„Die Rettung Argentiniens: Javier Milei, die ersten 16 Monate“
Interview mit Stephan Ring
24. Oktober 2025 – LvMID im Interview mit Stephan Ring
Seit Javier Milei in Argentinien im Amt ist, veröffentlicht das Ludwig von Mises Institut Deutschland in unregelmäßigen Abständen Beiträge über die Entwicklung seines libertären Projekts. Der Jurist, Autor und Vorstand des Ludwig von Mises Instituts Deutschland Dr. Stephan Ring hat die Entwicklung der ersten 16 Monate nun in einem Buch mit dem Titel „Die Rettung Argentiniens: Javier Milei, die ersten 16 Monate“ (*) zusammengefasst. In seinem dazu verfassten Vorwort bezeichnet Prof. Dr. Philipp Bagus das Werk als „politischen Thriller“.
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Ludwig von Mises Institut Deutschland (LvMID): Lieber Stephan Ring, warum ein Buch?
Stephan Ring (SR): Eigentlich wollte ich meine auf der Webseite des Instituts begonnene Artikelserie am Ende des Jahres 2024 fortsetzen aber die Fülle des Materials war einfach zu viel. Bei Zeichen 80.000 entstand dann die Idee, alles in einem Buch zusammenzufassen.
LvMID: Warum sind gerade die ersten 16 Monate interessant?
SR: Argentinien war im Dezember 2023 bei Amtsantritt ein komplett heruntergewirtschaftetes Land, eigentlich schon auf dem schnellen Weg in die Hyperinflation mit 17.000 % jährlicher Preissteigerungsrate, einer mit 11 Milliarden USD überschuldeten Zentralbank und selbstverständlich jeder denkbaren Art von Preis- und Währungskontrollen. 16 Monate später, im April 2025, konnte Milei mit der Freigabe der Wechselkurse drei Dinge vollenden, die er und sein Team als die drei Anker einer rationalen Wirtschaftspolitik definiert haben. Ein ausgeglichener Haushalt, eine sanierte Zentralbank und freie Wechselkurse. Die erste Etappe war damit geschafft. Und mit dieser ersten Etappe beschäftigt sich das Buch.
LvMID: Das klingt eher nach trockener Volkswirtschaft. Was macht das Buch zum „Thriller“?
SR: Na ja, es ist kein wirklicher Krimi und ich habe auch keine Liebesgeschichte und kein Mordkomplott eingeflochten, aber möglicherweise ist etwas von der Spannung, die man als täglicher Beobachter gespürt hat, eingeflossen. Der Widerstand der von Milei als „Kaste“ bezeichneten Profiteure des sozialistisch-peronistischen Systems war groß und ist mit jedem Tag, an dem sich der Erfolg mehr abzeichnete, gewachsen.
Anfänglich war sich die Opposition sicher, dass Milei scheitern würde. Es gab die Aufforderung, sich eine Tüte Popcorn zu schnappen und auf den Untergang zu warten. Als er ihnen diesen Wunsch nicht erfüllte, wurde es „schmutzig“. Aktuell ist Wahlkampf für die Zwischenwahlen, und der ist derart schmutzig, das kann man sich kaum vorstellen. Gleichzeitig wird das Parlament, in dem Milei keine Mehrheit hat, instrumentalisiert, um die Wirtschaft zu destabilisieren und Argentinien international als unzuverlässigen Vertragspartner darzustellen. Milei hat in nur 16 Monaten die Teuerungsraten massiv gesenkt, 50 Milliarden USD Schulden getilgt, die Wirtschaft auf Wachstumskurs gebracht und 12 Millionen Argentinier aus der Armut befreit. Wenn er ungestört weitermachen dürfte, dann ist die Opposition für die nächsten 20 Jahre abgemeldet. Da geht die nackte Angst um.
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LvMID: Woher kommen die ganzen Informationen, wenn man doch in der deutschsprachigen Presse faktisch nichts erfahren konnte?
