Bericht aus Buenos Aires: Javier Milei wird nach wie vor von 55 Prozent der Argentinier unterstützt
20. September 2024 – von Rainer Zitelmann
Seit acht Monaten (dieser Artikel wurde im August 2024 verfasst) regiert der Anarchokapitalist Javier Milei in Argentinien. Nachdem ich 2022 und 2023 in Argentinien war, bin ich nun zurückgekehrt und habe mehrere Städte in dem Land besucht, um herauszufinden, wie die Stimmung dort ist und wie sich das Leben der Menschen verändert hat.
Umfragen zeigen, dass Milei immer noch von der Mehrheit der Argentinier unterstützt wird. 55,4 % haben eine positive Meinung von ihm, 44,3 % eine negative.
Junge und Arme unterstützen Milei
Agustin Etchebarne, General Director des libertären Think-tanks Libertad y Progreso sagt: „Die jungen Leute und die Armen sind immer noch auf der Seite von Milei. Die meisten von ihnen haben für ihn gestimmt und unterstützen ihn auch heute.“
Wenn sie Milei kritisieren, sagt Etchebarne, dann höchstens, weil er aus ihrer Sicht nicht radikal genug ist. Sie fordern von ihm, dass er noch härter gegen die verhasste „Casta“ vorgehen soll, die das Land ruiniert hat.
Aber Milei kann sein Programm nicht so durchsetzen, wie er will, denn er hat nur sieben von 72 Abgeordneten im Senat und 38 von 257 im Parlament. Er brachte zunächst ein umfangreiches Gesetz mit der Bezeichnung „Ley Bases“ ein, das 600 Artikel umfasste. Er zog das Gesetz jedoch zurück, als deutlich wurde, dass er im Kongress keine Mehrheit bekommen würde, was Etchebarne als Fehler bezeichnet. Danach legte er ein kürzeres Gesetz vor, das weniger Reformen und nur 200 Artikel enthielt. Dieses wurde mit minimalen Änderungen angenommen.
Das war ein Erfolg, aber Milei hat es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht einfach, seine Reformen durchzubekommen. Die Wahlen im Oktober 2025 könnten jedoch das Machtgleichgewicht verschieben, da ein Drittel des Senats und die Hälfte des Parlaments zur Wiederwahl stehen und Mileis Partei wahrscheinlich deutlich mehr Sitze im Parlament erringen wird.
Was hat sich positiv verändert, was negativ? Positiv: Die hohe Inflation, die die Argentinier bei Befragungen vor der Wahl als das Hauptproblem bezeichneten, ist deutlich zurückgegangen. Die monatliche Inflation lag im November 2023 bei 12,8 % und im Dezember 2023, dem Monat des Regierungsantritts von Milei, bei 25,5 %. Aktuell liegt die monatliche Inflationsrate nur noch im einstelligen Bereich, bei derzeit vier Prozent.
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Abschaffung der Mietpreisbremse führt zu 40 % mehr Angebot
Was auch sehr wichtig ist: Federico Sturzenegger, der kürzlich zum Minister für Staatsreform und Modernisierung ernannt wurde, hat eine umfassende Deregulierungsagenda eingeleitet, die maßgeblich zur wirtschaftlichen Erholung beitragen wird. Ein Erfolg ist die Liberalisierung des Mietmarktes, wo eine Mietpreisbremse dazu führte, dass das Angebot an Wohnungen immer knapper wurde. Angesichts der horrenden Inflation war es sinnlos, eine Wohnung zu vermieten, wenn es verboten war, die Mieten entsprechend anzupassen. Schon kurz nachdem Milei diese Mietpreisbremse abschaffte, stieg das Wohnungsangebot um fast 40 %.
Andererseits ist die Wirtschaftsleistung zunächst zurückgegangen, was ich allerdings erwartet hatte, weil es auch dem Muster bei anderen kapitalistischen Reformprozessen (z.B. in Polen oder in den 80er Jahren in Großbritannien) entspricht. Dies hat zur Folge, dass sich die Armut von 40 auf etwa 55 % erhöht hat.
