Erst die Briten, dann Schottland … und wer ist der nächste?

27.6.2016 – von Ryan McMaken.

Ryan McMaken

Es dauerte nicht lange – nur wenige Stunden nachdem das endgültige Ergebnis für den Britischen Ausstieg aus der EU veröffentlicht wurde, gaben führende Schottische Politiker bekannt, einen erneuten Abspaltungsversuch aus Großbritannien wagen zu wollen.

Indem sie darauf hinweisen, dass eine große Mehrheit der Schotten für den Verbleib in der EU gestimmt hätte, argumentieren die Schottischen Unabhängigkeitsbefürworter überzeugend, dass Schottland die EU gegen seinen Willen wird verlassen müssen.

Viele von uns, die die Schottische Sezession im Jahr 2014 befürworteten, würden diese nach wie vor begrüßen. Schottland sollte die Freiheit haben, „Auf Wiedersehen“ zu sagen, um seinen eigenen Weg gehen zu können.

Einige Gegner eines Schottischen Ausstiegs haben jedoch behauptet, das Land sei zu klein, um “es alleine schaffen zu können”. Die Verteidiger Schottischer Unabhängigkeit nennen dies das „zu klein, zu arm, zu dumm“-Argument.

Selbst die rudimentärste Analyse zeigt jedoch, dass Größe kein Problem für Schottland darstellt. Mit einem offiziellen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von ungefähr $ 245 Milliarden bewegt sich Schottland ungefähr in der Größenordnung von Irland, Finnland und Dänemark. Seine Wirtschaft ist sehr viel größer als jene von Island (16,7 Mrd.) und Neuseeland (172 Mrd.).

Mit einer Bevölkerung von 5,3 Millionen ist Schottland entweder gleich groß oder sogar größer als Dänemark, Norwegen, Finnland, Neuseeland und Irland.

Mit einer solch großen Bevölkerung kommt Schottland auf ein BIP pro Kopf von ungefähr $ 45.000, was dem heutigen Niveau Großbritanniens entspricht, welches aber auch dem Niveau von Kanada, den Niederlanden, Österreich, Finnland und einer Reihe anderer Europäischer Staaten, egal ob groß oder klein, ähnelt.

Einige werden argumentieren, dass die Schotten es nicht alleine können, weil sie zu sehr von Transferzahlungen (z.B. Pensionen) vom Englischen Steuerzahler abhängen. Das ist zweifellos (teilweise) wahr, aber die Britische Regierung bezieht auch ihre Steuereinnahmen von den Schotten, reguliert den Schottischen Handel mit der EU, sowie allen anderen auch und vielleicht nehmen die Schotten für ihre Unabhängigkeit sogar kurzfristige Einschnitte in ihren Lebensstandard in Kauf.

Im Großen und Ganzen kann man aber nicht abstreiten, dass Schottland, wenn auf sich allein gestellt und gemessen an seiner Bevölkerung und Wirtschaftsleistung, sich im Orbit ganz normaler, wohlhabender Nationalstaaten bewegen würde. Schottland ist mit Sicherheit kein Ausreißer.

Die Behauptung Schottland wäre „zu klein“, wurde aber gerade erst von Roger Bootle im The Telegraph wiederholt. Er schreibt:

Glaubt es oder nicht, es gibt umfangreiche ökonomische Literatur über das Thema der optimalen Größe eines Landes, oder genauer noch, einer politischen Vereinigung. Vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet, geht die Ausdehnung einer politischen Einheit einher mit erhöhten Skalenerträgen in Bezug auf die Regierung und der Bereitstellung von öffentlichen Gütern, wie z.B. bei der Landesverteidigung. Gleichfalls gibt es innerhalb einer einzelnen politischen Einheit keine Handelsbeschränkungen, wie Zölle oder Quoten. Ceteris paribus, werden die Zuwächse aus dem Handel maximiert, wenn politische Einheiten größer werden.

Jedoch erreicht eine politische Einheit irgendwann eine wünschenswerte Größe, sodass, nach heutigem Stand der Dinge, eine einzige Weltregierung nicht optimal wäre. Je größer, und daher je heterogener eine politische Einheit wird, desto mehr Ressourcen werden benötigt, um über die Verteilung zu diskutieren: Wer sollte welche Art von öffentlichen Ausgaben erhalten und wer soll dafür bezahlen? Die Qualität der Regierung tendiert dann dazu, abzunehmen.

