Simulation versus Realität: Fiatgeld, Bitcoin und Geld als reales Gut

8. Januar 2024 – von Michael Esfeld

Michael Esfeld

Die real existierende Postmoderne: Realität durch ihre Simulation ersetzt

Wir leben im Zeitalter der real existierenden Postmoderne. Simulationen, die sich auf nichts außerhalb ihrer selbst beziehen, treten an die Stelle der Realität. Die postmoderne Wissenschaft ersetzt Empirie durch Modelle: Katastrophenszenarien werden in Modellen konstruiert, wie im Falle von Corona oder von Klima, ohne dass unter Anwendung wissenschaftlicher Standards nach empirischen Belegen gesucht wird, welche die Modellrechnungen bestätigen oder widerlegen könnten. In der postmodernen Wissenschaft sind die Modelle selbst die Realität.

Die Inszenierung einer Corona- und einer Klima-Krise dient allerdings einem sehr realen Ziel. Das Ziel ist, ein Regime totaler Kontrolle und Lenkung der Leben der Menschen zu errichten. Diesem Ziel dient es, die Realität durch Simulationen zu ersetzen. Auf diese Weise versucht man, den Gebrauch von Vernunft als Mittel zur Begrenzung von Machtausübung auszuschalten, wie in der modernen Wissenschaft alle Wissensansprüche dem Tribunal der kritischen Nachprüfung unterworfen werden und im modernen Verfassungsstaat der mündige Bürger verantwortliche Entscheidungen durch Einsatz seiner Urteilskraft trifft.

Das Regime totaler Kontrolle und Lenkung auch des Privatlebens, das mit Corona, Klima und Wokeness aufzubauen versucht wird, ist die zweite, totalitäre Phase der real existierenden Postmoderne. Ihr geht eine erste, wirtschaftliche Phase voraus: das Fiatgeld. Seit US-Präsident Richard Nixon am 15. August 1971 die Bindung des US-Dollar an Gold aufhob, tritt eine Simulation, die sich auf nichts außerhalb ihrer selbst bezieht, an die Stelle von Geld als einem realen Gut. Der erste Präsident der europäischen Zentralbank, Willem Duisenberg, lobte 2002 sogar den Euro als die erste Währung der Welt, die von Anfang an durch nichts gedeckt ist – und somit eine reine Simulation ist.

Diese Simulation dient allerdings wiederum einem sehr realen Ziel: der Machtausweitung der Staaten. Sie können die Simulation den Menschen als Geld aufzwingen. Mit dem Fiatgeld können die Staatsorgane beliebig etwas als Geld in die Welt setzen und unbegrenzte Ausgaben finanzieren, ohne den Menschen direkt sichtbar etwas von ihrem Eigentum wegzunehmen. Die zweite Phase der real existierenden Postmoderne mit der gewaltigen Geldverschwendung im Corona- und Klima-Regime wäre ohne diese wirtschaftliche Grundlage nicht möglich.

Die Innovation von Bitcoin

Geld ist ein reales Gut wie Rohstoffe, Grund und Boden, Immobilien, Nahrungsmittel, Werkzeuge, Kunstwerke und so weiter. Geld ist dasjenige reale Gut, das am meisten universell als Tauschmittel gegen andere reale Güter eingesetzt werden kann. Dazu muss das Gut, das als Geld dient, bestimmte Eigenschaften haben: Es muss intrinsisch stabil sein, um als Maßstab dienen zu können, mittels dessen der relative Tauschwert von Gütern bestimmt wird. Es muss zugleich aber auch teilbar und einigermaßen einfach transportierbar sein. Und es muss knapp sein, so dass es nicht beliebig vermehrt werden kann. Gold und Silber erfüllen diese Eigenschaften. Sie sind deshalb das ursprüngliche Geld, weil sie von den Menschen in ihren freiwilligen Interaktionen als Geld gebraucht wurden (und immer noch werden).

Mit den Kryptowährungen und insbesondere Bitcoin kommt nun eine sehr interessante neue Möglichkeit auf: etwas, das in freiwilligen Interaktionen als Geld verwendet wird, ohne ein reales Gut zu sein. Bitcoin ist eine Simulation, die sich auf nichts außerhalb ihrer selbst bezieht und die an die Stelle der Realität von Geld als einem realen Gut tritt. Die Blockchain-Technologie ist selbstverständlich real. Sie ist eine sehr nützliche und innovative Technologie: Mit ihr lassen sich Eigentumsrechte effizient und sicher zertifizieren und übertragen, ohne dass eine zentrale Instanz benötigt wird. Aber es handelt sich dabei um Eigentumsrechte an realen Gütern, was auch immer diese seien (Rohstoffe, Grund und Boden, Immobilien, Kunstwerke usw.). Wenn, wie im Falle von Bitcoin, das Blockchain-Netzwerk auf nichts außerhalb seiner selbst verweist, dann ist es eine Simulation, die die Stelle realer Güter einnimmt.

