Freiheit. Der Abbau der Throne
16. April 2025 – von Rainer Fassnacht
Der Begriff Thron steht in diesem Artikel nicht für das (nur selten anzutreffende) Möbelstück, sondern für Herrschaft und Regierung beziehungsweise Menschen mit politischer Macht. Wenn hier nun vom ‚Kampf um den Thron‘ die Rede ist, werden die meisten Menschen dies vermutlich auf den Wahlkampf beziehen – insbesondere, da der letzte noch nicht lange zurückliegt.
Tatsächlich dient die ‚politische Wahl‘ der Legitimierung der Ausübung von Macht. Während sich Monarchen früher von Gottes Gnaden wähnten (oder dies zumindest so kommunizierten), sieht der heutige Machtlegitimierungsprozess anders aus.
Aber unabhängig vom Weg zur Erlangung von Macht ist ihre Wirkung identisch. Ludwig von Mises (1881 – 1973), der wohl bedeutendste Ökonomen und Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts, schrieb in seinem Buch „Die Letztbegründung der Ökonomik“
Der Staat unterwirft, kerkert ein und tötet. Die Menschen sind geneigt, das zu vergessen, weil der gesetzestreue Bürger sich der Ordnung der Obrigkeit klaglos unterordnet, um Bestrafung zu vermeiden. (S. 139)
Hier wird deutlich, was den Thron im hier verwendeten Sinne ausmacht. Wer auf dem Thron sitzt, gehört zu jenen Menschen, die tun dürfen, was bei anderen Menschen als verwerflich eingeschätzt würde – Zwang ausüben. Der Prozess zur Erlangung dieses ‚Ausnahmerechts‘ gilt vielen Menschen als unumstößliche Gewissheit oder notwendiger Normalfall.
Dahinter steht oft die Überzeugung, dass es ohne eine (anderen Menschen) übergeordnete Institution nicht gehen würde. Faktisch entsteht durch die Legitimierung in der jeweils üblichen Art aber keine ‚Institution‘ – weil dies nur eine gedankliche Fiktion ist.
Tatsächlich ergibt sich durch die Legitimierung, dass eine Gruppe von fehlbaren und aus individuellen subjektiven Motiven handelnden Menschen, von anderen Menschen gleicher Natur Handlungen erzwingen können soll. Darin liegt ein Problem, dass Mises wie folgt formulierte:
Wenn die Menschen vollkommen wären, gäbe es für einen Staat keinen Bedarf. Mit unvollkommenen Menschen funktioniert kein Staatssystem zufriedenstellend. (S. 140)
Die Mächtigen sind keine ‚besseren Menschen‘, auch ihre Entscheidungen sind es nicht. Beim Blick in die Geschichte finden sich zahlreiche Beispiele, die dies eindrucksvoll bebildern. Und auch aktuelle politische Entscheidungen lassen an besonderer ‚Weisheit‘ der Menschen mit Macht zweifeln.
Wer danach verlangt beherrscht zu werden, kann nicht anders. Im Augenblick, wo dies passiert, kommt alles zusammen, was diesen konkreten handelnden Menschen ausmacht. Es nützt auch nichts, wenn wir als andere Menschen zum gleichen Zeitpunkt eine abweichende Entscheidung treffen würden.
Keine zwei Menschen sind gleich, auch Zwillinge nicht. Dies wird schon allein dadurch deutlich, dass beide einen bestimmten sich nicht überlappenden Bereich im Raum einnehmen. Das handlungsbegründende ‚Puzzle‘ beinhaltet neben dem Genetischen und Gelernten unter anderem auch die verfügbaren Informationen und deren Bewertung sowie die individuellen Ziele und Einschätzungen zur Geeignetheit verfügbarer Mittel.
Auch wissenschaftliche Beratung ändert nichts am Grundproblem, dass auch Menschen mit Macht nur Menschen sind. Aus einer wissenschaftlichen Ist-Beschreibung ergibt sich nicht ‚automatisch‘ ein ‚Handlungssoll‘ – was schon die (politischen) Diskussionen zu diversen Themen zeigen.
Ein Wissenschaftler, der behaupten würde, dass seine Erkenntnisse nur (s)eine Handlungsoption zulassen, agiert in diesem Moment politisch. Bewertungen können so vielfältig sein, wie es Menschen gibt. Eigenes Werten vorzuziehen, heißt eigenes Wollen zum Sollen für andere zu machen. Dahinter liegt ein größenwahnsinniges Selbstbild, die (unbewusste) Annahme ein gottgleiches Wesen zu sein – oder zumindest die Überzeugung, dass die Bewertung anderer Menschen weniger wichtig wäre.
Niemand kann die Ziele aller anderen Menschen kennen. Ausgehend von der Gleichheit der Menschen kann kein Mensch ohne logischen Widerspruch behaupten, nur seine eigenen Ziele wären relevant oder er würde jene aller anderen mitdenken.
Wenn wir akzeptieren, dass es Freiheit nur geben kann, wenn es keine ‚Übermenschen‘ und keine ‚Untermenschen‘ gibt, wenn also die Möglichkeit, Zwang auszuüben, genommen beziehungsweise nicht mehr legitimiert wird, bleibt die Frage, welcher Prozess die Koordinierung übernehmen soll. Mises hat die Antwort formuliert:
Der Inbegriff der Kollektivierung oder Sozialisierung ist die Marktwirtschaft, und das grundlegende Prinzip des Kollektivhandelns ist der gegenseitige Austausch von Diensten, das do ut des [ich gebe, damit du gibst]. Der Einzelne gibt und dient, um von seinen Mitmenschen mit Gaben und Diensten belohnt zu werden. (S. 149)
Zweifelsfrei war der Schritt vom göttlichen Monarchen zum gewählten Machthaber richtig und wichtig – insbesondere, weil damit die Möglichkeit geschaffen wurde, die Menschen auf dem Thron (bei Nichtgefallen der Ergebnisse) abzuwählen. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur bedingt.
Die Grenzen dieser Abwahlmöglichkeit wurden beispielsweise durch die zurückliegende Wahl deutlich. Obwohl über die Hälfte gegen eine Fortführung der rot-grünen Politik stimmten, wird diese auch in der neuen Koalition fortgesetzt, teilweise sogar intensiviert. Der Spruch „Würden Wahlen etwas ändern, dann wären sie verboten“, ist nicht grundlos entstanden.
Anders ausgedrückt: Wer Freiheit und Frieden will, könnte zur Erkenntnis kommen, dass der wahre Kampf um den Thron nicht darin besteht, ihn – mit welchen Methoden auch immer – zu besetzen, sondern ihn abzuschaffen.
Ist die Freiheit das Ziel, geht es nicht um die wechselnde Besetzung des Throns, weil dies nichts daran ändert, dass einige Menschen legitimiert sein sollen, anderen Menschen Handlungen aufzuzwingen. Der Übergang vom Herrscher von Gottes Gnaden zum Repräsentanten, der durch eine Abstimmung gewählt wird, war ein erster Schritt auf dem Weg zur Freiheit. Ein echter Sieg der Freiheit setzt einen weiteren Schritt voraus, den Abbau des Throns – den Verzicht auf die Legitimierung von Zwang.
Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.
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