigen, und die Projekte, die nur durch den vergünstigten Zins rentabel erschienen, können nicht zu Ende geführt werden. Die Fehlallokation des Kapitals kommt im Bust ans Tageslicht, wenn die Projekte liquidiert werden müssen, die nun nicht mehr rentabel sind. Damit dies letztlich nicht vollständig geschieht, wird jeder Bust mit neuen geldpolitischen Interventionen und Bail-outs scheinbar kurzfristig abgemildert, im Ergebnis aber werden die Fehlallokationen verstetigt und es kommt zu einer weiteren Zombifizierung der Wirtschaft, in der viele Unternehmen nur noch dank geldpolitischer Interventionen, Regulierung, Subventionen und dergleichen existieren können.

Eine Zunahme der Staatsverschuldung führt ebenfalls zu einer Geldmengenausweitung. Die höheren Preise werden zunächst an die Auftragnehmer gezahlt, die von den staatlichen Projekten profitieren. Die Ungleichverteilung der Belastungen aus der Geldmengeninflation wird Cantillion-Effekt genannt. Diejenigen, die das neu geschaffene Geld zuerst erhalten, profitieren noch von den niedrigeren Preisen in denjenigen Sektoren, die das zusätzliche Geld noch nicht erreicht hat. Die Letztempfänger des neuen Geldes sind dann schon mit den gestiegenen Preisen konfrontiert und tragen so die Lasten.

Interventionsspirale

All diese staatlichen Interventionen können das mit ihnen vorgeblich verfolgte Ziel nicht erreichen. Ludwig von Mises sprach daher von einer Interventionsspirale, die durch jede Intervention in Gang gesetzt wird. Beispielsweise vermindert sich das Wohnraumangebot und der Staat greift mit Rationierungen in den Wohnungsmarkt ein, der Wohnraum wird zugeteilt. Das führt natürlich nicht zu neuen Investitionen, sondern macht diese noch unattraktiver. Oder der Staat baut Sozialwohnungen, kann diese aber wiederum nur mit Steuererhöhungen und / oder neuen Schulden, also einer Geldmengenausweitung finanzieren, wodurch es wiederum dazu kommt, dass das Geld an anderer Stelle fehlt, um Kapital aufzubauen und die Arbeitsteilung zu intensivieren, beziehungsweise wodurch die Geldsparer und Letztempfänger neuen Geldes mittelbar enteignet werden. Zudem werden zwangsfinanzierte Sozialwohnungen denknotwendig nicht im Einklang mit den Konsumentenwünschen produziert, denn dies ist nur dann der Fall, wenn die Konsumenten die Finanzierung der Produktion schadensfrei ablehnen können. In der Marktwirtschaft muss nach den Verbraucherwünschen produziert werden, weil die Verbraucher mit ihren Zahlungen die Güter finanzieren müssen, damit die Produzenten wirtschaftlichen Erfolg haben. Erfolgt die Finanzierung zwangsweise, können der Staat oder Profiteure von staatlichen Zuwendungen die Produktion nach eigenem Gutdünken leiten. Beispielsweise wissen wir beim Rundfunkbeitrag nicht, was den Konsumenten die produzierten Sendungen wirklich wert sind, weil es sich bei Zwangsbeiträgen nicht um ablehnbare Angebote handelt. Wir wissen nur, dass die Bezahler das Zahlen den angedrohten Übeln bei Nichtzahlung vorziehen. Bei Netflix, Disney+ oder Amazon prime ist das anders.

Und dieses Muster der Interventionsspirale trifft auf alle Interventionen zu. Ein angeblicher gesellschaftlicher Übelstand soll durch Zwang beseitigt werden. Das geschieht auf Kosten und zu Lasten anderer Menschen und anderer Bereiche. Das vorgebliche Ziel, wie etwa Verbesserung des Wohnraumes, wird nicht erreicht, sondern es kommt – ceteris paribus – zu einer Verschlimmbesserung, und es folgen weitere Interventionen. Bis – auf lange Sicht – die Wirtschaft so stark reguliert ist durch staatliche Zwänge und belastet mit Abgaben, dass wir in einer Kommando- und Zuteilungswirtschaft landen, erst graduell und scheibchenweise und irgendwann vollständig. Die Unternehmer sind dann zu staatlichen Betriebsführern degradiert, das Eigentum besteht zwar noch formal-juristisch, ist innerlich durch Vorschriften und Abgaben aber weitestgehend ausgehöhlt. Ludwig von Mises sprach in diesem Zusammenhang vom deutschen Modell des Sozialismus, der Zwangswirtschaft.

