Blockchain: Die Zukunft ist dezentral

29.4.2016 – von Patrick M. Byrne.

Patrick M. Byrne

Die Kosten für die Zentralisierung von Information sind höher als sich die meisten vorstellen können. Hat man nicht tatsächlich in einer Organisation gearbeitet, deren Aufgabe darin besteht, Kriege zu führen oder Profite zu erwirtschaften, tendiert man dazu, zu unterschätzen, wie teuer es ist, Information zu zentralisieren.

Sieht man die Welt mit den Augen des spitzhaarigen Managers aus den Dilbert Cartoons, bevorzugt man Institutionen, in denen Wissen von der Wissensfront in die zentralen Büros wandert, wo Manager sitzen, um über dieses Wissen nachzudenken. Im Anschluss senden die Manager dann dumme Befehle zurück an die Front.

So ähnlich wollen die Kollektivisten unsere Welt organisieren. Sie wollen keinen „peer-to-peer“-Konsens, weil sie meinen, man kann Zeit und Geld sparen, wenn man alles zentralisiert.

Hayek hat das sehr gut verstanden, vor allem in seinem 1945 entstandenen Artikel „The Use of Knowledge in Society“. Dieser Artikel beeinflusste Thomas Sowell und die Arbeit an seinen Büchern „A Conflict of Visions“ sowie „Knowledge and Decisions“ und all diese Arbeiten haben wiederum mich beeinflusst.

Dank der Werke von Hayek und Sowell habe ich zu verstehen begonnen, dass es im Leben stets darum geht, die Kosten für die Zentralisierung von Information in einer höheren Autorität, die dann Befehle erteilt, zu vermeiden, egal ob im Geschäfts- oder Gesellschaftsleben.

Wie man beständige Organisationen bildet, die dezentrale Information nutzen

Nie möchte ich der Dilbert Manager sein, der in der Ecke sitzt und meint, all die Antworten zu kennen. Ich weiß, dass die schlauen Leute – also die mit den Ideen – und die, die den Markt und die Kunden verstehen, draußen an der Front sind. Also ist es mein Job, Institutionen zu bilden, die es verstreuter Intelligenz erlaubt, sich selbst zu entfalten. Darum habe ich in meinem Unternehmen verschiedene Mechanismen eingebaut, um Innovation durch Kundenbetreuer und Marketingleuten an der Front entstehen zu lassen.

Ich möchte eine Institution, die zulässt, dass das Wissen von 2.000 Kollegen neue Ideen entstehen lässt und dass die Kollegen zusammenarbeiten und entscheiden, wie das Wissen genutzt werden kann.

Ich möchte ein System der Schwarminnovation. Die Weisheit des Schwarms ist höher und durchwegs intelligenter als die einer einzigen Person.

Als Eigentümer muss ich manchmal sagen: „Ich denke Du liegst falsch, ich muss da mein Veto einlegen.“ Und natürlich dürfen manchmal Arbeitnehmer aus rechtlichen Gründen nicht alles über ein Unternehmen wissen. Aber meistens kann ich das Unternehmen einfach laufen lassen und indem ich meinen Angestellten gebe, was sie brauchen, werden sie schlauer und schlauer und leisten mehr und mehr.

Dieses Gebiet, das sich in den letzten sieben Jahren entwickelt hat, nennt man Unternehmen 2.0. Die Idee ist, dass man Onlinetechnologie nutzt, um Organisationen flach zu halten, um somit Hierarchie zu verhindern. Die Menschen arbeiten quasi über die Technologie zusammen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Wikipedia und eng verbunden damit ist der Bereich des „Ideenmanagements“. Stellen Sie sich einen hochentwickelten Briefkasten für Vorschläge vor: Leute entwickeln darin Vorschläge, die dort von anderen gesehen werden und man stimmt dann entweder dafür oder dagegen.

Nehmen wir zum Beispiel an, dass 200 Ideen innerhalb von zwei Monaten vorgeschlagen werden. Indem man Ideenmanagement benutzt, lässt man den Schwarm die besten zehn Ideen auswählen, bewerten und auch entscheiden, in welche Ideen Kapital investiert werden sollte.

Ein anderes Beispiel: Am Ende des Jahres wollte ich meinen Angestellten zusätzliche 4 Millionen $ zukommen lassen. Sie hatten viele Vorschläge, vor allem Änderungen in der Pensionsvorsorge, zusätzliche Kinderbetreuung oder eine einfache Lohnerhöhung. Ich leitete ihre Ideen an die Buchhaltungsabteilung weiter, um herauszufinden, was jede Idee kosten würde. Jede Idee erhielt ihr Preisschild und ich gab diese Liste zurück an die 2.000 Arbeitnehmer. Nachdem sie jede Idee bewertet hatten, wurden diese gereiht und von oben herab abgearbeitet bis die 4 Millionen $ Marke erreicht wurde.

Unternehmensentscheidungen werden also vermehrt von unseren Leuten und nicht von mir alleine getroffen. Die alldem zugrundeliegende Philosophie stammt von Hayek und Mises: Das wirkliche Wissen unserer Kollegen war nämlich schon immer da.

