Eine »geringe« Preisinflation ist gut – für wen?

13. November 2023 – von Andreas Tiedtke

Widerlegung populärer Irrtümer

Andreas Tiedtke

Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Kapitel XIV „Widerlegung populärer Irrtümer“ aus dem Buch „Der Kompass zum lebendigen Leben“(*) (2021), S. 360 – 363.

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Die Aussage der Politiker, dass eine geringe Inflation gut sei, ist eine politische Aussage, keine praxeologische. Sie enthält neben einem Werturteil (gut) ein persönliches Bedeutsamkeitsurteil (gering) und ist insofern der Methode des persönlichen Mutmaßens zuzurechnen und nicht der Wissenschaft von der Logik des Handelns. Zwei Menschen müssen nicht darüber übereinstimmen, was eine »geringe« Preisinflation ist. Als allgemeines Phänomen führte eine Zunahme der Preise zu einer Begünstigung der Schuldner auf Kosten und zu Lasten der Gläubiger. Wird eine Inflation also politisch herbeigeführt, bringt sie immer eine Pareto-Verschlechterung mit sich: Die einen gewinnen auf Kosten und zu Lasten anderer und das Mittel ist das mit Propaganda, Drohung und Zwang durchgesetzte Geld- und Banking-Monopol der politischen Unternehmer.

Gleichmäßige Preisinflation oder Preisdeflation kann es nicht geben

Eine gleichmäßige Preisinflation oder Preisdeflation als Folge einer allgemeinen Erhöhung oder Verminderung der Geldmenge kann es nicht geben. Die Annahme der Wirtschaftshistoriker, dass sich die Preise proportional (entsprechend) zur Geldmenge verhalten, kann nicht stimmen. Sie gehen in ihrem Modell von einer Volkswirtschaft aus, die es jedoch nicht als handelnden Akteur gibt. Es gibt verschiedene Wirte, die jeweils ihre eigenen Kassen (Geldvorräte) bewerten – und nicht die Vorräte der anderen Wirte oder den Geldvorrat oder »Geldumlauf« insgesamt. Die Vorstellung, dass sich mit der Geldmenge die Preise allgemein änderten (oder mit einer Zinsänderung), ist von vornherein falsch. Es müsste den Akteuren, die Kasse halten, zur gleichen Zeit ein Geist erscheinen, der allen Wirten sagt, dass sie fortan die Preise aller Güter einer Güterklasse (unabhängig von den Mengen) mit einem Faktor n zu multiplizieren hätten. Ohne ein Wunder, meinte Ludwig von Mises, ist das nicht denkbar.

Inflation und Deflation sind nicht neutral

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Im besonderen Maße kann es zu einer Geldmittel-Ausweitung kommen, ohne dass dem eine Gütermehrung im »normalen« Kreditgeschäft durch Investitionen gegenübersteht, wenn Banken Geld an Gruppen politischer Unternehmer vergeben, da diese gar keine Pfänder hereingeben müssen und auch nicht investieren können, weil die von ihnen produzierten Güter ja von den Bewirtschafteten nicht zu den Preisen nachgefragt werden, die sie erzielen müssten, um zumindest die Kosten zu decken. Es kommt dann zu einer Zunahme der Geldmittel auf der einen Seite und einer Abnahme der hergestellten Güter auf der anderen, da anstatt Güter ja laufende Kosten des Haushaltes der Gruppe der politischen Unternehmer oder eben Ungüter 2. Ordnung[1] produziert werden, deren Herstellung in den Augen der Gezwungenen Verschwendung ist.

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Weiten die politischen Akteure ihr Unternehmertum aus und nehmen dafür zusätzlich zu den erzwungenen Abgaben Kredite auf, dann kann die Geldmenge derart stark anwachsen, dass die Preise aufgrund der zunehmenden Geldmenge steigen. Solche Preissteigerungen treten erst in Bezug auf diejenigen Güter ein, die die politischen Unternehmer mit dem neu geschaffenen Geld nachfragen, da diese Nachfrage unter sonst gleichen Umständen eine zusätzliche Nachfrage ist. Zunächst und am Anfang sind die Preise durch das zusätzliche Geld nicht erhöht, sondern erst dann, wenn die Anbieter der Produkte, welche die Gruppe der Politiker nachfragt, höhere Preise verlangt. Stückweise wird dieses neu geschaffene Geld an diejenigen weitergegeben, bei denen die Auftragnehmer der politischen Unternehmer ihre Ausgaben erhöhen. Diese Wirkung wird als Cantillon-Effekt (nach dem irisch-englischen Ökonomen Richard Cantillon, 1680–1734) beschrieben, also dass die Erstbesitzer des neuen Geldes noch nicht oder nicht in dem Ausmaß von der Preisinflation durch die Geldmengeninflation betroffen sind, wie die späteren Besitzer des Geldes. Sie kaufen noch zu den günstigeren Preisen.