Die Unternehmer sind … zu staatlichen Betriebsführern degradiert, das Eigentum besteht zwar noch formal-juristisch, ist innerlich durch Vorschriften und Abgaben aber weitestgehend ausgehöhlt. Ludwig von Mises sprach in diesem Zusammenhang vom deutschen Modell des Sozialismus, der Zwangswirtschaft.

Warum geht das schon so lange gut?

Nun werden Sie sich fragen: Wieso geht das schon so lange gut? Weil es durch die globale Zunahme der Arbeitsteilung und des Kapitals zur teilweisen Kompensation der Interventionen kommt. Die Menschen kamen zwar wirtschaftlich voran, aber mit ihrem Vorankommen nahmen auch die Interventionen zu, und dies in dem Ausmaße, wie die öffentliche Meinung es gerade zulässt, was wir dann Realpolitik nennen. Wirtschaftshistoriker kommen zu dem Ergebnis, der Staat und seine Mitarbeiter hätten so ihren Anteil an der Wirtschaftsleistung stetig zu Lasten und auf Kosten der Masse der Gesellschaft ausgebaut, sozusagen die Produktivitätsgewinne überproportional abgeschöpft.

Das kann lange gut gehen. Die Ökonomie ist keine prognostische Wissenschaft und die empirische Volkswirtschaft kann mit ihrer Methode des Interpretierens von Daten aus dem komplexen Phänomen des Wirtschaftsgeschehens und der modellhaften Extrapolation in die Zukunft eben auch nur vage Prognosen leisten. Wir beobachten, dass die Preise auf breiter Front in einem hohen Maße ansteigen, dass die Pensionsverbindlichkeiten des Staates und der Rundfunkanstalten stark anwachsen, dass die Staatsverschuldung stark zunimmt, die Wachstumsraten abnehmen, die Industrie die Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland ankündigt, dass Kernkompetenzen der deutschen Industrie verloren gehen, und viele fragen sich, wie lange das noch gut gehen kann, außer diejenigen, bei denen es schon nicht mehr gut geht. Andere, insbesondere diejenigen in den besonders betroffenen Wirtschaftssektoren, bangen um ihre Zukunft. Junge Familien können sich kein Eigenheim mehr leisten, Immobilienbesitzer, die noch vor zwei, drei Jahren Höchstpreise gezahlt haben, sehen, dass der Immobilienmarkt aufgrund steigender Zinsen, mangelnder Fachkräfte und steigender Baupreise rückläufig ist und ihre Investition bislang Verlust bringt. Und auch die bisherigen Profiteure im Staatsdienst oder bei öffentlichen Anstalten, die sich auf üppige Pensionen freuen, können ihre Besserstellung nur so lange erhalten, wie die öffentliche Meinung den künftigen Unterschied zwischen der Höhe der Pensionen und der Höhe der Renten toleriert. Realpolitik eben.

Fehler oder Absicht?

Es scheint fast, dass dieser immer weiter voranschreitende Umbau zu einer Mangelwirtschaft planmäßig herbeigeführt wird. Gingen früher die Menschen noch davon aus, dass Wirtschaftskrisen am bösen Kapitalismus lägen, so hat sich hier die öffentliche Meinung – zum Teil zumindest – gedreht. Der Kapitalismus, so heißt es jetzt, führt leider dazu, dass sich die Lebensbedingungen für die Masse der Menschen dramatisch verbessert haben. Den Leuten geht es zu gut. Und dadurch kommt es zur Klimakatastrophe, zur Überbevölkerungs-Katastrophe, zur Ressourcenverschwendung und so weiter. Die Leute sollen den Gürtel gefälligst enger schnallen!

