Bürgerkrieg verhindern: Dezentralisierung und Sezession

24. Juni 2020 – von Ryan McMaken

Ryan McMaken

Es wird immer offensichtlicher, dass die Vereinigten Staaten nicht zur Tagesordnung übergehen werden, nachdem Donald Trump das Weiße Haus verlassen haben wird und es ist leicht vorstellbar, dass die Anti-Trump Parteien, ihre Rückkehr zur Macht nutzen werden, um offene Rechnungen mit den verhassten Bauerntölpeln und „Bedauernswerten“ zu begleichen, die es gewagt hatten gegen die „Guten“ in Washington DC, Kalifornien und New York zu opponieren.

Dieser andauernde Konflikt könnte sich durch zunehmende Attacken gegen religiöse Menschen oder Leute, die andere Meinungen als die Intellektuellen aus den urbanen Stadtzentren vertreten, in einem Kulturkrieg manifestieren. Der erste Zusatz zur amerikanischen Verfassung wird gefährdet sein wie nie zuvor, da sowohl die Religions-, als auch die Meinungsfreiheit als Vehikel des „Hasses“ wahrgenommen werden. Mit Sicherheit wird auch der zweite Verfassungszusatz am seidenen Faden hängen.

Aber noch gefährlicher wird die Rückkehr des „Tiefen Staates“ (deep state) in eine komfortable Position sein, also ohne eigentliche Opposition von gewählten Vertretern der Zivilregierung. Das FBI und die CIA werden sich noch mehr bemühen, um sicherzustellen, dass den Wählern niemals wieder „erlaubt“ sein wird, einen Präsidenten zu wählen, der vorher nicht die explizite Zustimmung der Amerikanischen Geheimdienstgemeinschaft erhalten hat. Der vierte Verfassungszusatz wird abgeschafft werden, sodass die NSA und ihre Freunde jeden Amerikaner ohne Einschränkungen bespitzeln dürfen. Das FBI und die CIA werden noch mehr den Gebrauch von Überwachung zusammen mit undichten Medienstellen kombinieren, um ihre Feinde zu zerstören.

Jeder, der Einwände gegen den Krieg des Tiefen Staates gegen Amerikaner oder Ausländer erhebt, wird als Marionette fremder Mächte denunziert werden.

Diese Szenarien mögen übertrieben dramatisch klingen, aber eine solch extreme Situation könnte entstehen, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Trump, der ein äußerst milder Gegner des Status Quo ist, einer solch hysterischen Opposition ausgesetzt wurde. Immerhin hat Trump den Wohlfahrtsstaat nicht auseinandergenommen. Er hat das Militärbudget nicht zusammengestrichen, ja nicht einmal gesenkt. Seine Kämpfe gegen den Tiefen Staat basieren meist auf tagespolitischen Motiven und nicht auf fundamentalen Meinungsunterschieden mit der Politik. Trump stellt sich zum Beispiel auf die Seite des Überwachungsstaates, wenn es um die Verfolgung von Edward Snowden geht.

Seine Sünde ist lediglich sein Mangel an Enthusiasmus für die Mitte-Links Bewegung hin zu einer immer gehässigeren Identitätspolitik. Noch wichtiger aber ist sein unzureichender Eifer, neue Kriege zu entfachen, die NATO zu erweitern und ganz allgemein Russland in einen 3. Weltkrieg zu treiben.

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Sogar für solch kleine Abweichungen, wird uns eingeredet, muss er vernichtet werden.

Jetzt können wir raten, wie die Agenda aussehen wird, nachdem Trump aus dem Weg ist. Sie wird weder mild noch maßvoll sein.

Und was dann?

In dieser Situation könnte das halbe Land (viele davon aus dem „Red-State-America“) sich als erobert, machtlos und ungehört fühlen, was ein Rezept für einen Bürgerkrieg darstellen könnte.

Die Notwendigkeit von Sezessionen

Aber wie können wir jetzt Schritte setzen, um die Polarisierung und den daraus resultierenden Schaden zu minimieren?

Die Antwort liegt in einer tieferen Dezentralisierung und lokaler Autonomie. So lange aber die meisten Amerikaner unter der autoritären Vorstellung leben, dass die Vereinigten Staaten „eine einzige, unteilbare Nation“ darstellen, wird es keine Antwort auf dieses Problem der unangefochtenen Machtausübung einer Region (oder Partei) über eine Minderheit geben.

Viele Konservative behaupten naiverweise, dass die Verfassung und der Rechtsstaat Minderheiten in dieser Situation beschützen werden. Diese Theorien können sich aber nur beweisen, wenn die Menschen, die die Gesetze machen und interpretieren, einer Ideologie angehören, welche lokale Autonomie und Meinungspluralität bzw. Meinungsverschiedenheiten mit der herrschenden Elite zulassen. Dies ist aber immer weniger die Ideologie der Mehrheit, vor allem nicht unter den mächtigen Richtern und Politikern.

