Das Frankenstein-Monster und die Euro-Kreatur

12. April 2024 – von Thorsten Polleit

Thorsten Polleit

Die englische Schriftstellerin Mary W. Shelly (1797–1851) veröffentlichte 1818 ihren schauerlichen Roman „Frankenstein. Der moderne Prometheus“, der weltberühmt wurde. Um was geht es darin?

Der Gelehrte Dr. Victor Frankenstein stückelt in seinem Labor ein menschenähnliches Wesen aus Leichenteilen zusammen, und es gelingt ihm, Leben in dessen Körper einzuhauchen.

Doch Frankenstein würde das Monster, das er geschaffen hat, sogleich am liebsten wieder eliminieren. Er sieht in ihm einen Dämon, nennt es „ekelhaftes Scheusal“, einen „verfluchten Satan“.

Das Monster erfährt sogleich, dass es ausgeschlossen, ausgestoßen ist aus der menschlichen Gesellschaft. Es wird bitter und rachsüchtig, bringt großes Unheil, Tod und Verderben.

Shellys Frankenstein hat im Laufe der Jahre viele Interpretationen erfahren. Eine ist, dass die Grenzüberschreitung – wie etwa Frankensteins gotteswidriger Drang, gottesgleich das Leben schaffen zu wollen – im Desaster endet. Damit verbunden: Das Erheben des Menschen über das ihm Zugewiesene, sein Hochmut, die Unbeherrschbarkeit des naturwidrigen menschlichen Schaffens, nehmen ein schlimmes Ende.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Und wenn man noch etwas länger nachsinnt und dabei in die jüngere Vergangenheit blickt, dann hat Shellys Frankenstein-Buch irgendwie doch auch Berührungspunkte mit dem Euro, der supranationalen Einheitswährung, die sozusagen am 1. Januar 1999 „aus dem Labor entlassen“ wurde.

Der Euro wurde künstlich, quasi „in der Retorte“ erzeugt, indem die zuvor fixierten Wechselkurse der teilnehmenden Währungen untereinander und gegenüber der Kunsteinheit „Euro“ für unwiderruflich erklärt und sodann auf ihn verschmolzen wurden; die nationalen Währungen wie D-Mark, französischer Franc, österreichischer Schilling & Co gingen im Euro auf, der Euro wurde aus ihnen gewissermaßen zusammengestückelt.

… die nationalen Währungen wie D-Mark, französischer Franc, österreichischer Schilling & Co gingen im Euro auf, der Euro wurde aus ihnen gewissermaßen zusammengestückelt.

Die nationalen Währungen waren selbst allesamt Fiat-Währungen. Das heißt, sie repräsentierten staatlich monopolisiertes Geld, das sprichwörtlich aus dem Nichts herbeigeschaffen wurde. Allesamt waren also durch und durch und sprichwörtlich unnatürliche Geldarten, unnatürlich oder naturwidrig insbesondere in dem Sinne, weil sie nicht durch freiwillige Kooperation in die Welt gekommen sind, sondern durch das staatliche Gewaltmonopol top-down erzwungen wurden. Und dieser Mangel der Einzelteile haftet auch dem „Super-Fiat“ Euro an, dem Konglomerat aus diesen nationalen Fiat-Währungen.

… dieser Mangel der Einzelteile haftet auch dem „Super-Fiat“ Euro an, dem Konglomerat aus diesen nationalen Fiat-Währungen.

Zwar hatten die Schöpfer des Euro allerhand Versprechungen gemacht und Regeln und Gesetze aufgestellt, die der Öffentlichkeit glaubhaft machen sollten, ihre Euro-Kreatur werde ein verlässliches Geld sein.

So wurde beispielsweise im Maastricht-Vertrag festgeschrieben, dass die Europäische Zentralbank, die fortan die Euro-Geldmenge zu vermehren habe, politisch unabhängig sein sollte, dass sie für „Preisstabilität“ (ein Euphemismus für „geringe Preisinflation“) sorgen solle und dass sie die Haushaltslöcher der Teilnehmerstaaten nicht mit neuen Krediten und neuen Euro finanzieren dürfe.

