Zentralbank-Marxismus

11. März 2019 – Auf dem Weg in die Katastrophe

von Thorsten Polleit

Thorsten Polleit

Im „Manifest der Kommunistischen Partei“ aus dem Jahr 1848 nennt Karl Marx (1818-1883) zehn sogenannte „Maßregeln“ – despotische Eingriffe in die Eigentumsrechte –, die für die gesellschaftliche Umwälzung, die zum Kommunismus führen soll, notwendig seien. Maßregel fünf ist die „Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol“. Eine überaus hellsichtige Forderung. Umso mehr, als in der Zeit, als Marx sie formuliert hat, Edelmetalle, Gold und Silber, Geld waren.

Gold und Silber lassen sich bekanntlich nicht beliebig vermehren. Mit ihnen ist es daher auch nicht ganz so einfach, die Kreditmenge nach politischer Willkür zu beeinflussen. Marx scheint aber schon geahnt zu haben, was alles möglich sein wird, wenn der Staat in die Lage versetzt wird, Geld per Kredit zu schaffen, wenn er erst einmal das Monopol über die Geldproduktion an sich gerissen hat. Schon der britische Historiker Thomas Fuller (1608-1661) hatte geschrieben: „Geld ist die Sehne sowohl der Liebe als auch des Krieges.“

Die Idee staatlich beherrschter Zentralbanken gab es auch schon lange vor Marx. Die Schwedische Zentralbank (Sveriges Riksbank) beispielsweise wurde 1668 gegründet, die Bank von England (Bank of England) 1694. Die betrügerischen Machenschaften dieser Einrichtungen waren bald bekannt, spätestens mit den Arbeiten des britischen Ökonomen David Ricardo (1772-1823). Er zeigte 1810 in „The High Price of Bullion“ auf, dass die Geldentwertung unmittelbare Folge der Ausweitung der Geldmenge war – damals in Form von Papiernoten, die nicht durch Edelmetalle gedeckt waren.

Doch die Erkenntnis, dass Zentralbanken, haben sie erst einmal das Monopol der Geldproduktion inne, ihre Macht missbrauchen, indem sie Günstlingswirtschaft betreiben und für eine unsoziale Geldentwertung sorgen, hat es bis auf den heutigen Tag nicht vermocht, die monströse Zentralbankidee zu diskreditieren. Vielmehr scheint hier Marx‘ dialektischer Marxismus gefruchtet zu haben: Das, was ist, hat das Bewusstsein bestimmt. Und so konnte sogar weltweit ein unangefochtener Zentralbank-Marxismus entstehen.

Spätestens am 15. August 1971 wurde Marx‘ Vision Wirklichkeit: Die US-Regierung beendete die Einlösbarkeit des US-Dollar in physisches Gold – das Geld der zivilisierten Welt wurde aus dem Verkehr gezogen. Durch diesen Handstreich stülpten die Amerikaner der Welt ein ungedecktes Papiergeldsystem über. Seit diesem Tag sind alle bedeutenden Währungen entkernt. Sie sind nur noch ungedecktes Geld, monopolisiert durch die staatliche Zentralbank, produziert durch Kreditvergabe, der keinerlei Ersparnisse gegenüberstehen.

Das Geldschaffen durch Kreditvergabe hat die Volkswirtschaften zu wahren Schuldsklaven verkommen lassen: Konsumenten, Unternehmen und vor allem die Staaten können ohne das fortgesetzte Vermehren der Kredit- und Geldmengen, bereitgestellt zu immer niedrigen Zinsen, nicht mehr ihre Rechnungen zahlen. Und die Zentralbanker sind aufgestiegen zur eigentlichen Machtzentrale: Es sind ihre geldpolitischen Beschlüsse, die maßgeblich über das Wohl und Wehe ganzer Volkswirtschaften befinden.

Mit dem willkürlichen Geldschaffen „aus dem Nichts“ führt eine recht kleine Clique von Zentralbankräten und ihrem Mitarbeiterstab eine kolossale „Umwertung der Werte“ (Friedrich Nietzsche) herbei: Chronische Inflation entmutigt das Sparen; Verschulden wird kultiviert; durch Heruntermanipulieren des Zinses wird die Zukunft zugunsten der Gegenwart entwertet; das maßlose Anwachsen des Staates wird befördert auf Kosten bürgerlicher und unternehmerischer Freiheiten.

Dadurch ist dem Zentralbank-Marxismus in Europa etwas besonders Erstaunliches gelungen: Mittlerweile haben dort 19 Nationen mit insgesamt 337 Millionen Menschen ihre Selbstbestimmung in der Geldfrage aufgegeben und sich dem Diktat einer Einheitszentralbank, die eine ungedeckte Einheitswährung ausgibt, unterworfen. Zwar war und ist der Zentralbank-Marxismus in Europa äußerst erfolgreich. Seine Speerspitze ist aber nach wie vor die US-amerikanische Federal Reserve (Fed).

Die Welt hängt heute mehr denn je am ungedeckten US-Dollar wie an einem Fliegenfänger. Alle anderen Währungen bauen auf dem Greenback auf. Und es ist die Fed, die de facto die Kredit- und Liquiditätskonditionen auf den internationalen Finanzmärkten bestimmt. Die Fed steht einem weltweiten Zentralbank-Kartell vor, das über sein Geldmonopol zur zentralen Lenkung und Kontrolle der Weltwirtschaft führen wird. Man kann also nur hoffen, dass den Zentralbank-Marxisten etwas dazwischenkommt. Und zwar möglichst schnell.

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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in eigentümlich frei, Ausgabe 190.

Thorsten Polleit, Jahrgang 1967, ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa. Er ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME) und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Gründungspartner und volkswirtschaftlicher Berater eines Alternative Investment Funds (AIF). Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: © Romolo Tavani – Fotolia.com

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