Fürstentum Monaco: Ein einzigartiges Gesellschaftssystem

19. August 2020 – von Titus Gebel 

Titus Gebel

Ein Österreicher, der nach Monaco übergesiedelt ist, erzählte mir vor kurzem die folgende Geschichte: Etwa vier Wochen nach seiner Ankunft sei er von einem Freund auf eine Veranstaltung in den Yachtclub von Monaco eingeladen worden. Dort sei er mit einem Mann ins Gespräch gekommen, der ihn intensiv über seine Erfahrungen in den ersten Wochen befragte. Als er wissen wollte, wieso der Herr daran so interessiert sei, antwortete dieser: „Ich bin der Präsident des monegassischen Parlaments und Sie sind doch unser Kunde.“ Mein Gesprächspartner meinte, er sei zunächst sehr überrascht gewesen über diese Sichtweise, aber nach einigem Nachdenken hätte er es gut gefunden, dass man ihn als Kunden betrachte. Und genau dieses Selbstbild als Dienstleister, der sich um zufriedene Klienten bemühen muss, macht Monaco so erfolgreich.

Schauen wir uns das Fürstentum daher etwas näher an.

Entstehung

Die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen zwischen den Ghibellinen und Guelfen in Norditalien führten 1296 zur Vertreibung der papsttreuen Guelfen und damit auch der Familie Grimaldi aus Genua. Am 8. Januar 1297 gelang es den Grimaldi durch eine List, in die bis dahin in ghibellinischer Hand befindliche Festung Monaco einzudringen und diese mit ihren Truppen im Handstreich zu erobern. Seither übt die Familie Grimaldi, mit nur kurzen Unterbrechungen durch Fremdbesetzungen, die Herrschaft über Monaco aus. Im Jahr 1489 wurde die Unabhängigkeit Monacos sowohl durch den König von Frankreich als auch den italienischen Herzog von Savoyen formell anerkannt. In der Folge wurde die Unabhängigkeit immer mal wieder in Frage gestellt, häufig durch Frankreich, welches Monaco mittlerweile von drei Seiten umschließt. Heute ist Monacos Souveränität einschließlich seiner Küstengewässer allgemein anerkannt. 1993 erfolgte der Beitritt zu den Vereinten Nationen. Das Fürstentum hat seit 1865 eine Zollunion mit Frankreich, über die es auch am EU- Markt teilnimmt, ist aber selbst kein Mitglied der Europäischen Union. Monaco benutzt den Euro als Währung und hat auch von der EU das Recht erhalten, eine gewisse Anzahl an Münzen selbst zu prägen.

Das Fürstentum ist seit 1911, als eine Verfassung eingeführt wurde, eine konstitutionelle Monarchie. Meinungsfreiheit, Eigentumsrechte und so weiter sind verfassungsrechtlich garantiert. Der Fürst ernennt die Regierung. Seit der Verfassungsänderung 1962 gibt es ein Parlament, das in freien und geheimen Wahlen auf fünf Jahre gewählt wird. Der Fürst hat aber ein Vetorecht bei Gesetzesvorschlägen des Parlaments und kann eigene Gesetzesvorschläge machen. Das Land ist damit einer der wenigen Staaten, in denen ein Monarch tatsächlich noch die Geschicke des Landes lenkt.

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Mehr Arbeitsplätze als Einwohner

Monaco ist ein Zwergstaat mit nur 2 km² Fläche, nur der Vatikanstaat ist noch kleiner. Darauf leben 38.000 Menschen, es handelt sich somit um das am dichtesten besiedelte Land der Welt. Im Fürstentum arbeiten insgesamt mehr Menschen als dort leben, etwa 50.000, die meisten sind Tagespendler aus Frankreich oder dem nahen Italien. Die Arbeitnehmer haben im Wesentlichen die gleichen Rechte und soziale Absicherung wie in Frankreich, und es gibt sogar Sozialhilfeempfänger, die in Regierungswohnungen leben. Es heißt, dass 30 Prozent aller Einwohner von Monaco über ein liquides Vermögen von mehr als einer Million US-Dollar verfügen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass die anderen 70 Prozent mehr oder weniger normale Menschen sind. Im Lauf der Jahre habe ich viele Arbeitnehmer in Monaco befragt, die meisten waren Tagespendler aus Frankreich und Italien, und der Befund ist eindeutig: Wenn die Mieten nicht so exorbitant hoch wären, würden fast alle das monegassische System bevorzugen und sich in Monaco niederlassen. Die Immobilienpreise sind aber nur so hoch, weil Monaco so wenig Fläche hat. Die sonstigen Lebenshaltungskosten sind vergleichbar mit dem Rest der Cote d’Azur.