Den Staaten sollte zudem eine „fiskalische Zwangsjacke“ angelegt werden: Sie durften, so hieß es im Vorfeld der Euroschaffung, sich pro Jahr um nicht mehr als 3 Prozent pro Bruttoinlandsprodukt neuverschulden und ihre Schuldenlast dürfe nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen.

Doch was ist geschehen?

Alles „Schöne und Gute“, das die Euro-Erschaffer der Öffentlichkeit in Aussicht gestellt haben, ist nicht eingetreten. Im Gegenteil, ihre Euro-Kreatur sorgt für Zerstörung.

So war das Wirtschaftswachstum im Kreise der Länder, die den Euro von Anfang an angenommen hatten, durchschnittlich viel geringer als in der Zeit vor dem Euro.

Die Staaten haben sich nicht an die Verschuldungsregeln gehalten. Vielmehr sind ihre Schuldenstände im Trendverlauf weiter und weiter in die Höhe gestiegen.

Die Netto-Steuerzahler in den Ländern, die noch relativ besser dastehen, müssen für die Misswirtschaft der weniger wirtschaftlich erfolgreichen Länder bezahlen.

Es ist de facto zu einer Schuldenvergemeinschaftung gekommen. Beispielsweise in Form des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der 2013 ins Leben gerufen wurde, und der Netto-Steuerzahler über Euro-Grenzen hinweg mit schwindelerregenden Beträgen in Haftung nimmt.

Die EZB richtet mittlerweile ihre Zinspolitik an den Bedürfnissen der maroden Staatsfinanzen aus, finanziert de facto die offenen Rechnungen mit neu geschaffenen Euro. Vorzugsweise durch immer neue Staatsanleihenkäufe.

Die Euro-Währungsunion ist mittlerweile tief gespalten, wie die anschwellenden Target-2-Salden zeigen und die eine atemberaubende Vermögensumverteilung zwischen den Euroländern dokumentieren – die Target-2-Defizitländer stellen sich auf Kosten und zu Lasten der produktiven Bürger der Target-2-Überschussländer besser.

Die Hemmung, die elektronische Notenpresse rotieren zu lassen, ist immer mehr geschwunden. So stellt die EZB bei Bedarf insbesondere schwankenden Banken de facto unbegrenzte Kreditbeträge zinsgünstig zur Verfügung.

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Im Zuge der politisch diktierten Lockdown-Krisen 2020 bis 2022 hat die EZB dann auch noch ganz ungeniert die Geldmenge in den Händen der breiten Öffentlichkeit drastisch ausgeweitet und dadurch für Hochinflation gesorgt, die die Kaufkraft der Menschen, ihre Ersparnisse, entwertet hat.

Der Euro hat also, quasi gleich nachdem er aus dem Labor entlassen wurde, für Unheil, für immer mehr Unheil gesorgt.

Der Euro hat ein unkontrolliertes Eigenleben angenommen, ganz so wie Frankensteins Monster. Die Euro-Einheitswährung schafft eine Krise nach der anderen, weil sie – wie Frankeinsteins Monster – sprichwörtlich unnatürlich ist.

Der Euro ist Fiatgeld, und Fiatgeld hat bekanntlich eklatante ökonomische und ethische Defekte. Es ist inflationär, sozial ungerecht, sorgt für Finanz- und Wirtschaftskrisen, treibt die Volkswirtschaften in die Überschuldung, lässt den Staat ungebremst anwachsen auf Kosten der Freiheiten von Bürgern und Unternehmern. Man kann sagen, dass der „Super-Fiat“ Euro diese Defekte, die dem nationalstaatlichen Fiatgeld innewohnen, noch verschärft und potenziert hat.

Man kann sagen, dass der „Super-Fiat“ Euro diese Defekte, die dem nationalstaatlichen Fiatgeld innewohnen, noch verschärft und potenziert hat.

Die ökonomische Theorie, hätte man sie denn zu Rate gezogen, konnte von Anfang an diagnostizieren: Aus einzelnen nationalen Fiatwährungs-Teilen lässt sich durch Zusammenführung kein besseres, verlässliches und ethisch einwandfreies Geld erzeugen. Ihr Zusammenstückeln schafft vielmehr etwas noch Schlechteres.

Und der Versuch, die Euro-Kreatur um jeden Preis zu erhalten, macht sie nur noch bösartiger. Die Schäden, die es verursacht, werden absehbar die breite Bevölkerung im Euroraum im wahrsten Sinne des Wortes ruinieren.