Die „Unschuldsvermutung“, dass den verantwortlichen Politikern bei all den wirtschaftlichen Missständen nur Fehler unterlaufen wären, dass sie nicht wissen, was sie täten, dass man nur bessere Politiker bräuchte, muss vielleicht aufgegeben werden. So beschreibt der Ökonom und Austrian Antony P. Mueller in seinem Beitrag „Deindustrialisierung und Schrumpfwirtschaft“, dass sich Ulrike Herrmann, Wirtschaftsredakteurin bei der taz und Autorin des Buches „Das Ende des Kapitalismus“, eine Art „Chef-Ökonomin“ der Grünen politischen Bewegung, ganz offen für eine Schrumpfwirtschaft und Deindustrialisierung ausspräche. Es werde von der Einführung einer ökologischen Kriegswirtschaft gesprochen oder von Kreislaufwirtschaft. Die Wirtschaft müsse schrumpfen. Das Privateigentum könne formell beibehalten werden, aber der Staat wird strikte Vorgaben für Konsum und Produktion geben. Der Markt werde außer Kraft gesetzt, Preise werden kontrolliert und ein System der Mengenrationierung müsse installiert werden. Die Löhne und Gehälter würden drastisch fallen, und das sei gut so, denn somit gibt es auch weniger Konsum. Nach Auffassung der Ökosozialisten sei der Kapitalismus nicht überlebensfähig.

Die „Unschuldsvermutung“, dass den verantwortlichen Politikern bei all den wirtschaftlichen Missständen nur Fehler unterlaufen wären, dass sie nicht wissen, was sie täten, dass man nur bessere Politiker bräuchte, muss vielleicht aufgegeben werden.

Profiteure des Interventionismus

Aber nicht nur ökosozialistischen Ideologen spielt der Interventionismus in die Karten, weil sie so ihr Ziel der Schrumpfwirtschaft erreichen können, nach außen aber oftmals noch kommuniziert werden kann – ganz im Sinne einer Realpolitik –, dass die jeweilige Intervention, wie beispielsweise eine Mietpreisbremse oder eine Anhebung der Energiesteuer, irgendwann zu positiven Effekten für die Masse der Menschen führen würde. Zudem lässt sich so eine politische Dramaturgie entwickeln, bei der die Ökosozialisten im Stillen Beifall klatschen können, weil ihr Ziel der Schrumpfwirtschaft hiermit erreicht wird, wiederum andere aus dem politischen Spektrum aber ihre Klientel mit Geschenken bedenken können, etwa bei Interventionen, die scheinbar für sozial Schwache einen (kurzfristigen) Vorteil brächten, aber auch die Klientel der Besserverdiener kann bedacht werden durch Subventionen oder die Anhebung von Gebührensätzen in Honorar- und Vergütungsordnungen oder dergleichen.

… nicht nur ökosozialistischen Ideologen spielt der Interventionismus in die Karten, weil sie so ihr Ziel der Schrumpfwirtschaft erreichen können …

Im großen Stil aber profitieren einige gut organisierte Sonderinteressengruppen von staatlichen Interventionen. Beispielsweise hat die Zeit der Corona-Zwangsmaßnahmen den Pharmaunternehmen hohe Profite beschert, die sie ohne die Zwangsmaßnahmen und die mittelbar zwangsweiße Finanzierung ihrer Produkte durch Steuern und Staatsschulden nicht gemacht hätten. Bei akuten oder latenten militärischen Konflikten profitiert die Sonderinteressengruppe des sogenannten Militärindustrie-Komplexes. Bei dem Verbot von Verbrennern in Europa profitiert die Konkurrenz, ebenso bei einem Verbot von Gasimporten. Geht ein Industrieland ökonomisch „den Bach hinunter“, profitieren Unternehmen im Ausland, die dann in sozialistischen oder ökosozialistischen Räumen sogenannte „captive markets“ haben, also „gefangene Märkte“, weil es dort keine wettbewerbsfähigen Konkurrenten mehr gibt. Durch den Finanzbedarf und den Bedarf an technischer Ausrüstung der sozialistischen oder ökosozialistischen Staaten kann man günstige Rohstoffe und Arbeitskräfte austauschen gegen Finanzierung und technologische Unterstützung.

