Das feministische Patriarchat

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Ludwig von Mises schrieb 1922 in “Die Gemeinwirtschaft”:

Soweit die Frauenbewegung sich darauf beschränkt, die Rechtsstellung [der Frau] der des Mannes anzugleichen und der Frau die rechtliche und wirtschaftliche Möglichkeit zu bieten, sich so auszubilden und zu betätigen, wie es ihren Neigungen, Wünschen und ökonomischen Verhältnissen entspricht, ist sie nichts weiter als ein Zweig der großen liberalen Bewegung, die den Gedanken der friedlichen freien Entwicklung vertritt. Soweit sie, darüber hinausgehend, Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens in der Meinung bekämpft, damit naturgegebene Schranken des menschlichen Daseins aus dem Wege räumen zu können, ist sie ein Geisteskind des Sozialismus; auch dessen Besonderheit ist es, die Wurzel naturgegebener, der menschlichen Einwirkung entrückter Umstände in gesellschaftlichen Einrichtungen zu suchen und durch deren Reform die Natur reformieren zu wollen.

Nachfolgend wiederveröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung des Schweizer Monat, in dessen Oktoberausgabe dieser Artikel erschien, einen Beitrag von Valérie Litz zum Thema Feminismus.

Das feministische Patriarchat

Die Vorstellung, Frauen seien schwache, hilflose Wesen, dominiert in Medien und Politik.
Mit echter Frauenförderung hat das nichts zu tun.

27. Oktober 2023 – von Valérie Litz

Valérie Litz, Quelle: Schweizer Monat

Beim Blick in die sozialen Netzwerke oder Zeitungen, die einen feministischen Streik ankündigen, oder auf in der Stadt verteilte Flyer, die für eine Kita-Initiative werben, stelle ich mir eine Frage immer wieder aufs neue: Wofür haben Frauen in der Schweiz Jahrzehnte des Kampfes für mehr Chancengerechtigkeit hinter sich gebracht, sich mühsam, aber erfolgreich aus den Fängen bevormundender Patriarchen befreit, wenn sie danach von einem anderen Kollektiv bevormundet werden – nämlich den selbsterklärten Feministinnen von heute auf der linken Seite des politischen Spektrums?

Natürlich wird die Formulierung des «schwächeren Geschlechts» tunlichst vermieden, doch im Kern ist es doch genau das, worauf uns Feministinnen heute aufmerksam machen wollen: Frauen können es aus eigener Kraft eigentlich zu nichts bringen, deshalb braucht es – wie so oft – staatliche Interventionen. Heutige Feministinnen malen das Bild einer Frau, die nicht die Möglichkeit hat, sich eigenständig und ohne externe Vorgaben frei zu entfalten. Doch diese Annahme ist in etwa so unsinnig, als würde man einer Raupe nicht zutrauen, die Metamorphose zu einem Schmetterling zu meistern. Es wirkt wie eine bittere Ironie, dass viele, die sich für eine starke Position der Frauen einzusetzen vorgeben, ihnen gleichzeitig nicht zutrauen, für sich selbst einzustehen.

Es wirkt wie eine bittere Ironie, dass viele, die sich für eine starke Position der Frauen einzusetzen vorgeben, ihnen gleichzeitig nicht zutrauen, für sich selbst einzustehen.

Geschlecht und Lohn

Auf Seiten der Feministinnen ist die vermeintliche Lohnungleichheit von Frauen ein beliebtes Beispiel für die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts: Frauen würden im Berufsleben ungleich und unfair behandelt, was sich unter anderem auf dem Lohnzettel zeige. So fordert die SP, dass gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern endlich gleich bezahlt werden müsse. Diese Forderung suggeriert ein systematisch maliziös diskriminierendes Vergütungssystem in der Privatwirtschaft. Bekräftigt wird dieser Standpunkt auf den ersten Blick auch von Seiten des Bundes: Eine Analyse des Bundesamts für Statistik zu den Lohnunterschieden ergab für das Jahr 2020 einen unerklärten Teil der Lohndifferenz in der Gesamtwirtschaft von 7,8 Prozent. Eine neue Untersuchung der Universität St. Gallen im Auftrag des Schweizerischen Arbeitgeberverbands relativierte die Zahlen des Bundes; demnach liegt der unerklärte Teil der Lohnunterschiede im Privatsektor bei rund 3,3 Prozent.

