Ein Planet, zwei Welten

7. Februar 2025 – von Rainer Fassnacht

Vor und nach Wahlen wird besonders deutlich, dass politische Interventionen Entweder-oder-Entscheidungen sind. Man kann beispielsweise Steuern erhöhen, eine Autobahn bauen oder einen Stadtpark zum Baugebiet machen – oder man tut es nicht.

Einen ‚Mittelweg‘ gibt es nicht, auch eine ‚kleine Steuererhöhung‘ ist eine Erhöhung. Es macht auch keinen Sinn, einen Autobahnbau für beendet zu erklären, solange der finale Belag und die Leitplanken noch nicht vorhanden sind.

Nun könnte man argumentieren, beim Stadtpark sei dies anders, man könne ja nur eine Hälfte davon zum Baugebiet machen und den Rest weiterhin als Erholungsfläche nutzen. Dies ist allerdings zu kurz gesprungen, denn tatsächlich gibt es im Hinblick auf jeden einzelnen Quadratmeter der betroffenen Fläche kein ‚Mittelding‘.

Man könnte diese Tatsache auch verallgemeinern und sagen, jede einzelne Minute und jeder konkrete Euro kann nur für das Eine oder das Andere verwendet werden. Es ist unmöglich, in der Minute X zu schlafen und wach zu sein oder einen konkreten Euro im Zeitpunkt Y sowohl für Produkt A als auch für B auszugeben.

Natürlich gilt diese Verallgemeinerung nicht nur für politische Entscheidungen, sondern auch für jede individuell gewählte Handlung – doch es gibt wichtige Unterschiede. Erstens kann die politische Entscheidung anders ausfallen, als es der Einzelne gerne hätte. Er ist in diesem Falle gezwungen, gegen die eigenen Überzeugungen zu handeln. Zweitens kann der politische Entscheider meist nicht für die Folgen seiner Entscheidung verantwortlich gemacht werden (seltene Ausnahmen bestätigen diese Regel).

Diese Besonderheit politischer Interventionen ist die Ursache, dass solche Diskussionen oft unversöhnlich und verbissen geführt werden. Wird das Geld der Steuerzahler beispielsweise ausgegeben, um die innere und äußere Sicherheit zu verbessern, oder wird es verwendet, um ‚soziale Wohltaten‘ zu verteilen? Es gibt tausende solcher Konflikte und jeder einzelne trägt dazu bei, dass einige Menschen die jeweilige politische Entscheidung befürworten und andere ablehnen.

Ob bestimmte Interventionen befürwortet oder abgelehnt werden, ist meist nicht zufällig, sondern folgt bestimmten Vorstellungen davon, wie die Welt sein sollte. Wer Freiheit und Eigenverantwortung wichtig nimmt, wird eine Vielzahl von politischen Entscheidungen anders bewerten als ein Mensch, welcher meist ‚den Staat‘ in der Pflicht sieht.

Bildlich gesprochen führt dieser Umstand dazu, dass wir zwar auf einem Planeten leben, aber oft in verschiedenen Welten. Hier liegt der Keim für die vielzitierte „Spaltung der Gesellschaft“. Je häufiger und umfassender politische Interventionen sind, umso stärker zerbröselt der Kitt, der ein gedeihliches Miteinander ermöglicht.

Menschenrechte

Der Kitt, von dem hier die Rede ist, sind jedem Menschen zugehörige und allgemein akzeptierte Rechte, deren Inanspruchnahme durch einen Menschen die Inanspruchnahme durch andere Menschen nicht einschränkt.

Die Meinungsfreiheit ist ein schönes Beispiel dies zu verdeutlichen: Ein Mensch, der seine Meinung äußert, nimmt anderen Menschen damit nicht die Möglichkeit, ihre Meinung ebenfalls zu äußern. Dies gilt auch dann, wenn sich die Meinungen inhaltlich ausschließen sollten.

Obwohl vermutlich viele Menschen den Eindruck haben, dass solche Rechte vom Staat geschaffen werden, ist dies nicht der Fall – sie gehören zum Menschen. Die Menschenrechte wurden zwar von Menschen in politischen Funktionen (über die Zeit) formuliert, dies jedoch im Bewusstsein, damit etwas Bestehendes beziehungsweise Selbstverständliches zu dokumentieren.

