„Die Freiheit ist keine alte Klamotte für das Museum“ | Konferenzbericht 2023

Bericht von der 11. Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Institut Deutschland in München am 7.10.2023

Ralph Malisch

3. November 2023 – von Ralph Malisch

Mit freundlicher Genehmigung des Smart Investors, wo dieser Artikel in der Ausgabe 11/2023 erschien.

Wider die Antiaufklärung

Zum mittlerweile elften Mal lud das Ludwig von Mises Institut Deutschland am 7.10. zu seiner Jahreskonferenz. Mit „Der Kampf um die öffentliche Meinung“ wurde einmal mehr ein brandaktuelles Thema angepackt. Institutspräsident Prof. Dr. Torsten Polleit eröffnete die Veranstaltung mit einer eindringlichen Warnung: Die Kollektivisten seien auf dem Vormarsch und unser aller Freiheit werde angegriffen. Allerdings seien die Angriffe verklausuliert, unter Titeln wie Great Reset oder Klimapolitik. Überall sei der Staat zum dominanten Akteur aufgestiegen, wenn nicht zum Quasityrannen. Dies sei kein guter Weg, den Deutschland geradezu fanatisch verfolge. Die Motive dahinter seien indes recht unterschiedlich und reichten vom naiven Gutmenschentum bis zur Böswilligkeit. Für eine „Unschuldsvermutung“ der Akteure gebe es aber keinen Grund mehr. Wir würden Zeugen eines marxistisch-faschistischen Umsturzversuchs, bei dem Gegenstimmen und Kritiker zum Schweigen gebracht werden sollen. Im Kern gehe es um Aufklärung und darum, die heutige Antiaufklärung aus Irrtümern, Lügen, Manipulation und Angst zu stoppen.

„Two-Punch-Strategy“

Ergänzend verwies Institutsvorstand Dr. Andreas Tiedtke auf von Mises’ Diktum: Die Tat folgt der Idee. Der Kampf der Ideen sei der Kampf um die öffentliche Meinung. Die Geschichte sei eine des Kampfes um die Freiheit und gegen die Übergriffe der Amtsinhaber. Murray Rothbard empfahl 1992 eine sogenannte Two-Punch-Strategy: Eine Säule bestehe aus den Thinktanks, welche die Ideen der Freiheit verbreiten, die andere aus dem Populismus, der die Menschen direkt erreiche, unter Umgehung der „Wahrheitsmedien“. Die Clique an der Macht hasse dies über alles und wirke dem mit Cancel Culture, Deplatforming und sogenannten Faktencheckern entgegen. Tiedtke zitierte Kant: Habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

HIER KLICKEN, um Thorsten Polleits Beitrag zu diesem Thema zu lesen.

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51 Jahre an vorderster Front

Der langjährige ZDF-Fernsehjournalist Peter Hahne befasste sich anschließend mit der Frage: Werden wir alle manipuliert? In 51 Jahren Journalismus habe er so etwas wie heute noch nicht erlebt. Seinen Vortrag hätte man noch vor fünf Jahren im ZDF ausstrahlen können, zwar als Exot in einer Nischenfunktion, aber da hätte niemand dreingeredet. Gerade für junge Leute sei der Freiheitsgedanke keine alte Klamotte für das Museum. Viele von ihnen säßen heute auf gepackten Koffern. Zwei Drittel der Bevölkerung hätten kein Vertrauen mehr, weder in die Politik noch in die Kirchen, und erst recht nicht in die Medien – aber die Menschen hätten Vertrauen in diejenigen, die Klartext reden.

Wortgewaltig und ohne Blatt vor dem Mund – ZDF-Urgestein Peter Hahne

Betroffenheitstremolo des Fünf-vor-zwölf-Journalismus

Die Fakten würden moralisiert: Streubomben seien nun gut und bei den Flüchtlingen werden nur Frauen und Kinder mit Kulleraugen gezeigt. Das Betroffenheitstremolo des Fünf-vor-zwölf-Journalismus bekomme nun eine wissenschaftliche Partitur. Man sehe eine „semantische Machtergreifung“. Aus brutaler Gewalt werde „die Eventszene“ und Messer im Schwimmbad seien nun Folge des Klimawandels. Wenn sich Ideologie und Idiotie paarten, werde es gefährlich. So hat Hahne alle Medien in Gendersprache abbestellt; seitdem sei sein Konto voll und sein Briefkasten leer. Merken wir eigentlich noch, wie weit unter Niveau wir regiert und informiert werden? Deutschland soll nun das Weltklima retten. Das sei so lächerlich. Es heiße nicht mehr wahr oder unwahr, sondern gut oder böse. Alles werde infantil: Wumms, Doppel-Wumms – unterstes Niveau. Auch werde gar keine echte Debatte geführt, die Wissenschaft werde lediglich instrumentalisiert.