Geschlechterdiskriminierung aufzudecken ist ein komplexer Prozess. Oftmals werden Aspekte, die bereits bei der Berufswahl eine Rolle spielen, nicht einbezogen. Oder es herrscht die Annahme, dass sich Lohnprämien für höhere Bildungsabschlüsse unterschiedlicher Berufe nicht unterschieden. In der Realität ist dies selten der Fall, was dazu führt, dass Lohnunterschiede regelmässig überschätzt werden. Auch Teilzeitmodelle werden bei der Berechnung von Lohnunterschieden vernachlässigt. Somit ist es faktisch unhaltbar, den kompletten Lohnunterschied auf das Geschlecht zurückzuführen.

Die Mär von der willkürlichen Geschlechterdiskriminierung ist immer schwieriger aufrechtzuerhalten. Diskursverschiebungen weg vom «Gender Pay Gap» hin zu beispielsweise dem «Child Penalty», wie die Eidgenössische Kommission für Familienfragen es vorschlägt, sollen von der Tatsache ablenken, dass in den vergangenen Jahren Politik aufgrund völlig falscher Behauptungen betrieben wurde. Neu soll die Lohnschere durch eine höhere Vergütung der Sektoren ausgeglichen werden, in denen Frauen gerne arbeiten. Dabei werden die persönlichen Beweggründe der Berufswahl erneut völlig ausser Acht gelassen und Frauen so dargestellt, als wären sie nicht in der Lage, persönliche Präferenzen und Prioritäten abzuwägen und vernünftige Karriereentscheidungen zu treffen.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Selbst ist die Frau

Eine der wichtigsten Fragen im Zuge der Karriere- und Lebensplanung einer Frau dürfte die Familienplanung sein. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gewiss keine einfache Aufgabe und sehr situationsabhängig. Es gibt kein generelles Modell, das auf alle Paare angewendet werden kann. Was für die eine Familie funktioniert, ist für eine andere undenkbar. Daher sind viele der staatlichen Bemühungen, das Familienleben zugunsten der Frauen, Kinder, aber auch Männer zu regulieren, wie zum Beispiel die Regelung des Mutter- beziehungsweise Vaterschaftsurlaubs, zwar gut gemeint, jedoch praktisch völlig unpassend. Die Entscheidung, Kinder zu bekommen, ist, wie auch die Ausgestaltung des Familienlebens, am Ende eine höchst persönliche, welche die Familie individuell für sich am besten treffen kann.

Die Frauenbewegung der letzten Jahrzehnte hat uns Frauen in erster Linie durch Abbau gesetzlicher Diskriminierung viel ermöglicht. Sie hat uns unabhängiger gemacht und uns in die Lage versetzt, eigene Karriereentscheidungen zu treffen – fernab des klassischen Familienbilds. Umso stossender sind die Entwicklungen, welche die Feminismusbewegung in den letzten Jahren durchlaufen hat. Heute befasst sich die Frauenbewegung häufig mit der Korrektur von unerwünschten Ergebnissen im freien Wettbewerb. Auf oftmals korrekte Beobachtungen, beispielsweise einen geringen Frauenanteil im Management, folgen schwerwiegende Fehlentscheide wie eine Quotenregelung, die den Frauen per se die Fähigkeit abspricht, aus eigener Kraft derartige Karriereziele zu erreichen. Auch der Glaube, man müsse Unternehmen zu einem Umdenken zwingen, ist nicht zielführend. Schon heute haben Arbeitgeber, die insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels ein attraktives Arbeitsumfeld für Frauen und Familien schaffen, einen Wettbewerbsvorteil.

