Javier Milei und die „Schlacht von Davos“

Philipp Bagus

22. Januar 2024 – von Philipp Bagus

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„Eier, wir brauchen Eier“, ist wohl der bekannteste Satz der deutschen Torwartlegende Oliver Kahn. Eier braucht auch, wer gönnerhaft von Klaus „The Great Reset“ Schwab in Davos vorgestellt wird, um im Anschluss der versammelten Politik- und Wirtschaftselite ins Gesicht zu sagen, dass sie die liberal-libertären Prinzipien verraten, die den Westen groß gemacht haben. Huevos hat Javier Milei also, der argentinische Präsident, der in seiner Jugend Torwart war.

Seine Rede wird, und das ist nicht schwer zu prognostizieren, in die Geschichte eingehen. Sie ist die mit Abstand am meisten gesehene Rede des diesjährigen WEF. Elon Musk hat sie mehrfach auf X empfohlen.

Hier ist sie im Schnelldurchlauf:

Der Westen ist in Gefahr, weil er sich sozialistischen Ideen geöffnet hat. Es ist der Kapitalismus, der die Menschheit aus der Massenarmut katapultierte und ungeahnten Wohlstand geschaffen hat. Der Kapitalismus schafft nicht nur ungeheuren Wohlstand, während der Sozialismus in die Armut führt, er ist im Gegensatz zu Sozialismus auch gerecht. Der Kapitalismus ist dem Sozialismus moralisch überlegen. Die Sozialisten bemühen zwar das Mantra der „sozialen Gerechtigkeit“, doch ist diese weder sozial noch gerecht. Die „soziale Gerechtigkeit“ ist in Wirklichkeit ungerecht, weil sie durch Steuern finanziert wird und damit auf Zwang und Gewaltandrohung aufbaut. Sie ist unsozial, weil sie die Menschen ärmer macht. Denn die Umverteilung senkt den Anreiz, produktiv zu sein. Der Kuchen wird kleiner, als er sonst gewesen wäre, weil die Umverteilung den unternehmerischen Entdeckungsprozess zerstört. Der Sozialismus ist immer und überall gescheitert, wirtschaftlich, sozial und kulturell. Und er hat über 100 Millionen Menschenleben gekostet.

Die Neoklassischen Theorien bereiten dem Sozialismus den Boden. Neoklassiker vergleichen ihr Modell mit der Realität und nennen etwaige Abweichungen der Realität vom Modell dann „Marktversagen“; sie erkennen nicht, dass in Wirklichkeit ihr Modell versagt. Sie sollten ihre Modelle entsorgen. Ein „Marktversagen“ existiert nicht. Der Markt ist ein Mechanismus sozialer Kooperation durch freiwillige Tauschhandlungen. Er kann nicht versagen.  

Als die Sozialisten merkten, dass die Arbeiter im Kapitalismus nicht verarmten, sondern immer reicher wurden, änderten sie ihre Strategie. Den Klassenkampf zwischen Kapitalisten und Arbeitern ersetzen heute angebliche Konflikte zwischen Mann und Frau; oder zwischen Menschheit und Natur. Um die Umwelt zu retten, soll das Bevölkerungswachstum kontrolliert werden; Abtreibung wird gefördert.

Die Neomarxisten haben die öffentliche Meinung in einem langen Prozess gewandelt, in dem sie Medien, Universitäten und auch internationale Organisationen unter ihre Kontrolle brachten. Zu letzteren gehört, das wissen alle Zuhörenden, auch das WEF. Die sozialistischen Ideen müssen frontal und lautstark bekämpft werden. Es gibt viele Spielarten des Sozialismus im weiteren Sinne. Sozialisten sind nicht nur jene, die sich selbst als Sozialisten bezeichnen, sondern auch Sozialdemokraten, Christdemokraten, Kommunisten, Keynesianer, Nazis, Nationalisten und Globalisten. Sie alle eint der Glaube an Regulierungen und Staat. Die wahren Helden der Gesellschaft sind die Unternehmer. Sie sind Schöpfer der Prosperität, die stolz darauf sein können, Gewinne zu machen, indem sie die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen befriedigen. Sie sollten sich nicht mit dem Staat verbünden, auch nicht mittels des WEF. Der Staat ist nicht die Lösung. Der Staat ist das Problem. Er ist eine Gefahr für die Freiheit.

