„Die Freiheitsrevolution in Argentinien“ | Konferenzbericht

Bericht von der Jahreskonferenz 2025 des Ludwig von Mises Institut Deutschland in München

10. November 2025 – von Ralph Malisch

Mit freundlicher Genehmigung des Substanz Investors, wo dieser Artikel bereits in der Ausgabe 11/2025 erschien.

Weltweite Popularisierung des Libertarismus

Prof. Dr. Thorsten Polleit

Die Ludwig von Mises Institut Deutschland Konferenz 2025 eröffnete Prof. Dr. Thorsten Polleit, Präsident des Instituts, mit klaren Worten zur aktuellen Lage: Die zunehmende Unfreiheit entstehe nicht von selbst, sondern speise sich aus kollektivistischen, sozialistischen und marxistischen Ideologien. Polleit warnte vor einer modernen Form des sozialistischen Umsturzes, die sich in Maßnahmen wie „Great Reset“, grüner Politik und digitaler Kontrolle manifestiere und die individuelle Freiheit stark einschränke. Trotz dieser düsteren Entwicklungen gebe es aber „mehr und mehr Grund, hoffnungsvoll zu sein“, da die Menschen zunehmend erkennen, wie sie durch die Eliten bevormundet werden. Als Hoffnungsschimmer wertete Polleit, dass die USA unter Donald Trump dem Globalismus Einhalt geboten hätten, die EU als freiheitsfeindliche Apparatur immer mehr Unterstützung verliere und Argentinien mit Präsident Javier Milei einen libertären Hoffnungsträger habe, der die Ideen von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek weltweit popularisiere. Polleit beendete sein Grußwort mit einem Zitat von Friedrich Schiller: „Der Mensch ist frei geschaffen … Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, vor dem freien Menschen erzittert nicht.“ Zwar war der ursprünglich angekündigte argentinische Präsident aufgrund von Wahlkampfverpflichtungen verhindert, aber Institutsvorstand Dr. Andreas Tiedtke konnte vor ausverkauftem Saal mit Iván Dubois einen langjährigen Weggefährten Mileis als Teilnehmer des Abschlusspanels präsentieren. Die Verleihung des Mises-Gedächtnispreises an Milei solle zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

Ivan Dubois

Dr. Andreas Tiedtke

Kulturkampf als Schlüssel zur Freiheit

Prof. Dr. Philipp Bagus

Prof. Dr. Philipp Bagus von der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid führte in die zentrale These ein, dass Deutschlands größtes Hemmnis eine Art kulturelle Infektion sei – der tief verwurzelte Etatismus, der in den Köpfen der Menschen regelrecht festgewachsen sei. Die herausragende Bedeutung eines ideologischen Kulturkampfes, den Milei mit Klarheit und Vehemenz führe, sei der Kern einer jeden Freiheitsbewegung. Bagus zitierte Ludwig von Mises, der den Konflikt zwischen Kapitalismus und Totalitarismus als „Krieg der Geister“ beschrieb, bei dem nicht militärische, sondern ideologische Auseinandersetzungen über das Schicksal einer Gesellschaft entscheiden.

Die Sprache und die Bilder, mit denen politische und gesellschaftliche Realitäten interpretiert werden, formen die Weltanschauung und damit das Verhalten der Menschen. Bagus veranschaulichte dies anhand von Beispielen: Was sich „soziale Gerechtigkeit“ nennt, sei in Wirklichkeit oft Raub unter staatlichem Zwang. Obwohl sich Politiker „Volksvertreter“ nennen, agieren sie häufig parasitär auf Kosten des Volkes. Vorherrschende Narrative wie „Der Staat sind wir alle“ führen zu Unterwerfung statt zu Freiheit.

Bagus zeigte die systematische Arbeit des „Teams Staat“ auf, das aus kleinen, aber vernetzten Gruppen besteht: der politischen Kaste mit ihrem bürokratischen Apparat, den staatsnahen Medien, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Gewerkschaften, staatsfreundlichen Unternehmern, wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreamökonomen, staatlichen Akademikern, NGOs und internationalen Organisationen wie der UNO. Dieses Netzwerk verfolge das Ziel, die Macht des Staates auszubauen und kulturelle Hegemonie zu sichern. Dem entgegen stehe die Freiheitsbewegung, getragen von Werten wie Fleiß, Verantwortung, Opferbereitschaft, Wahrheit und Familientradition. Bagus warnte davor, die Wirkungen kultureller Macht zu unterschätzen. Diese sei zwar meist unbemerkt, übe jedoch die effektivere Kontrolle über das Denken und Handeln aus als offene Gewalt oder gesetzliche Zwänge.