SR: Die Frage ist berechtigt, nachdem ich bei Projektbeginn Ende 2023 kein Wort Spanisch gesprochen habe. Die Künstliche Intelligenz macht es möglich. Noch vor drei Jahren wäre das undenkbar gewesen. Heute generiert YouTube automatische englische Untertitel. Jede Webseite, ob privat, Zeitung oder offiziell kann mit zwei Klicks in Deutsch oder Englisch übersetzt werden. Hinzu kommt, dass Argentinien eine ausgesprochene Social-Media-Kultur hat, die historisch gesehen vom Radio herzukommen scheint. Jeder Sender hat seinen eigenen YouTube-Kanal. Es gibt jede Menge freie, sehr professionell aufgestellte Sender. Dazu kommt dann noch X, dessen KI „Grok“ auch übersetzt und von dem Milei und die ganze Regierung regen Gebrauch machen. Ich habe mir eine „Zeitung“ in X zusammengestellt und bin so täglich auf dem neuesten Stand.
LvMID: Kann man bestimmte Quellen empfehlen?
SR: In deutscher Sprache berichtet @JavierMilei_DE auf X praktisch täglich. Auch @PhilippBagus hat immer mal wieder Milei zum Thema. Prof. Bagus ist auch öfter in YouTube bei diversen Interviewpartnern vertreten. Ansonsten gibt es @laderechadiario auf X in Spanisch.
In YouTube ist @CarajoStream mit der donnerstäglichen Sendung Las Tres Anclas zu empfehlen. So etwas gibt es bei uns nicht. Da nehmen der Wirtschafts- und Finanzminister, der Chef der Zentralbank und diverse führende Personen der Regierungsmannschaft wöchentlich ungefähr eine Stunde lang Stellung zu allen wirtschaftlichen Fragen, die so unter der Woche aufgetaucht sind. Und das ist nicht nur das bei uns übliche „Blabla“, sondern da geht es richtig zur Sache. Da werden technische Abläufe und wirtschaftliche Zusammenhänge neben volkswirtschaftlichen Theorien erläutert und begründet. Praktisch jedes Mal eine volkswirtschaftliche Vorlesung für die breite Bevölkerung. Die wollen, dass die Menschen verstehen, was abläuft. Bei uns hat man ja eher den gegenteiligen Gedanken, wobei es natürlich bei uns auch vielfach schlicht an der Fachkompetenz des Personals zu mangeln scheint.
LvMID: Was war denn bislang der spannendste Moment?
SR: Da gibt es viele. Aber vielleicht kann man zwei Höhepunkte herausnehmen. Das Gesetz, das Milei die Vollmachten gab, die Deregulierung voranzutreiben, war eine echt schwere Geburt. Im Senat hat es nur für ein Patt gereicht, dass dann von der Vizepräsidentin aufgelöst wurde. Es gab offensichtlich einen Plan, Milei in diesem Zusammenhang zu stürzen. Gewaltsame Demonstrationen sollten es ermöglichen die Abstimmung zu verschieben und die anschließende Unsicherheit zu einem Bank Run, gestützt durch Plünderungen von Supermärkten, genutzt werden.
Der zweite Höhepunkt war die Freigabe der Währung im April 2025. Da war es umgekehrt. Niemand hat damit gerechnet und die Gegner waren noch nicht vorbereitet, um die dadurch ausgelöste Unsicherheit zu Turbulenzen zu verstärken. Aber Milei war den Gegnern eigentlich immer einen Schritt voraus. Man hatte immer einen Plan und es scheint, dass man immer auf das Schlimmste vorbereitet ist. Auch sein Team macht einen super Eindruck. Es setzt sich aus lauter Profis zusammen, die echt wissen, was sie tun. Das merkt man bei jedem Interview.
LvMID: Wo liegt der Schwerpunkt des Buches?
SR: Der Schwerpunkt liegt sicherlich bei den Abläufen und weniger bei den einzelnen Maßnahmen, obwohl diese auch eine wesentliche Rolle in der Veranschaulichung spielen. Manche sind auch zu skurril, um sie einfach wegzulassen. Es ist also keine trockene Aneinanderreihung von Vorhaben, sondern neben der Darstellung der geschichtlichen Abläufe eher eine Schilderung der Vorgehensweise.
