Kauft den Unternehmen endlich ihre Waren ab, aber nicht zu viele, denn sonst werden die gierig und machen Inflation!

9. September 2022 – von Eduard Braun

Eduard Braun

Es gibt bekanntermaßen verschiedene Erklärungen für das Auftreten von Inflation. Am besten finde ich die, daß die Ursache ganz einfach gierige Unternehmen[1] oder Nationen sind, welche die Preise rücksichtslos anheben. Diese Theorie ist wirklich genial. Sie erleichtert die Interpretation von Gegenwart und Geschichte ungemein, und deswegen habe ich sie mir zu eigen gemacht.

Betrachten wir zum Beispiel die deutsche Inflation des Jahres 1923. Im Herbst kostete ein französischer Franc 1,5 Milliarden Mark, im Dezember ein US-Dollar dann 4,2 Billionen Mark und ein Pfund Sterling sogar unglaubliche 18,3 Billionen Mark. Aufgrund unserer Theorie können wir nun sehr einfach und verständlich die Frage beantworten, woran das lag. Die genannten Zahlen beweisen unwiderlegbar, daß Deutschland zu dieser Zeit offensichtlich ein freigiebiges, ein geduldiges, ja ein wohlwollendes Land war – wie so oft in seiner Geschichte. Es zahlte bereitwillig Preise, von denen unsere jungen Studienräte ohne Nachschlagen im Lehrerbegleitheft wahrscheinlich nicht einmal sagen könnten, wie viele Nullen sie haben. Die anderen Nationen, so muß man leider feststellen, waren dagegen bösartig, kaltblütig und raffgierig. Sie trieben die Preise für ihre Währungen immer weiter in die Höhe, um das letzte aus Deutschland herauszupressen. 4,2 Billionen Mark für einen Dollar! Wie gierig kann man sein?

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Inflation entsteht aufgrund von Gier

Der Wert der Theorie, wonach Inflation aufgrund von Gier entsteht, zeigt sich auch und gerade in der Tatsache, daß auf ihrer Grundlage hervorragende Lösungskonzepte entwickelt werden können. Im Falle der eben beschriebenen Geschehnisse des Jahres 1923 hätte diese Theorie zum Beispiel nahegelegt, daß sich Deutschland einen starken Mann zum Anführer wählen möge, einen, der auf den Tisch hauen und sich durchsetzen kann, einen, der die anderen, gierigen und rücksichtslosen Nationen zur Raison bringen kann, notfalls auch mit Gewalt. Besonders im Rückblick wird man das als einen geeigneten und unproblematischen Lösungsvorschlag bezeichnen können.

Daß 1923 ein Frühstücksei 230 Milliarden Mark kostete, lag an der Gier der Menschen, nicht an der Geldmenge von 400 Trillionen Mark

Auch den Anstieg der Verbraucherpreise im Jahr 1923 kann man mit unserer Theorie wunderbar erklären. Ein  Frühstücksei beispielsweise kostete zuletzt 230 Milliarden Mark. Auch das lag eindeutig an der Gier der Menschen. Jedenfalls kann es nichts damit zu tun gehabt haben, daß die Geldmenge auf 400 Trillionen Mark angewachsen war. Da können wir uns ganz sicher sein. Warum? Ganz einfach: Auch im August 1922, als die Geldmenge im Deutschen Reich noch 190 Milliarden Mark betrug, hätte es ohne Probleme zu einem Preis von 230 Milliarden für ein Frühstücksei kommen können. Das einzige, was es dazu gebraucht hätte, wäre ein ganz besonders gieriger Bauer. Hätte sich 1922 ein solcher gefunden, dann hätte sich der Käufer des Frühstückseis nach dem Kauf vielleicht so vernehmen lassen:

Du hast in den Vertragsverhandlungen sehr geschickt taktiert, wackerer Bauersmann. Hiermit übergebe ich Dir die gesamte Geldmenge des Deutschen Reiches für Dein gewöhnliches Frühstücksei. Niemand im Reich besitzt nun noch Geld außer Dir allein. Ich bitte Dich daher, mir 40 Milliarden Mark zu leihen, damit ich Dir noch den Rest des Kaufpreises für das Ei übergeben kann. Ich werde Dir diesen Kredit, so ehrlich möchte ich sein, nie zurückzahlen können, denn ich selber bin Schuster und verkaufe meine Schuhe derzeit für 3 Mark und 20 Pfennige das Paar. An dieser Stelle, das ist Dir hoffentlich klar, erntest Du die Folgen Deiner Gier.

Dieses Verkaufsgespräch ist so realistisch – das kann sich nur ein Realist ausgedacht haben. Wir können wirklich von Glück reden, daß die Bauern heutzutage nicht mehr so gierig sind wie Anno ’23. Sie würden uns alle ruinieren mit ihren Milliardenforderungen für Milch, Korn und Eier.

Wenn Sie nun fragen, warum die Unternehmen und Nationen nur 1923 so unglaublich gierig waren, davor und danach aber nicht, dann möchte ich sagen: Hervorragende Frage! Sie verdient eine ausführliche Antwort, die ich auch geben möchte, und zwar gleich nach dem Ende des vorliegenden Artikels.