Beispielhaft steht in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung:

We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.

Obwohl weder Staaten noch Politiker die Menschenrechte schufen, hat deren Agieren Einfluss auf die Möglichkeit, die natürlichen Rechte ausleben zu können. Wie solche Beschränkungen aussehen können, zeigt sich beispielsweise in Amerika beim Druck der Regierung auf soziale Plattformen, bestimmte Meinungen zu Corona zu unterdrücken.

Auch die Verwendung von Steuergeldern für die (Teil-) Finanzierung von Meldeportalen, die Meinungsäußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle erfassen, ist ein Beispiel dafür, wie politische Akteure innerhalb und außerhalb des Staatsapparates die Meinungsfreiheit mehr oder weniger offensichtlich einschränken.

Fake-Rechte

Neben den natürlichen Menschenrechten – die einen Teil des Kitts der Gesellschaft bilden – gibt es inzwischen zahlreiche ‚geschaffene‘ Rechte, welche diese Funktion nicht erfüllen. Die Inanspruchnahme dieser Rechte schränkt andere Menschen ein und es ist unmöglich, sie konfliktfrei auszuüben.

Im Sinne des zuvor erläuterten handelt es sich bei diesem Typ (auch bei den sogenannten „Menschenrechten der zweiten Generation“) um Fake-Rechte. Das „Recht auf Wohnen“ ist dafür ein Beispiel. Dieses aus dem UN-Sozialpakt stammenden „Wohnrecht“ wird teils sehr weitgehend ausgelegt. Beispielsweise wird hineininterpretiert, dass der Staat auch für die „Nähe zu Gesundheitsdiensten, Schulen usw.“ oder „bestimmte Baumaterialien oder Raumaufteilungen“ zu sorgen hat.

Doch selbst wenn wir diese extensive Interpretation unberücksichtigt lassen und das „Wohnrecht“ eng auslegen , wird deutlich, dass es kein natürliches universelles Recht sein kann – auch wenn das Ziel durchaus erstrebenswert ist. Wenn Wohnraum knapp ist, kann ein „Wohnrecht“ nur mit zahlreichen Einschränkungen umgesetzt werden.

Denkbar wäre beispielsweise die Umwandlung jeglichen (zuvor privaten) Wohnraums in staatliche Verfügungsmasse in Verbindung mit einer staatliche Wohnraumverteilung. Oder eine Wohnraumsteuer die so hoch ist, dass davon (nach Abzug des staatlichen ‚Eigenbedarfs‘) genug übrigbleibt, um in staatlicher Regie Einheitsbauten in Serie produzieren zu lassen.

Ein „Wohnrecht“ und andere Fake-Rechte können bei der unvermeidlichen und allgegenwärtigen Knappheit nicht ohne Eingriffe in die Rechte anderer Menschen existieren. Sie gehören daher nicht zu den echten natürlichen Menschenrechten, sondern zum Instrumentenkasten staatlicher Interventionen. Es sind politische Entweder-oder-Entscheidungen, die Stoff für Zerwürfnisse und gesellschaftliche Spaltung liefern.

Der Weg zur Befriedung

Das verstärkte Gefühl „Ein Planet, zwei Welten“ wird durch zunehmende politische Interventionen gespeist. Diese Wahrnehmung ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass politische Eingriffe inzwischen einen kritischen und gesellschaftsschädlichen Umfang erreicht haben.

Objektive Fakten, beispielsweise die Entwicklung der Steuer- und Abgabenlast, die Anzahl gesetzlicher Reglungen oder die Zunahme der Bürokratie zeigen ebenso wie zunehmend unversöhnlich geführte Auseinandersetzungen, dass es sich hierbei nicht nur um einen subjektiven Eindruck handelt.

Ludwig von Mises (1881 – 1973) brachte es wie folgt auf den Punkt:

Das Wesen interventionistischer Politik ist, von einer Gruppe zu nehmen und einer anderen zu geben. Es ist Enteignung und Umverteilung.
(Human Action, S. 851, 855)

Der Weg zur Verringerung der Konflikte ist offensichtlich – eine umfassende und nachhaltige Reduzierung politischer Interventionen.

Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.

Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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