Alarmismus – die zeitgeistige Herrschaftsstrategie
Blick aus Österreich
5. August 2024 – von Andreas Tögel
Politische Herrschaft basiert auf der Anwendung bestimmter Strategien. Der Grundsatz „Teile und herrsche!“, den Niccolò Machiavelli (1469 – 1527) seinem Fürsten Lorenzo de‘ Medici (1492 – 1519) in seinem „Il Principe“ (Der Fürst) empfiehlt, ist eine davon. Die Beschwörung von äußeren Bedrohungen, die Konstruktion militärischer Feindbilder ist eine weitere Methode. Militärische Außenfeinde schaffen inneren Zusammenhalt, mobilisieren patriotische Gefühle und versammeln die Massen um das jeweilige Regime. Allerdings können nicht nur tatsächlich existierende oder behauptete Bedrohungen durch ausländische Mächte zum Zweck der Herrschaftssicherung instrumentalisiert werden. Auch die Konstruktion von Feindbildern im Inneren (Hugenotten, Juden, Armenier, Spekulanten, Demokratiefeinde oder „Rechte“) sind bestens dazu geeignet, um die Bürger im Sinne der Herrschaft zu mobilisieren.
Die ständige Alarmierung der Gesellschaft, die Schaffung eines permanenten Ausnahmezustandes, sei es, um vermeintlich drohenden Umweltkatastrophen oder todbringenden Seuchen entgegenzutreten, oder um als solche etikettierte Hassprediger, Hetzer, Rechte und „Querdenker“ mithilfe einer in Angst versetzten Öffentlichkeit in Schach zu halten, kann ebenfalls zur Herrschaftssicherung eingesetzt werden.
Gemeinsam ist den – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – genannten Strategien, dass damit nicht nur die Macht der Herrschenden gefestigt oder vergrößert wird, sondern zugleich auch die Freiheit der Bürger eingeschränkt und unter trickreicher Anwendung der Salamitaktik scheibchenweise entsorgt wird.
Eine eher neuartige und besonders subtile Form der Herrschaftssicherung basiert auf der kollektiven Verunsicherung und Verwirrung der Bürger. Man kennt in Österreich den Klageruf „ich weiß gar nicht mehr, ob ich ein Mandl oder ein Weibl bin“, der die dank konsequenter Genderpolitik auf die Spitze getriebene Konfusion auf den Punkt bringt. Nie zuvor waren sich derart viele Menschen ihres Geschlechts nicht mehr sicher. Wer aber sogar auf die Frage nach seinem Geschlecht keine Antwort findet, braucht dringend Hilfe. Und wer könnte die anbieten, wenn nicht die Regierung und deren steuerfinanzierte Erfüllungsgehilfen?
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Die Stiftung kollektiver Verwirrung ist daher zu einem wichtigen Herrschaftsinstrument des politisch-medialen Komplexes geworden. Die inzwischen zu kultur-marxistischen Ideologiewerkstätten mutierten Universitäten (der LGBTQ-Kult oder etwa der Kampf gegen Klimawandel und Kapitalismus gehen von den Universitäten aus!) liefern das ideologische Fundament dafür und werden – quid pro quo – mit dem Geld, das den in der Privatwirtschaft produktiv Tätigen und den Unternehmen abgezwungen wird, alimentiert.
Daueralarmzustand
Nach dem Ende der vom politisch-medialen Komplex – und unter maßgeblicher Unterstützung regierungsaffiner „Experten“ kontrafaktisch zur tödlichsten Seuche aller Zeiten aufgeblasenen – Corona-Pandemie (und allen zwecks Verängstigung der Massen in diesem Zusammenhang erfundenen Lügengeschichten[1]) werden von den über die Deutungshoheit gebietenden „Eliten“ ständig neue Katastrophenszenarien konstruiert, die eine permanente Alarmierung der Gesellschaft sicherstellen sollen. Und die zudem der Ablenkung der Öffentlichkeit von den wahren Problemen dienen, mit denen unsere Gesellschaften konfrontiert sind, wie etwa Kinderlosigkeit, ungezügelte Zuwanderung, Staatsschuldenexzesse, Verlust an wirtschaftlicher Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit sowie kollektive Orientierungslosigkeit.