Die Verbraucher sollten Unternehmen möglichst viel Geld geben, sonst drohen Rezession und Arbeitslosigkeit

Ganz besonders mag ich die eben vorgestellte Theorie übrigens, weil sie sich so gut einfügt in das restliche Gebäude der wirtschaftspolitischen Theorien. Da gibt es beispielsweise eine andere, die immer dann hervorgekramt wird, wenn Arbeitslosigkeit herrscht und eine Rezession droht. Wenn die Wirtschaft einmal nicht so rund läuft, wenn die Unternehmen keine Aufträge bekommen und die Steuereinnahmen versiegen, dann bekommen wir Bürger von unseren Politikern oft und zurecht folgendes zu hören:

Ja seid Ihr denn des Wahnsinns? Unsere anständigen deutschen Firmen stellen tolle Qualitätsprodukte her, sorgen für Arbeitsplätze und bilden unsere Jugend aus. Und Ihr seid nicht bereit, ihnen ihre Waren abzukaufen und Euer Geld zu geben? Schämt Euch! Es ist die Pflicht eines jeden guten Deutsch…, ich meine aller Verbraucherinnen und Verbraucher, Geld auszugeben. Deutschland braucht Eure Nachfrage! Die Unternehmen brauchen Euer Geld! Gebt es ihnen! Sofort!

Nichts harmoniert so gut mit dem Vorwurf, daß Unternehmen gierig sind, wie die Forderung, Unternehmen möglichst viel Geld zu geben. Als einfacher Mann kann man da nur innehalten und dem lieben Gott dafür danken, daß Noah offenbar auch zwei Volkswirte mit auf seine Arche genommen hat. Denn sonst wäre uns dieses Musterbeispiel an ausschlußreifer, pardon, aufschlußreicher Theorie vermutlich entgangen.

Wir haben nun also zwei Theorien kennengelernt: eine, die die Gier der Unternehmen für Inflation verantwortlich macht, und eine andere, die fehlenden Zahlungen der Bürger an Unternehmen für Arbeitslosigkeit verantwortlich macht.

Lassen Sie sich nun bitte nicht von den Unkenrufen pseudokritischer Logikleugner und kruder Verschwörungstheoretiker beirren, die da behaupten, diese beiden Theorie widersprächen einander. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Daß sie sich nicht nur nicht widersprechen, sondern einander sogar perfekt ergänzen, erkennt man daran, daß sie beide zu denselben Maßnahmenempfehlungen führen:

Die Lösung lautet immer: mehr Geld drucken!

Fragen die Konsumenten zu wenig nach? Haben die Unternehmen zu geringe Einnahmen und müssen Arbeitnehmer entlassen? Kein Problem! Die richtige Lösung lautet: Geben wir den Konsumenten mehr Geld, damit sie mehr kaufen können. Wir erinnern uns an die sehr erfolgreiche Abwrackprämie für gebrauchte Autos. Geniale Maßnahme!

Genau dieselbe Lösung bietet sich an, wenn die gierigen Unternehmen die Preise immer weiter erhöhen und wir daher Inflation haben. Auch hier funktioniert es hervorragend, den Bürgern mehr Geld zu geben, um ihren Kaufkraftverlust zu kompensieren. Kürzlich hat die Bundesregierung eben aus diesem Grund beschlossen, 300 Euro Energiegeld an die Bürger auszuzahlen. Richtig so! Die Inflation wird sich warm anziehen müssen, wenn sie diesen Schlag verkraften will.

Wir sind bei unserer Regierung in guten Händen

Keine Rede kann also davon sein, daß sich die beiden vorgestellten Theorien widersprechen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind bei unserer Regierung in guten Händen, das muß auch einmal gesagt werden – obwohl es wahrscheinlich jedem klar ist, der nur ansatzweise die Gesundheitspolitik der letzten Jahre verfolgt hat.

Ich fasse noch einmal kurz das richtige und wichtige Prinzip der aktuellen Wirtschaftspolitik zusammen: Wir müssen die gierigen Unternehmen und die Bürger besteuern, um Geld dafür zu haben, es den Bürgern auszuzahlen, damit diese einerseits nicht so unter der Gier der Unternehmen leiden, wenn diese die Preise anheben, andererseits das Geld aber auch für möglichst viele Käufe bei eben diesen Unternehmen verwenden können, denn sonst machen die nicht genügend Umsatz.

Noch Fragen? Kann ich mir nicht vorstellen.

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[1] Der Link verweist auf einen Tweet von Olaf Scholz vom 6. Juli 2022, und da es bei Twitter unklar ist, ob Tweets bleiben, hier der Text: „Einige Firmen fahren in der derzeitigen Situation mit den steigenden Energiepreisen besonders große Gewinne ein. Das ist nicht ok. Meine Erwartung ist klar: Diese Firmen sind dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Preise nicht durch die Decke schießen.“

Dr. Eduard Braun hat im Jahr 2011 bei Professor Dr. Jörg Guido Hülsmann an der Universität Angers (Frankreich) promoviert und ist Privatdozent an der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld, (https://www.wiwi.tu-clausthal.de/ueber-uns/abteilungen/volkswirtschaftslehre/ueber-uns/team/dr-rer-pol-eduard-braun).

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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