Delegitimierung des Staates von innen

5. April 2024 – von Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im April 2021 den neuen Phänomenbereich „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Hier soll Vorgehen erfasst werden, das über die rechtlich zulässige Kritik an Regierung, Politik und Staat hinausgeht und die demokratische Ordnung untergräbt, indem es das Vertrauen in den Staat erschüttert.

Leider ist kein Hinweis darauf zu finden, dass auch jene Maßnahmen erfasst werden, in denen Politiker und Amtsträger durch ihr Verhalten selbst einen Beitrag zur Delegitimierung des Staates leisten. Die folgenden Überlegungen machen deutlich, dass dies wahrscheinlicher ist, als es auf den ersten Blick aussieht.

Der Schutz des Eigentums ist die wichtigste Aufgabe des Staates. Warum dies so ist, erläuterte der herausragende Ökonom und Sozialphilosoph Ludwig von Mises (1881 – 1973) mit folgenden Worten:

Die wesentliche Lehre des Liberalismus ist, dass die gesellschaftliche Kooperation und die Arbeitsteilung nur in einem auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln, d. h. in einer Marktwirtschaft, dem Kapitalismus beruhenden Wirtschaftsverfassung verwirklicht werden können. Alle anderen Prinzipien des Liberalismus – Demokratie, persönliche Freiheit des Einzelnen, Rede- und Pressefreiheit, religiöse Toleranz, Frieden zwischen den Völkern – sind Folgen dieses Grundpostulats. Sie können nur in einer Gesellschaft verwirklicht werden, die auf Sondereigentum basiert.
(Allmächtiger Staat(*), S. 96)

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Insofern ist das Privateigentum das Fundament der Freiheit. Das Einzelbeispiel der Meinungsfreiheit – die ja eigentlich eine Meinungsäußerungsfreiheit ist – kann dies verdeutlichen: Könnte dieses Bürgerrecht bei einer regierungskritischen Haltung wirksam ausgeübt werden, wenn alle Medien und Versammlungsflächen in staatlicher Hand wären oder Meinungsäußerungen im Sinne der Regierung zensiert würden?

Der Schutz des Eigentums ist die wichtigste Aufgabe des Staates. … das Privateigentum [ist] das Fundament der Freiheit.

Eine Situation ohne Zensur und mit einer Vielzahl privater – von staatlichen Einflüssen unabhängiger – Medien, die untereinander im Wettbewerb stehen, bieten deutlich bessere Chancen, dass auch regierungskritische Positionen Gehör finden. Und es muss an dieser Stelle explizit betont werden (insbesondere da der Begriff der „Delegitimierung“ dies vergessen machen könnte),

dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden.
(Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2650/19 Beschluss vom 21. März 2022, Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung von Amtsträgern).

Es gibt zahlreiche Indizien für das starke Interesse der Politik, Einfluss auf Medien zu gewinnen. Dazu gehören beispielsweise die Zwangsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie direkte und indirekte finanzielle Beteiligungen der Parteien an Zeitungen (so befindet sich beispielsweise die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, eine Medienbeteiligungsgesellschaft, zu 100% im Eigentum der SPD).

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Aber auch die direkte oder indirekte (etwa durch Werbeanzeigen), finanzielle oder strukturelle Bevorzugung einzelner Medien sind ein Indiz für das starke Interesse der Politik, Einfluss auf Medien zu nehmen. Und natürlich schwächt es den Wettbewerb, wenn einzelne Medien mit Geld der Netto-Steuerzahler subventioniert oder bevorzugt mit Informationen versorgt werden.

Diese wenigen Erläuterungen machen deutlich, dass bereits eine ganze Reihe zurückliegender politischer Maßnahmen in diesem Sinne zur Delegitimierung des Staates beigetragen haben dürften, indem durch staatliche Maßnahmen der Schutz wesentlicher Grundfreiheiten konterkariert wird.

Wie das obige Zitat von Mises zeigt, ist die Verbindung zwischen Privateigentum und Meinungsfreiheit nur ein einzelner Strang aus einem ganzen Bündel an Grundfreiheiten, die das Fundament eines liberalen, aufgeklärten Staates ausmachen. Auch in anderen Bereichen wirken Einschränkungen des Privateigentums freiheitsfeindlich und bewirken, dass politische Entscheidungen in diesem Sinne selbst zur Delegitimierung des Staates beitragen.

Wie häufig und umfassend die Selbst-Delegitimierung durch politische Entscheidungen ist, wird auch durch andere eigentumsbeschränkende Beispiele deutlich. Zum Verständnis der folgenden Beispiele muss vorausgeschickt werden, dass das Privateigentum im ökonomischen Sinne nicht allein von einem rechtlichen Titel abhängt, sondern auch mit tatsächlicher Handlungsfreiheit verbunden sein muss.

Wenn ein rechtlicher Firmeneigentümer faktisch nicht selbst entscheiden darf, was, wie oder wieviel produziert wird, welche Mitarbeiter er einsetzt und wie er diese bezahlt oder einen großen Teil des Personals benötigt, um staatlichen Auflagen zu erfüllen, liegt kein Privateigentum im ökonomischen Sinne mehr vor. Das zwar juristisch-formal bestehende Privateigentum hat dann keinen materiellen Inhalt mehr.

Die politisch induzierte Inflation stellt ebenso einen Angriff auf das Privateigentum dar wie Regelungen, die einem Hauseigentümer vorschreiben, wie er „seine“ Immobilie zu bauen hat, wie er diese isoliert oder womit er heizt, ob und wie er sie vermietet oder umbaut.

Ebenso ergeht es einem Fahrzeugbesitzer, dem auferlegt wird sein Fahrzeug mit dieser oder jener Technik auszustatten, weil es ansonsten stillgelegt wird. Auch bei Bauern denen verboten wird, einen Teil ihrer Felder landwirtschaftlich zu nutzen, oder vorgegeben wird, was angebaut werden darf, liegt kein echtes Privateigentum mehr vor.

Die Beispiele verdeutlichen, dass der Umfang und das Ausmaß der politischen Eingriffe in das Privateigentum bereits heute bedenklich sind. Wie stark dies die Wahrnehmung der Bürger beeinflusst, zeigten die heftigen Reaktionen auf Habecks Heizungsgesetz exemplarisch.

Jede dieser Maßnahmen ist politisch legitimiert, trägt aber gleichwohl in dem Sinne zu einer Delegitimierung des Staates bei, weil sie dessen Kernaufgabe – das Privateigentum zu schützen – konterkariert. Während Regierungskritik in einem demokratisch verfassten Staat dazugehört, erschüttern solche verbreiteten politische Eingriffe in das Privateigentum tatsächlich das Vertrauen in den Staat.

Jede dieser Maßnahmen ist politisch legitimiert, trägt aber gleichwohl in dem Sinne zu einer Delegitimierung des Staates bei, weil sie dessen Kernaufgabe – das Privateigentum zu schützen – konterkariert.

Staatliche Akteure, die weitere Einschränkungen des Privateigentums befürworten, sind in diesem Sinne die größten Delegitimierer. Wer tatsächlich verhindern will, dass das Vertrauen der Bürger in den Staat, seine Institutionen und Repräsentanten ins Bodenlose fällt, sollte nicht gegen Regierungskritik kämpfen – die ein unverzichtbares Recht in einer Demokratie ist – sondern das Privateigentum schützen und bestehende Einschränkungen abschaffen.

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Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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