Ob im Berufsleben, in der Politik oder im privaten Umfeld: Zahlreiche Frauen zeigen uns jeden Tag, dass das Erreichen individueller Lebensziele durchaus möglich und schon lange keine Frage mehr von systematischer Diskriminierung ist. Wir brauchen keine weiteren staatlichen Regulierungen, die in unsere Autonomie eingreifen, wir brauchen keine Gesellschaft, die uns in Watte packt. Wer wären wir denn auch, wenn wir die wertvollen Errungenschaften des Feminismus freiwillig wieder aufgäben, nur um uns Frauen wieder in eine Abhängigkeitsposition zu drängen?

Individualbesteuerung und Deregulierung

Ein Blick auf die Wahlstatistiken offenbart einen erstaunlich hohen Anteil an Frauen, die links wählen. Auf einer politischen Ebene ist das deshalb kurios, weil Frauen in konservativen und liberalen Parteien oftmals erfolgreicher sind: Angela Merkel (Deutschland), Margaret Thatcher (Grossbritannien), Giorgia Meloni (Italien) oder Kaja Kallas (Estland), um nur einige Beispiele zu nennen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen dazu neigen, Themen wie Gesundheitsvorsorge, Bildung und Sozialhilfe als wichtig einzuschätzen. Als Folge unterstützen sie politische Massnahmen und Kandidaten, welche die Gleichstellung der Geschlechter fördern und Diskriminierung bekämpfen wollen. Doch präsentieren die linken Parteien praktisch immer nur eine Lösung: Es muss mehr Steuergeld ins System gepumpt werden, um die nach dem Ermessen des Staates zu bevorteilenden Familienmodelle bezuschussen zu können. Eine Form der Pflästerlipolitik, die sich leicht verkaufen lässt, da sie bequem ist und auf den ersten Blick kein eigenes Engagement erfordert. Diskriminierung lässt sich am wirksamsten bekämpfen, wenn sämtliche geschlechtsspezifischen staatlichen Regulierungen, die zu Ungleichbehandlungen führen, abgebaut werden. Es sollte nicht Aufgabe des Staates sein, vermeintliche Ungleichheiten auszugleichen. In erster Linie sollte er sich darum kümmern, die Hürden abzubauen, die es Frauen erschweren, sich stärker beruflich zu engagieren. Dazu sollten folgende Massnahmen angepackt werden:

1. Auf dem Arbeitsmarkt: Abschaffung der «Frauenquote light» und weiterer Regulierungen, die Zweifel an der Leistungsbereitschaft von Frauen säen. Der freie Markt ist das geeignetste Mittel, diskriminierende Arbeitgeber unattraktiv zu machen. Arbeitgeber, die flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen, werden attraktiver.

2. In der Steuerpolitik: Individualbesteuerung für Ehepaare und Erhöhung der steuerlichen Abzüge für Familien, so dass Familien sich individuell und ihren Bedürfnissen entsprechend selbst organisieren können.

3. Bei der Kinderbetreuung: Die Vorschriften und Bürokratie für Kitas und Tageseltern sollten drastisch reduziert werden, so dass sich das Betreuungsangebot erweitern kann.

4. In der Familienpolitik: Mütter und Väter sollten die Zeit nach der Geburt eines Kindes frei gestalten können. Staatliche Vorgaben über Mutter- und Vaterschaftsurlaube verhindern ein situationsabhängiges und individuelles Planen des Familienlebens. Sie verhindern ausserdem einen wirksamen Wettbewerb der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern bereits eigene, gute Lösungen anbieten.

Berufliche Interessen zu ändern, ist schwierig und kann nicht das Ziel einer freiheitlichen und an der freien Entfaltung des Individuums orientierten Politik sein. Für die kommenden Jahre wünsche ich mir, dass Frauen erkennen, dass sie gut sind, wie sie sind, und vieles erreichen können, wenn sie den Mut haben, für ihre individuellen Bedürfnisse einzustehen. Grösstmögliche Freiheit kann uns kein Kollektiv der Welt bringen, sondern nur wir selbst.

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Valérie Litz absolviert ihr Masterstudium in Rechtswissenschaften an der Universität Luzern und arbeitet parallel in einer Wirtschaftskanzlei in Zürich.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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