Bootle liegt richtig, dass es gewisse Größenvorteile in Bezug auf die nationale Verteidigung gibt. Offensichtlich ist es sehr viel schwieriger für einen fremden Aggressor Russland zu überrennen als Polen. Bootle übersieht jedoch, dass dieses Problem auch durch eine Konföderation, anstatt durch eine politische Vereinigung gelöst werden kann. Der ursprüngliche Zweck der Vereinigten Staaten war es, eine Konföderation der nationalen Verteidigung zu schaffen. Die Mitglieder, die Staaten also, blieben jedoch innerhalb ihrer Grenzen autonom. Ähnliche Strukturen gab es in der Geschichte zuhauf, von der NATO bis zur Hanseatischen Liga im Norden Europas.

Schottland muss nicht Teil des Vereinigten Königreichs sein, um ein Verteidigungsbündnis mit den Briten einzugehen.

Die restlichen Argumente von Bootle klingen noch fadenscheiniger. Zum Beispiel ist es nicht von vornherein klar, dass größere Staaten den Handel erleichtern. Die Britische Erfahrung hat gezeigt, dass die Mitgliedschaft in der EU dem Vereinigten Königreich Zugang zu einigen Märkten ermöglichte, aber den Zugang und die Flexibilität gegenüber anderen Märkten verschloss. (Norwegen und die Schweiz haben nebenbei bemerkt Zugang zu denselben Märkten, ohne selbst EU-Mitglieder zu sein.)

Dies war einst ebenfalls ein enormes Problem und ein Konfliktherd in den Vereinigten Staaten, bezogen auf die Südstaaten. Ja, die Mitgliedschaft in den Vereinigten Staaten hat den internen Handel mit diesen Staaten erleichtert, aber der Handel zwischen den Südstaaten und ausländischen Märkten wurde von der US-Zollpolitik beschränkt. Die Behauptung, dass die Handelsgewinne in größeren Staaten „maximiert“ werden, ist zumindest stark übertrieben.

In der Tat gibt es viele Gründe zu glauben, dass die „optimale“ Größe eines Staates bedeutend kleiner sein sollte, als Bootle vorschlägt. (Zwischen den Zeilen behauptet Bootle natürlich, dass Schottland diese optimale Größe unterschreitet.)

Peter St. Onge schrieb 2014 folgendes über das Schottlandreferendum:

Klein zu sein ist also möglich, aber ist es auch eine gute Idee?

Die Antwort ist, vielleicht ein wenig überraschend, aber eindeutig: „JA!“ Zumindest statistisch gesehen. Warum? Vergleicht man die Entwicklungsindikatoren der Weltbank von 45 souveränen Staaten in Europa, sind die kleineren Staaten fast zweimal so wohlhabend wie die größeren Staaten. Der Abstand zwischen den zehn größten und den zehn kleinsten Staaten liegt bei 84% in ganz Europa und bei 79% in Westeuropa.

Das ist ein Riesenunterschied: 79% Wohlstandsunterschied entspricht z.B. dem Abstand zwischen Russland und Dänemark. Wenn man an die historischen und kulturellen Gemeinsamkeiten innerhalb Westeuropas denkt, ist das massiv.

Sogar innerhalb eines gemeinsamen Sprachraums gibt es erhebliche Unterschiede. Deutschland ist ärmer als die kleineren deutschsprachigen Länder (die Schweiz, Österreich, Luxemburg und Liechtenstein), Frankreich ist ärmer als die kleineren französischsprachigen Länder (Belgien, Andorra, wiederum Luxemburg und die Schweiz und natürlich Monaco). Sogar Irland, welches jahrhundertelang von den kriegshungrigen Engländern heimgesucht wurde, ist heutzutage reicher als seine früheren Herrscher im Vereinigten Königreich, welches 15 mal größer ist.