Auch geopolitische Akteure profitieren von Wirtschaftskrisen. Unterbindet man die Kooperation zwischen zwei geopolitisch relevanten Akteuren, werden diese notwendigerweise geschwächt, da eine Kooperation beispielsweise von günstigen Rohstoffen gegen Finanzmittel und Technologie grundsätzlich beide Seiten stärkt und ein Wegfall dieser Kooperation die Betroffenen vice versa schwächt und damit deren gegnerische geopolitische Spieler gestärkt werden. Dass hiermit auch die Handelspartner der geschwächten Akteure in Mitleidenschaft gezogen werden, weil auch diese vom Output und den Austauschbeziehungen zwischen den Unternehmen profitierten, ist zwar bekannt, wird aber unter Umständen den höherrangigen geopolitischen Zielen untergeordnet. Wenn es beispielsweise den deutschen Unternehmern und Arbeitnehmern schlechter ginge, würde sich das auch auf die Handelspartner in Italien, England oder Frankreich negativ auswirken.

Excommunicado! – Der rote Faden

Lassen Sie uns nun versuchen, einen „roten Faden“ herauszuarbeiten, anhand dessen wir das bisher Gesagte besser verstehen können. Praxeologisch betrachtet gibt es einerseits freiwillige Vereinbarung und Recht und andererseits Zwang und Macht, um Austauschbeziehungen zu bewirken. Es kommt im ersten Falle zu Win-win-Situationen, im letzteren zu Win-lose-Situationen, die einen profitieren auf Kosten und zu Lasten der anderen. Franz Oppenheimer (1864 – 1943), ein deutscher Arzt, Soziologe und Ökonom und Doktorvater Ludwig Erhards, unterschied zwischen dem ökonomischen Mittel freiwilliger Austausch und dem politischen Mittel, also dem Bewirtschaften des Menschen mit dem Mittel Zwang. Letzteres ist die Herrschaft, die nach Oppenheimer historisch nicht anders zu Stande gekommen sein kann, als dass eine siegreiche Menschengruppe eine unterlegene unterworfen habe.

… Herrschaft, die nach Oppenheimer historisch nicht anders zu Stande gekommen sein kann, als dass eine siegreiche Menschengruppe eine unterlegene unterworfen habe.

Da physische Herrschaft, also der Einsatz von Zwang, teuer ist, und „Knechte“ weniger produktiv sind, als Menschen, die – zumindest in einem gewissen Umfang – ihre eigenen Interessen verfolgen dürfen, sodass die Machthaber von dieser Teilfreiheit profitieren, ist es günstiger, wenn nicht nur eine physische Herrschaft über das Handeln durch die Aufrichtung eines Zwangsapparates erfolgt, sondern vor allem die Haltungen der Menschen zu sich und der Welt und damit ihr Denken und Fühlen im eigenen Sinne beeinflusst werden. Der Humanethologe Irenäus Eibel-Eibesfeldt (1928 – 2018) nannte als Ziel von Propaganda und Indoktrination, dass die Menschen im günstigsten Falle dasjenige, was man ihnen befiehlt, vermeintlich aus eigenen Stücken selbst wollen.

Der Dualismus zwischen Herrschaft und Knechtschaft einerseits und freiwilliger Gefolgschaft und Kooperation andererseits scheint dabei so alt zu sein wie die Zivilisation selbst. Und ebenso alt scheint der Kampf um die öffentliche Meinung, den es zu gewinnen gilt, wenn man die Herrschaft erringen oder erhalten will. Dieser Kampf um die öffentliche Meinung ist eine psychologische beziehungsweise erkenntnistheoretische Kriegsführung um die Einstellungen der Menschen zu sich selbst und der Welt und in der Folge um ihr Denken und Fühlen und zuletzt ihr Handeln.

Der Dualismus zwischen Herrschaft und Knechtschaft einerseits und freiwilliger Gefolgschaft und Kooperation andererseits scheint dabei so alt zu sein wie die Zivilisation selbst.

Die Erkenntnistheorie ist Teil der Praxeologie. Wissen ist etwas für Handelnde, Nicht-Handelnde brauchen kein Wissen. Erkenntnis nutzt Handelnden, die richtigen Mittel zu wählen, um ihre Ziele zu erreichen.