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Die Mittelschicht ist besonders betroffen, stärker als die ganz Armen. Das liegt daran, dass die Ärmsten auch unter Milei staatlich unterstützt werden. Was Milei allerdings geändert hat: Zuvor gingen die staatlichen Gelder an Intermediäre, an politische linksorientierte Organisationen, die vorgeben, die Armen zu unterstützen, aber den Großteil des Geldes selbst behielten.
Milei“, so sagt Etchebarne, „gibt das Geld jetzt direkt an die Armen, während die linken Organisationen leer ausgehen. Das ist der große Unterschied zu dem Konservativen Macri, der zu seiner Regierungszeit unfreiwillig weiter seine linken Gegner mit massiven Geldzahlungen gefördert hatte. Durch den Wegfall der Intermediäre erhalten die Ärmsten heute doppelt so viel wie vorher. Das Problem: Nur die Ärmsten profitieren von diesen Maßnahmen, für die Mittelschicht ist es schwierig, sie steigen zum Teil in die Armut ab.
Sind die Peronisten eine Bedrohung für Milei? Momentan nicht. Ein Skandal nach dem anderen wird aufgedeckt und das ganze Ausmaß der Korruption wird immer deutlicher. Zum Beispiel wurde jetzt bekannt, dass 80 % der staatlichen Filmförderung nicht an die Filmproduzenten, sondern an die staatliche Bürokratie ging. Und so war das in vielen Bereichen.
Skandale schwächen Peronisten
Ein weiterer Skandal, der in den letzten Wochen in Argentinien für Schlagzeilen sorgte: Der linksgerichtete Peronist Alberto Fernandez, der von 2018 bis 2022 Präsident von Argentinien war, präsentierte sich gerne als feministischer Vorkämpfer der Frauenrechte. Nun wirft ihm seine Frau Fabiola Yanez vor, sie geschlagen zu haben, und sie hat Fotos mit Verletzungen im Gesicht vorgelegt. Der Fall schockierte die argentinische Öffentlichkeit, aber auch das peronistische Oppositionslager. In Argentinien sagt man: „Ja, Milei hat das Frauenministerium abgeschafft – wie viele andere Ministerien auch – aber Fernandez hat seine Frau geschlagen.“
Das Bündnis von Milei mit der konservativen Partei von Mauricio Macri ist schwierig. Bei den Stichwahlen setzte sich Milei gegen deren Kandidatin Patricia Bullrich durch. Sie unterstützte ihn dann bei den Stichwahlen und ist heute Minister of Security. Bullrich plante sogar, ihre eigene Partei mit der von Milei zu vereinen, aber scheiterte damit, weil Macri dagegen war. Enrique Duhau, Präsident von Libertad y Progreso sagt:
Das große Problem ist, dass es zwei Parteien auf der Rechten gibt, die von Macri und die von Milei. Solange es zwei Parteien gibt, werden die Libertären und die Konservativen immer Schwierigkeiten haben, eine Mehrheit gegen die linken Peronisten zu gewinnen.
Bullrich, die als Ministerin zuständig für die innere Sicherheit ist, wird von meinen Gesprächspartnern gelobt: Sie habe verhindert, dass die Straßen täglich von linken Demonstranten blockiert werden. Demonstrationen sind selbstverständlich erlaubt, aber die Demonstranten müssen meist auf dem Bürgersteig oder in Parks demonstrieren –- zumindest dort, wo sie nicht den Verkehr blockieren können. Übrigens war Bullrich in ihrer Jugend selbst Linksextremistin.
Meiner Meinung nach wird der Erfolg von Milei vor allem davon abhängen, ob die Argentinier die nötige Geduld aufbringen. Milei kann genauso so erfolgreich sein wie Leszek Balcerowicz in Polen oder Maggi Thatcher in Großbritannien. Aber in beiden Fällen wurde es erst schlechter (z.B. die Wirtschaftsleistung ging zurück), bevor die Situation dann sehr viel besser wurde. Dies ist bei marktwirtschaftlichen Reformen immer der Fall, und es ist zu hoffen, dass diejenigen, die Milei immer noch unterstützen, dies verstehen und nicht die Geduld verlieren. Was in Jahrzehnten vermurkst wurde, kann nicht in einem Jahr geheilt werden.
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Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Autor des Buches „Weltreise eines Kapitalisten“ (*), wo er auch über seine Reisen und Gespräche in Argentinien berichtet.
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