Peter Hahne (rechts) im Gespräch mit Institutspräsident Prof. Dr. Thorsten Polleit

Von der Spaßgesellschaft zur „Phobokratie“

Aus der Spaßgesellschaft von einst sei eine Angstgesellschaft, eine „Phobokratie“ geworden. Die betrieben die Herrschenden, weil sie „Demophobie“, also Angst vor dem Volk hätten. Um die Wahrheit werde inzwischen eine Brandmauer gelegt. Wenn Sie Verschwörungstheorien vom Feinsten hören wollten, so Hahne, dann gehen Sie in eine Bundespressekonferenz! Das Internet sei zwar Segen und Fluch, aber zurzeit deutlich mehr Segen. In den Medien gebe es dagegen Volksverdummung und Volksverachtung, inzwischen sogar mit Warnhinweisen vor den Komikern Otto Waalkes und Heinz Becker. Manipulationsanfällig seien Leute ohne Wurzeln. Je tiefer die Wurzeln, desto weniger ließen sich die Leute umtopfen. Nicht das Lügen, sondern das Weglassen sei die eigentliche Macht. Dazu komme diese ewige sprachliche Schönfärberei, etwas das „Gute-KiTa-Gesetz“. Wer daraus ausbreche, sei erledigt. Selbst Heribert Prantl und Stefan Aust, linker könne man nicht sein, kritisierten, dass das Grundgesetz ausgehebelt wurde. Seitdem waren sie in keiner Talkshow mehr zu sehen. „Die Zukunft gehöre denen“, Hahne zitiert zum Schluss den Schriftsteller Ortega y Gasset, „die der nachfolgenden Generation Grund zur Hoffnung geben.“

Es ist kein Zufall, wenn Sie einige Leute nicht mehr sehen. Prof. Dr. Philipp Bagus über Cancel Culture und Safe Spaces

Falsches Beispiel genügt

Im Anschluss befasste sich Prof. Dr. Philipp Bagus mit „Cancel Culture und Safe Spaces: Die große Umerziehung – und wie man ihr entgegenwirkt“. Zwar komme die Cancel Culture aus den USA – wir aber praktizierten sie mit mehr Gründlichkeit. Aktivisten bauen dabei sozialen Druck auf, um bestimmte Personen von der öffentlichen Diskussion auszuschließen. Dadurch würden auch einige Ideen nicht mehr diskutiert. Dagegen sollen Safe Spaces Orte sein, die frei sind von Hate Speech und Mikroaggression als einer Form „diskursiver Gewalt“. Es werde also gecancelt, damit die Safe Spaces gewaltfrei bleiben. Bei Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe hatte ein politisch unkorrektes Beispiel genügt, um ihn zu canceln. Dann beschäftigte sich Bagus mit der Schweigespirale, einem Phänomen, das von der Meinungsforscherin Elisabeth Nölle-Neumann identifiziert wurde. Geschwiegen werde aus Angst vor Isolation, etwa aufgrund einer „falschen“ Meinung.