Trotz formeller Anerkennung als souveräner Staat nimmt das Verhältnis zu Frankreich eine Sonderstellung ein, welche die Unabhängigkeit Monacos in gewisser Weise einschränkt. Monaco hat im Laufe der Jahrhunderte mehrere Verträge mit Frankreich geschlossen und darin das gegenseitige Verhältnis definiert. So wurde auch die letzte große Krise zwischen den beiden Staaten vertraglich gelöst. Anfang der 1960er Jahre hatten vermehrt französische Unternehmen und Privatpersonen ihren Sitz ins steuerfreie Monaco verlegt, obwohl sie die Masse ihrer Einkünfte in Frankreich erzielten. Frankreich forderte daraufhin von Monaco, sämtliche seiner Einwohner und Unternehmen der französischen Besteuerung zu unterstellen. Der 1963 letztlich erzielte Kompromiss sieht vor, dass Personen mit französischer Staatsbürgerschaft, die nicht schon vor 1962 in Monaco lebten, nach Frankreich versteuern. Außerdem übernimmt Monaco den jeweiligen französischen Mehrwertsteuersatz und führt einen Teil der Mehrwertsteuer nach Frankreich ab. Das Fürstentum verpflichtete sich weiter, seine Souveränitätsrechte so auszuüben, dass die wirtschaftlichen und politischen Interessen Frankreichs gewahrt bleiben. Dazu zählt auch, keine in Frankreich unerwünschten Personen einreisen zu lassen. Frankreich übernimmt im Gegenzug die Verantwortung für die äußere Sicherheit Monacos.

Europäische Hochkultur

Monaco mit seiner Vielfalt an kulturellem, kulinarischem und sportlichem Angebot, verbunden mit seiner Zivilisiertheit, seiner Geschichte, seinem Glanz und seinem Ruf als Heimstatt der Reichen und Schönen kann durchaus als Kulminationspunkt europäischer Hochkultur angesehen werden. An Kritikern ist kein Mangel, aber die Touristen und Tagesbesucher strömen in Scharen, wie auch die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot um ein Vielfaches übersteigt, weshalb die Immobilienpreise die höchsten der Welt sind.

Monaco gilt als der Staat mit der niedrigsten Armutsquote und der höchsten Lebenserwartung weltweit. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war Monaco arm, die Einwohnerschaft war zu einem Zeitpunkt gar auf 300 Menschen zurückgegangen. Erst mit Eröffnung eines erfolgreichen Kasinos und dem Bahnanschluss 1868 gelang die Wende. Als in der Folge die jährlichen Einnahmen aus dem Kasinobetrieb 95 % des Staatshaushaltes finanzierten, entschied der damalige Fürst, seinen Untertanen fortan die Steuern zu erlassen. Dabei ist es im Grundsatz bis heute geblieben. Monaco erhebt weder Einkommens- und Erbschaftssteuern noch Steuern auf Kapitalgewinne. Unternehmen, welche die Masse ihrer Einkünfte außerhalb Monacos erwirtschaften, zahlen allerdings Unternehmenssteuern. Auch gibt es eine Grund- sowie Grunderwerbssteuer. Hinzu kommt die erwähnte Mehrwertsteuer, welche heute etwa die Hälfte des Staatshaushaltes finanziert. Einnahmen aus staatlichen Kasinos und Hotels spielen nur noch eine untergeordnete Rolle (etwa 5 %), der Rest wird durch Unternehmenssteuern, Immobiliensteuern und sonstige Abgaben finanziert. Der Haushalt weist einen leichten Überschuss aus und Monaco ist nicht nur schuldenfrei, sondern hat darüber hinaus liquide Rücklagen in Höhe von mehr als zwei Jahresbudgets.

Weltweit niedrigste Kriminalitätsrate

Etwa 80 % der Bevölkerung sind Ausländer ohne monegassische Staatsbürgerschaft. Es leben Menschen aus 139 Nationen friedlich zusammen. Monaco hat die weltweit niedrigste Kriminalitäts- und Armutsrate, ohne Grenzkontrollen und trotz zehntausender Pendler und ebenso vieler Besucher täglich.