Dr. Victor Frankensteins Monster erwuchs aus einer fatalen Verirrung, die Frankenstein aber auch kurz nach seiner Tat sogleich erkannte. Er scheiterte jedoch daran, sein Werk ungeschehen zu machen.

Beim Euro-Monster ist es anders.

Die Schöpfer des Euro zeigen – anders als Dr. Frankenstein – keinerlei Läuterung, entweder weil sie den Euro nicht als das erkennen, was er ist: Schlechtes Geld, das die freie Wirtschaft und Gesellschaft (beziehungsweise das, was davon noch übrig ist) nach und nach zerstört.

Oder weil einigen von ihnen die Folgen, die der Euro hat, durchaus genehm sind, weil er für sie planvoll wirkt: Nämlich aus Freiheit Unfreiheit macht.

Gleichzeitig erblicken viele Menschen im Euro keine Monstrosität, erkennen ihn nicht als Unheil, machen ihn für die Schäden, die er verursacht, nicht haftbar.

Am Ende lässt Mary Shelly in ihrem Buch Frankensteins Monster in der Antarktis sterben, in Flammen aufgehen. Frankenstein selber stirbt kurz darauf, nachdem er seine Geschichte der Nachwelt übermittelt hat.

Das Ende der Euro-Kreatur lässt sich daraus zwar nicht herleiten, aber aus ökonomischer Sicht ist klar, dass auch der Euro kein Happy End haben wird.

Sie mögen nun vielleicht sagen: Der Euro ist keine menschenähnliche Kreatur wie Frankensteins Monster eine war, man sollte daher auch den Euro nicht gleichnishaft mit der Geschichte des Frankenstein-Monsters in Verbindung bringen.

Auf diesen Einwand lässt sich sagen: Der Vergleich hinkt dann nicht, wenn man sich klarmacht, dass es in beiden Fällen letztlich um menschliche Geisteshaltungen, um menschliche Ideen geht. Sie liegen den „unerlaubten“ Taten – wie dem Hochmut, Widernatürliches schaffen zu wollen, oder vielleicht etwas Unheilvolles unter dem Vorwand des Guten in die Welt zu bringen – zugrunde.

Die Wurzel des Übels ist so gesehen die schlechte Idee, und das Frankenstein-Monster wie auch der Euro sind nur die jeweiligen Symptome, die menschliches Handeln, angestiftet von schlechten Ideen, hervorbringt.

Um der Euro-Kreatur das Handwerk zu legen, bedarf es des Umdenkens bei den Menschen, der Einsicht, dass eine einheitliche, politisierte, diktierte, zentralisierte Fiatwährung keine gute Idee ist, sondern vielmehr ist die gute Idee, dass Menschen die unbeschränkte Freiheit bei der Geldwahl haben müssen, damit sie zu gutem Geld gelangen können.

… es [bedarf] des Umdenkens bei den Menschen, der Einsicht, dass eine einheitliche, politisierte, diktierte, zentralisierte Fiatwährung keine gute Idee ist …

Daher macht es durchaus Sinn, wie ich meine, das Frankenstein-Monster und die Euro-Kreatur miteinander in Verbindung zu bringen, über sie in der Weise nachzudenken, wie es in diesem Aufsatz gemacht wurde.

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Dieser Beitrag ist am 2. April 2024 als Podcast auf dem YouTube-Kanal von Thorsten Polleit erschienen.

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Professor Dr. Thorsten Polleit war als Ökonom 15 Jahre im internationalen Investment-Banking tätig und danach 12 Jahre im internationalen Edelmetallhandelsgeschäft. Thorsten Polleit ist zudem seit 2014 Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Seine letzten Bücher sind: „Des Teufels Geld. Der faustische Fiatgeld-Pakt – wie wir ihn kündigen und zu gutem Geld zurückkehren“(*) (Oktober 2023), „The Global Currency Plot. How the Deep State Will Betray Your Freedom, and How to Prevent It“(*) (2023), „Ludwig von Mises. Der kompromisslose Liberale“(*) (2022) und „Der Weg zur Wahrheit. Eine Kritik der ökonomischen Vernunft“(*) (2022). Die Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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