Staat bedeutet Knechtschaft

20.2.2017 – von Ludwig von Mises.

Ludwig von Mises (1881 – 1973)

Wenn wir im Zusammenhang mit dem Phänomen des Marktes das Wort Macht gebrauchen, müssen wir uns dabei völlig im Klaren darüber sein, dass wir das in einem komplett anderen Kontext tun, als dies im traditionellen Kontext des Regierungshandelns und der Staatsangelegenheiten der Fall ist.

Staatsmacht funktioniert unter der Prämisse, jeden zu unterwerfen, der es wagt, die von den Autoritäten ausgegebenen Befehle zu missachten. Niemand würde von einer Regierung sprechen, falls ihr diese Prämisse fehlte. Jede Regierungshandlung beruht auf Polizisten, Gefängniswärtern und der ausführenden Gewalt. Ganz gleich wie vorteilhaft die Regierungshandlung auch scheinen mag, sie wird schlussendlich nur deshalb möglich gemacht, weil die Regierung die Macht hat, ihre Subjekte dazu zu zwingen, was sie freiwillig nicht tun würden, wenn sie nicht von Polizisten und Strafgerichten dazu gezwungen würden. Ein von der Regierung subventioniertes Krankenhaus bietet karitative Leistungen an, aber die dafür verwendeten Steuereinnahmen, welche es den Autoritäten erlauben, das Krankenhaus betreiben zu können, wurden nicht freiwillig bezahlt. Die Bürger bezahlen Steuern, weil sie bei Nichtbezahlen im Gefängnis landen würden und ihnen bei Gegenwehr gegen die Steuereintreiber der Galgen droht.

Es ist wahr, dass die Mehrheit der Leute sich nolens volens mit diesem Zustand abfindet und, so wie David Hume schrieb, „ihre eigenen Gefühle und Leidenschaften denen ihrer Herrscher opfert.“ Sie schlagen diesen Weg ein, weil sie denken, dass es auf lange Sicht besser für ihre eigenen Interessen ist, wenn sie sich ihrer Regierung gegenüber loyal verhalten anstatt sie zu stürzen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Staatsmacht über das exklusive Gewaltmonopol verfügt, jeden Widerstand durch Gewalt brechen zu können. Aufgrund der menschlichen Natur ist die Institution der Regierung unumgänglich, um zivilisiertes Leben zu ermöglichen. Die Alternative ist Anarchie und das Gesetz des Stärkeren, aber die Tatsache bleibt bestehen, dass der Staat die Macht hat, einzusperren und zu töten.

Das Konzept ökonomischer Macht, wie es von sozialistischen Autoren verwendet wird, meint etwas komplett anderes. Dieses Konzept beruht auf der Fähigkeit, das Verhalten anderer Leute dahingehend zu beeinflussen, dass man ihnen etwas anbietet, was sie für kostbarer erachten, als das, was sie dafür opfern müssen, um die Akquisition tätigen zu können. In einfachen Worten bedeutet das eine Einladung, um in Verhandlungen über eine Tauschhandlung zu treten. Ich gebe dir A, wenn du mir B gibst. Die Frage nach Zwang oder Drohung stellt sich dabei nicht. Der Käufer beherrscht nicht den Verkäufer und der Verkäufer beherrscht nicht den Käufer.

In der Marktwirtschaft ist jeder Lebensstil an die Arbeitsteilung angepasst und die Frage nach einer Rückkehr zur Selbstversorgung stellt sich nicht. Jedermanns blankes Überleben wäre gefährdet, falls wir auf einmal gezwungen wären, in einer längst vergangenen Autarkie leben zu müssen. Aber durch den normalen Umgang mit Marktransaktionen läuft niemand Gefahr, den Bedingungen einer urtümlichen Haushaltsökonomie ausgesetzt zu werden. Ein unscharfes Bild von den Effekten einer Turbulenz des normalen Umgangs bei Tauschhandlungen zeigt sich dann, wenn Gewerkschaftsgewalt – von der Regierung gutmütig toleriert oder gar offen unterstützt – die Aktivitäten der Lebensadern des Geschäftslebens unterbindet.

In einer Marktwirtschaft ist jeder Spezialist – und jeder Mensch ist ein Spezialist – abhängig von allen anderen Spezialisten. Diese Wechselseitigkeit ist die charakteristische Eigenschaft interpersoneller Beziehungen im Kapitalismus. Die Sozialisten ignorieren die Tatsache der Wechselseitigkeit und sprechen von ökonomischer Macht. Zum Beispiel sehen sie „die Fähigkeit, die Produktion zu bestimmen“[1], als eine Macht der Unternehmer an. Kaum jemand kann auf radikalere Weise die essentielle Eigenschaft der Marktwirtschaft verzerren. Es sind nicht die Unternehmer, sondern die Konsumenten, die schlussendlich determinieren, was produziert wird. Es ist ein dummes Märchen, dass Nationen Krieg führen, weil es eine Munitionsindustrie gibt und dass sich Leute betrinken, weil die Brennereien die „ökonomische Macht“ besitzen. Wenn jemand die ökonomische Macht als Fähigkeit versteht, sich zu entscheiden – oder wie es die Sozialisten bevorzugen: „zu bestimmen“ – gilt es festzuhalten, dass diese Macht vollkommen bei den Käufern und Konsumenten liegt.

„Die moderne Zivilisation, beinahe alle Zivilisationen“, sagte der große britische Ökonom Edwin Cannan, „basiert auf dem Prinzip, denen, die den Markt befriedigen, das Leben zu erleichtern, und denen, die das nicht tun, das Leben zu erschweren.“[2] Der Markt, das sind die Käufer, die Konsumenten, das sind wir alle. In einer Planwirtschaft oder dem Sozialismus geschieht aber das genaue Gegenteil, wenn die Ziele der Produktion von der höchsten planerischen Autorität festgelegt werden. Das Individuum bekommt dann, was die Autoritäten denken, dass es bekommen soll. All dieses leere Gerede von ökonomischer Macht der Unternehmen zielt darauf ab, diesen fundamentalen Unterschied zwischen Freiheit und Knechtschaft aufzulösen.

[1] A. A. Berle, Jr., Power without Property (New York: Harcourt, Brace, 1959), Seite. 82.
[2] Edwin Cannan, An Economist’s Protest (London: P. S. King & Son, Ltd., 1928), Seiten vi–vii.

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Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Nuding. Entnommen aus Kapitel 3, „The Elite under Capitalism“, Economic Freedom and Interventionism.

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Ludwig von Mises, geb. 1881 in Lemberg, war der wohl bedeutendste Ökonom und Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts. Wie kein anderer hat er die (wissenschafts)theoretische Begründung für das System der freien Märkte, die auf unbedingter Achtung des Privateigentums aufgebaut sind, und gegen jede Form staatlicher Einmischung in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben geliefert. Seine Werke sind Meilensteine der Politischen Ökonomie. Das 1922 erschienene “Die Gemeinwirtschaft” gilt als erster wissenschaftlicher und umfassender Beweis für die “Unmöglichkeit des Sozialismus”. Sein Werk “Human Action” (1949) hat bei amerikanischen Libertarians den Rang einer akademischen “Bibel”. Mises war Hochschullehrer an der Wiener Universität und Direktor der Österreichischen Handelskammer. Ab 1934 lehrte er am Institut des Hautes Etudes in Genf. 1940 Übersiedlung nach New York, wo er nach weiteren Jahrzehnten der Lehr- und Gelehrtentätigkeit 1973 im Alter von 92 Jahren starb.

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