Als Jurist hat mich insbesondere der geniale Ansatz des „Ministers für Deregulierung und die Transformation des Staates“ Frederico Sturzenegger fasziniert. Wie dereguliere ich eine Bürokratie? An diesem Vorhaben sind schon viele gescheitert. Zuletzt der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Stoiber in Brüssel. Ihnen ist sicher aufgefallen, dass im Titel des Ministeriums das Wort „Effizienz“ nicht vorkommt. Das ist Absicht von Milei und Sturzenegger. Sie wollen das „Monster“ nicht düngen, sondern kleinkriegen.
LvMID: Was ist das Skurrilste, das abgeschafft wurde?
SR: Das war sicher die bis zur Abschaffung durch die Administration Milei noch immer in Kraft befindliche Verordnung über die „ordnungsgemäße Auspeitschung“.
LvMID: Kommt die Kettensäge auch vor?
SR: Die Kettensäge selber steht bei Milei im Arbeitszimmer auf seinem Besprechungstisch und manchmal auf dem Kabinettstisch. Im Buch spielt sie natürlich eine entschiedene Rolle bei der Darstellung des Zurückschneidens des Staates. Für Milei ist sie das Symbol für Kostensenkungen, die anschließend Steuersenkungen ermöglichen.
LvMID: Was hat Sie am meisten beeindruckt?
SR: Am beeindruckendsten ist die philosophische und strukturelle Schlüssigkeit des gesamten Konzepts. Es gibt da nichts Sprunghaftes. Natürlich gibt es Kompromisse, aber die sind nie ein Richtungswechsel, eher nur ein etwas kleinerer Schritt in die richtige Richtung. Und auf die Prozesse färbt diese Klarheit ab.
Milei hat relativ früh eine ganze Kabinettsitzung nur damit verbracht, zu definieren, was der Staat zwingend machen muss, wenn man Freiheit ausdrücklich als eigenen Wert in die Waagschale wirft. Übrig geblieben ist anscheinend ein Papier, das die entsprechenden Punkte beinhaltete und das sozusagen als „Schnittmuster“ die Basis für die Kettensäge bildete. Sodann hat man die Mitarbeiter gefragt, was sie tun, und wenn es nicht auf der Liste stand, hat man den Bereich geschlossen oder zumindest reduziert und/oder in einen anderen Bereich integriert. So sind rund 200 Referate schlicht verschwunden. Diese Klarheit in der politischen Ausrichtung führt zu einem nahezu symbiotischen Zusammenspiel zwischen Milei und seinen Ministern. Mir sind bisher keine widersprüchlichen Meinungsäußerungen aufgefallen.
Auch die unterschiedlichen Bereiche greifen wegen der widerspruchsfreien philosophischen Basis scheinbar mühelos wie ein Uhrwerk ineinander. Streit zwischen den Ministern scheint es nicht zu geben, und wenn es ihn doch gibt, wird er offenbar sehr gut am Kabinettstisch ausgetragen. Nur mit der Vizepräsidentin kommt Milei nicht zurecht. Die ist faktisch „ausgestoßen“ und hat Glück, dass er sie aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht entlassen kann. Sie hatte aber keine bemerkenswerte Rolle in der Administration.
LvMID: Eine der Stärken von Milei scheint ja seine Fähigkeit zu sein, die Maßnahmen auch theoretisch zu erklären.
SR: Das ist so. Er ist eigentlich kein Politiker, sondern Anti-Politiker. In Europa würden manche ihn vielleicht sogar als „Technokraten“ bezeichnen. Eine an sich durchaus abschätzig gemeinte Bezeichnung ahnungsloser Politiker für Leute mit Fachkompetenz. Nur dass sich bei uns offensichtlich Fachleute nicht mehr im politischen Wettkampf einer Wahl durchsetzen. Wahrscheinlich hat es in den letzten 50 Jahren nirgendwo in der demokratischen Welt einen derart qualifizierten und belesenen Volkwirtschaftler als Regierungschef gegeben.
