Wie die Geldproduktion Einkommensungleichheiten verstärkt

23.3.2015 – [Dieser Artikel ist Kapitel 11 von The Fed at 100: A Critical View on the Federal Reserve System, herausgegeben von David Howden und Joseph T. Salerno, entnommen. Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg.]

von Jörg Guido Hülsmann.

Jörg Guido Hülsmann

Der Ausgangspunkt jeder ernsthaften Überlegung zu diesem Thema ist die Tatsache, dass die Geldproduktion nicht zu gleichartigen und gleichzeitigen Veränderungen führt. Eine wachsende Geldmenge führt zu einem höheren Preisniveau, aber die einzelnen Preise steigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in einem anderen Ausmaß (Cantillon-Effekte).

Aus der Geldproduktion gehen folglich Gewinner und Verlierer hervor. Zum Zeitpunkt der Geldproduktion sind die Geldpreise der anderen Güter noch relativ niedrig. Diejenigen, die das neue Geld zuerst nutzen können, sind daher die Gewinner. Durch ihre Ausgaben steigen Preise und Löhne allmählich an und so verbreitet sich das neue Geld in der Wirtschaft. Diejenigen, die erst später oder als letzte ein höheres Geldeinkommen erhalten, sind die Verlierer dieses Prozesses. Sie müssen die bereits angestiegenen Preise, die von den steigenden Geldausgaben der Frühempfänger des neuen Geldes verursacht wurden, mit ihren noch nicht angestiegenen Gehältern begleichen.

Streng genommen ist dieser Verteilungseffekt unabhängig davon, ob das zusätzliche Geld überhaupt ausgegeben wird und ob solche Ausgaben irgendwelche Preisänderungen mit sich bringen. Beispielsweise hat die US-amerikanische Federal Reserve die Geldmenge innerhalb der letzten fünf Jahre wiederholt massiv ausgeweitet, aber dennoch waren die Auswirkungen auf das Preisniveau eher gemäßigt. Trotzdem verursachte dieser Anstieg der Geldmenge eine große Umverteilung, da manche Marktteilnehmer große Mengen von qualitativ besserem Geld (Basisgeld) erhielten während die breiter gefasste Geldmenge (einschließlich von Geschäftsbanken erzeugtes Kreditgeld) und das Preisniveau relativ stabil blieben.

Stellen Sie sich analog dazu einen Croupier in einem Casino vor, der am Anfang eines Pokerspiels einem der Spieler einige zusätzliche Asse austeilt. Das Spiel hat noch nicht einmal begonnen und alle Spieler haben die gleiche Menge Karten, aber der privilegierte Spieler hat bereits die Oberhand. Hier haben wir die selbe Situation. Die breit gefasste Geldmenge ist noch nicht angestiegen und damit auch nicht das Preisniveau, aber manche Marktteilnehmer haben ihre Position, relativ gesehen, enorm verbessert.

Verteilungseffekte der Geldproduktion existieren in jeder monetären Ordnung. In einer natürlichen Ordnung, basierend auf Gold und Silber, sind die Verteilungseffekte der Geldproduktion stark begrenzt, da die Geldproduktion selbst aufgrund ihrer hohen Kosten stark begrenzt ist. In unserem derzeitigen Fiatgeldsystem ist die Situation ganz anders. Heutzutage ist die Geldproduktion auf einem Niveau weit jenseits des Ausmaßes, wie es in einem freien Markt zu erwarten wäre.

Manche Ökonomen stimmen dem nicht zu. Sie argumentieren wie folgt: In unserem herrschenden Geldsystem wird Geld in Form von Kredit produziert. Zentral- und Geschäftsbanken graben kein Geld aus der Erde und geben es aus; sie erzeugen Geld indem sie Kredite verleihen. In diesem Fall macht es ja keinen Unterschied, wer das neue Geld zuerst empfängt, da der Empfänger nicht reicher ist als vorher. Schließlich ist das neue Geld ja geliehen und nicht geschenkt. Das Bruttovermögen des Empfängers steigt in der Tat, aber seine Schulden steigen jetzt ebenso. Wenn zum Beispiel Herr Müller einen Kredit von einer Million Euro aufnimmt, um ein Haus zu kaufen, steigt sein Nettovermögen nicht einen einzigen Cent. Es ist natürlich wahr, dass sein Bruttovermögen jetzt um diese eine Million Euro größer wurde, aber seine Schulden stiegen im gleichen Ausmaß.

So weit, so gut. Aber selbst wenn wir dem Unterschied zwischen Brutto- und Nettovermögen Beachtung schenken, macht es in der Tat einen Unterschied, ob Herr Müller das Haus aufgrund der Geldschöpfung erhält. Der Unterschied besteht nämlich darin, dass jetzt Herr Müller in diesem schicken Haus wohnt, welches ohne Geldschöpfung jemand anderem für einen geringeren Preis verkauft worden wäre. Er kann jetzt mit seiner Familie in diesem Haus leben und empfängt dort seine Gäste.

Betrachten wir die Finanzierung von Firmen, sind die Auswirkungen sogar noch stärker. Es stimmt natürlich, dass die Produktion von Geld nicht notwendigerweise zu Änderungen in den entsprechenden Nettofirmenvermögen führt, aber sie beeinflusst die Art der Produkte, die jetzt auf den Markt kommen. Erhält ein Hersteller von Herrenschuhen einen Kredit, ermöglicht dieser ihm, seine Projekte zu verwirklichen. Aufgrund seines Kredites kann er höhere Gehälter und höhere Preise für Leder bezahlen als, sagen wir, ein Hersteller von Damenhandtaschen. Die Schuhproduktion steigt während die Handtaschenproduktion stagniert oder schrumpft. Die Versorgung von Schuhträgern steigt, während sich die Versorgung von Handtaschenträgerinnen verschlechtert.

So wird unser Fazit bestätigt: Die Geldproduktion wirkt sich immer auf die Verteilung der Realeinkommen aus. Die ersten Geldnutzer gewinnen, die letzten Geldnutzer verlieren.

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Jörg Guido Hülsmann war Referent beim Ludwig von Mises Seminar 2015 am 16. und 17. Januar in Frankfurt/Main. Sie finden seine Vorträge hier.

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Jörg Guido Hülsmann ist Professor für Ökonomie an der Universität Angers in Frankreich und Senior Fellow des Ludwig von Mises Instituts in Auburn, Alabama. Er ist Mitglied der Europäischen Akademie für Wissenschaften und Künste sowie Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Zu seinen umfangreichen Interessen- und Forschungsgebieten zählen Geld-, Kapital- und Wachstumstheorie. Er ist Autor von «Ethik der Geldproduktion» (2007) und «Mises: The Last Knight of Liberalism» (2007). Zuletzt erschienen «Krise der Inflationskultur» (2013).

Seine Website ist guidohulsmann.com

 

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