Mein Körper gehört mir

29.9.2014 – von Oliver Janich.

Oliver Janich

Die Philosophie des Libertarismus gründet sich auf einer einzigen Annahme: Mein Körper gehört mir und niemandem sonst. Ihr Körper gehört Ihnen und niemandem sonst, keiner Gruppe, keinem Unternehmen, nicht dem Staat oder »der Gesellschaft«. Anders ausgedrückt: Libertarismus ist die radikale Ansicht, dass andere Menschen nicht Ihr Eigentum sind. Dieses Axiom ist unbestreitbar, denn wem sollte Ihr Körper sonst gehören, wenn nicht Ihnen? Jeder, der das bestreitet, redet der Sklaverei das Wort.

Aus dem Selbsteigentum folgt, dass Ihnen die Früchte Ihrer Arbeit zustehen. Wenn Sie mit Ihrer Hände Arbeit einen Korb flechten, gehört er Ihnen. Auch hier lautet die Gegenfrage: Wem sonst? Das heißt auch, dass niemand – auch keine Mehrheit – Ihnen die Früchte Ihrer Arbeit streitig machen darf. Wenn vier Räuber beschließen, eine alte Frau zu überfallen, sind sie ebenfalls in der Mehrheit. Das begründet keine moralische Entscheidung, auch Hitler hatte eine parlamentarische Mehrheit. Wenn man sich unter Berufung auf eine Mehrheit an den Früchten Ihrer Arbeit vergreift, ist das nichts anderes als Raub. Steuern sind daher moralisch als Diebstahl unter Androhung von Gewalt einzustufen, denn wenn Sie nicht bezahlen, werden Sie unter Androhung von Gewalt genötigt, dies doch zu tun, und gegebenenfalls ins Gefängnis gesteckt.

Die meisten Menschen haben von diesem einfachen Gedankengang noch nie gehört. Das zeigt deutlich, wie sehr staatliche Bildungseinrichtungen unsere Gedanken vergiften. Der Grund dafür ist klar: Der Staat verletzt dieses Prinzip ganz grundsätzlich, indem er im Namen »der Gesellschaft« über Steuern und Abgaben die Früchte der Arbeit der Bürger stiehlt. Das zu verschleiern ist einer der wesentlichen Gründe für das staatliche Bildungsmonopol. Selbst »Privatschulen« müssen staatlich anerkannte Prüfungen durchführen und staatlich ausgebildete Lehrer anstellen. Schüler daheim zu erziehen ist in Deutschland strikt verboten. Geniale libertäre Denker wie Ludwig von Mises, Murray Rothbard oder Hans-Hermann Hoppe finden in Schulfächern wie »Politik und Wirtschaft« keinerlei Erwähnung und sind deshalb einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt.

Im Zuge der diversen über uns hereingebrochenen Finanzkrisen ändert sich das gerade, weil diese Vertreter der sogenannten »Österreichischen Schule der Nationalökomie« als Einzige eine plausible Begründung für die immer wieder auftretenden Finanz- und Wirtschaftskrisen parat haben. Zumindest in Fachpublikationen und Wirtschaftszeitungen wird zunehmend über sie und insbesondere über einen ihrer prominenten Vertreter, den Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek, berichtet. Sogar die Europäische Zentralbank publizierte im Oktober 2012 einen Bericht über digitale Währungen, in der die Österreichische Schule als Wegbereiter der digitalen, dezentralen Währung Bitcoin gewürdigt wird.

Wenn jeder Mensch Eigentümer seines Körper ist, dann ist es folglich unmoralisch, Gewalt gegen ihn zu initiieren, also ihm Gewalt anzudrohen oder ihm die Früchte seiner Arbeit wegzunehmen, ohne dass er jemandem geschadet hätte.

Das entspricht dem christlichem Grundsatz »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«. Da niemand will, dass er selbst verletzt oder bestohlen wird, ist dieses Gebot der Nächstenliebe, das es übrigens in jeder Weltreligion gibt, gleichsam die Grundlage des Libertarismus. Überhaupt beschäftigen sich sechs der Zehn Gebote mit diesem libertären Grundsatz. Neben den Geboten, nicht zu töten, nicht zu stehlen und nicht zu lügen (betrügen), wird den Menschen im neunten und zehnten Gebot auch die Grundlage für Diebstahl, der Neid, klar vor Augen geführt: Du sollst nicht begehren deines Nachbarn Haus oder irgendetwas, was deinem Nächsten gehört. Wenn man Ehebruch noch als Vertragsbruch definiert, huldigt also mehr als die Hälfte der Zehn Gebote dem libertären Grundsatz. Die anderen vier beschäftigen sich mit dem Verhältnis zu Gott und den Eltern. Nirgends wird Gehorsam vor dem Staat verlangt.

Die Amtskirche hat es geschafft, diese klare Botschaft zu verzerren, und propagiert im Rahmen der »katholischen Soziallehre« Diebstahl in Form von Sozialabgaben an den Staat statt echter, weil freiwilliger Solidarität. Man muss allerdings nicht religiös sein, um den simplen Umstand anzuerkennen, dass es unmoralisch ist, Gewalt gegenüber einem Menschen zu initiieren.

Der Staat wendet Gewalt an, um Steuern einzutreiben, obwohl die Bürger niemandem etwas getan haben. Dem wird entgegengehalten, dass der Staat ja auch eine Gegenleistung biete. Es ist aber keine freiwillig abgerufene Leistung. Der Einzelne wird ja gar nicht gefragt. Das wäre so, als wenn Ihnen jemand unaufgefordert den Rasen mäht und dann Geld dafür verlangt. Jede Leistung des Staa­tes könnte auch ein Privatunternehmen erbringen, das sich der Kunde frei aus­wählen kann. Wenn Sie nicht zufrieden sind, kündigen Sie den Vertrag beim Anbieter der jeweiligen Leistung einfach.

aus “Die Vereinigten Staaten von Europa”, S. 17 – 19, erschienen im Finanzbuch Verlag.

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Oliver Janich ist Buchautor (“Das Kapitalismus-Komplott” und “Die Vereinigten Staaten von Europa“) sowie freier Journalist, u.a. für Focus, Financial Times Deutschland, Süddeutsche Zeitung, Euro/Finanzen, Euro am Sonntag, Focus Money, Compact Magazin. Er ist Gründer der Partei der Vernunft. Seine website ist www.oliverjanich.de

 

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