Ich verfüge über das Personal, das berechnen kann, wie viel jede Option kosten wird, aber in Wahrheit weiß ich nicht, welche funktionieren wird. Jedoch habe ich festgestellt, dass ein Resultat intelligenter ist, wenn ich die Entscheidung der Gruppe überlasse – intelligenter als alleinige Entscheidungen der Geschäftsführung oder meine eigenen.

Warum wir zentralisierte Staatsinstitutionen haben

Natürlich gibt es Anwendungsmöglichkeiten weit über die Privatunternehmen hinaus. Wenn wir auf die Regierung in Washington oder auf die Wall Street blicken, sehen wir sehr viel Zentralisierung. Unser Ziel muss es in Wirklichkeit sein, diese zentralen Institutionen zu beseitigen und zu überwinden.

In den letzen Jahren sind mächtige neue Werkzeuge entstanden, um dies erreichen zu können und das bedeutsamste darunter ist die Blockchain, die Software hinter Bitcoin. Sie kann aber so viel mehr als nur Bitcoin.

Ich bin mir nicht sicher, ob wirklich all die Leute in unserer freiheitlichen Bewegung die Bedeutsamkeit der Blockchain begreifen. Ich habe dieses Thema ausführlich in Wired diskutiert, aber noch wichtiger war der kürzlich erschiene Artikel in Politico, in dem neben meiner Arbeit mit der Blockchain auch das Hauptproblem des gegenseitigen Vertrauens beim Handeln am Markt dargestellt wurde.

Hier ist die Blockchain am nützlichsten und revolutionär zugleich. Sie hilft uns, das Problem des gegenseitigen Vertrauens beim Handeln zu lösen und im Gegenzug wird das die meisten unserer modernen, zentralen Institutionen unnötig machen.

Was aber ist das Problem des gegenseitigen Vertrauens beim Handeln? Nun, wenn ich ein Kamel habe und Sie geben mir eine Goldmünze dafür, muss ich darauf vertrauen, dass Sie die Münze nicht vorher entwertet haben.

Bestimmte Gruppen werden dann versuchen, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, um dieses Problem zu beheben. Eine Organisation, zum Beispiel ein Monarch, der das Gewaltmonopol über ein gewisses Gebiet ausübt, kann dieses Monopol monetisieren, indem er sagt: „Ich werde Goldmünzen prägen und mein Gesicht darauf pressen und wenn irgendjemand versucht, diese Münzen zu entwerten, werde ich ihn umbringen.“

Das ist lediglich ein Geschäftsmodell und wir nennen ein solches Modell „Staat“.

Die Frage ist also: Können wir gegenseitiges Vertrauen beim Handeln haben oder brauchen wir eine Art zentraler Institution, der wir vertrauen können, sodass wir uns nicht gegenseitig vertrauen müssen?

Es gibt natürlich noch viele andere Beispiele für die Nützlichkeit zentraler Institutionen beim Handeln. Wenn wir Grund und Boden kaufen und verkaufen wollen, vertrauen wir uns nicht gegenseitig, sondern wir können uns an eine zentrale Institution, das Grundbuch im Bezirksgericht, wenden, um zu sicherzustellen, dass der Verkäufer den Grund tatsächlich besitzt. Staaten überall auf der Welt sind darin tagtäglich involviert und wie Hernando de Soto in seinem Buch „The Mystery of Capital“, diskutiert, ist es schwierig Kapital zu bilden, wenn man nicht mit Sicherheit weiß, wem was gehört.

Im Laufe der menschlichen Geschichte haben wir uns auf diese zentralen Institutionen verlassen, die das Problem des gegenseitigen Vertrauens beim Handeln für uns lösen.

Aber wie wir wissen, entstehen dadurch wiederum andere Probleme.

Die Wall Street dezentralisieren

Nicht alle zentralen Institutionen sind staatlich. Ja, viele dieser Institutionen werden von Leuten in Washington, die Zweiteiler oder schwarze Roben tragen, beherrscht, aber genauso viele werden von Leuten im Dreiteiler an der Wall Street gemanagt.

Die Wall Street aber ist nicht immun gegen Betrug und Missbrauch. Dabei wird dieses Problem durch Zentralisierung oftmals noch verschlimmert. Dabei wissen die meisten Menschen nicht, wie diese zentralen Institutionen funktionieren.

Schaut man beispielsweise einen Film, dann weiß man, dass sich da Dinge hinter den Kulissen abspielen und viele denken wahrscheinlich das gleiche über die Wall Street. Die Dinge hinter den Kulissen laufen dort aber ganz anders ab, als man sich das vorstellt.

Die meisten Menschen wissen nicht, dass die Wall Street derzeit auf zentralen Institutionen beruht, die alle in den 1970ern geschaffen wurden, um angeblich das so genannte „Settlement“ zu ermöglichen. Settlement ist der Prozess, durch den Wertpapiere gegen Bezahlung tatsächlich den Besitzer wechseln.

Diese zentralen Institutionen wurden gegründet, um die alten “Börsenspekulanten” zu ersetzen, die damals noch Säcke voll mit Aktienzertifikaten herumtrugen, aber nicht mit der Verdreifachung des Handelsvolumens in den 1960ern mithalten konnten.

