Kunden- oder politikorientierte Unternehmen. Wer schafft mehr Wert?
7. Oktober 2024 – von Rainer Fassnacht
Kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen schaltete ein genossenschaftlich organisierter Einzelhandel-Unternehmensverbund in zwei überregionalen Zeitungen großformatige Anzeigen, um von der Wahl einer der kandidierenden Parteien abzuraten.
Im Folgenden soll es um die ökonomische Frage gehen, ob solche politikorientierten Unternehmen mehr oder weniger Mehrwert schaffen, als kundenorientierte.
Politikorientierung von Unternehmen kann auch in anderen Formen vorliegen, recht offensichtlich dort, wo direkte staatliche Beteiligungen gegeben sind. Aber auch die Nutzung von Subventionen oder der Lobbyismus stellt eine Form der Politikorientierung von Unternehmen im weiteren Sinne dar.
Wird Politikorientierung in diesem weiten Sinne verstanden, wird deutlich, dass es eine ganze Reihe von Unternehmen gibt, die der Politik gefallen oder diese für ihre Zwecke nutzen möchten. Es handelt sich dabei also nicht nur um exotische und seltene Einzelfälle, sondern um ein verbreitetes und scheinbar auch zunehmendes Phänomen.
Wie die Lehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und deren wissenschaftlicher Methode, der Praxeologie zeigt, ergibt sich „Wert“ aus den individuellen subjektiven Bewertungen handelnder Menschen und nicht aus der im Produkt oder der Dienstleistung steckenden Arbeit oder anderen „objektiven Kriterien“.
Will man die gestellte Frage beantworten, muss also geprüft werden, ob und wie die unterschiedlichen Formen der Politikorientierung von Unternehmen die Bewertung durch die Kunden verändern können und ob es gegebenenfalls weitere Auswirkungen gibt– vielleicht auch auf andere Menschen. Wobei sich diese Prüfung hier jeweils nur auf einige wenige Aspekte begrenzen muss, um den Rahmen des Artikels nicht zu sprengen.
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Direkte staatliche Beteiligung
Es gibt einige Unternehmen, die ganz oder in Teilen in staatlicher Hand sind. In einigen Fällen ist dieser direkte politische Einfluss historisch bedingt, in anderen Fällen waren oder sind ‚aktuelle Krisen‘ die Ursachen dieser Beteiligungen. Die Anteile des Landes Niedersachsen an der Volkswagen AG sind ein Beispiel für den ersten Fall, der diskutierte Staatseinstieg bei der Meyer Werft für den zweiten.
Beteiligt sich der Staat an einem Unternehmen, kann es zu Entscheidungen kommen, die zwar im politischen Interesse sind, dem Unternehmen aber schaden. Ein Beispiel dafür ist der Fall, wenn die Vertreter des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat von VW (die eigentlich die Kapitalseite vertreten sollten) mit der Arbeitsnehmerseite votieren, um etwa unrentable Arbeitsplätze zu erhalten.
Dem politischen Erfolg – dem vorläufigen Erhalt von (unrentablen) Arbeitsplätzen – stehen weniger offensichtliche wirtschaftliche Nachteile gegenüber. Da das Unternehmen durch die Intervention weniger wirtschaftlich arbeitet, verliert es an Wettbewerbsfähigkeit. Besseren Anbietern wird es erschwert, Marktanteile zu gewinnen und den Kundenwünschen besser zu entsprechen. Durch die Intervention unterbleibt also die ‚Schöpferische Zerstörung‘, der Kunde hat das Nachsehen.
Das Wissen um diese Zusammenhänge könnte die Bewertung eines handelnden Menschen verändern. Er mag erkennen, dass die Politikorientierung des Unternehmens ihm als Kunden ebenso schadet wie anderen Menschen. Die Kundenbindung leidet, sehr wahrscheinlich auch der Unternehmenswert.
Subventionen
Ähnlich verzerrend ist der Wirkprozess bei Subventionen. Auch wenn hier der Eingriff möglicherweise kleiner ist (weil beispielsweise ‚nur‘ ein konkretes Projekt gefördert wird), stehen die dafür verwendeten Ressourcen nicht mehr für andere, bessere Verwendungen zur Verfügung.
Bei einer Subvention wird ein Teil der Kosten (scheinbar vom Staat) übernommen, die sonst vom Unternehmer getragen werden müssten. Vielleicht würde das Projekt ohne Subventionen auch komplett unterbleiben. Jedenfalls muss ein nicht subventionierter Anbieter eines vergleichbaren Produktes alle Kosten selbst tragen.
Das Geld für die Subventionen stammt nicht ‚vom Staat‘, sondern von den Steuerzahlern – wozu auch Mitarbeiter und Kunden des betreffenden Unternehmens zählen. Es gibt folglich Gewinner (die Mitarbeiter und Manager des subventionierten Betriebes) und es gibt Verlierer (die Netto-Steuerzahler).
Auch in diesem Fall könnte das Wissen um die Zusammenhänge die Bewertung eines handelnden Menschen verändern. Er könnte erkennen, dass auch diese Form der Politikorientierung ihm und anderen Menschen schadet. Und wiederum stehen Konsumenten und Netto-Steuerzahler schlechter da als ohne die Subventionen.
Lobbyismus
Der Versuch, Einfluss auf die Politik zu nehmen, damit diese mit Zwang Regelungen durchsetzt, die im eigenen Interesse sind, ist ebenfalls weit verbreitet. Die Statistik des Lobbyregisters des Bundestages zeigt, dass mit 27,75 % der größte Anteil der Lobbyisten der Tätigkeitskategorie „Unternehmen“ angehören. Wenn Unternehmen Großspenden an Parteien zahlen, dann ist das eine weitere Form der Politikorientierung.