Wie ist das möglich?

Das Fürstentum hat weltweit die höchste Polizeidichte pro Kopf und überwacht sein gesamtes Territorium mit Kameras; auf etwa 70 Einwohner kommen ein Polizist und eine Videokamera. Insgesamt hat die Polizei eine Stärke von 520 Personen; hinzukommen noch einmal dieselbe Zahl an privatem Sicherheitspersonal sowie zwei paramilitärische Einheiten (Palastwache und Feuerwehr). Aufgrund des fließenden Übergangs der Bebauung zu den französischen Nachbargemeinden sowie des hohen Verkehrsaufkommens wäre die Durchführung von Grenzkontrollen im eigentlichen Sinne ohnehin schwierig. Monaco überwacht stattdessen hereinkommende Fahrzeuge mit Nummernschildlesern und per Sichtkontrolle durch Polizisten, die an den Eingangsstraßen postiert sind. Verdächtige Personen werden durch die Kameraüberwachung erfasst und dann von Streifenpolizisten kontrolliert.

Im Übrigen schaut sich Monaco genau an, wen es sich als Bewohner ins Land holt. Wer sich in Monaco niederlassen möchte, muss auch in Frankreich aufenthaltsberechtigt sein, eine Wohnung in Monaco nachweisen (Miete oder Eigentum), über ausreichendes Einkommen oder Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts verfügen, sowie für alle erwachsenen Familienangehörigen einen Lebenslauf und ein polizeiliches Führungszeugnis seines Herkunftsstaates vorlegen. Auf dieser Grundlage wird dann eine Internetrecherche gemacht und ein persönliches Gespräch mit einem Polizeioffizier geführt. Bestehen keine Bedenken, vergibt Monaco eine Aufenthaltsgenehmigung für zunächst ein Jahr, welche noch zweimal um jeweils ein Jahr verlängert werden kann, bevor dann eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis erteilt wird usw. Dies gibt Monaco die Möglichkeit, bei zweifelhaften oder unangenehm aufgefallenen Neubürgern die Aufenthaltserlaubnis schlicht nicht zu verlängern, anstelle langwierige rechtliche Auseinandersetzungen über den Widerruf einer Aufenthaltsberechtigung zu führen. Bei Kriminalität kennt Monaco keine Toleranz. Verurteilte Nichtmonegassen müssen, gegebenenfalls nach Verbüßung einer Haftstrafe, das Fürstentum wieder verlassen, selbst bei kleineren Vergehen wie Ladendiebstahl. Es ist die Kombination all dieser Maßnahmen, also die Kameraüberwachung, die strengen Einwanderungsregeln, die Abschiebung von Kriminellen und die starke Polizeipräsenz, die dazu führt, dass Eltern in Monaco ihre Kinder selbst um Mitternacht ohne Bedenken auf die Straße schicken können.

Schutz durch Wettbewerb

Obwohl das Fürstentum für Nichtmonegassen keinerlei Mitbestimmungsrechte vorsieht, gibt es mehr Interessenten, als der kleine Wohnungsmarkt fassen kann, deshalb wird dem Meer Neuland abgerungen. Wieso ist das so? Steuerfreiheit gibt es doch auch anderswo? Nun, Monaco bietet Sicherheit vor Verbrechen, weitgehende Steuerfreiheit, überschaubare Regeln, gutes Klima und Glamour. Kurz gesagt, Monaco ist attraktiv und lässt seine Einwohner in Ruhe. An dem Tag, an dem in Monaco alle EU-Regulierungen einschließlich Einkommensteuern eingeführt werden, ist das Geschäftsmodell Monaco zu Ende. Die meisten würden dann einfach wegziehen. Das weiß der Fürst und deshalb wird es nicht geschehen. Trotz dessen formal großer Machtposition ist es somit ausschließlich der Wettbewerb mit anderen Plätzen, der den Einwohnern die Freiheit sichert, und nicht etwa ein Parlament, eine Verfassung oder das Recht zu Volksabstimmungen. Der Wettbewerb ist in der Tat das bisher einzig bekannte, dauerhaft wirksame Entmachtungsmittel der Menschheit. Auch in Monaco.

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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im „Kulturmagazin Schloss Rudolfshausen“ (Ausgabe Juli 2020).

Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er gründete unter anderem die Deutsche Rohstoff AG. Gebel ist Autor des Buches „Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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