Erbschaftssteuern sind doppeltes Abrechnen für abgegoltene Leistungen

20. März 2023 – von Burkhard Sievert

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Eigentum entsteht, sobald jede an einem freiwilligen Tausch beteiligte Partei ihren Beitrag geleistet hat. Weil jede Partei ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, gibt es auch keinen an die „Gesellschaft“ zu verteilenden Rest.

Wenn Plünderung für eine Gruppe von Menschen in einer Gesellschaft zur Lebensform wird, dann schaffen sie im Laufe der Zeit ein Rechtssystem, das dies legalisiert, und einen Moralkodex, der dies glorifiziert.

Frédéric Bastiat (21848).

Anthony de Jasay

Dieser Artikel behandelt einen wesentlichen Begriff innerhalb einer gesellschaftlichen Ordnung, nämlich den Begriff des Rechts, sowie dessen vollkommene Umwandlung im Laufe der Zeit. Der wichtigste Begriff für einen Liberalen ist natürlich der Begriff der Freiheit.

Liberalismus ist eine politische Theorie, deren oberstes strategisches Ziel die Maximierung der individuellen Freiheit ist. Es gilt das Primat der Freiheit, wobei eine Freiheit eine Beziehung zwischen Personen, Objekten und Handlungen ausdrückt, die durch Konventionen begrenzt ist. Freiheit meint also nicht die entgrenzte Freiheit der Freiheit wegen, das wäre Anomie, sondern die Freiheit des Menschen, sich zwischen mehreren realisierbaren Handlungen unter Beachtung der etablierten Konventionen entscheiden zu können. Eine Freiheit wird ausgeübt, ohne dass eine andere Person eine bestimmte Leistung verlangt. Abgesehen von negativen externen Effekten, die durch den Gebrauch meiner Freiheit entstehen können, ist meine Freiheit für alle anderen Personen kostenlos. „Alles ist erlaubt, was nicht verboten ist,“ beschreibt die Regel des Liberalismus.

Die implizite Vermutung begünstigt eine realisierbare Handlung: Wenn es sich nicht um eine Freiheit oder die Erfüllung einer aus einer Vereinbarung abgeleiteten Verpflichtung handelt, muss es sich entweder um eine unerlaubte Handlung oder um die Verletzung einer Verpflichtung handeln, und die Beweislast liegt beim Rechtehalter, beim potenziellen Kläger, beim angehenden Einsprechenden gegen die Freiheit. Ihm obliegt es jeweils zu zeigen, dass er im Recht ist.

Jasay (2020b), S. 372.

Die Wesensverwandtschaft der Freiheitsvermutung zur Unschuldsvermutung ist offensichtlich: Der Beschuldigte gilt als unschuldig bis zum Beweis seiner Schuld. Da Sollen Können impliziert, trägt der Kläger die Beweislast. Würde stattdessen die Beweislast umgedreht und vom Beschuldigten der Beweis seiner Unschuld verlangt werden, dann würde von ihm etwas Unmögliches verlangt werden. Etwas Unmögliches kann nicht bewiesen werden. Wer etwas Unmögliches verlangt, der trägt die Beweislast.

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Ein Recht gewährt seinem Inhaber einen Vorteil. Damit er ihn genießen kann, muss der Schuldner des Rechts seiner Verpflichtung nachkommen. Der Rechtehalter kann vom Schuldner die Erbringung der vorgesehenen Leistung verlangen. Hätte der Liberalismus die Maximierung der individuellen Rechte als oberstes strategisches Ziel, dann wäre „Liberalismus“ eine Fehlbezeichnung dafür. Für eine solche rechtebasierte politische Theorie wäre vielmehr der Begriff „Rechtsanspruchsideologie“ (engl. „rightsism“, auch als Rechtspositivismus bezeichnet) passend. Die Regel dafür lautet: „Alles ist verboten, was nicht erlaubt ist.“ Für solcherlei „Rechte“ benötigt es eine dem Menschen übergeordnete „Autorität“, die darüber entscheidet, was ihm erlaubt und was ihm verboten ist. Diese Regel legt dem Handelnden die Beweislast für die Zulässigkeit seiner Handlung auf. Er muss eine Erlaubnis („Grundrecht“ aus einer Verfassung, „Menschenrecht“, „Naturrecht“) vorweisen, um die für ihn realisierbare Handlung tun zu dürfen. Er handelt nicht selbstbestimmt, sondern fremdbestimmt. Beide Regeln schließen sich gegenseitig aus. Die eine Regel geht aus vom Individuum, die andere benötigt eine Autorität, die Rechte gewährt oder entzieht. Doch wer gewährt der Autorität die Rechtegewährung? Woher kommt dieses Recht? Der Liberale verlangt vom Rechtehalter einen Beweis für das vorgebliche Recht.

Doch wer gewährt der Autorität die Rechtegewährung? Woher kommt dieses Recht? Der Liberale verlangt vom Rechtehalter einen Beweis für das vorgebliche Recht.

