Zentralbankpolitiken als Gefahren für Anleger, Konsumenten und Unternehmer

27. September 2021 – von Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht

[Hier können Sie diesen Beitrag als Podcast hören.]

Die Zentralbanken schaffen und manipulieren die Fiat-Währungen. Dieser Umstand ist bekannt und stellt eine große (auf der Mises-Plattform bereits in verschiedenen Facetten beleuchtete) Gefahr für Anleger, Konsumenten und Unternehmer dar. Minuszinsen und Inflation sowie alle damit einhergehenden Fehlentwicklungen machen dieses zerstörerische Wirken der Zentralbanken offensichtlich.

Nun könnte man annehmen, dies wäre das einzige – wenn auch kaum zu unterschätzende – Risiko, welches von den Zentralbanken ausgeht. Doch leider ist dem nicht so. Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi bezeichnete 2012 die „Liquiditätsoffensive“ der EZB als „Dicke Bertha“, griff also zur Metapher eines Geschützes, das zur Bekämpfung von Festungsanlagen entwickelt wurde. Und als ob diese „Dicke Bertha“ nicht gereicht hätte, um Anleger, Konsumenten und Unternehmer in Bedrängnis zu bringen, arbeiten die Zentralbanken – mal mehr mal weniger offensichtlich – an weiterem finanzpolitischen „Beschuss“, bezüglich dessen man – um im Wortbild von „Offensive“ und „Geschützen“ zu bleiben – von einer monetären „Stalinorgel“ sprechen könnte, also einem Mehrfachraketenwerfer, der Schäden auf großer Fläche verursacht.

Die geldpolitischen „Geschosse“ sind bereits auf dem Weg und es ist unwahrscheinlich, dass es gelingt, diese finanzpolitischen „Sprengkörper“ und den „Einschlag“ sowie die damit verbundenen ökonomischen Zerstörungen aufzuhalten. Trotzdem macht es Sinn, einen Blick auf das zusätzliche wirtschaftliche Zerstörungspotential der Zentralbanken zu richten, in der Hoffnung, dass Schlimmste vermeiden oder „sich in Deckung bringen“ zu können.

Das Ende des Bargelds

Einerseits ist Geld nicht gleich Geld. Das von den Zentralbanken beeinflusste Fiat-Geld ist nicht identisch mit solchem, welches sich im Zeitverlauf über Jahrtausende bewährt hat (z.B. Gold) oder solchem, dass im Wettbewerb unterschiedlicher Privatanbieter entsteht.

Andererseits macht es auch beim Fiat-Geld einen Unterschied, ob dieses in Münzen und Scheinen verfügbar ist oder ausschließlich digital. Das Menschen hier (noch) sensibel sind, zeigt die Wahl der Überschrift eines Interviews zum Digital-Euro auf der Internetseite der – in das System der EZB eingebundenen – Bundesbank: „Bargeld ist geprägte Freiheit, und die geben wir nicht auf“.

Tatsächlich sind – wie das Dokument zum öffentlichen Konsultationsverfahren zeigt – die Vorbereitungen zur Einführung eines digitalen Euro bereits weit gediehen. Dass ein digitaler Euro nicht das Ende des Bargeldes bedeuten würde, wie in einer Rede eines EZB-Direktoriumsmitglieds zu hören war, darf durchaus bezweifelt werden.

Bereits „vertraut“ sind Einschränkungen bei der Bargeldnutzung, z.B. beim Kauf von Gold. Auch der künftige Herkunftsnachweis bei Bargeldtransaktionen ab 10.000 Euro macht sensibel. Doch wird Geld ausschließlich digital, werden nicht nur gläserne Bürger möglich, sondern kaum vorstellbare Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Beispielsweise ließe sich ein Fleischkonsumbudget vorgeben. Würde dieses beim Einkauf (z.B. dem Kauf einiger Scheiben gekochten Schinkens) überschritten, wäre die Transaktion nicht möglich.

Politische Ge- und Verbote jeglicher Art ließen sich mit ausschließlich digitalem Geld problemlos umsetzten. Der Bürger könnte ein monatliches Abschmelzen des Ersparten ebenso wenig verhindern, wie die Beschränkung der Geldverfügbarkeit auf ausschließlich solche Güter und Dienstleistungen, die politisch gewollt bzw. vorgegeben sind.

Ebenso wäre es möglich, politischen Widerstand zu brechen. Unbequemen Zeitgenossen könnte der Geldhahn problemlos abgedreht werden. Die Arbeiten der EZB zum Digitalen Euro sind daher eine Gefahr, die in ihrer „Sprengkraft“ vermutlich über die Fiat-Geld-Folgen noch hinausgeht.

Green Deal

Der europäische Green Deal hinterlässt auch bei der EZB seine Spuren. So ist auf deren Internetseite zu lesen (Übersetzung in den Fußnoten):

Climate change can affect price stability through extreme weather events and uncertainties related to the transition to a low-carbon economy. We at the ECB are committed to taking the impact of climate change into consideration in our monetary policy framework.[1]

Wobei in diesem Zusammenhang auch eine Verknüpfung mit dem Corona-Wiederaufbaufond vorgenommen wurde.

Mit dieser Selbstermächtigung weitet die EZB ihr Mandat auch auf Umweltthemen aus. Der EZB-Aktionsplan geht das Thema auf verschiedenen Wegen an. Der gezielte Ankauf von „Grünen Unternehmensanleihen“ führt unvermeidlich zu Wettbewerbsverzerrungen, Marktneutralität sieht anders aus. Für den Anleger verändert diese „politische Subventionierung“ die Bewertung der Chancen und Risiken in diversen Märkten.