Wokismus
Die von Regierung und Massenmedien verordnete Verwendung einer „gendersensiblen Sprache“ ist kennzeichnend für ein weiteres Zeitgeistphänomen – den „Wokismus“, der letztlich auf die Anwendung des „Teile-und-herrsche-Prinzips“ hinausläuft. Das inzwischen unvermeidlich gewordene Internetlexikon Wikipedia belehrt uns: Woke, (…) ist ein (…) Ausdruck, der ein „wachsames“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus beschreibt. Dem woken Mitmenschen ist es um eine entschlossene Reaktion auf „systembedingte Benachteiligung“ zu tun. „System“ steht diesfalls für die für den Woken strukturell ungerechte bürgerlich-liberale Marktwirtschaft. Im Elfenbeinturm der woken, zeitgeistigen Progressiven schafft der Sozialismus bekanntlich im scharfen Kontrast dazu den Himmel auf Erden. Eine Vorstellung, die durch historische Beispiele – von der kommunistischen Sowjetunion, dem national-sozialistischen Staat über die sozialistischen Staaten Venezuela und Kambodscha bis Nordkorea – zwar längst widerlegt ist, aber das ficht die woken Social-Justice-Warriors nicht an. Wenn die Fakten mit der Ideologie nicht zusammenpassen – umso schlimmer für die Fakten.
Wo soll man mit der Kritik an der Wikipedia-Definition anfangen? „Soziale Gerechtigkeit“ – was ist das? In der rezenten Praxis des hypertrophen Wohlfahrtsstaates steht dieser Begriff für die materielle Gleichheit – und die ist nur durch die Anwendung von Zwangsmitteln zu haben. Nivellierung bedarf eben der Peitsche, denn ohne Gewaltanwendung ist sie nicht zu haben. Was indes hat es mit Gerechtigkeit zu tun, wenn der arbeitsame Produzent nicht mehr über die Früchte seiner Arbeit verfügen darf, weil diese von der Regierung an Müßiggänger und Minderleister umverteilt werden? Die Antwort auf diese Frage gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen der Progressiven.
Rassismus wiederum besteht dieser Tage im Verzicht auf die Bevorzugung „diverser“ Personengruppen. Dem „strukturellen Rassismus“ soll, der woken Ideologie folgend, mit Quotenregelungen oder mit „Affirmative Action“ (positiver Diskriminierung) entgegengewirkt werden. Diese bilden für die Woken die Mittel der Wahl zur Umsetzung einer vorgeblich antirassistischen, „sozial gerechten“ Politik. Anstelle der nach deren Meinung in ihrer Bedeutung ohnehin weit überschätzten Qualifikation sollen jetzt das Geschlecht, die sexuelle Orientierung oder die Hautfarbe zählen. Bei Stellenbewerbungen haben grundsätzlich klar definierte Personengruppen – die von der Politik privilegierten Minderheiten – Vorrang. Dass die deutsche Innenministerin ganz unverhohlen erklärt, mehr Ausländern Beamtenposten verschaffen zu wollen, wird von ihr selbst vermutlich als der Gipfel einer antirassistischen Politik und Antidiskriminierung gesehen – obgleich es sich in Wahrheit natürlich um das gerade Gegenteil davon handelt.[2]
Der herausragende österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Ludwig von Mises (1881 – 1973) schrieb zum Thema Geschlechterdiskriminierung bereits 1932 (2. Auflage, S. 78) in seiner Gemeinwirtschaft:
Soweit die Frauenbewegung sich darauf beschränkt, die Rechtsstellung [der Frau] der des Mannes anzugleichen und der Frau die rechtliche und wirtschaftliche Möglichkeit zu bieten, sich so auszubilden und zu betätigen, wie es ihren Neigungen, Wünschen und ökonomischen Verhältnissen entspricht, ist sie nichts weiter als ein Zweig der großen liberalen Bewegung, die den Gedanken der friedlichen freien Entwicklung vertritt. Soweit sie, darüber hinausgehend, Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens in der Meinung bekämpft, damit naturgegebene Schranken des menschlichen Daseins aus dem Wege räumen zu können, ist sie ein Geisteskind des Sozialismus; auch dessen Besonderheit ist es, die Wurzel naturgegebener, der menschlichen Einwirkung entrückter Umstände in gesellschaftlichen Einrichtungen zu suchen und durch deren Reform die Natur reformieren zu wollen.