„Es soll Gerechtigkeit geschehen, damit die Welt nicht darüber zugrunde geht“

Der lateinische Ausspruch „fiat justitia, ne pereat mundus“ kennzeichnet eine Ordnung, in dem die Handlungen des Einzelnen durch Konventionen begrenzt sind. Dabei ist Recht ein System von Regeln, die es ermöglichen, aus feststellbaren Tatsachen abzuleiten, wem bestimmte Dinge gehören. Das Grundprinzip der Gerechtigkeit ist „Jedermann das Seine“, Ulpians suum cuique. Dieses System von Regeln dient der Konfliktvermeidung, der Erleichterung der Kooperation innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung. Was zählt, ist die Art und Weise, in der sich die Kooperation vollzieht, nicht dessen Ergebnis, das heißt, ist eine Handlung gerecht, so ist auch ihr Ergebnis gerecht.

Demgegenüber ist „fiat justitia, pereat mundus“ eine Haltung, die „Recht“ um jeden Preis schaffen will: Macht hat Recht. Diese Haltung ist vom „Willen“ oder den „Interessen“ oder einem ähnlichen Drang nach spezifischen Ergebnissen bestimmt. Dieser Vorstellung der vorsätzlichen Schaffung von Recht durch menschlichen Willen steht der des Liberalismus diametral gegenüber, weil dem Liberalismus der Gedanke der Erreichung bestimmter Ergebnisse durch Recht fremd ist. Es ist eine kollektivistische Vorstellung und ihre Vertreter haben die vollständige Kontrolle über die Gesellschaftsordnung als Ziel, siehe Hayek (2013), S. 188–202.

Der große Unterschied zwischen Freiheiten und Rechten ist die Last: sowohl im Sinne der Kosten als auch im Sinne des Beweises.

Während in Sachen Freiheit die Beweislast bei denen liegt, die vorhaben, sie zu behindern oder einzuschränken, liegt die Beweislast in Bezug auf die Rechte bei demjenigen, der einen Vorteil von anderen beansprucht, denn er muss zeigen, warum die mutmaßlichen Schuldner zu dem Vorteil beitragen sollten.

Jasay (2020b), S. 399.

Der Gegensatz zu dem zu politischem Moralismus neigenden Kollektivismus ist der strikte Liberalismus. Durch die Unterscheidung zwischen Freiheiten und Rechten nebst entsprechender Zuweisung der Beweislast wird die Beziehung zwischen dem Menschen und der Regierung, die der Staat ist, neu geordnet. Der strikte Liberalismus lehnt Politik im Sinne des Verfolgens gemeinsamer Ziele nicht pauschal ab – in jeder Familie, in jedem Unternehmen gibt es sie –, nur weist er denjenigen die Beweislast zu, die ein Recht zu haben behaupten.

Freiheiten und Rechte gehen dem Staat voran

Nach klassisch-liberaler Sichtweise gehen Freiheiten und Rechte der Menschen sowohl logisch als auch historisch dem Staat voran, denn ansonsten würde der Staat vor den Menschen entstanden sein.

Nicht weil die Menschen Gesetze erlassen haben, gibt es Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum. Im Gegenteil, weil Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum vorherbestehen, erlassen die Menschen Gesetze.

Bastiat (2001), S. 17.

Da der Staat seine Legitimation von den ihn gründenden Menschen erhält, kann der Staat keine anderen Aufgaben haben, als die Ziele der ihn gründenden Menschen. Menschen schließen sich zu einem kollektiven Körper zusammen, um für die Verteidigung der Person (die körperliche Unversehrtheit), ihrer Freiheit und ihres Eigentums zu sorgen. Dies sind die einzigen legitimem Aufgaben des Staates.

Ebenso wie die Gewalt eines Individuums nicht legitim auf die Person, die Freiheit, das Eigentum eines anderen Individuums übergreifen kann, kann aus demselben Grund die Kollektivgewalt nicht legitim angewendet werden, um die Person, die Freiheit, das Eigentum von Individuen oder Klassen zu zerstören.

Bastiat (2001), S. 18.

„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“, hat der heilige Augustinus gesagt, so Papst Benedikt XVI. am 22. September 2011 in seiner Rede im Deutschen Bundestag.

Durch Verfassungen verwandeln sich diese Freiheiten vermeintlich in Rechte, Recht auf Persönlichkeit, Recht auf Freiheit und Recht auf Eigentum. Wieso sollte es da nicht auch Recht auf Fürsorge geben, also Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnen, Recht auf Bildung, Recht auf was immer gerade on vogue ist? Jeder Mensch hat ein Interesse daran. Im strikten Liberalismus wird dieses Interesse durch Zustimmung der Vertragsparteien in einem tatsächlichen Vertrag ausgedrückt. Nur Tatsachen besitzen einen Wahrheitswert, lassen sich falsifizieren und verifizieren.