Natürlich sind auch andere Interessen lobbymäßig aktiv. So zeigt die Statistik der Interessenbereiche beispielsweise, dass 42,58 % dem Interessenbereich „Umwelt“ zuzuordnen sind. Auch zum „Drehtüreffekt“ lassen sich dem Lobbyregister einige Angaben entnehmen, wenn auch sehr wenige, da 97,58 % (!) der Personen keine Angaben dazu machen.
An anderer Stelle ist übrigens zu lesen, dass 2015 der Deutsche Gewerkschaftsbund die meisten Hausausweise von einer Bundestagsfraktion erhalten hat, gefolgt vom GKV-Spitzenverband, der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland. Man sieht, Lobbyismus beschränkt sich nicht auf die Wirtschaft.
Doch zurück zu den Unternehmen. Eine Frage stellt sich: Besteht eigentlich bei gut funktionierenden Unternehmen, die sich am Kundeninteresse orientieren, Gewinn erwirtschaften und Mehrwert schaffen, ein Bedarf, Ressourcen in Lobbyismus zu stecken?
Die Antwort lautet: Nein! Das Wissen über die negativen Auswirkungen der Politikorientierung von Unternehmen könnte daher bei Lobbyaktivitäten eines Unternehmens zu einer veränderten Bewertung beziehungsweise einer neuen Wert-Schätzung führen.
Anstatt sich im politikorientierten Kampf um Vorteile für sich selbst und Nachteile für die Konkurrenten gegenseitig aufzureiben, könnten die Unternehmer sich gemeinsam gegen die um sich greifende Politikorientierung des Unternehmertums aufstellen, welche die Marktmechanismen zerstört und damit letztlich auch das Unternehmertum bedroht.
Parteiwerbung
Das Eingangsbeispiel – dass ein Unternehmen relativ direkt Werbung für oder gegen eine Partei schaltet – ist bislang eher selten. Deutlich häufiger ist das öffentlichkeitswirksame Aufgreifen politisch angesagter Themen in der Werbung. Ein Beispiel dafür ist die Auswahl jener Menschen, die Unternehmen in ihren Werbespots zeigen.
Wie gefährlich dieses Vorgehen aus ökonomischer Perspektive sein kann, zeigte die missglückte ‚Trans-Werbung‘ von Bud Light. Diese Anheuser-Kampagne schlug in ihr Gegenteil um. Der Imageschaden und die wirtschaftlichen Auswirkungen für das Unternehmen waren gewaltig.
Auch die oben angesprochene Werbung eines Supermarkt-Verbundes birgt die Gefahr, negative Effekte für die zugehörigen Einzelhandelsunternehmen zu bewirken. Übrigens ist diese Anzeigenschaltung nicht ganz ohne Ironie, da vor ‚blau‘ gewarnt wurde, obwohl das eigene Logo genau diese Farbe hat.
Einige Leser der Anzeige könnten diese Warnung wörtlich nehmen und künftig darauf verzichten dort einzukaufen. Andere – auch jene, die andere Farben wählen – könnten sich gestört fühlen, dass ein Unternehmen versucht, Einfluss auf ihre freie Wahlentscheidung zu nehmen.
Meine vor diesem Hintergrund gestellten konkreten Fragen zur Kampagne wurden von der Pressestelle leider nicht beantwortet. Es wurde lediglich das „Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft“ behauptet, ohne zu bemerken, dass dies im Widerspruch zur Kampagne steht und zur Weigerung, einfache konkrete Fragen der Presse zu beantworten.
Fazit
Politikorientierte Unternehmen vernichten Wert für die Volkswirtschaft – auch dann, wenn sie selbst von einzelnen konkreten Maßnahmen vorübergehend profitieren sollten. Ludwig von Mises (1881 – 1973), der wohl bedeutendste Ökonom und Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts, formulierte:
Denn nun ward es [durch den Liberalismus] klar, daß es im besten Falle immer nur wenige sein können, die durch das Schutzsystem [der politischen Befriedigung von Sonderinteressen] absolut gewinnen, daß die große Mehrzahl dabei verlieren muß.
(Die Gemeinwirtschaft, 2. Aufl. 1932,, S. 203 f.)
Bei der Frage, in welche Unternehmen man investiert oder bei welchem Unternehmen man einkauft, kann daher das Ausmaß der Politikorientierung wertvolle Hinweise liefern. Letztlich wirkt Politik- statt Kundenorientierung auf die Unternehmen zurück. Je verbreiterter das Wissen über die Zusammenhänge ist, umso früher und deutlicher wird diese Rückmeldung eintreten.
Wir können durch unsere eigenen Handlungen dazu beitragen, dass die Anzahl jener Unternehmen abnimmt, welche ‚der Politik‘ gefallen wollen oder diese für ihre Zwecke nutzen möchten. Wir können durch unsere Handlungen bewirken, dass die Kundenorientierung wieder stärker in den Vordergrund rückt.
Vielleicht sieht die Anzeige eines Unternehmens anders aus, wenn sich die negativen Folgen seiner Politikorientierung geschäftlich bemerkbar machen. Dann steht in der neuen Anzeige vielleicht: „Wie verkaufen Lebensmittel – Politik kommt bei uns nicht in die Tüte!“
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Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.
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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
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