Bereits im Altertum versuchte man spirituell-religiöse Vorstellungen auch politisch zu instrumentalisieren. Vermeintlich nur die Priester des Orakels in Delphi, einer Art „UNO“ der griechischen Polis-Staaten, konnten das Gemurmel des Mediums enträtseln, und der Begriff Medien, also „Mittel“ zur Übermittlung von Botschaften „von oben nach unten“, ist uns bis heute geblieben. Auch der Götterhimmel, das Pantheon, war entsprechend den gesellschaftlichen Strukturen oligarchisch geprägt: wie oben, so unten. Dante Alighieri (1265 – 1321) argumentierte in De Monarchia (ca. 1313) bereits für eine Trennung der Herrschaft über den Geist und der weltlichen Herrschaft. Ein Schisma zwischen den Mächtigen war die Folge der Auseinandersetzung des letzten deutsch-römischen Kaisers mit universellem Machtanspruch, Friedrich II., mit den Päpsten im 13. Jahrhundert in Italien. Dem Menschen selbst war es damals nicht gestattet, seine eigene Haltung zu sich und der Welt im eigenen Denken zu ergründen, sondern das Medium, der Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Papst, legte fest, was es zu erkennen gibt und was der Mensch letztlich zu glauben hat.

Dante argumentierte in De Monarchia bereits, dass es eine „höhere Einsicht“ des Denkens gibt, für die „unwiderlegliche Gründe“ kennzeichnend seien, und eine „niedere Einsicht“ der Erfahrung. Und ihm war bewusst, dass „diejenigen leichter und vollkommener zu dem Besitz philosophischer Wahrheit gelangen, die nie etwas hörten, als diejenigen“, die bereits mit „falschen Meinungen“ angefüllt sind.

Auch Immanuel Kant (1724–1804) und Ludwig von Mises (1881–1973) unterschieden die A-priori-Wissenschaften, in denen es um das logische Denken geht, und die Erfahrungswissenschaften (a posteriori), in denen es um die Interpretation von Erfahrungen geht. Zu den apriorischen Wissenschaften zählen die Praxeologie, zu der auch die Ökonomie gehört, sowie die Logik und die Mathematik, zu den Erfahrungswissenschaften zählen die klassischen Naturwissenschaften und alle historischen (empirischen) Sozialwissenschaften, wie Wirtschaftsgeschichte (= empirische Volkswirtschaft) oder die empirische Soziologie, empirische Verhaltensbiologie und so weiter.

Heute geben die Intellektuellen sozusagen den „erkenntnistheoretischen Rahmen“ vor, in welchem die Experten dann zu den persönlichen Relevanzurteilen gelangen.

Nur empirische Wissenschaften seien wirkliche Wissenschaften, nur das, was in sinnlich wahrnehmbaren Tests falsifiziert werden könne, sei wirklich Wissenschaft. Dabei nutzen sie freilich auch die Mathematik und – teilweise – die Logik, aber vor der Praxeologie hütet man sich – soweit diese den heutigen Intellektuellen überhaupt bekannt ist. Dass diesem Materialismus selbst eine metaphysische Annahme zu Grunde liegt, die sich mit Messen nicht beweisen lässt, irritiert sie nicht. Denn sie können mit dem Beschreiben von konstanten, isolierbaren Zusammenhängen zwischen messbaren Größen nicht beweisen, dass nur Messbares real oder „wissenschaftlich“ wäre.

Dass diesem Materialismus selbst eine metaphysische Annahme zu Grunde liegt, die sich mit Messen nicht beweisen lässt, irritiert sie nicht.

Kant und Mises erkannten beide, dass die Aufklärung in eine Sackgasse geraten war. Die Menschen hätten nicht den Mut und die Entschlusskraft, sich des eignen Verstandes zu bedienen. Ihre Vormünder hätten sie verängstigt, „verhausvieht“, wie Kant schrieb (wörtlich: „Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten …“), man habe sie in den geistigen „Gängelwagen“ gesperrt, ihnen Angst gemacht vor dem eigenen Denken. Früher gab die offizielle Priesterschaft vor, was man selbst erkennen darf und „was die Welt im Innersten zusammenhält“, heute heißt es: Hören Sie auf die Experten, folgen Sie der Wissenschaft, vertrtauen Sie offiziellen Quellen und so weiter. Aber kommen Sie bloß nicht auf die Idee, selbst zu denken! Glauben Sie der – ja, letztlich – Intuition der (richtigen!) Experten, aber hören Sie bloß nicht auf Ihre eigene Intuition (falls Ihnen diese nicht bereits abhandengekommen ist).

