Förderung des Totalitarismus durch staatlich finanzierte Denunziation

8. Dezember 2023 – von Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht

Die Ereignisse im Vorfeld der bayerischen Landtagswahlen haben Denunziation in die Schlagzeilen gebracht. Doch auch unabhängig von diesem aktuellen Schlaglicht, verdient das Thema Aufmerksamkeit.

„Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert“, dieses Sprichwort trifft auch auf eine Entwicklung zu, die derzeit mit großem Schwung vorangetrieben wird – der Auf- und Ausbau von Meldestellen und anderen Denunziationsplattformen.

Im Kern geht es darum, abweichende Meinungen zum Verstummen zu bringen

Um die darin liegende Gefahr zu erkennen, ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass Denunziation und Totalitarismus Hand in Hand gehen. Einerseits fördern totalitäre Staaten die Denunziation, andererseits fördert die Denunziation den Totalitarismus. In diesem Zusammenhang wird von „Systemunterstützung“ und „Gelegenheitsstrukturen“ gesprochen. In Deutschland waren beide Wirkungsmechanismen unter der NSDAP und der SED besonders ausgeprägt.

In der Denunziationsforschung wird unter anderem darüber diskutiert, ob die Deutschen in diesen Zeiten ohne institutionellen Druck eine „selbstüberwachende Gesellschaft’“ geschaffen haben, oder ob die Schaffung von Strukturen und Möglichkeiten zur Denunziation den größeren Anteil an der Entwicklung hatten.

Doch unabhängig davon, welche Position hierzu vertreten wird, wenn Denunziation zunimmt und vermehrt Möglichkeiten dafür geschaffen werden, sollten alle Warnlampen angehen. Und dies unabhängig davon, ob der Denunziationsausbau von oben oder unten, rechts oder links kommt.

Schauen wir uns ein konkretes Beispiel genauer an, das „Berliner Register“, welches Finanzmittel aus zahlreichen Förderprogrammen, also von den Netto-Steuerzahlern, erhält. Auf deren Internetseite ist zu lesen, das (aktuell) über 230 Anlaufstellen zum Netzwerk gehören.

Außerdem lesen wir dort:

Es werden nur Vorfälle aufgenommen, die rassistisch, antisemitisch, LGBTIQ*-feindlich, antiziganistisch, extrem rechts, sozialchauvinistisch, behindertenfeindlich oder antifeministisch sind. … Im Gegensatz zur Kriminalitätsstatistik der Polizei beziehen die Register auch Vorfälle in die Dokumentation ein, die keine Straftaten sind oder die nicht angezeigt wurden.

Die Beschreibung macht deutlich, dass Vorfälle, die im Zusammenhang mit Sozialismus und Kommunismus stehen nicht gemeldet werden dürfen, obwohl diese Ideologie zig Millionen Tote zu verantworten hat. Die Erfassung von „roten Vorfällen“ ist nicht gewollt.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Dementsprechend zeigt die „Vorfalls-Chronik“ relativ häufig „rechte Aufkleber“ (und keinen einzigen „linken Aufkleber“, obwohl diese in Berlin deutlich häufiger anzutreffen sind). Es kommt hinzu, dass es dem meldenden Denunzianten überlassen ist, was sie oder er für einen rechten Aufkleber hält. Und derselbe Aufkleber kann, beispielsweise in der Nähe einer U-Bahn-Station, zigfach gemeldet und erfasst werden.

Die Befürworter der Denunziationsplattform werden mit der resultierenden Übertreibung und Verzerrung vermutlich kein Problem haben, doch valide Datenerfassung sieht anders aus. Ein Artikel der NZZ geht näher darauf ein.

Befürworter von Denunziationsplattformen verteidigen dies beispielsweise mit folgender Argumentation:

Das Denunzieren von Menschen geschieht zum eigenen Vorteil, das Löschen von Hatespeech zum Schutz einzelner, von Bevölkerungsgruppen und der ganzen Gesellschaft – alles auf Basis der demokratischen Grundwerte. … Das Melden von hetzenden Inhalten ist für die Bewahrung eines pluralistischen und demokratischen Diskurses essenziell und nichts Negatives.

Einen Augenblick nachdenken genügt, um zu erkennen, dass die beiden Kernargumente (kein persönlicher Vorteil für den Denunzianten und Denunziation sei essenziell zur Bewahrung des demokratischen Diskurses) nicht stimmen – die Denunziationsverteidigungsstrategie geht nicht auf.

Der Vorteil des Denunzianten liegt darin, dass sie oder er mit einer „Vorfalls-Meldung“ die Konfrontation mit abweichenden Meinungen zu vermeiden hofft. Die Denunzianten ertragen es nicht, Positionen und Verhaltensweisen auch nur wahrnehmen zu müssen, die der eigenen Einstellung widersprechen (noch schwerer fällt es angesichts abweichender Positionen, die eigene Einstellung logisch widerspruchsfrei erklären und verteidigen zu müssen).

Grundvoraussetzung für einen pluralistischen und demokratischen Diskurs ist das Zuhören. Das Zuhören ist notwendig, um einen anschließenden Dialog zu ermöglichen. Und der Dialog wiederum, der Austausch auch bei extrem unterschiedlichen Meinungen, ist die Basis der Demokratie. Ludwig von Mises schrieb („Die Bürokratie“, 1944):

Die Demokratie ist kein Gut, dessen sich Menschen ohne Unannehmlichkeiten erfreuen können.“ Zum Wesen der Demokratie gehöre, dass sie „täglich aufs Neue durch unentwegte Bemühungen verteidigt und erobert“ werden müsse.