Manipulation der Ausgebeuteten

Zum Thema Konformismus zitierte Bagus auch das berühmte Ash-Experiment, bei dem sich die Versuchsteilnehmer sogar dann mehrheitlich dem Gruppenkonsens anschlossen, wenn dieser offensichtlich falsch war. Dies liege in der sozialen Natur des Menschen begründet, der nicht aus der Gruppe ausgeschlossen werden wolle. Der Konformismus habe durchaus Vorteile, etwa bei der Zusammenarbeit. Cancel Culture und Schweigespirale hätten in einer Gesellschaft ohne Staat daher eine wichtige Funktion. Das Problem entstehe, wenn der Staat ins Spiel kommt: Shadow Banning, staatliches Fernsehen und Bildung, Verfassungsschutz – all dies sei kein freies Ringen, sondern eine einseitige Beeinflussung durch das Gewaltmonopol des Staates, denn der Staat brauche die passive Unterstützung des Volkes. Die „parasitäre Klasse“ sei auf das Wohlwollen der größeren Gruppe der Wirte angewiesen, die wenigstens keinen aktiven Widerstand leisten sollen. Die Ausgebeuteten müssten den Staat daher als ein mindestens notwendiges Übel betrachten, was durch Ideologie und Manipulation der öffentlichen Meinung gewährleistet werde. Die „Bösen“ mit den schlechten Meinungen müssten isoliert werden. Dazu werde auch die Sprache selbst manipuliert. Wenn die Wörter fehlten, könne man nicht mehr sagen, was man denkt.

Das Fenster verschieben

Zentral sei das sogenannte Overton-Fenster: Innerhalb dieses Fensters befänden sich die akzeptablen und populären Meinungen. Politiker, die wiedergewählt werden wollen, werden sich innerhalb des Fensters bewegen. Wer die Welt verändern wolle, müsse das Overton-Fenster verschieben. Krisen seien eine Möglichkeit, dies zu tun. Radikale Positionen würden durch Thinktanks und Medien normalisiert, während die Cancel Culture das Overton-Fenster nach der anderen Seite abdichte. Es gelte, das Overton-Fenster in Richtung Freiheit zu verschieben und die Schweigespirale zu durchbrechen. Vorbilder seien dabei Tabubrecher, wie Javier Milei, zum Zeitpunkt der Konferenz aussichtsreicher argentinischer Präsidentschaftskandidat. Er habe gezeigt, wie schnell man die öffentliche Meinung in einem vom Sozialismus zerstörten Land wenden könne. Dank Milei trauten sich die Leute wieder, gegen den linken Zeitgeist aufzutreten. Er habe das Overton-Fenster sogar in der gesamten spanischsprachigen Welt verschoben. Unter jungen Leuten sei es wieder cool, libertär zu sein. Um die Fassade der öffentlichen Meinung einzureißen, brauche es solche Bahnbrecher, denen die öffentliche Meinung einerlei ist. Jahrelang hat sich Milei in Talkshows beschimpfen und lächerlich machen lassen. In Krisen gelte es, da zu sein – und Milei war da. Aber auch ohne große Krise gehe es darum, dagegenzuhalten, Widersprüche aufzudecken und diese lächerlich zu machen. Prädestiniert dafür seien gesellschaftliche Außenseiter wie Avantgardisten, Künstler etc. Die Revolution der schweigenden Mehrheit sei möglich.

Tiefer Griff in die Trickkiste der anderen – Olivier Kessler klärt über unfaire Diskussionspraktiken auf

Die Tricks der Manipulatoren

Als Nächstes beschäftigte sich Olivier Kessler mit den konkreten Sprach- und Rhetoriktricks, welche die illiberale Gegenseite nutze, um uns in die Irre zu führen. Statt freundlich auf Augenhöhe zu kommunizieren, werde feindlich manipuliert. Als Erstes nannte Kessler die „Brunnenvergiftungstechnik“, eine Ad-hominem-Argumentation, die das Argument ignoriert, aber die Quelle bzw. den Argumentierenden angreift. Selbst wenn der andere ein „mieser Typ“ oder gekauft wäre, könne sein Argument jedoch richtig sein. Bei der Status-quo-Verherrlichung werde der Ist-Zustand überhöht („Das haben wir schon immer so gemacht“), was aber nicht bedeutet, dass eine Veränderung keine Verbesserung brächte. Bei der Strohmann-Widerlegungstechnik wird dagegen das eigentliche Argument des Gegenübers ignoriert. Stattdessen wird ein vorgetäuschtes Argument, der Strohmann, geschaffen, das dann widerlegt wird. Mit der Technik der vorgegaukelten Objektivität würden subjektive Forderungen in den Stand einer objektiven Wahrheit erhoben („Die Wissenschaft …“). Bei all diesen Techniken gehe es darum, so zu tun, als ob man die Diskussion gewonnen habe, obwohl das objektiv nicht der Fall ist.