Kant und Mises erkannten beide, dass die Aufklärung in eine Sackgasse geraten war.

Nach dem marxistischen Materialismus brauchen Sie sich mit dem Denken erst gar keine Mühe zu geben, denn das Bewusstsein bildet sich ja sowieso aus den Produktionsverhältnissen heraus. „Es gibt im Marxismus kein eigenständiges Geistesleben, sondern dieses ist stets der Reflex der jeweils herrschenden Verhältnisse im Bereich der Produktion des physischen Lebensunterhalts“, schreibt der Ökonom und Austrian Antony P. Mueller.

Die Psychologie der Macht

Wie kommen wir also heraus aus diesem – offensichtlichen – Dilemma? Hier könnte uns zunächst ein kurzer Blick auf die Psychologie der Macht helfen, zu einer Einschätzung zu gelangen. Ich möchte an dieser Stelle einige Grundhaltungen ansprechen, die für Macht und Herrschaft bedeutend sind.

Heutzutage haben viele Menschen Haltungen zu sich und zur Welt, die mit der Lebenswirklichkeit des Handelns nicht übereinstimmen beziehungsweise im Widerspruch zu denknotwendigen Schlussfolgerungen der Praxeologie stehen. Infolgedessen sind diese Haltungen für sie selbst und/oder andere ungünstig. Im Folgenden will ich kurz auf einige dieser Haltungen eingehen und wieso diese Haltungen zu feindseligen Einstellungen sich selbst und/oder anderen gegenüber führen können.

Heutzutage haben viele Menschen Haltungen zu sich und zur Welt, die mit der Lebenswirklichkeit des Handelns nicht übereinstimmen …

Manche Menschen fühlen sich anderen gegenüber schuldig, auch wenn sie sich selbst zu nichts verpflichtet haben. Das hat Ursachen in der Erziehung sowohl durch die Eltern wie auch durch politische Akteure, beispielsweise in den Schulen. Da ist von „Schulpflicht“ die Rede, obwohl sich weder die Kinder noch die Eltern verpflichtet haben, sondern sie gezwungen werden. Diese Menschen verinnerlichen, dass sie anderen Menschen etwas schulden könnten, auch wenn sie sich selbst nicht zu etwas verpflichtet haben.

Manche Menschen wiederum denken, andere seien ihnen etwas schuldig, auch wenn diese anderen sich ihnen gegenüber zu nichts verpflichtet haben. Auch das hat seine Ursachen in Erziehung, Propaganda und Indoktrination. Sie merken, dass Menschen Forderungen an sie und andere stellen, und auch bereit sind, diese mit Zwang durchzusetzen. Sie nehmen an, dasselbe gelte auch für sie. Sie stellen sich dann vor, andere schuldeten ihnen etwas, und es wäre auch nichts Verkehrtes daran, dies mit Zwang den anderen gegenüber durchzusetzen. Manche stellen sich sogar vor, die Welt – also ein vorgestelltes Konzept – schulde ihnen etwas, etwa ein besseres Leben, Gerechtigkeit oder dergleichen.

Manche stellen sich sogar vor, die Welt – also ein vorgestelltes Konzept – schulde ihnen etwas, etwa ein besseres Leben, Gerechtigkeit oder dergleichen.

Manche Menschen denken, sie selbst, die anderen oder „die Welt“ an sich seien ungenügend, mangelhaft. Auch diese Haltung hat ihre Ursachen in der Lebensgeschichte, etwa wenn sie Eltern hatten, die ihnen weismachten, sie wären als Kinder unvollkommen, so wie sie geworden sind, und hätten sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, eine, die den Eltern gefällt. Und in der Schule werden sie dann benotet, und wieder muss man sich davor hüten, von anderen als mangelhaft oder gar ungenügend bewertet zu werden. Sie verinnerlichen dieses Ungenügen und denken in einer Art „Verbesserungswahn“ oder Progressivismus, die Welt, sie selbst und/oder die anderen sollten anders sein, als sie geworden sind. Sie beschämen sich selbst und/oder andere für ihr So-Sein.

