Will die Fed das internationale Finanzsystem retten? So mag es vielleicht aussehen

Kristoffer Mousten Hansen

15. September 2023 – von Kristoffer Mousten Hansen

Der Zusammenbruch des Schweizer Bankkonzerns Credit Suisse war lange absehbar. Wenn man sich die Finanzberichte der Firma der letzten Jahre durchschaut, sieht man gleich, dass es ein klassischer Bank Run war. Von 2021 bis 2022 ging der Bestand liquider Mittel von Credit Suisse über 50 Prozent zurück, am stärksten im Oktober 2022, von 229,9 Milliarden auf 118,5 Milliarden Schweizer Franken, weil die Anleger ihr Geld abgehoben haben. Obwohl der Sturz der Credit Suisse gleichzeitig mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank stattfand, hatte er damit nicht direkt zu tun. Vielmehr steht der Fall Credit Suisse in Zusammenhang mit dem Schrumpfen des internationalen Geldsystems.

Schrumpfende Fed

Die Fed hat seit langem eine deflationäre Politik betrieben, wie ich letztes Jahr zeigte. Das mag überraschend sein, da die offiziellen Inflationszahlen noch hoch sind und die Beamten der Fed immer noch behaupten (zumindest bis vor kurzem), dass ihr entschlossenes Ziel die Bekämpfung der gegenwärtigen Inflation sei. Wenn wir uns jedoch dem Geldangebot zuwenden und dessen Änderungen nachgehen, dann sehen wir, dass eine ansehnliche Deflation stattgefunden hat, insbesondere in dem Teil des Geldangebots, den die Fed unmittelbar kontrolliert. Die Geldmenge M2 hat in den USA seit April 2022 abgenommen. Bis Februar 2023 ist die US M2-Geldmenge um 900 Milliarden Dollar geschrumpft (siehe Abbildung 1), aber die wirkliche Deflation ist beträchtlich größer.

Abbildung 1: US M2-Geldmenge, Januar 2023 – März 2023

Die Bilanz der Fed zeigt diese eindeutig, wenn wir die „umgekehrten Rückkaufvereinbarungen“ oder „Reverse Repos“ analysieren (in dem umgekehrten Rückkaufgeschäft verkauft die Fed eine Anlage und verspricht, diese am nächsten Tag zu einem höheren Preis zurückzukaufen, der vom Repo-Satz bestimmt ist). Die Auswirkung des Anhäufens von „Reverse Repos“ ist, dass die Fed Bankreserven sozusagen sterilisiert. Die Banken und andere Finanz-Institutionen kaufen Repos von der Fed, weil sie hierbei eine Rendite ohne Risiken in Höhe von 4,8 Prozent pro Jahr erhalten. Deshalb gibt es nunmehr weniger Reserven in dem dollarbasierten Finanz-System, weil die Repos keine Reserven darstellen. Die umgekehrten Rückkaufvereinbarungen haben teilweise die neugeschaffenen Reserven der Corona-Inflation abgesaugt. Wir müssen uns aber genauer anschauen, welche finanziellen Institutionen Zugang zu dem umgekehrten Rückkaufgeschäft der Fed haben.

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Nicht alle Banken haben Zugang. Die „Primary Dealers“ (die US-Staatsanleihen kaufen und verkaufen) haben Zugang. Hinzu kommen aber nur die für Rückkaufgeschäfte anerkannten Gegenparteien der New York Federal Reserve Bank. Liest man die Liste, hat man eine Who’s-who-Übersicht von Wall Street und internationalen Investitionsbanken: Unter anderen findet man dort alte Namen wie J. P. Morgan und Goldman Sachs, neuere wie BlackRock und Vanguard und große nicht-amerikanische Banken wie Credit Suisse und UBS. Der internationale Aspekt ist für unsere Analyse besonders interessant. Insbesondere in den Märkten, wo internationale Banken Geschäfte tätigen, ist das Angebot von US-Dollar kleiner geworden durch die Deflation der Fed – das betrifft vor allem das Eurodollarsystem.

Die Fed und Eurodollar

Eurodollar sind einfach Dollareinlagen außerhalb der Vereinigten Staaten und außerhalb der Reichweite der amerikanischen Behörden und deren Vorschriften. Die Rolle der Eurodollar im internationalen finanziellen System hat seit den 60er Jahren stetig zugenommen. Das Eurodollarsystem ist aber nicht vom amerikanischen Bankensystem völlig abgeschnitten – es ist vor allem nicht ohne Beziehung zu der amerikanischen Zentralbank. Wie alle modernen Banken operieren die Eurodollar-Institutionen nach dem Prinzip der Teilreserve-Deckung .

Wenn Reserven billig und reichlich vorhanden sind, expandieren die Eurodollarbanken; und wenn Reserven teuer und knapp sind, schrumpfen die Emission von Umlaufmitteln und der Zirkulationskredit der Eurodollarbanken. Die größte und letztendlich einzige Quelle der Dollarreserven ist die amerikanische Zentralbank. Entweder strömen neue Reserven direkt von der Fed durch internationale Banken in das Eurodollarsystem oder die Fed stellt neue Reserven zur Verfügung für das einheimische Bankensystem und amerikanische Banken vergeben dann größere Kredite an internationale Darlehensnehmer. Damit haben Eurodollarbanken durch das Wachstum des umgekehrten Rückkaufgeschäfts der Fed eine große Reserveknappheit erlebt, obwohl die einheimischen Auswirkungen dieses Wachstums bisher nur gering waren.