Der Vortrag hob hervor, dass der Kulturkampf heute ein ideologischer Stellungskrieg sei, dessen Waffen Sprache, Symbole, Kunst, Bildung, Medien und Memes seien. Die klassische marxistische Klassenkampftheorie sei von einer breiten Identitätspolitik mit sozialen Konflikten unterschiedlicher Art abgelöst worden – vom Geschlecht über ethnische Zugehörigkeit bis hin zum „Klimaschutz“. Bagus verwies ausführlich auf den italienischen Kommunisten Antonio Gramsci, der als Erster die kulturelle Hegemonie als Machtinstrument erkannte. Gramsci argumentierte, dass Herrschaft nicht nur durch offene Gewalt, sondern ganz wesentlich erst durch die innere Zustimmung der Beherrschten ermöglicht werde – eine freiwillige Unterwerfung durch die Akzeptanz einer bestimmten Ideologie. Dieses Konzept habe die Linke meisterhaft umgesetzt und so ihre Hegemonie errungen.

Dennoch machte Bagus Mut: Die Hegemonie der Linken im Kulturkampf sei zwar real, aber kein Naturgesetz. Der Widerstand wachse, getragen von Individuen und Gruppen wie Intellektuellen, Künstlern oder Social-Media-Akteuren. Jede Stimme, jeder Beitrag zähle, um die Ideen der Freiheit zu verbreiten und das „Team Staat“ zurückzudrängen. Bagus schloss mit einem Appell, inspiriert von Ludwig von Mises’ „Kampf der Geister“: Wir können demnach den Etatismus Stück für Stück zurückdrängen, „Mises-Konferenz um Mises-Konferenz, Artikel um Artikel, … Post um Post“. Dieser ideelle Kampf sei ein ureigenes Anliegen jedes Freiheitsliebenden – auch als „Don Quijote“-artiger Widerstand gegen scheinbar übermächtige Gegner.

Kettensäge für Deutschland?

Dr. Stephan Ring

Der Jurist Dr. Stephan Ring analysierte die praktische Übertragbarkeit der radikalen argentinischen Reformen in das politische System Deutschlands. Argentinien verfügt über eine Verfassung, die dem amerikanischen Modell stark ähnelt, mit einem direkt gewählten Präsidenten, der weitreichende Verordnungskompetenzen besitzt. Dies ermöglicht rasche Eingriffe, wie Milei mit der Aufhebung von Preiskontrollen, dem Abräumen der Mietpreisbindung und dem massiven Bürokratieabbau bereits wenige Tage nach Amtsantritt demonstrierte. Im Gegensatz dazu sind Deutschland und Europa durch ein komplex strukturiertes föderales System geprägt, das Grundgesetz und die EU-Regulierung stark eingegrenzt. Das Verordnungsrecht ist klar begrenzt, demokratische Prozesse nehmen Zeit in Anspruch, und föderale Ebenen müssen eingebunden werden. Doch Ring zeigte auf, dass auch innerhalb dieser Grenzen Reformen mit großer Geschwindigkeit möglich sind, falls der politische Wille und die entsprechenden Mehrheiten vorhanden sind.

Ein „Kettensägenprinzip“, also radikalster Abbau überflüssiger Vorschriften und Parallelstrukturen, ist auch hier vorstellbar und nötig. Dezentralisierung und die Erhöhung regionaler Autonomie sind weitere Schlüssel, um den Staatsapparat zu verschlanken. Problematisch seien allerdings die EU-Kompetenzen und die daraus resultierenden Regulierungen, die oft weniger der Freiheit, sondern der Machtausweitung dienten. Ring betonte zudem die Bedeutung von Gesetzgebungsverfahren und politischem Mandat, um entbürokratisierende Entscheidungen durchzubringen. Schnell sei dies nur durch klare Mehrheiten möglich, die den politischen Widerstand innerhalb unterschiedlicher gesellschaftlicher Kreise überwinden.

 „Treibhaus der Weltfremdheit“

Prof. Dr. Norbert Bolz

Der Kultur- und Medienwissenschaftler Prof. Dr. Norbert Bolz nahm die Rolle der politisch-medialen Elite Deutschlands unter die Lupe. Sein Vortrag zeichnete das differenzierte Bild einer strukturell antikapitalistischen Haltung, die vor allem in akademischen, journalistischen und kulturellen Institutionen verankert sei. Er bezeichnete dies als „Treibhaus der Weltfremdheit“, in welchem linke und grüne Narrative dominierten. Beispiele sind die mediale Inszenierung der „Klimahysterie“ und der Corona-Kontrollmaßnahmen, die weit über medizinisch oder ökologisch begründbare Aspekte hinausgehen und als kulturelle Selbstzerstörung eingestuft werden können.

