Jung, rebellisch, kapitalistisch: Kennen Sie schon die Anti-Klima-Kleber?

28. August 2023 – von Rainer Zitelmann

Rainer Zitelmann

Jenseits von „Klima-Klebern“ und Fridays for Future gibt es auch junge Menschen, die begeistert sind vom Kapitalismus und klassisch-liberalen Ideen. Die Gruppe „Liberty Rising“ sieht sich als radikal kapitalistisch – und findet mit ihren Ideen durchaus Anklang.

Neulich habe ich einen Vortrag bei „Liberty Rising“ gehalten, eine Gruppe junger Menschen, die ich vorher noch nicht kannte. Sie berufen sich auf die russisch-amerikanische libertäre Philosophin Ayn Rand, von der ich einige Bücher gelesen habe. So wie ihr Vorbild Ayn Rand streiten die jungen liberalen Freiheitsfreunde für mehr Kapitalismus und gegen den immer weiter ausufernden Sozialstaat.

„Leistung statt Hängertum – Sozialstaat abschaffen“

Junge Menschen lieben die Provokation – man kennt das etwa von den Jugendorganisationen der Grünen und der SPD. Provokation sieht bei „Liberty Rising“ allerdings anders aus: In dem Veranstaltungsraum hing ein riesiges Plakat: „Leistung statt Hängertum. Sozialstaat abschaffen.“ Das Banner stammte von einer Aktion, die die Gruppe im vergangenen Jahr in Berlin, München, Stuttgart, Chemnitz und Münster durchführte.

Jährlich veranstaltet die Gruppe Events, wie das „Soul of Liberty“, das dieses Jahr auf einer Burg in Thüringen stattfand und wo ich als Gastredner zum Thema „Die Irrtümer der Antikapitalisten“ eingeladen war. Bei dem Festival gibt es Vorträge und Workshops zu Themen wie Kapitalismus und Lebensphilosophie, aber auch zu Themen wie Bitcoin, moderne Architektur oder Leistungssteigerung. Gekommen waren diesmal etwa fast 100 junge Leute, überwiegend junge Männer. Insgesamt hat Liberty Rising 130 Mitglieder.

Bei früheren Veranstaltungen kamen noch mehr Leute, aber einige sind jetzt nicht mehr dabei, weil radikalen Anarchisten Ayn Rands Bekenntnis zum Minimalstaat und ihre Lebensphilosophie nicht gepasst hat“, so der Gründer Stefan Griese.

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Motto: Anpacken, statt öffentlich zu jammern

Der erste Implus zu der Gruppe, so Griese, „entstand während des gemeinsamen Auslandssemesters von Max Remke und mir an der Korea University in Seoul. Uns gefiel das koreanische Lebensgefühl – radikale Urbanität, Leistungsgesellschaft, eine ausgeprägte Tendenz anzupacken, statt öffentlich zu jammern“.

Tatsächlich, dies zeigt eine von mir für das Buch „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“ bei Ipsos MORI in Auftrag gegebene Umfrage in 34 Ländern, ist die Unterstützung für den Kapitalismus nur in Polen und den USA noch größer als in Südkorea. Die beiden Gründer Griese und Remke kannten sich schon vorher: Sie kommen beide von ganz links und waren zuvor in der Jugendorganisation der Linken (Linksjugend solid) aktiv. „Was uns damals nachdenklich machte, war der Widerspruch zwischen Theorie und Praxis“, erinnert sich Max Remke.

„Die Linken versprachen Wohlstand und lieferten Güterknappheit und Armut. Sie versprachen Freiheit und errichteten überall, wo sie an die Macht kamen, totalitäre Diktaturen.“ Griese und Remke machten sich auf die Suche nach Denkern, die besser zu ihren Zielen passten – sie begannen bei dem österreichisch-amerikanischen Philosophen Karl Popper und endeten bei Ayn Rand.

„Berufsverkehr statt Klimakleber“

Liberty Rising hat bislang etwa 70 Vorträge und Fortbildungsevents organisiert, macht aber auch sonst durch Aktionen auf sich aufmerksam. So hielten Mitglieder ein Banner mit der Aufschrift „Berufsverkehr statt Klimakleber – Industrie & Kapitalismus statt Ökodiktat“ vor dem Treffpunkt der „Letzten Generation“ hoch. Vor dem Marx-Engels Denkmal in Berlin Mitte enthüllten sie vier große Planen mit der Aufschrift „Kommunismus tötet“.

Neben Informationstexten wurden auch eine Liste der Mauertoten und eine Aufstellung über die Opfer des Kommunismus angebracht.  Zum Jahrestag der Ausrufung der Räterepublik durch Karl Liebknecht veranstaltete die Gruppe vor dem historischen Schlossportal in Berlin eine Aktion unter dem Motto „Minimalstaat jetzt!“

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Bewegung bezeichnet sich als „radikale Kapitalisten“

Anfangs haben wir uns auch an den Protesten gegen die Corona-Politik beteiligt“, so Griese, „doch später konnten wir diese nicht mehr unterstützen, weil Verschwörungstheoretiker und Leute mit fragwürdigen Ideologien – wie etwa Antiamerikanismus – immer mehr die Proteste dominierten.