Abbildung 2: US-Dollar – Euro Wechselkurs (Spotpreis), Januar 2021 – Januar 2023

Wir haben leider kein genaues Wissen von der Anzahl der Eurodollars. Die sehr schnelle Steigerung des Dollarwertes in 2021 und 2022 lässt uns aber mittlerweile vermuten, dass es eine ansehnliche Deflation des Eurodollarangebotes gab (Abbildung 2). Diese Deflation und die Entwicklung des umgekehrten Rückkaufgeschäfts der Fed stimmen gut überein: Der Dollar stieg stetig im Wert auf fast 96 US-Cent pro Euro im späten September 2022 und hat danach deutlich an Wert verloren, während ein Höhepunkt von Reverse Repos in Höhe von 2,4 Billionen Dollar am Freitag, dem 30. September 2022 erreicht wurde, wonach die Menge der Reverse Repos wesentlich gesunken ist (Abbildung 3 – aber beachten Sie die saisonbedingten Schwankungen). Die deflationäre Politik der Fed fand deswegen tatsächlich ihr Ende im Oktober 2022. Danach hatte das viele Reden der Fed-Behörde über höhere Zinsen und Verknappung keine Beziehung zur Wirklichkeit im internationalen Dollarmarkt.

Abbildung 3: Übernacht Fed Reverse Repos, Januar 2021 – Januar 2023

Zurück nach Bern

Es ist bemerkenswert, dass die Fed ihre Politik änderte, genau als Credit Suisse im Oktober 2022 in Liquiditätsprobleme geriet. Dieser Politikwechsel wurde aber nicht notwendigerweise ausschließlich von der Fed vorangetrieben. Kreditverknappung alleine würde die Zinssätze nach oben treiben und dies würde es attraktiver machen, von Repos bei der Fed zu expansiver Vergabe von Zirkulationskredit an Private zu wechseln. Wenn der Kredit knapper würde für Credit Suisse, wären die Schweizer Bankiers bereit, sogar sehr hohe Zinsen zahlen, um den Geldabfluss zu finanzieren und die Illiquidität und den Konkurs zu verhindern. Dies könnte jedoch nur eine kurzzeitige Veränderung des Liquiditätsflusses bedeuten, bis die Fed verstanden hätte, dass ihr Repo-Zinssatz zu niedrig war. Der dauerhafte Wechsel zu einer lockeren Geldpolitik im Oktober 2022 war damit Resultat einer bewussten Entscheidung der Zentralbank, dessen Ziel die Unterstützung des Eurodollar-Marktes war (und ist).

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Man kann darüber spekulieren, warum die Fed erst eine Deflation des Eurodollar-Systems verursachte, um danach zu versuchen, ihre Entscheidung rückgängig zu machen, als die erste Bank (in der Tat die Credit Suisse) vor dem Bankrott stand. Es besteht immer die Möglichkeit, dass die angeblichen Meister der Geldpolitik völlig ahnungslos waren. Es ist aber nicht glaubwürdig, dass die „Cantillionäre“, also die Bankiers und Financiers, die der Zentralbank nahestehen, deren Vermögen und Macht von dieser Nähe und von den Privilegien abhängen und die das Fiat-Geldsystem unterstützen, nicht einsahen, welche Konsequenzen diese Änderung der Geldpolitik haben würde.

Laut der Erläuterung der Fed ist ein höherer Repo-Zinssatz (und die darauf folgenden größeren umgekehrten Rückkaufvereinbarungen) eine schlechthin notwendige Politik, wenn die Zentralbank die Zinssätze auf Bankreserven erhöht, um damit eine einheimische Inflation des Geldangebotes zu vermeiden. Die Fed riskierte, ihre Glaubwürdigkeit völlig zu verlieren, wenn sie angesichts einer hohen Inflation und des Geldüberhangs der Coronapolitik nichts getan hätte. Jerome Powell, Vorstand der Fed und seine zinssetzenden Büro-Kollegen haben vielleicht gedacht, dass sie einfach keine Wahl hatten. Als aber ihre wichtigste Klientel, die Cantillionäre, die Folgen der Deflation spürten und in Probleme gerieten, kehrte die Zentralbank so schnell wie möglich um.

Zentralbank der Welt?

Nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse, die von UBS übernommen wurde, haben die Fed und die wichtigsten Zentralbanken der Welt am 19. März ihre Liquiditätsswap-Linien reaktiviert. Diese Liquiditätsswap-Linien waren sehr wichtig, als die Zentralbanken das internationale Finanzsystem nach der Krise von 2008 „retteten.“ Heute werden sie wahrscheinlich eine ähnliche Rolle spielen: Die Zentralbanken der Welt werden Dollar von der Fed leihen gegen ihre eigenen Währungen als Sicherheit.