Für diejenigen, die es schaffen, die flaggenschwenkende Propaganda ihrer Jugend hinter sich zu lassen, wird es immer deutlicher, dass es etwas anderes braucht, als ständig Binsenweisheiten (lehren wir den Schülern Manieren, lesen wir die Verfassung oder wählen wir starke Führer) zu wiederholen.

Ich habe bereits früher festgestellt, dass die Idee von zunehmender Autonomie via Nullifikation und Sezession in Europa schon länger an Fahrt aufgenommen hat, wo Referenden zur Dezentralisierungen immer häufiger vorkommen.

Und zunehmend erkennen auch die Konservativen die Zeichen der Zeit. Unter den aufschlussreicheren unter ihnen befindet sich Angelo Codevilla. Im Jahr 2017 hat Codevilla eine Blaupause für lokale Opposition gegenüber der Zentralgewalt im Claremont Review of Books präsentiert:

Texas hat ein Gesetz beschlossen, welches de-facto alle Abtreibungskliniken schließt. Der oberste Gerichtshof der USA hat das Gesetz kassiert. Was würde passieren, falls Texas die Klinken trotzdem schließen würde? Sollte die US Armee mit vorgehaltenen Waffen die Texas Ranger dazu zwingen, die Kliniken wiederzueröffnen? Was würde die Bundesregierung unternehmen, falls Nord-Dakota sich als „Zufluchtsort für die Ungeborenen“ bezeichnet und Abtreibungen komplett verbietet? Übrigens, was macht die Bundesregierung aufgrund der Tatsache, dass Colorado und Kalifornien die Bundesgesetze bzgl. Marihuana de-facto ignorieren? Utah beanstandet, dass die Grenzen von Naturschutzgebieten per Dekret festgelegt werden. Was, wenn das Bundesland diese Grenzen ignoriert? Was könnten die Bürokraten in Washington DC dann machen, wenn eine gewisse Anzahl an Bundesländern entscheidet, dass das, was die Bundesrichter entscheiden, gegen ihre Interessen verstößt?

Nun, da Identitätspolitik die Überzeugungspolitik ersetzt hat und mit zur Kunst des Krieges gehört, sollten die Staatenlenker versuchen, den verblieben Frieden mittels gegenseitiger Nachsicht gegenüber den Jurisdiktionen zu bewahren, die Bundesgesetze, Regulierungen und Gerichte ignorieren oder gegen sie verstoßen. Blaue und rote Staaten gehen verschieden mit Angelegenheiten, wie Gesundheit, Bildung, Wohlfahrt und Sicherheit um. Es ist nicht gut zu insistieren, dass alle die Dinge uniform angehen.

Die Not für Separation wurde im Jahr 2019 dringender. Codevilla setzte also seine Ausführungen fort:

Nach der Wahl 2020 werden die gewöhnlichen Amerikaner vor demselben Dilemma wie 2016 stehen: Wie kann unsere schnell verschwindende Freiheit, als Amerikaner zu leben, sichergestellt oder sogar wiederhergestellt werden? Und obwohl man sich Hilfe von Trump wünschen würde, müssen wir selbst auf uns schauen und auf andere Anführer, die sich jetzt und in Zukunft der regierenden Klasse mit ihren mannigfaltigen Anschlägen auf die Freiheit, entgegenstellen.

Der logische Weg ist, das zu konservieren, was noch konserviert werden kann und zwar von denen, die das wirklich wünschen. Wie auch immer, viel Kraft wird notwendig sein, um das erreichen zu können und das Ziel muss immer die Bewahrung der Menschen und ihrer Lebensstile sein.

Das impliziert eine Art von Separation.

… Der natürliche Weg des geringsten Widerstands ist für alle, die Wege der Anderen zu tolerieren. Die regierenden Eliten sind sich nicht zu schade, die Macht des Staates und der lokalen Regierungen zu nutzen, um von der Bundespolitik abzuweichen und haben so de-facto bundesstaatliche Gesetze nullifiziert. Sie sind damit auch durchgekommen.

Zum Beispiel hat die Trump-Regierung weder Nationalgardisten nach Colorado und Kalifornien entsandt, um die bundesstaatlichen Marihuana-Gesetze durchzusetzen, noch wurden Personen oder Landesregierungen verfolgt, die die Immigrationsgesetze missachteten. Es gibt also keinen Grund dafür, dass konservative Staaten, Bezirke oder Gemeinden nicht genauso ihre Vorstellungen vom Guten durchsetzen sollten.

Nicht einmal Präsidentin Alexandria Ocasio-Cortez würde den Truppen den Schießbefehl erteilen, um Abtreibungskliniken wiederzueröffnen, falls Missouri oder Nord-Dakota oder irgendeine Stadt diese schließen würden. Wie Francis Buckley in seinem Buch (American Secession: The Looming Breakup oft he United States) argumentiert, ist eine Art von Separation unausweichlich und die diesbezüglichen Optionen mannigfaltig.