Zudem ist Milei ein begnadeter und sehr geduldiger Erklärer. Er gibt praktisch jeden Monat ein mehrstündiges Interview und kommt schon mal mit vorbereiteten Notizen, anhand derer er dann volkswirtschaftliche Zusammenhänge einem breiten Publikum erklärt. Mit nur einem Satz, gefolgt von einer kurzen Erläuterung, hat er allen Argentiniern vor Monaten beigebracht, wer Carl Menger ist. Der Satz ist mittlerweile sozusagen „Kulturwissen“ in Argentinien und wird in Diskussionen wie selbstverständlich verwendet.
LvMID: Wie lautet der Satz?
SR: „Dann kann sich der Unternehmer sein Produkt in den A*** schieben.“ Nicht ganz fein, ich weiß.
LvMID: Das müssen Sie jetzt erklären.
SR: Im Rahmen der Freigabe der Wechselkurse wurde er gefragt, was er denn tun wolle, wenn die Unternehmer ihre Produkte einfach nicht billiger anbieten, weil möglicherweise ihre Einstandskosten wegen der steigenden Wechselkurse hoch bleiben. Nach dem zitierten Satz und dem entsprechenden verdutzten Gelächter des Moderators hat Milei erläutert, dass Karl Marx mit seiner Arbeitswertlehre nicht Recht hatte. In Wirklichkeit bestimmen nicht die Kosten die Preise, sondern die Preise die Kosten. Der Wert eines Produktes für einen Käufer wird also nicht durch die (Arbeits-)Kosten bestimmt, sondern, wie Menger gezeigt hat, durch die subjektive Wertschätzung des Kunden, die auch noch von Situation zu Situation verschieden sein kann. Dazu hat er eine Flasche Wasser vom Tisch als Beispiel genommen und den Moderator gefragt, was ihm dies in der Wüste wert sei. Danach war das Netz voll mit entsprechenden Memen von Menger. Mein Liebling ist ein Bild mit einer Hand im blauen OP-Handschuh in eindeutiger Absicht, eine bestimmte Untersuchung vorzunehmen.
LvMID: Ist schon das nächste Buch in Planung?
SR: In Planung noch nicht. Natürlich interessiert mich das Schicksal Argentiniens weiter, aber der nächste Abschnitt wird sicher bis zum Ende der Amtszeit 2027 gehen. Obwohl das Schlimmste vorbei ein dürfte, wird es für Milei nicht leichter werden. Die Opposition, die die Gefahr nicht mehr unterschätzt, wird keinen Fingerbreit nachgeben, und der Weg, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, ist ohnehin steinig und langwierig. Die spannende Frage wird sein, ob die Argentinier die Geduld dazu aufbringen, oder ob sie der Opposition glauben, dass es jetzt wieder Zeit für den „dieses Mal ganz sicher funktionierenden“ Sozialismus wird.
LvMID: Welche Bedeutung haben hier die am Wochenende kommenden Zwischenwahlen?
SR: Bei den Zwischenwahlen werden die Hälfte der Abgeordneten und ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Meines Erachtens werden und wurden diese Zwischenwahlen von der interessierten Presse in ihrer tatsächlichen Bedeutung stark überbewertet, wenn auch das Ergebnis natürlich international hohe Beachtung erfahren wird. Sollte sein Stimmenanteil über dem der Linken liegen, wäre das „emotional“, gerade für internationale Investoren, wichtig. Tatsächlich wird er aber – eben weil nur die Hälfte der Abgeordneten gewählt wird – höchstens ein Ziel erreichen können, nämlich eine eigene Sperrminorität im Parlament von einem Drittel der Sitze. Damit kann er dann seine Vetos gegen Angriffe der Opposition aus dem Kongress verteidigen. Das scheint aber relativ sicher. Eine eigene einfache Mehrheit in beiden Kammern wird er sicherlich nicht schaffen, so dass er für weitere Maßnahmen auch wieder Partner und – so ist das eben – Kompromisse braucht. Es bleibt auf jeden Fall spannend.
LvMID: Vielen Dank für das Gespräch!
*****
Das Interview für das LvMID führte Andreas Tiedtke.
Stephan Ring ist promovierter Jurist, Autor und seit der Gründung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland Mitglied des Vorstandes. 2025 erschien sein Buch Die Rettung Argentiniens: Javier Milei, die ersten 16 Monate (*).
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