Kritisch hinterfragte Bolz die zunehmende Politisierung von Journalismus und Wissenschaft, die nicht mehr auf Bericht und Forschung, sondern auf Aktivismus setzten. Dazu komme eine aggressive Cancel Culture, mit der Andersdenkende isoliert werden. Die Medienwelt sei nicht objektiv, sondern ideologisch geprägt und agiere oft als Verlängerung parteipolitischer Interessen. Trotzdem gab Bolz der Hoffnung Raum, dass charismatische Persönlichkeiten wie Elon Musk, Javier Milei und Donald Trump als Leuchttürme der Freiheit den Diskurs auflockerten und neue Alternativen zum vorherrschenden Einheitsdenken eröffnen. Er warnte aber davor, das „bessere“ Gesellschaftsmodell für selbstverständlich zu halten, und betonte die Notwendigkeit, die strukturellen Mechanismen der kulturellen Macht zu verstehen, um diese zu durchbrechen.

Keine Freiheit ohne gutes Geld

Prof. Dr. Thorsten Polleit

Polleit warf abschließend einen tiefen Blick auf die Bedeutung der Geldordnung für Freiheit und Wohlstand. Er erklärte unmissverständlich, dass das Zentralbankgeldmonopol der Kern von Inflation, Geldentwertung und staatlicher Enteignung ist. Fiat- und Zentralbankgeld werden aus dem Nichts geschaffen und sind somit ein versteckter Steuermechanismus, der breite Bevölkerungsschichten belastet und gleichzeitig Staat und große Geldinstitute bereichert. Polleit zitierte Marx und Engels, die die Zentralbank als Instrument für sozialistische Machteroberung beschrieben hatten.

Aber Geld müsse, wie jede Ware, dem Wettbewerb auf einem freien Markt unterliegen, der für höchstmögliche Qualität sorge. Nur so könne die Freiheit überleben. Polleit empfiehlt, sich vom Papiergeld zu verabschieden und auf reale Werte wie Gold, Silber und digitale Alternativen zu setzen.

Er warnte zudem vor Gesetzen, die den Wettbewerb um das bessere Geld behindern bzw. unterbinden wie §§ 14, 35 BBankG, die den Euro privilegieren und die Herstellung sowie Nutzung alternativer Zahlungsmittel mit Freiheitsstrafe bedrohen. Das argentinische Experiment hält Polleit für beispielhaft, da es staatliche Geldmonopole infrage stelle und die Bevölkerung von Inflation entlaste. In der gegenwärtigen Krise der Sozialsysteme und Finanzmärkte sehen er, aber auch die anderen Referenten Beschleuniger der Freiheitsbewegung.

Fazit

Stephan Ring, Thorsten Polleit, Ivan Dubois, Philipp Bagus, Norbert Bolz, Andreas Tiedtke (v.l.)

Die Ludwig von Mises Institut Deutschland Konferenz 2025 lieferte verschiedene Facetten einer Freiheitsbewegung, die auf Kulturkampf, wirtschaftlicher Reformpraxis, Medienkritik und monetärer Erneuerung beruht. Der argentinische Weg unter Javier Milei liefert Impulse, die weit über Südamerika hinausreichen, selbst, falls Milei Ende Oktober abgewählt werden sollte. Das Land sei mit ihm zu einem Leuchtturm für Freunde der Freiheit geworden. Alle vier Hauptredner betonten die Untrennbarkeit von Kultur und Freiheit, aber auch die politischen und institutionellen Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung. Ohne das Fundament einer freien Geldordnung könne es keine freie Gesellschaft geben. Mit einer guten Portion Optimismus und der Überzeugung, dass der Kulturkampf gewinnbar ist, riefen die Referenten dazu auf, aktiv mitzuwirken und freies Denken sowie Verantwortung zu fördern, selbst wenn dies wie ein Kampf gegen Windmühlen anmute. Der Schlussformel von Bagus ist nichts hinzuzufügen: „Viva la libertad, carajo!“ („Es lebe die Freiheit, verdammt!“). Die Vorträge werden in den nächsten Wochen auf der Website des Instituts (misesde.org) zur Verfügung gestellt. [Anmerkung: Die vollständigen Beiträge der Referenten und das anschließende Panel können Sie sich bereits jetzt auf unserem YouTube-Kanal ansehen.]

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Über den Autor Ralph Malisch: Nach Abschluss seines BWL-Studiums (die Abneigung gegen die Mainstream-VWL hatte er von Kostolany) führten ihn seine beruflichen Stationen über die Kapitalanlagestrategie einer Versicherung, die kaufmännische Leitung eines Mittelständlers und die Vermögensverwaltung eines Family Offices zu Substanz Investor. Er ist von Anfang an dabei und ein „Österreicher“ mit Leib und Seele.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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Titel-Foto: Misesde.org

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