Ein solcher Effekt ergibt sich nicht nur, wenn die politischen Unternehmer ihre Geldmengen erhöhen, sondern auch, wenn die Zentralbanken ihre Zins- oder Geldpolitiken ändern. Den Geschäftsbanken stehen die Zentralbanken als lenders of the last resort (Kreditgeber letzter Instanz) zur Verfügung. Dies schützt die Geschäftsbanken vor Zahlungsunfähigkeit. Bei Überschuldung erwarteten die Geschäftsbanken – zumindest diejenigen, die too big to fail sind – wie in der Finanzkrise 2008 und Folgejahre, dass ihnen die politischen Unternehmer Kapital zur Verfügung stellen. Durch diese durch das Geldmonopol geschaffenen Privilegien (Vorrechte) der handelnden Gruppen politischer Unternehmer und ihrer Unterstützer können die Banken ihre Kreditvergabe über das hinaus erweitern, was sie an Kreditvergabe ermöglichen könnten, wenn sie nicht mit den Privilegien der Liquiditäts- und Vermögenserhaltung rechnen würden. Wird so die Kreditmenge erweitert, ergibt sich der gleiche Cantillon-Effekt für diejenigen, die sich mit Krediten die neuen Mittel beschaffen und noch zu alten Preisen kaufen.

Da das Geldmonopol und all seine Auswirkungen letztlich durch feindliches Handeln hervorgerufen werden und es immer einen gibt, der gewinnt (Erstbesitzer), und zwar auf Kosten und zu Lasten anderer (spätere und Letztbesitzer), führt diese politische Aktion zu einer Pareto-Verschlechterung (win-lose), also wieder: gut für manche, schlecht für andere und auf Kosten und zu Lasten anderer und gegen deren Willen erzwungen oder durch Täuschung herbeigeführt.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Interventionen (Sabotage) verschlimmern die Situation

Politische Unternehmer arbeiten mit Narrativen, und in den Narrativen geht es darum, hinter die Einstellungen und Überzeugungen der Menschen zu gelangen. Das wird vor allem auf emotionalem Wege bewirkt, nicht auf dem der Logik. Deswegen verwundert es nicht, dass die Argumente politischer Unternehmer oft in sich widersprüchlich sind. Konsistenz ist keine Voraussetzung für emotionale Berührung, um Einstellungen und Überzeugungen zu bewirken.

Im Hinblick auf manche Güter (Sachen und Leistungen) findet man Preisinflation gut, zum Beispiel Arbeitslöhne. Im Hinblick auf andere Güter findet man Preisinflation schlecht, zum Beispiel bei Mietpreisen. Da wäre einem Preisdeflation lieber. Auf einem Wahlplakat der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands in meinem Heimatort konnte man einst lesen: »Höhere Löhne, niedrigere Preise«.

Nun fangen die Politiker an, Preise festzulegen, und ändern somit die Präferenzen der Menschen durch Befehl. Argumentiert man im Hinblick auf die Geldvorräte, so würde ein Vermieter, der höhere Preise verlangt, den Effekt herbeiführen, dass die Geldhorte der Mieter sich verkleinerten. Und eine Verkleinerung der Geldhorte bringt wiederum die Tendenz zu fallenden Preisen mit sich, weil der Grenznutzen der verbleibenden Geldeinheiten ansteigt mit jeder weggegebenen Geldeinheit. Und so führte das Enthorten der Mieter in der Tendenz wieder zu fallenden Preisen. Deckelt man nun die Miete in solch einem Szenario durch Propaganda und darauffolgenden Befehl, führt das dazu, dass die Geldhorte der Mieter nicht kleiner werden als ohne den Deckel, sodass die gegenläufige Tendenz zu fallenden Preisen ebenfalls ausbleibt. Da es wegen der ausbleibenden Zusatzinvestitionen wegen des Mietendeckels nicht zu erweitertem Wohnungsbau kommt, stellt sich die Situation ein, wie wir sie momentan beispielsweise in Berlin vorfinden: Die Mieter haben zwar Geldhorte, um die Miete zu bezahlen, aber es sind nicht genug Mietwohnungen da, sodass sich zu einer Wohnungsbesichtigung 2019 in Berlin-Schöneberg über 1.700 Interessenten meldeten.