Lassen Sie uns zum Beispiel sagen, die Schweizerische Nationalbank (SNB) will die Schweizer Banken mit Dollar-Liquidität versorgen. Durch ein „Liquiditätsswap“ mit der Fed kauft die SNB Dollar von der Fed gegen ein Schweizer Franken-Depot, das bei der SNB liegt. Die SNB kann dann mit ihren neuen Dollar den Schweizer Banken Dollar-denominierte Liquidität gewähren. Um das „Swap“ zu beenden, muss die SNB ihre Dollar wieder an die Fed verkaufen gegen die Schweizer Franken, die die Fed bei der SNB hält. Der Wechselkurs zwischen Dollar und Franken ist während dieses Geschäftes sozusagen „eingefroren“. Die SNB muss nur für das Darlehen Zinsen an die Fed zahlen. Der Swap ist jedoch auch ein inflationäres Instrument: Geld wird neu geschaffen für solche Swaps – und das ist letzten Endes alles, was eine Notenbank machen kann.

Eine zweite, wichtige, neu-aufgelegte Inflationspolitik der Fed ist die „Foreign and International Monetary Authorities (FIMA) Repo Facility“. Durch diese Einrichtung können Zentralbanken Dollar leihen gegen US-Staatsanleihen als Sicherheit. Obwohl das Hauptinteresse der Presse die Liquiditäts-Swap-Linien sind, fand die wirkliche Action bisher hier statt: Das Angebot von Repos an offizielle Institutionen ist in kurzem von 0 auf 60 Milliarden Dollar gestiegen (Mittwoch, 22. März 2023). Vielleicht ist das nur eine momentane, begrenzte Liquiditätshilfe; wir werden bald sehen, wie viele Milliarden die Fed in das globale Finanzsystem pumpen will.

Das klingt vielleicht alles, als ob die Fed nun aus purem Altruismus das ganze globale Finanzsystem zu retten versucht. So ist ihre ausdrückliche Absicht tatsächlich, aber sie ist alles andere als altruistisch. Das Eurodollar-System und das internationale, zentralbank-gesponserte Finanzsystem im Ganzen sind zum Vorteil der Cantillionäre, weil diese dadurch eine privilegierte Position als „Bankiers der ganzen Welt“ einnehmen können. Die Fed hätte am meisten zu verlieren, wenn das Eurodollar-System zusammenbrechen würde. Irgendeine Währung könnte die globale Handelswährung sein, die globale Verwendung des Dollars und damit das von der Fed und den westlichen Zentralbanken unterstützte Eurodollar-System sind nicht notwendig. Diese sind jedoch für die USA sehr nützlich: Durch den Geldschöpfungsgewinn beziehungsweise die Seigniorage, welche die globale Verwendung des Dollars bringt, können sie ihr permanentes Zahlungsbilanzdefizit finanzieren. Die USA exportieren sozusagen Dollar und Schulden und kriegen dafür Waren und Dienstleistungen, während Amerikaner günstig ausländische Wirtschaftsgüter kaufen können. Barry Eichengreen hat geschätzt, dass die USA auf ihre internationalen Schulden 2-3 Prozent weniger zahlen müssen, als sie durch ihre internationalen Investments einnehmen.

Das globale Finanzsystem ist tatsächlich dem alten Bretton-Woods-System sehr ähnlich. Das Bretton-Woods-System bewirkte eine große Vermögensübertragung von Europa nach Amerika, es bewirkte die Plünderung Europas, wie Jacques Rueff es ausdrückte. Das moderne, dollarbasierte Finanzsystem verursacht ähnliche Vorteile für die amerikanische Volkswirtschaft und für amerikanische Financiers. Amerikaner können mehr konsumieren und der amerikanische Staat kann mehr ausgeben, weil Ausländer gezwungen oder veranlasst sind, den Dollar zu verwenden. Die amerikanische Zentralbank handelt jetzt wie stets schlicht gemäß den Interessen ihrer eigenen Kundschaft. Diese Interessen diktieren die Zentralbankpolitik. Die deflationäre Politik der Fed wurde wahrscheinlich als notwendig angesehen, um die Legitimität des Systems zu bewahren. Als die Deflation aber in große Probleme mündete, wechselte die Fed blitzschnell zu einer inflationären Politik. Credit Suisse fiel trotz dieses Wechsels und wir sehen jetzt mehr und radikalere Interventionen in das Finanzsystem. Das alles zeigt die Grenzen der Macht der Zentralbanken. Zum Nachteil der Vielen kann die Zentralbank kleine Gruppen begünstigen. Inflation aber kann die Wirklichkeit nur kurzfristig verzerren, sie kann nie einen permanenten Wohlstand bewirken. Das Ergebnis ist immer eine wirtschaftliche Krise.

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Dieser Beitrag erschien am 28. März unter dem Titel “Is the Fed Trying to Bail Out the World? Sure Looks Like It” auf der Website des Mises Institute, Auburn, Alabama (USA).

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Dr. Kristoffer Mousten Hansen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig. Er ist außerdem Research Fellow des Mises Institute, Auburn, Alabama.

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