Prof. Dr. Thorsten Polleit geißelt die falsche Priesterschaft der Intellektuellen

Falsche Priesterschaft

Abschließend befasste sich Prof. Dr. Thorsten Polleit mit der falschen Priesterschaft der Intellektuellen und dem Fiatgeld. Menschliches Handeln hänge von Ideen oder Theorien ab. Die meisten kopierten ihre Ideen aber nur von Intellektuellen, die entsprechend eine Meinungsführerschaft ausübten – Lehrer, Literaten, Journalisten, Influencer etc. Dabei handle es sich aber häufig nur um Gebrauchtideenhändler oder um nützliche Idioten des Systems. Viele von ihnen verdienten nichts am freien Markt, was sie empfänglich für die Unterstützung des Staates mache. Murray Rothbard habe von Anfang an ein symbiotisches Bündnis zwischen Staat und Intellektuellen gesehen. Sie erzeugten die Meinungen, die zum Herrschen benötigt werden – etwa die Idee vom weisen, guten, ja göttlichen Staat. Im Gegenzug erhielten sie Macht, Status, Ansehen und finanzielle Sicherheit. Intellektuelle seien die unverzichtbaren Steigbügelhalter staatlicher Macht und bekämpften Staatskritisches oder gar Staatsfeindliches. In der älteren ökonomischen Literatur fänden sich aber durchaus noch kritische Einschätzungen, etwa bei Schumpeter, Hayek und natürlich bei von Mises.

Wider die Schweigespirale – abschließende Fragerunde mit Dr. Andres Tiedtke, Olivier Kessler, Prof. Dr. Thorsten Polleit und Prof. Dr. Philipp Bagus (v.l.n.r.)

Systematische Antiaufklärung

Helmut Schelsky habe darauf verwiesen, dass die Intellektuellen auch selbst in der gesellschaftlichen Machthierarchie nach oben wollten, als eigene intellektuelle Priesterklasse. Die Intellektuellen seien zwar notwendig, könnten aber auch gefährlich sein. Das Fiatgeld mache den Staat, ihren Brötchengeber, stark. Wer als Ökonom Karriere machen wolle, brauche Theorien, die den Staat rechtfertigen und sein Handeln begründen. Ökonomen seien daher oft Interventionisten; die Kritik sei allenfalls oberflächlicher Natur. Dem staatlichen Fiatgeld und den Zentralbanken hätten die Hauptstromökonomen sogar das Siegel der Unbedenklichkeit ausgestellt. Für Boom und Bust würden dann entsprechend Sündenböcke gesucht. In Krisen würden eifrig neue Maßnahmen aus dem Zylinder gezogen, wobei Krisen sogar willkürlich ausgelöst werden könnten, in deren Notständen sich der Staat weiter ausweite. Die Öffentlichkeit sei heillos überfordert und werde hinters Licht geführt. Der Staat habe sich mit einer intellektuellen Armee ausgestattet – bezahlt mit den Mitteln der Ausgeplünderten. Es sei eine systematische Antiaufklärung. Schon Kant wetterte gegen die falschen Priester. Echte Aufklärung tue not, so Polleit.

Fazit

Mit insgesamt vier Kernvorträgen zum Kampf um die öffentliche Meinung gelang dem Ludwig von Mises Institut Deutschland nicht nur ein hochinteressanter Veranstaltungstag, sondern auch eine Schärfung des Bewusstseins für die Ideen von Freiheit und Aufklärung, die täglich aufs Neue angegriffen werden. Weitere Informationen finden Sie auf der Website misesde.org oder auf dem YouTube-Kanal @misesde.

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Über den Autor Ralph Malisch: Nach Abschluss seines BWL-Studiums (die Abneigung gegen die Mainstream-VWL hatte er von Kostolany) führten ihn seine beruflichen Stationen über die Kapitalanlagestrategie einer Versicherung, die kaufmännische Leitung eines Mittelständlers und die Vermögensverwaltung eines Family Offices zu Smart Investor. Er ist von Anfang an dabei und ein „Österreicher“ mit Leib und Seele.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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Titel-Foto: Misesde.org

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