Mem: Die Wirtschaft leidet unter Deflation; Gläubiger gewinnen gegenüber Schuldnern

Bei einer Preisdeflation kann es tatsächlich dazu kommen, dass Unternehmer, die ihre Investitionen nicht mit Eigen-, sondern mit Fremdkapital finanziert haben, durch die niedrigeren Preise und langfristige Finanzierungen nicht imstande und in der Lage sind, ihren Schuldendienst zu erfüllen. Ist der Geschäftsbetrieb jedoch ansonsten einträglich, würde das Betriebsvermögen lediglich in andere Hände wandern. Durch die Insolvenz verliert im Übrigen nicht nur der Schuldner, sondern verlieren auch die Gläubiger des Betriebes. Aber der Betrieb, die Fabrik, sie gehen nicht in Natur verloren, sondern sind weiterhin vorhanden. Ein neuer Erwerber, der nun zu einem niedrigeren Preis erwirbt, kann den Betrieb fortführen.

Bei einer allgemeinen Preisdeflation sinken auch die Preise, die der Betrieb zum Erwerb seiner Arbeitskräfte, Betriebsmittel und Erhaltungsinvestitionen bezahlen muss, also seine Kosten, sodass eine Deflation an der Marge an sich nichts änderte. Der Betrieb könnte auch die Abschreibungen daran anpassen, würde er nicht durch Gebote oder Verbote der politischen Akteure zu einer bestimmten Buchhaltung gezwungen.

In der Preisinflation gewinnen die Schuldner und es verlieren die Gläubiger, die die Preisinflation nicht vorhergesehen haben. Vermindern sich Preise oder erhöhen sie sich, ohne dass eine der Parteien eine andere bedroht oder getäuscht, also sabotiert hat, sind dies lediglich Effekte (Wirkungen) oder Aspekte (Ausdrücke), die sich infolge des Erreichens eines neuen, anderen Pareto-Optimums ergeben. Erst das Hinzukommen feindlichen Handelns führt dazu, dass diese Wirkungen sich nicht infolge des Austausches von Akteuren ergeben, die in ihrer Planung stets falschliegen können. Das politische Mittel führt dann dazu, dass die einen auf Kosten und zu Lasten der anderen gewinnen.

Mem: Die Menschen halten bei Deflation zu viel Bargeld und investieren/konsumieren zu wenig; das Geld »liegt auf der Bank herum«

Ebenfalls ins Reich der Legenden gehört, dass die Menschen zu viel Geld auf ihren Bankkonten hätten, wenn die Inflation zu gering wäre, und sie weniger in Wertpapiere oder dergleichen investieren würden. Wenn Nicht-Banken von Nicht-Banken Vermögensgegenstände gegen Geld erwerben, ändert das an der Buchgeldmenge nichts. Das Geld hat dann nur jemand anderes. Auch bei Unternehmensanleihen ist das so. Dann hat eben das Unternehmen das Geld auf seinem Bankkonto und nicht mehr der Erwerber. Nur wenn Banken Vermögensgegenstände an Nicht-Banken verkaufen oder die Netto-Kreditmenge vermindern, ändert sich der Buchgeldbestand. Es handelt sich wiederum um Propaganda.

Zusammengefasst kann »mäßige« Preisinflation angesehen werden als ein politisches Instrument zur Ausweitung der Geldmenge mit erwünschten Folgen für die politischen Unternehmer und ihre Unterstützer. Die Propaganda zur Rechtfertigung des feindlichen Handelns ist a priori – und im Detail und einzeln belegbar – falsch.

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[1] Ungüter 2. Ordnung: Politisch finanzierte Produkte, die im Gegensatz zu Gütern nicht mit den Präferenzen der Kunden übereinstimmen, sondern mit den Präferenzen der politischen Produzenten. Siehe „Der Kompass zum lebendigen Leben“ (2021), S. 266 f.

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Dr. Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt, Autor und Redakteur. Er publizierte bereits zahlreiche Artikel zur Österreichischen Schule der Nationalökonomie und deren wissenschaftlicher Methode, der Praxeologie (Handlungslogik). Im Mai 2021 erschien sein Buch über die Logik des Handelns „Der Kompass zum lebendigen Leben“(*). Im Jahr 2022 wirkte er an dem Buch “Wissenschaft und Politik: Zuverlässige oder unheilige Allianz” (Herausgeber: Olivier Kessler, Peter Ruch) mit, zu dem er im 1. Kapitel den 1. Abschnitt beitrug: “Mit welchen wissenschaftlichen Methoden zu welcher Erkenntnis?”. Zudem schreibt er Kolumnen für die Online-Magazine Freiheitsfunken und Der Sandwirt.

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