Doch solche Interventionen der Zentralbank haben auch Folgen für Konsumenten und Unternehmer. Diese Form der Subventionierung bestimmter Branchen und Produkte führt dazu, dass (indirekt benachteiligte) Anbieter und deren Produkte verschwinden. Die Unternehmer haben nur geringe Chancen, sich gegen die Macht der Zentralbanken durchzusetzen. Der Verbraucher ist mit weniger Auswahl bei Produkten und Anbietern konfrontiert, was diesen Preisspielräume eröffnet.

Wie weit solche Wirkungen gehen und zutiefst persönliche Entscheidungen berühren könnten, macht ein Gedankenexperiment deutlich: Der durch die Zentralbanken flankierte Green Deal hat große Viehzüchter (wegen der Klimawirkungen) aus dem Markt gefegt. Kunstfleischproduzenten als (angeblich) bessere Alternative haben profitiert und beherrschen nun mit Produkten den Markt, deren Auswirkungen auf die Gesundheit langfristig betrachtet noch unbekannt sind.

Ob es sich bei diesem Beispiel um eine große oder eher kleine finanzpolitische „Bombe“ handelt, bleibt der individuellen Bewertung überlassen. Es gilt jedoch zu bedenken, dass dies nur ein exemplarischer von vielen tatsächlich möglichen und auftretenden Effekten ist, wenn die Zentralbanken in Ergänzungen zu sonstigen politischen Interventionen im Zusammenhang mit dem Green Deal tätig werden. Diese kombinierte Wirkung erhöht die „Sprengkraft“.

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Reichtum und Zins

Die Zentralbankentreffen im amerikanischen Jackson Hole, konkreter die dort diskutierten Themen, liefern interessante Hinweise auf möglicherweise bevorstehende Veränderungen in der Politik der „Währungshüter“.

Wie die NZZ berichtete wurde dort vor einigen Wochen eine Forschungsarbeit präsentiert, welche davon ausgeht, dass die Ursache der aktuell niedrigen Zinsen die Ungleichheit der Einkommen sei. Hier der Link zu diesem siebenundvierzigseitigen PDF-Dokument.

In Kürze lautet die Argumentation: Reiche können mehr sparen als Arme, was zu einem überproportionalen Anteil an den Ersparnissen führt. Diese „Sparschwemme“ senkt den Zins und lässt Vermögenspreise steigen – von denen wiederum die Reichen stärker profitieren.

Dass diese Perspektive in Jackson Hole eine prominente Plattform bekam, kann als Indiz gewertet werden, dass sich die Zentralbanken künftig auch beim Thema Ungleichheit von Einkommen und Vermögen in der Pflicht sehen könnten, regulierend einzugreifen.

Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass Zentralbanken bereits heute durch die Ausweitung der Geldmenge über den sogenannten Cantillion-Effekt wesentlich auf die Vermögensverteilung einwirken. Dieser Effekt sorgt dafür, dass die Erstempfänger des neuen Geldes profitieren.

Schrieben sich nun die Zentralbanken die Bekämpfung der Ungleichheit auf die Fahnen, würde der Bock zum Gärtner gemacht. Was jedoch nicht bedeutet, dass keine (neuen) Eingriffe der Zentralbanken denkbar wären, um Einkommen und Vermögen entsprechend politischen Wünschen umzulenken. Der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt, was die Gefahr für Anleger, Konsumenten und Unternehmer umso bedrohlicher macht.

Fazit

Bereits die – aus österreichischer Perspektive – unzutreffenden Annahmen der Zentralbanken über das Geld, den Zins und die Inflation sowie über das Zusammenspiel mit der Realwirtschaft sorgen dafür, dass Zentralbanken die verlautbarten Ziele verfehlen und mit ihren Aktivitäten für manche Bevölkerungsgruppen ungünstige Entwicklungen verursachen. Minuszinsen für Anleger, Umlenkung unternehmerischer Investitionen oder Probleme bei der Altersvorsorge sind nur einige Konsequenzen, welche bereits die heutigen Interventionen der Zentralbanken bewirken.

Draghis Vergleich der EZB-Politik mit militärischen Fernwaffen macht auf einen weiteren Umstand aufmerksam. Die Entscheider der Zentralbanken betätigen zwar den geldpolitischen „Auslöser“, sind aber außerstande die konkreten Folgen ihrer Handlungen vorab überblicken zu können. Erst im Nachhinein wird man sehen, welche Sach- und Personenschäden tatsächlich aufgetreten sind.

Allerdings lassen die aktuellen Entwicklungen vermuten, dass mit der Bargeldeinschränkung bis hin zur potenziell drohenden Abschaffung, der Selbstausweitung der Aufgaben der Zentralbanken um Sozial- und Umweltthemen sowie der Intensivierung politischer Interventionen die ökonomischen Gefahren, welche von den Zentralbanken ausgehen, in neue Dimensionen vorstoßen werden.

[1] “Der Klimawandel kann die Preisstabilität durch extreme Wetterereignisse und Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beeinträchtigen. Wir bei der EZB haben uns verpflichtet, die Auswirkungen des Klimawandels in unserem geldpolitisches Rahmenkonzept zu berücksichtigen.”

Rainer Fassnacht ist gelernter Kaufmann, Diplom-Ökonom und Wirtschaftspraktiker. Er lebt in Berlin und ist familiengeschichtlich mit Österreich verbunden, genau wie als Vertreter der von Carl Menger begründeten Österreichischen Schule. Mit seinem Buch „Unglaubliche Welt: Etatismus und individuelle Freiheit im Dialog“ möchte er, auch Social-Media-geprägten Lesern, die Ideen der österreichischen Schule näherbringen. Auch in seinen sonstigen, unter anderem vom Austrian Economics Center in Wien veröffentlichten Texten, setzt er sich für die Bewahrung der individuellen Freiheit ein.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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