Genderkult
Auch die pausenlose Propaganda für „queere“ Lebensformen – inzwischen werden öffentliche Gebäude bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten mit Regenbogenfahnen beflaggt und sogar die Eröffnung der Olympischen Spiele 2024 in Paris wurde bei einem umstrittenen Auftritt als Bühne für den Genderkult instrumentalisiert – dient der von den politischen Eliten angestrebten Spaltung und Atomisierung der Gesellschaft.
Wehe dem, der am Genderkult Kritik zu üben wagt! Der wird umgehend exkommuniziert und hat folgerichtig mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Dabei ist es ja durchaus kein Ausdruck einer „homophoben“ oder „transphoben“ Gesinnung, wenn man bei „queeren“ Darbietungen nicht augenblicklich in Beifallskundgebungen ausbricht. Ist es nicht vielmehr ein Symptom galoppierender Dekadenz und das Kennzeichen einer schweren gesellschaftlichen Fehlentwicklung, wenn eine von der Norm abweichende sexuelle Orientierung von den herrschenden Eliten zum von jedermann kritiklos zu zelebrierenden Kult erhoben wird?
Fazit
Der Staatsapparat ist ein Zwangs- und Unterdrückungsapparat. Das Wesen der Staatstätigkeit ist, Menschen durch Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu zwingen, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antriebe verhalten würden.
Ludwig von Mises (Im Namen des Staates oder die Gefahren des Kollektivismus, Auflage 1982, S. 68)
Das Schüren von bis zur Hysterie gesteigerten Ängsten ist, neben der Spaltung der Gesellschaft, ein entscheidendes Herrschaftsinstrument. Wer – wovor auch immer – in permanenter Angst lebt, wird zum braven, gehorsamen und leicht lenkbaren Untertanen. Denn Angst macht dumm. Wer Angst hat, trifft blödsinnige – oft sogar autodestruktive – Entscheidungen, folgt zum Beispiel sinistren Demagogen, die ihm versprechen, gegen alle möglichen angstauslösenden Gespenster entschlossen vorzugehen.
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Die Kant´sche Forderung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, bildete einst den zentralen Grundsatz der Aufklärung. Das Credo dieser Tage ist es indes, sich gar nicht erst mit der Suche nach Antworten auf schwierige Fragen aufzuhalten, die ohnehin nur von einschlägigen – stets regierungsaffinen – „Experten“ gegeben werden können. Daher sollen die einfältigen Untertanen „der Wissenschaft“ bedingungslos Glauben schenken und jeder von der Regierung oktroyierten Anordnung kritiklos folgen.
Nachdem das staatliche Bildungssystem konsequent darauf ausgerichtet ist, kritiklos parierende, konformistische Untertanen zu formen – inzwischen gehen hieraus Massen systemischer Analphabeten hervor –, ist mit einer Renaissance der Ideale der Aufklärung so bald wohl nicht zu rechnen.
[1] “Wie kann das in Deutschland durchgehen? 1. Teil meines Gespräches mit Maj. a. D. und Fallschirmjäger R. Fink” (YouTube)
[2] “Faeser will mit neuem Gesetz mehr Migranten zu Beamten machen” (Hit Radio FFH)
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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”. Ende März 2022 ist sein Buch Inflation: Warum das Leben immer teurer wird (*) erschienen.
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