Dieser kurze Abriss zeigt die Breite der Themen, die Milei in seiner nur 23-minütigen Rede behandelt. Stein für Stein nimmt er das etatistische Weltbild auseinander. Er ist die Führungspersönlichkeit und der charismatische, wortgewandte Ideenverbreiter, auf den die Libertären lange gewartet haben. Ein Glücksfall für die Freiheit. Die Bedeutung des Kulturkampfes hat er früh erkannt. In diesem Kulturkampf geht es um die ideologische Hegemonie (Antonio Gramsci, 1891 – 1937). In diesem Kampf prallen die Forderungen der Linken wie Egalitarismus, Genderismus, Feminismus, Relativismus, Nihilismus, Zentralisierung und Atheismus auf den Wert der Freiheit; aber auch auf die Institutionen, die eine kapitalistische Gesellschaft langfristig zum Blühen bringen, wie Privateigentum, natürliche Hierarchien, Tradition, Familie und Christentum.

Diesen Kulturkampf gilt es aufzunehmen, lautstark, selbstbewusst, kompromisslos, immer und überall; und darin ist Milei ein einzigartiges Vorbild. Er hat in Argentinien nicht nur den Kulturkampf erfolgreich angenommen, er hat auch den Ertrag der kulturellen Veränderung in Form der Präsidentschaft geerntet. Dabei widert ihn, wie alle Libertären, die Politik eigentlich an. Aber er hat das Opfer auf sich genommen, und er war sich nicht zu schade, im Ränkespiel der Politik für die Ideen der Freiheit zu kämpfen.

Der Kulturkampf ist auf allen möglichen Ebenen zu führen, nicht nur in Universitätsvorlesungen, Büchern, Vorträgen auf Konferenzen und Medienbeiträgen; sondern auch in der Politik. Ohne die politische Bühne fehlt ein effektives Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und Kultur. Die Etatisten freuen sich, wenn sie im Parlament untereinander sind und ungestört ihre Eingriffe in die Zivilgesellschaft planen können. Daher hat sich Milei letztlich doch entschlossen, die politische Bühne zu betreten; und durch seine Wahl eine unglaubliche Aufmerksamkeit für die libertären Ideen gewonnen. Begriffe wie Libertarismus oder Anarchokapitalismus sind heute salonfähig. Die Schweigespirale ist durchbrochen, immer mehr Menschen geben sich als Milei-Unterstützer und Anhänger der Ideen der Freiheit zu erkennen. Noch mehr Menschen werden sich den Ideen der Freiheit zuwenden, sobald die libertären Maßnahmen in Argentinien Früchte tragen. Der Diskurs bewegt sich in Richtung Freiheit. Kulturell ist einiges ins Rollen geraten. Auch in Deutschland ist Mileis allegorische „Kettensäge“ beliebt. Die libertäre Welle hat nun sogar Davos und das World Economic Forum erreicht.

Was sich in Davos abgespielt hat, war vor kurzem noch undenkbar: Ein anarchokapitalistischer Präsident schaut den Globalisten in die Augen, tadelt sie für ihre sozialistischen Ideen und singt eine Ode an die Freiheit, Kapitalismus und freies Unternehmertum. Und zitiert mit Israel Kirzner und Alberto Benegas Lynch Jr. zwei Ökonomen der Österreichischen Schule. Er kritisiert die Agenda 2030, Neomarxismus, Feminismus, Abtreibung, Steuern, Sozialismus, Leitmedien, warnt vor der Zerstörung der Werte des Westens und spricht von Gott als dem Schöpfer. Das ist Kulturkampf pur. ¡Viva la libertad, carajo!

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Philipp Bagus ist Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Zu seinen Forschungsschwerpunkten Geld- und Konjunkturtheorie veröffentlichte er in internationalen Fachzeitschriften wie Journal of Business Ethics, Independent Rewiew, American Journal of Economics and Sociology u.a. Sein Buch “Die Tragödie des Euro” erscheint in 14 Sprachen. Hier Philipp Bagus auf Twitter folgen. Im Mai 2014 ist sein gemeinsam mit Andreas Marquart geschriebenes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen” erschienen. Zuletzt erschienen, ebenfalls gemeinsam mit Andreas Marquart: Wir schaffen das – alleine!

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