Bitcoin gehört in dieser Hinsicht zur Postmoderne. Aber es gehört nicht zu den Regimen der real existierenden Postmoderne. Bitcoin dient keiner Machtausübung durch eine Zwangsgewalt. Bitcoin beruht auf einer freiwilligen Vereinbarung, die seine Verfügbarkeit begrenzt und die mittels der Blockchain-Technologie die genannten Eigenschaften von Gold und Silber simuliert. Bitcoin trägt damit auch ein wesentliches Merkmal der Moderne: durch den Gebrauch von Vernunft die Ausübung von Macht – in diesem Falle im unbegrenzten Gelddrucken – zu begrenzen.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Was ist gutes Geld?

Fiatgeld ist das denkbar schlechteste Geld: staatliches Monopolgeld, das den Menschen auf dem Territorium des jeweiligen Staates aufgezwungen wird, zusammen mit der Simulation von Geld ohne Bezug zu einem realen Gut. Die Hoffnung ist nicht unbegründet, dass das staatliche Fiatgeld eines nicht allzu fernen Tages wieder verschwinden wird. Die Regime der real existierenden Postmoderne werden irgendwann der Konfrontation mit der Realität nicht mehr ausweichen können und in dieser Konfrontation zusammenbrechen.

Dann gibt es drei Möglichkeiten. Es könnte der Staatsmacht gelingen, ihr Monopol über das Geld zu erhalten und die Menschen erneut mit einer Bindung des staatlichen Monopolgeldes an ein reales Gut – wie einen (partiellen) Goldstandard – dazu zu verführen, ihr zu vertrauen. Es könnte aber auch freies Geld an die Stelle dieses Monopols treten. Dieses, und das ist der interessante Punkt, könnte, wie Bitcoin zeigt, ebenfalls eine Simulation ohne Bezug auf ein reales Gut sein.

Aspekte der Postmoderne könnten also erhalten bleiben, auch wenn die Regime der real existierenden Postmoderne zusammenbrechen. Die Postmoderne ersetzt Realität durch ihre Simulation, und sie ersetzt den Einsatz von Vernunft zur Begrenzung von Machtausübung durch reinen Machtgebrauch. Ersteres ist die Voraussetzung für Letzteres. Aber beides ist nicht äquivalent. Die Frage ist diese: Weichen manche Menschen heute nur angesichts der staatlichen Zwangsgewalt auf Bitcoin aus, weil das Ausweichen in eine Simulation, die staatlicher Kontrolle einigermaßen entzogen ist, in manchen Situationen einfacher ist als das Ausweichen in ein reales Gut wie Gold oder Silber? Oder würde eine signifikante Anzahl von Menschen eine Simulation wie Bitcoin auch dann einem realen Gut wie Gold oder Silber vorziehen, wenn es keine staatliche Zwangsgewalt gäbe, die ein Monopol über Geld durchzusetzen versucht?

Meine Vermutung ist, dass Menschen in freiwilligen Interaktionen ohne den Einfluss einer Zwangsgewalt das reale Gut der Simulation vorziehen würden, also reale Güter mit passenden Eigenschaften wie Gold oder Silber als freies Geld wählen würden. Dabei würden sie natürlich technologische Innovationen wie ein Blockchain-Netzwerk einsetzen, um Eigentumsrechte an dem realen Gut zu zertifizieren und zu übertragen.

Dank Bitcoin ist dieses eine empirische Hypothese, die falsifiziert werden kann. Vielleicht bin ich nur ein altmodischer Mensch: Ich halte an der von Descartes im 17. Jahrhundert konzipierten Naturwissenschaft mit ihrem direkten Bezug zur physikalischen Realität fest. Auf dieser Grundlage sehe ich Technologie lediglich als ein Mittel an, das uns den Umgang mit den realen Dingen erleichtert, aber nicht deren Stelle einnehmen kann, ohne – zumindest auf die lange Sicht – dem Menschsein Schaden zuzufügen.

Michael Esfeld ist Professor für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne, Mitglied der Deutschen Nationalakademie Leopoldina und Mitglied im Stiftungsrat des Liberalen Instituts der Schweiz. Er ist Autor zahlreicher Bücher, zuletzt veröffentlichte er im Juni 2023 sein Buch “Land ohne Mut. Eine Anleitung für die Rückkehr zu Wissenschaft und Rechtsordnung”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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