Wichtig sei vor allem, den vorpolitischen Raum zu besetzen. „Das habe ich bei den Linken gelernt“, erklärt er. So beschäftigt sich die Gruppe mit individueller Lebensphilosophie und Strategien zur Entwicklung des Selbstbewusstseins.

Sie hat ein Musikprojekt „Capitalist Squad“ und betreibt einen Online-Shop „Kapitalistische Ästhetik“.

Wir stehen für eine Leitkultur aus Individualismus und Leistung, und unser langfristiges Ziel ist ein liberaler Minimalstaat sowie eine Gesellschaft, die Freiheit und Eigenverantwortung zu schätzen weiß“, so Griese.

Linken und rechten Kollektivisten und Antikapitalisten stehen sie gleichsam ablehnend gegenüber. Sie selbst bezeichnen sich als „radikale Kapitalisten“.

Anfangs waren wir noch deutlich näher bei der libertären Szene. Aber große Teile der libertären Szene in Deutschland wurden im Verlauf der letzten Jahre immer konservativer, AfD-näher, verschwörungstheoretischer und russlandfreundlicher, sodass wir ab 2022 auf Distanz gegangen sind“, sagt Griese.

„Liberty Rising“ steht klar auf der Seite der Ukraine und nahm auch an Demonstrationen für mehr Waffenlieferungen teil. Motto: „Freiheit und Kapitalismus erkämpfen sich nicht von alleine“. Zum Gedenken an den Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 initiierten sie Aktionen gegen die sowjetischen Ehrenmonumente in Berlin und Stendal unter dem Motto „70 Jahre Volksaufstand – Kein Steuergeld für totalitäre Monumente“.

Liberty Rising und die Jungen Liberalen

Parteipolitisch steht „Liberty Rising“ am ehesten der FDP nahe, aber sie sehen die liberale Partei keineswegs unkritisch. Seit Anfang des Jahres gibt es die Gruppe „jung.liberal.kapitalistisch.“ (jlk), die eng mit Liberty Rising zusammenarbeitet und sich an Mitglieder der FDP und vor allem ihre Jugendorganisation, die Jungen Liberalen, wendet. Den Startschuss für die klassisch-liberale Vereinigung gab eine bundesweite Aktion für den Freedom Day, die 2022 zu einem entsprechenden Bundesbeschluss der Jungen Liberalen führte. Beflügelt von diesem Erfolg, kam es schließlich zur Gründung von jlk.

Seitdem konzentriert sich jung.liberal.kapitalistisch darauf, ein Anlaufpunkt für Junge Liberale zu sein, die Denker wie Ludwig von Mises, Ayn Rand, John Locke oder Frédéric Bastiat schätzen. Während beispielsweise die Linke offene Grenzen und einen Sozialstaat fordert, glaubt Liberty Rising, dass beides nicht zusammen geht. Sie sind dafür, den Sozialstaat abzuschaffen – damit würden dann auch keine falschen Anreize zur Einwanderung mehr gegeben.

Ihre Ideen finden auch beim Bundeskongress Anklang

Jeder, der durch eigene Leistung sein Leben bestreitet, nicht kriminell ist und keiner freiheits- und rechtsstaatsfeindlichen Ideologie anhängt, soll das Recht haben, zu uns zu kommen. Aber er darf keine staatlichen Leistungen erwarten“, so Griese.

Er hat übrigens seine Masterarbeit über die Stellung der Libertären zur Zuwanderung geschrieben und dafür Aktivisten der libertären Bewegung in den USA interviewt.

Die „jlk“ vertreten bei der FDP-Jugendorganisation „Jungen Liberale“ eine Minderheitenposition, aber mit einigen Ideen finden sie durchaus Zuspruch. Beim letzten Bundeskongress brachte die Gruppe einen Antrag ein, den Öffentlich Rechtlichen Rundfunk vollständig zu privatisieren. Wenngleich der Antrag scheiterte, werteten sie 30 Prozent Zustimmung als Achtungserfolg. Und dass Liberty Rising bzw. jlk innerhalb der Jungen Liberalen ernstgenommen werden, sehe man daran, dass der damaligen Bundesvorsitzende Jens Teutrine ein Streitgespräch mit Stefan Griese führte, das auch veröffentlich wurde.

In einer Zeit, in der immer mehr junge Menschen entweder radikal linksgrüne oder radikal rechte Positionen einnehmen, ist es gut zu wissen, dass es auch junge Menschen gibt, die sich als klassisch-liberal bezeichnen und für Freiheit und Kapitalismus streiten.

Dieser Artikel ist bereits am 17.08.2023 als Gastbeitrag bei Focus Online erschienen.

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Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist promovierter Historiker und Soziologe. Zitelmann hat 27 Bücher geschrieben und herausgegeben, u.a. „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“. Seine Bücher werden weltweit in zahlreiche Sprachen übersetzt – sein Buch „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“ (englisch: In Defense of Capitalism) erscheint in 30 Sprachen. Mehr Informationen: www.rainer-zitelmann.de

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Liberty Rising

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