Es bleibt anzumerken, dass Codevilla’s Strategie, auf grandiose Gesten über Unabhängigkeit oder dem Verlangen glorreiche militärische Siege der guten alten Zeit nachzustellen, verzichtet. Das waren die Fehler der Konföderierten in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Interessanterweise überlappt sich Codevilla’s vernünftigere Strategie zu weiten Teilen mit den Empfehlungen von Hans-Hermann Hoppe in seinem Essay „What must be done“. Die Idee dort ist, zuerst die lokale Kontrolle zu erlangen, um dann die Kooperation mit den bundesstaatlichen Politikern zu verweigern. Aber zurückhaltend. Hoppe schreibt:

Es würde vernünftig erscheinen … einer direkten Konfrontation mit der Zentralregierung auszuweichen und ihre Autorität nicht öffentlich zu untergraben oder sich sogar vom amerikanischen Reich loszusagen. Wir wären besser beraten, uns einer Politik des passiven Widerstands zu verschreiben und nicht zu kooperieren. Man stoppt einfach die Durchsetzung aller bundesstaatlichen Gesetze unter der folgenden Annahme: „Das sind eure Gesetze, also müsst ihr sie auch durchsetzen. Ich kann euch nicht daran hindern, aber ich werde euch dabei auch nicht unterstützen, da ich einzig meiner lokalen Wählerschaft verpflichtet bin.“

Falls diese Nichtkooperation und Nichtunterstützung konsistent und auf allen Ebenen angewandt wird, würde die Macht der Zentralregierung massiv reduziert oder gar verschwinden. Und in Anbetracht der allgemeinen öffentlichen Meinung wäre es sehr unwahrscheinlich, dass die Zentralregierung es wagen würde, ein Territorium zu besetzen, dessen Einwohner nichts anderes tun, als sich um ihren eigenen Kram zu kümmern. Waco, eine jugendliche Truppe von Freaks ist eine Sache. Aber eine signifikant größere Gruppe von normalen, versierten und aufrechten Bürgern zu erobern oder auszulöschen, ist eine komplett andere und sehr viel schwierigere Sache.

Einigen wird es nicht gelingen, sich von der Vorstellung zu lösen, dass die Vereinigten Staaten für immer von einer einzigen, nationalen Politik regiert werden müssen. Diese werden darauf bestehen, dass jedweder Versuch einer solchen Dezentralisierung notwendigerweise in Gewalt resultieren wird.

Michel Vlahos schreibt zum Beispiel in The American Conservative, dass er nicht davon überzeugt ist, dass Gewalt vermieden werden kann. Aber selbst er gibt zu, dass ein Ausmaß der Gewalt mit massivem Blutvergießen, wie in den 1860er Jahren, unwahrscheinlich ist:

Unsere antiken Bürgerkriege waren nicht an formale Regeln gebunden, jedoch hielt man sich irgendwie an wohl-geankerte Erwartungen. Heute hat die amerikanische Gesellschaft komplett andere Normen und Erwartungen über zivile Konflikte, die mit Sicherheit die Art, wie wir kämpfen, einschränken.

Das heutige Amerika begrüßt keine nationale Landschaft mehr, in der im industriellen Gleichschritt auf Schlachtfeldern gekämpft wird (Gettysburg, D-Day). Unser nächster Bürgerkrieg – wie uns die sozialen Medien so eloquent erinnern – wird seine Gewalt auf einem Schlachtfeld mit gleichem Schmerz austragen, aber mit wenig Blut.

Viele Vertreter einer ewigen, zentralen Vorherrschaft werden so etwas natürlich nie zugeben. Jeder Versuch einer Dezentralisierung, Nullifikation oder Sezession wird als ungültig abgetan, weil „das ist durch den Bürgerkrieg entschieden worden.“ Ohne Zweifel hat der damalige Bürgerkrieg die Angelegenheit für ein bis zwei Generationen entschieden, aber zu behaupten, die Angelegenheit sei für immer geregelt worden, ist Unsinn.

Wahr ist aber auch, dass – falls sich die Idee eines gesetzlich, kulturell und politisch geeinten Amerikas nach wie vor durchsetzt – die Amerikaner wohl einer Zukunft mit immer größerer politischer Repression, gekennzeichnet von zunehmenden Gewaltepisoden, entgegensehen werden. Das wäre das logische Ergebnis in jedem System, indem angenommen wird, dass die regierende Partei das Recht und die Pflicht hat, seine Vorstellungen einer anderen Gruppe aufzuzwingen. Das ist das Endspiel eines vereinigten Amerikas.

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Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Nuding. Der Originalbeitrag mit dem Titel How to Avoid Civil War: Decentralization, Nullification, Secession ist am 4.12.2019 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Ryan McMaken ist Editor von Mises Daily und The Free Man. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der University of Colorado.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: Adobe Stock

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