Demokratie ist auf Dialog und die Bereitschaft zum Zuhören angewiesen. Wer sich bereits dem ersten Schritt verweigert, unterminiert die Demokratie. Der demokratische Diskurs ist essenziell, das stimmt. Aber die Denunziation ist nicht förderlich, sondern verunmöglicht genau diesen Diskurs.

Man muss andere Meinungen nicht gut finden, aber sich einer inhaltlich argumentativen Diskussion zu verweigern und stattdessen eine „Meldung“ zu machen, ist der falsche Weg. Die Notwendigkeit, zum Erhalt der Demokratie auch extreme Meinungen wahrnehmen beziehungsweise ertragen zu müssen, hat ihre Grenze erst dort, wo das Strafrecht einsetzt. Das Berliner Register und andere Denunziationsplattformen erfassen aber gerade auch jene „Vorgänge“, die strafrechtlich irrelevant sind.

Die inneren Widersprüche dieser Argumentation sind klar erkennbar. Wer „Vorkommnisse meldet“, um abweichende Meinungen oder Verhaltensweisen nicht wahrnehmen zu müssen, bereitet dem Totalitarismus den Boden. Für den Denunzianten stellt diese Argumentationsverweigerung sehr wohl einen persönlichen Vorteil dar. Der Versuch, die Denunziation als förderlich für den pluralistischen und demokratischen Diskurs darzustellen, geht nach hinten los, tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.

Die Art und Weise der Erfassung im „Berliner Register“, das, was gemeldet werden kann, und der Charakter einiger Meldestellen, lassen unschwer die linke Schlagseite des Registers erkennen. Dieselbe Schlagseite ist auch bei anderen Denunziationsmöglichkeiten, beispielsweise der grünen, ebenfalls aus Steuermitteln geförderten  „Antifeminismus-Meldestelle“ der Amadeu-Antonio-Stiftung und anderen ähnlichen Plattformen feststellbar.

Nun könnte man einwenden, dass dies kein Problem sei, schließlich gäbe es ja prinzipiell die Möglichkeit, eine analoge Meldestelle mit alternativem Fokus zu schaffen. Dort könnte man dann beispielsweise Aufkleber mit Hammer und Sichel oder rotem Stern sowie jene mit Abbildungen von Marx, Lenin, Stalin, Mao oder Che Guevara melden. Auch könnte man es als „Vorfall“ eintragen, wenn Menschen mit dem T-Shirt-Aufdruck „FKC SOZ“, „I love Capitalism“ oder „Rettet die Meinungsfreiheit“ kritisiert, angepöbelt oder sogar angegriffen werden.

Es stimmt natürlich, dass solche Meldestellen mit anderem Fokus geschaffen werden könnten. Aber dabei würde das Kernproblem ignoriert: Denunziation fördert Totalitarismus – egal von welcher Seite diese ausgeht und egal welch „edle“ Motive die Denunzianten und Plattformbetreiber haben.

Die Tatsache, dass als „Gegengewicht“ keine liberalen oder konservativen Denunziationsplattformen ins Leben gerufen werden, zeigt, dass in diesen Kreisen das Geschichtsbewusstsein deutlich stärker ausgeprägt ist. Blockwarte und „Inoffizielle Mitarbeiter“ sowie andere Formen der Denunziation zu NSDAP- und SED-Zeiten sollten keine modernen Nachfolger bekommen.

Zusätzliche Meldestellen mit alternativem Fokus würden das Problem nicht lösen, sondern verstärken. Nur Maßnahmen, welche die Denunziation unterbinden, könnten tatsächlich helfen, die Gefahr zu bändigen, die mit solchen Plattformen einhergeht – unabhängig von der politischen Ausrichtung.

Wird von politischen Entscheidungsträgern die Förderung von Denunziationsplattformen fortgesetzt oder sogar noch ausgebaut, geht es offensichtlich um die Durchsetzung einer erkennbaren politischen Agenda – Stimmungsmache für die eigene Sache.

Politische Entscheidungsträger, die tatsächlich die Demokratie fördern und Totalitarismus verhindern möchten, sollten jegliche finanzielle und ideelle Unterstützung für sämtliche Denunziationsplattformen beenden. Getreu dem Motto „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“, werden die künftigen Handlungen der politischen Entscheidungsträger zeigen, welche Absichten tatsächlich verfolgt werden.

Wer als einzelner Mensch ohne politische Entscheidungsmacht Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat bewahren möchte, sollte keine Denunziationsplattformen nutzen oder in anderer Form fördern. Aus gutem Grund wird gesagt, „der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“.

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Rainer Fassnacht ist ausgebildeter Kaufmann und studierter Diplom-Ökonom. Er lebt in Berlin und ist Autor des Buchs „Unglaubliche Welt: Etatismus und individuelle Freiheit im Dialog“. Auch in seinen sonstigen, unter anderem vom Austrian Economics Center in Wien veröffentlichten Texten, setzt er sich für die Bewahrung der individuellen Freiheit ein.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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