Manche Menschen denken, sie selbst, die anderen oder „die Welt“ an sich seien ungenügend, mangelhaft.

Und manche Menschen verdrängen die Gewalt und den Zwang, die in der Gesellschaft allgegenwärtig sind, weil diese durch „magische“ Begriffe quasi unsichtbar geworden sind. Die Illusion der Friedlichkeit ist, dass „institutionalisierte Gewalt“, etwa ausgeübt nach Abstimmungen, „gute Gewalt“ ist – oder gar „keine Gewalt“. Um mit der Ohnmacht umzugehen und den Zwang und die Gewalt zu verdrängen, entwickeln sie unter Umständen sogar Sympathie für ihre Zwingherren, was man dann auch als Stockholm-Syndrom bezeichnen kann.

Die Illusion der Friedlichkeit ist, dass „institutionalisierte Gewalt“, etwa ausgeübt nach Abstimmungen, „gute Gewalt“ ist – oder gar „keine Gewalt“.

Überspitzt gesagt, aber auch Wissenschaft darf mit Witz formulieren, leben wir zusammen mit Gestockholmten in der Geiselhaft emotionaler Zwerge. Das ist nicht böse gemeint, es ist schlicht der Status quo.

Die vorbeschriebenen Haltungen sind in dem Sinne infantil, also kindlich, weil sie erstens in der Kindheit verwurzelt sind und zweitens durch erwachsenes eigenes Denken erkannt werden können und auch auf der Haltungs- und der Gefühlsebene korrigiert werden können.

Was hindert die Menschen also, dies zu tun? Kant meinte, es sei nicht etwa ein Mangel an Verstand, sondern ein „Mangel an der Entschließung und des Mutes“, oder wie ich formulieren möchte: Ihnen sind ihre ungünstigen Haltungen, die sie daran hindern, nicht bewusst. Und wenn sie sich ihre Haltungen bewusst machen und sie durch neue, günstigere ersetzen, dauert es unter Umständen noch eine ganze Weile, bis ihnen ihre neuen Haltungen „in Fleisch und Blut übergehen“, sich also auch ihr Denken und Fühlen entsprechend ändert.

Der erste Schritt wäre handlungslogisch, dass sich der Betroffene bewusst macht, dass seine Haltungen für ihn selbst und/oder andere ungünstige, menschen- und lebensfeindliche Konsequenzen haben. Wenn er sich dann seines kritischen Verstandes angst-, scham- und schuldfrei zu bedienen vermag, kann er mit eigenem Denken und Erkennen eine eigene Haltung zu sich und der Welt zunächst begreifen und sie dann verinnerlichen. Denn die Logik und die Praxeologie braucht der Mensch nicht erst zu lernen, sie ist dem menschlichen Verstand bereits inhärent und sie ist universell. Es gibt keine chinesische Mathematik, die zu anderen Ergebnissen käme als die westliche, und auch keine unterschiedliche Logik oder Praxeologie.

Der erste Schritt wäre handlungslogisch, dass sich der Betroffene bewusst macht, dass seine Haltungen für ihn selbst und/oder andere ungünstige, menschen- und lebensfeindliche Konsequenzen haben.

Fazit

Wir haben bei der Menschengemachtheit der Energie- und Wirtschaftskrise begonnen und haben schließlich über erkenntnistheoretische Kriegsführung und die Psychologie der Macht gesprochen. Weil die Symptome an der Oberfläche, also das in Erscheinung tretende menschliche Handeln seine Ursache im Denken und Fühlen der Menschen hat und letztlich in ihrem Selbst- und Weltbild wurzelt, in den grundlegenden Haltungen.

… die Symptome an der Oberfläche, also das in Erscheinung tretende menschliche Handeln [hat] seine Ursache im Denken und Fühlen der Menschen … und [wurzelt] letztlich in ihrem Selbst- und Weltbild …, in den grundlegenden Haltungen.