Jetzt also haben wir diese zentralen Institutionen, die mit dem Problem des Settlements umgehen können, indem sie den Informationsfluss, zusätzlich zu den Zertifikaten selbst, kontrollieren. Daraus sind natürlich neue Probleme entstanden. Seit 2008 war es zum Beispiel durchaus möglich, dass Ihnen Merill Lynch am Ende des Monats eine Bestätigung zusandte, in der stand, dass Sie 100 Aktien von IBM besitzen. Die exakt selbe Bestätigung erhielten aber auch andere Aktionäre, obwohl Merill Lynch selbst eigentlich nur über 100 Aktien verfügte. Sie bestätigten fünf verschiedenen Leuten, dass diese jeweils 100 Aktien besaßen.

An den meisten Tagen würde das wohl keinen Unterschied ausmachen, aber im Grunde genommen, ist es dasselbe Spiel wie mit dem Teilreserve-Bankwesen.

Natürlich wird so ein System geplündert und zwar genauso, als würde jemand ein Teilreserve-Bankwesen betreiben, ohne es jemandem mitzuteilen. Jemand könnte die Depots auf Kosten der Investoren plündern und niemand würde es bemerken, bevor es nicht zu spät ist.

Das ist es, was generell passiert, wenn man zentralisierte Institutionen hat.

Zentralisierung auflösen

Der Schlüssel, um diese Probleme von zentralen Institutionen zu beheben, ist die Blockchain, weil es dadurch erstmals möglich wird, die zentralen Institutionen für Settlements, Geldstabilität und Grundbuch zu umgehen. All diese Funktionen können durch ein transparentes, öffentliches und betrugssicheres Register, das den Wert und die Eigentümer klar und offen darstellt, ersetzt werden. Diese Information ist dann dezentralisiert und wird nicht von einer zentralen Institution kontrolliert. Wir brauchen diese Institutionen dann nicht mehr, um Information zu kontrollieren oder zu beschützen. Durch die Blockchain werden wir all diese Systeme (kreativ) zerstören und mit ihnen die Institutionen dahinter. Dadurch verbreiten sich Entscheidungsfindung und Nutzung von Wissen und erreichen eine weitaus höhere Anzahl an Menschen und Institutionen. Von den Vorteilen der Dezentralisierung, die gerade in Privatunternehmen zu wirken beginnen, kann im Anschluss die gesamte Gesellschaft profitieren.

Mit anderen Worten haben wir Liberale – also diejenigen, die seit 500 Jahren Autoritarismus, ob Sozialismus, Faschismus oder „Gutmenschentum“ bekämpfen – gerade „die Bombe“ für diesen Kampf erhalten. Das ist etwas Neues.

Das ist der Grund, warum die Blockchain und ich so viel Aufmerksamkeit nach der Veröffentlichung des Politico Artikels erhalten haben. Mir wurde gesagt, dass der Artikel in ganz Washington diskutiert wurde und sie haben darüber geredet, weil die Institutionen, die von der Blockchain bedroht werden, gerade herausgefunden haben, dass sie in großen Schwierigkeiten sind.

Der Vorstandsvorsitzende von JP Morgan, Jamie Dimon, zum Beispiel, schrieb im April 2015 einen verzweifelten Brief an seine Aktionäre. Er schrieb ihnen, dass „Silicon Valley gekommen ist, um der Wall Street die Butter vom Brot zu klauen“. Seitdem verging kaum ein Tag in den letzten drei Monaten ohne Ankündigungen von anderen Firmen – UBS, Credit Suisse, Morgan Stanley und wie sie alle heißen -,  die alle das gleiche beinhalteten: „Wir müssen das genauer studieren und uns daran beteiligen.“

Aber es ist bereits zu spät für sie. Wir haben bereits vor eineinhalb Jahren sehr aggressiv damit begonnen, neue Systeme zu entwickeln, die diese alten, zentralen Institutionen herausfordern.

Ob es sich um ein einzelnes Unternehmen, eine Börse oder eine gesamte Gesellschaft handelt, wir wissen, Hayek sei Dank, dass Information am besten ausgenützt werden kann, wenn sie nicht in einer zentralen Institution zentralisiert und schon gar nicht monopolisiert wird. Wir wissen, dass flache und nicht hierarchische Systeme Information am besten anwenden. Ich habe das in meinem eigenen Unternehmen versucht und es funktioniert seitdem viel besser. Die Gesellschaft im Ganzen wird auch viel besser funktionieren, wenn wir die alten Institutionen und Hierarchien loswerden können. Neue Innovationen wie die Blockchain machen es möglich.

Als das Internet entstand, wussten wir, dass dies einen fundamentalen Wandel verursachen wird. Diese neue Erfindung aber und die Krypto-Revolution wird noch viel bedeutsamer werden als das Internet selbst.

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 Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Nuding. Der Originalbeitrag mit dem Titel The Future Is Decentralized ist am 6.10.2015 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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Patrick M. Byrne ist Unternehmer, E-commerce Pionier, sowie CEO und Chairman von Overstock.com.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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