Warum ist das so? Es gibt dafür zwei Gründe. Erstens sind kleinere Länder empfänglicher für die Anliegen ihrer Bevölkerungen. Je kleiner das Land, desto stärker wirkt die Rückkopplungsschleife. Das bedeutet, dass wirklich furchtbare Ideen sehr viel früher korrigiert werden können. Hätte Mao Tse Tung einem Appartementkomplex vorgestanden und keinem Milliardenvolk, hätten seine Ideen wohl nicht Millionen von Menschen auf dem Gewissen.

Zweitens haben kleinere Länder erst gar nicht das Geld, um komplett verrückte Ideen, wie den Krieg gegen den Terror oder eine Militärbasis in jedem fremden Land, umzusetzen. Ein unabhängiges Schottland oder Vermont würde wahrscheinlich nicht im Irak einfallen. Es benötigt einen großen Staat, um solche wahnsinnigen Dinge umzusetzen.

Eine Lektion für die Amerikanischen Staaten

Wenn Amerikaner in Gedankenexperimenten über die Möglichkeit einer Sezession einzelner Amerikanischer Staaten nachdenken, wird oft angenommen, dass die meisten dieser Staaten zu klein wären, um „es alleine zu schaffen“. Tatsächlich unterschätzen die meistens Amerikaner die Größe vieler Amerikanischer Staaten bei weitem, wenn man sie mit zahlreichen unabhängigen und prosperierenden Nationalstaaten vergleicht.

Wäre Schottland z.B. ein US-Amerikanischer Staat, läge es lediglich im Mittelfeld. Mit einem kleineren BIP als dem von Missouri und Connecticut, wäre es nur der 25 größte Staat. Bevölkerungsmäßig kann man Schottland mit Minnesota und Colorado vergleichen. (Zwecks besserer Skalierung wurden die USA und China aus der folgenden Graphik entfernt.):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der folgenden Karte vergleiche ich die Amerikanischen Staaten mit fremden Ländern und ähnlichem BIP:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für weitere Karten, bitte hier klicken.

Darüber hinaus sind sich die wenigsten Amerikaner darüber im Klaren, wie bedeutend einige Amerikanische Staaten wirklich sind, speziell die größten vier: Kalifornien, Texas, New York und Florida.

In Bezug auf Bevölkerung und BIP entspricht Kalifornien in etwa Kanada, nur mit sehr viel besserem Wetter. Die Wirtschaftsleistung und die Bevölkerungsgröße von Texas sind vergleichbar mit Australien, Pennsylvanias Wirtschaft ist in etwa gleich groß wie die der Schweiz.

Während eine Sezession Amerikanischer Staaten oft als absurd abgetan wird, gibt es wenige Gründe, warum ein Staat wie Texas, um nur ein Beispiel zu nennen, nicht sofort zu einem Nationalstaat werden könnte. Mit einer starken Wirtschaft, Hafenstädten, Öl und leichtem Seezugang zu den Europäischen, Lateinamerikanischen und sogar Asiatischen Ökonomien, fallen wirtschaftliche Argumente gegen eine Trennung flach. Darüber hinaus beweisen erfolgreiche kleine Staaten, wie Norwegen, Dänemark und die Schweiz, dass Größe wahrlich unnötig ist. Natürlich können viele andere der nicht so großen Staaten, wie Pennsylvania, New Jersey, North Carolina, etc. dasselbe versuchen. Diese Staaten wären dann einige der größten Volkswirtschaften der Welt, falls sie die Vereinigten Staaten verlassen würden.

„Aber was geschieht dann mit der nationalen Verteidigung? Wäre Texas nicht permanent im Krieg mit den Vereinigten Staaten?“ Die Erfahrung legt nahe, dass Texas sich wohl genauso oft im Krieg mit den USA befinden würde, wie Kanada und die USA: Seit 1815 null mal.

Internationale Kriege brechen selten zwischen Ländern mit gleicher Sprache, Geschichte und ökonomischen Interessen aus. Sollte sich Schottland von Großbritannien lösen, würde GB keine Panzer senden und Schottland könnte sehr leicht seinen Platz unter den unabhängigen Nationalstaaten einnehmen, genauso wie es die Amerikanischen Staaten tun könnten.

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Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Nuding. Der Originalbeitrag mit dem Titel First the UK, then Scotland … then Texas? ist am 24.6.2016 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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Ryan McMaken ist Editor von Mises Daily und The Free Man. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der University of Colorado.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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