Wer möchte, dass sich das Handeln ändert, der muss bei diesen Grundhaltungen ansetzen, denn die Tat folgt der Idee, das Handeln folgt den Einstellungen und Überzeugungen, nicht umgekehrt. Keine Revolution und keine Reform im Staate wird etwas Grundlegendes an den immerwährenden Krisen ändern, die von menschlichen Handlungen herrühren, wenn sich die Haltungen derer nicht ändern, die die Masse der Menschen orientieren, die ihre Ideen und ihr Denken beeinflussen. Dabei stehen im Prinzip zwei Wege offen: bottom-up und top-down.

… die Tat folgt der Idee …

Was Kant tat, beschreibt den Top-down-Weg. Er bat die Regierung, die „gütigste Oberaufsicht“ mehr oder weniger indirekt, das eigene Denken zuzulassen, also davon Abstand zu nehmen, den Menschen vorgefertigte Haltungen zu sich und der Welt „in die Köpfe einzutrichtern“. Er meinte, dass es dereinst auch auf die Grundsätze der Regierung zurückwirken werde, dass der Mensch „mehr als Maschine“ sei, und die Regierung es schließlich „ihr selbst zuträglich finden“ würde, diesen Menschen seiner Würde gemäß zu behandeln.

Ausgeschlossen ist das nicht, es gab und gibt immer wieder Schismen innerhalb und zwischen Sonderinteressengruppen von Machthabern. Selbst in kleinsten Familien gibt es Streit, es ist abwegig, eine generelle Homogenität der Interessen der Machthaber anzunehmen. Auch wenn diese das Beherrschen einer Gruppe Menschen durch eine andere prinzipiell gut zu finden scheinen, so gibt es doch zig unterschiedliche Ausprägungen, wie sehr oder wie tückisch die Menschen beherrscht werden müssten, wie detailliert man sie kontrollieren sollte, wie viel man ihnen belassen sollte und so weiter. Und es gab sogar Menschen, die zu politischer Macht gelangten und die sich tatsächlich für die Freiheit im Denken und Handeln ihrer Mitmenschen einsetzten, wie etwa Ludwig Erhard, auch wenn seine Errungenschaften für die Freiheit der Individuen von der nachfolgenden Nomenklatura weitgehend wieder kassiert wurden.

Eine andere Möglichkeit ist, dass eine kleine Gruppe von Menschen beginnt, eine „Neuerung“ zu übernehmen, wie Ludwig von Mises meinte, also der Bottom-up-Weg. Die Neuerung wäre – im Kant’schen Sinne – das eigene Denken und – in Sachen der Erfahrung – das eigene Urteil.

„Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog“, schrieb Ludwig von Mises.

Es gilt hier also im Kleinen zu beobachten, ob sich ein „Bewusstseinssprung“ hin zum eigenen Denken und eigenen Urteil ergibt.

Denn Bewusstseinsentwicklungen in der Gesellschaft scheinen sich ja nicht derart durchzusetzen, dass erst die Masse der Menschen etwas Neues versteht oder begreift und dann erreicht dies schließlich die Minderheiten bis hin zum Individuum. Sondern es sind kleine Gruppen, ja herausragende Individuen, bei denen etwas Neues ins Bewusstsein gelangt, Geister wie eben Dante, Kant oder Mises.

Wir können hier also durchaus hoffnungsvoll sein, zwei Wege stehen offen, um die aktuelle Krise der Aufklärung, deren Symptome überall zutage treten, zu überwinden, und damit nicht nur im naturwissenschaftlich-technischen Bereich eine wesentliche Erweiterung der menschlichen Erkenntnis zu erreichen, sondern auch in gesellschaftswissenschaftlichen Angelegenheiten.

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Dr. Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt, Autor und Journalist. Er publizierte bereits zahlreiche Artikel zur Österreichischen Schule der Nationalökonomie und deren wissenschaftlicher Methode, der Praxeologie (Handlungslogik). Im Mai 2021 erschien sein Buch über die Logik des Handelns „Der Kompass zum lebendigen Leben“. Im Jahr 2022 wirkte er an dem Buch “Wissenschaft und Politik: Zuverlässige oder unheilige Allianz” (Herausgeber: Olivier Kessler, Peter Ruch) mit, zu dem er im 1. Kapitel den 1. Abschnitt beitrug: “Mit welchen wissenschaftlichen Methoden zu welcher Erkenntnis?”. Zudem schreibt er Kolumnen für das Online-Magazin Freiheitsfunken.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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