Warum geben seliger denn nehmen ist

19. Dezember 2025 – von Rainer Fassnacht

Wird auf das Thema Reichtum geschaut, ist häufig Neid im Spiel. Nur selten wird dabei nach der kölschenen Weisheit „Mer muss och jönne könne“ („Man muss auch gönnen können“) verfahren. Außerdem kommt oft hinzu, dass angenommen wird, der reiche Mensch, um den es gerade geht, sei ungerechtfertigt reich geworden und andere hätten darunter gelitten.

Blickt man aus handlungslogischer Sicht auf das Thema Reichtum, gibt es zwei Arten des Reichtums – und nur bei einer der beiden trifft es zu, dass der Erwerb für andere Menschen nachteilig war. Doch schauen wir zunächst auf die positive Form des Reichtums, jene Variante, die meist außerhalb der Vorstellungskraft zu liegen scheint.

Ich gebe Dir

Diese Form des Reichtums bringt Ludwig von Mises (1881 – 1973) wie folgt auf den Punkt:

Die Unternehmer, Kapitalisten und Technologen werden wohlhabend, insofern es ihnen gelingt, die Bedürfnisse der Verbraucher am besten zu erfüllen. („The Anti-Capitalistic Mentality“, 1956 (2008), S. 43)

An anderer Stelle formuliert er aus einer etwas anderen Perspektive:

… das grundlegende Prinzip des Kollektivhandelns ist der gegenseitige Austausch von Diensten, das do ut des [ich gebe, damit du gibst]. Der Einzelne gibt und dient, um von seinen Mitmenschen mit Gaben und Diensten belohnt zu werden.

Wer Reichtum auf diesem Wege erworben hat, tat dies nicht zum Schaden anderer Menschen, sondern zu deren Nutzen. Er hat beispielsweise als Unternehmer Güter und Dienstleistungen angeboten, die Menschen ernährt oder gekleidet haben.

Doch welche Bedürfnisse sein Angebot auch immer gestillt haben mag, andere Menschen haben sein Angebot freiwillig angenommen, weil ihnen das hergegebene Geld weniger wert war als die empfangene Gegenleistung. Beide Seiten profitierten vom freiwilligen Austausch.

Die Forschung zeigt, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, Erfahrungen und Einstellungen dabei helfen, oft aus dem Nichts heraus Reichtum aufzubauen. Demgegenüber dominieren in den verbreiteten Vorstellungen über reiche Menschen meist neidgeprägte falsche Annahmen.

Wir können also festhalten, dass der „Ich-gebe-Dir-Reichtum“ etwas Positives ist. Er hat nicht nur einen Menschen reich gemacht, sondern auch andere Menschen bereichert beziehungsweise Mehrwert geschaffen. Das steht im Widerspruch zu verbreiteten Einstellungen über „die Reichen“. Tatsächlich zutreffend ist die „Wär-ich-nicht-arm-wärst-du-nicht-reich-Erzählung“ nur beim zweiten Typ des Reichtums, um den es nachfolgend geht.

Ich nehme Dir

Bei dieser Form des Reichtums hat der reiche Mensch seinen Reichtum tatsächlich zu Lasten anderer Menschen gewonnen. Liegt dem Reichtum die Ausplünderung anderer Menschen über Zwangsmechanismen zu Grunde, hat in der Tat der Erzwingende zu Lasten der Bezwungenen gewonnen beziehungsweise sich seinen Reichtum unrechtmäßig im handlungslogischen Sinne angeeignet.

Wobei die angewendeten Zwangsmechanismen sehr unterschiedlich und auch unterschiedlich offensichtlich sein können. Bei einem Raubüberfall ist der angewendete Zwang leichter erkennbar als beim Eintreiben von Steuern. Trotzdem greift in beiden Fällen der gleiche Mechanismus – wer sein hart erarbeitetes Geld unter dem angewendeten Druck nicht herausgibt, muss mit heftigen Konsequenzen rechnen.

Während der Reichtum bei „Ich gebe Dir“ erworben werden konnte, weil andere Menschen freiwillige und zwangsfreie Entscheidungen trafen, wurde er bei „Ich nehme Dir“ erzwungen. Nur der Räuber und seine Bande oder der Staatsmann und seine Gefolgsleute gewinnen, der überfallene Wanderer oder der steuerzahlende Bürger verlieren.

Manche mögen nun erwidern, dass Sie trotzdem bestimmte Unternehmer nicht mögen (einige zerstören sogar Produkte, welche mit diesem Unternehmer in Verbindung stehen). Das kann sein, doch Begeisterung für den Unternehmer ist für unsere Kaufentscheidung in der Regel nicht das ausschlaggebende Argument.

Für einen Politiker ist eine positive Wahrnehmung wichtiger. Wenn Politiker als gutaussehend, sympathisch und eloquent wahrgenommen werden, ist dies als „Tarnung“ von Vorteil. Da ihre interventionistischen Handlungen für viele Menschen schädlich sind, kann eine positive Wahrnehmung der Person dazu beitragen, dass die negativen Auswirkungen ihres Tuns nicht bemerkt werden.

Fazit

Wie so oft gilt auch beim Thema Reichtum, „es kommt darauf an“. In diesem Falle darauf, wie der reiche Mensch zu seinem Reichtum gekommen ist. Abhängig davon gibt es positiven oder negativen Reichtum.

Die Entstehung positiven Reichtums hat auch anderen Menschen genützt, hier lag Freiwilligkeit zugrunde. Die Entstehung negativen Reichtums hat anderen Menschen geschadet, hier war Zwang im Spiel.

Stellt man sich den positiven Reichtum als eine Medaille vor, so ist auf deren Rückseite der Mehrwert zu sehen, der geschaffen wurde. Die Rückseite der Medaille des negativen Reichtums zeigt Armut und Unfreiheit, die durch erzwungene Handlungen bewirkt wurden.

Unternehmer in Deutschland (einem Land mit stark ausgeprägtem Sozialneid) könnten mit einiger Berechtigung jammern:

Reich zu sein ist eine Plage,
Zwar tut man Gutes all die Tage,
Und schafft, was Andren wichtig ist,
Doch keiner merkt’s, und das ist Mist.

Doch erfolgreiche Unternehmer wissen, dass ihre Handlungen den Mitmenschen nützen, sie jammern nicht und lassen sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen. Sie suchen nicht nach Schuldigen, bleiben optimistisch und spüren ihre Selbstwirksamkeit.

Was bringt die Gesellschaft wohl tatsächlich voran: Unternehmer, die Mehrwert schaffen, oder Antikapitalisten mit politischer Macht?

Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht ist Ökonom und freier Journalist. Er schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Artikel über ökonomische Themen ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.

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