Die aus Verfassungen resultierenden Rechte sind prekär, sie sind beliebig interpretierbar oder werden schlicht nicht beachtet. Verfassungen gleichen einem Keuschheitsgürtel, dessen Schlüssel immer in Reichweite des Trägers ist, so Anthony de Jasay (2018), S. 195. Die Argumentation über verfassungsmäßige Rechte, die Freiheiten sind, erweist sich für den klassischen Liberalismus im Vergleich zur Freiheitsvermutung des strikten Liberalismus als taktischer Fehler. Durch diese Sprachverwirrung erhalten zwei unterschiedliche Beziehungen zwischen Menschen und Handlungen den gleichen Namen. Die Freiheitsvermutung erfordert einen Beweis für ein vorgebliches Recht.

Da jeder Mensch nur über unvollständiges Wissen verfügt – das wusste schon Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ –, ist es darüber hinaus nur für eine aus Göttern bestehende Regierung ohne einen echten Vertrag möglich zu wissen, wieviel sie für die Verteidigung der Rechte des Einzelnen, die eigentlich Freiheiten sind, aufwenden soll. Regierungen bestehen aber aus Menschen und die sind aus Fleisch und Blut. Der klassische Verfassungs-Liberalismus strebt Ziele an, die unmöglich zu erreichen sind und ist daher zum Scheitern verurteilt. Die Gleichsetzung von Freiheiten und Rechten führt zur Sprachverwirrung, womit er sein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen politischen Theorien, z. B. der Sozialdemokratie, verliert. Der klassische Liberalismus ist nicht strikt.

Einige Autoren bringen als Ausflucht den Gesellschaftsvertrag ins Spiel. Fiktive Menschen schließen einen fiktiven Vertrag. Es wird gern – von persönlich Involvierten – argumentiert, dass der Staat erforderlich sei, um Verträge durchzusetzen. Wenn Verträge einen Durchsetzer erfordern, wie könnte es einen Gesellschaftsvertrag geben, der einen Durchsetzer erschafft, ohne dass seine Durchsetzung durch einen übergeordneten Durchsetzer gewährleistet wird, der durch einen übergeordneten Gesellschaftsvertrag geschaffen wurde? Und wer setzt die Verträge durch, in denen der Staat selbst Partei ist? Ist der Staat ein interessenloses Wesen? Das Hauptargument für Zwang erweist sich als unschlüssig, darüber hinaus ist die Notwendigkeit für einen Gesellschaftsvertrag bestenfalls unbewiesen. Die besten Argumente gegen Gesellschaftsverträge und für Freiheit liefert Antony de Jasay z. B. in: Der Gesellschaftsvertrag und die Trittbrettfahrer, in Gegen Politik oder in Der indische Seiltrick.

Kein Staat ist jemals über einen Gesellschaftsvertrag entstanden. Die Theorien über einen Gesellschaftsvertrag entstanden erst, nachdem die Staaten schon existierten und dienen zu deren Legitimation. Doch wie entstanden Staaten wirklich? Wie hat alles angefangen? Wer war der erste, der irgendjemand das Recht gegeben hat, über andere zu herrschen? Der deutsche Ökonom, Soziologe und Arzt Franz Oppenheimer (1864 – 1943) und Doktorvater Ludwig Erhards formulierte es wie folgt: Staaten entsprangen historisch aus „siegreichen Menschengruppen“, die einer „besiegten Menschengruppe“ ihren „Schutz“ gegen die Entrichtung einer „Schutzgebühr“ feilboten, mit dem einzigen Ziel „die Herrschaft der ersten [Gruppe] über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern“, Franz Oppenheimer (1990, 31929): Der Staat, S. 15.

Ihr „Schutz“ bestand im Wesentlichen aus der Abwehr konkurrierender Machthaber. Angst vor einer Gefahr, z. B. dem Teufel, einer tödlichen Krankheit, an der „wir“ alle sterben werden, ist dazu ein hervorragendes Mittel, um die so „Beschützten“ dazu zu bringen, ihre Schutzgebühr „freiwillig“ zu entrichten, denn nur die Beschützer haben einen entsprechenden Gewaltapparat und können diese Gefahr besiegen. Bereitwillig unterlassen es die Beschützten, eigenständig zu denken, und wiederholen wie Papageien unaufhörlich die Argumente ihrer Herren. Zur Meinungsbildung organisierte der Staat die passende Ideologie und Propaganda sowie die Zensur widerstreitender Ideologien und Propaganda, später den öffentlichen Rundfunk und das Bildungswesen. Gewalt gegen die „Beschützten“ ist teuer, Macht über die Gedanken ist günstiger. „Eine Regierung gründet sich daher ausschließlich auf Meinung“, Hume (1988), S. 25. Staaten, wie wir sie heute kennen, entstanden aus Selbstermächtigung, ihre Grundlage ist Macht, nicht Recht.

Staaten, wie wir sie heute kennen, entstanden aus Selbstermächtigung, ihre Grundlage ist Macht, nicht Recht.

Es gibt für einen Menschen nur zwei, grundsätzlich entgegengesetzte Mittel der Lebenserhaltung. Entweder das Mittel der Arbeit, also durch die Produktion von Gütern und Leistungen sowie deren Verteilung (ökonomisches Mittel) oder das Mittel des Zwanges, also durch gewaltsame Aneignung von Gütern und Leistungen (politisches Mittel). Für Ersteres muss er sich Wissen aneignen, dass er in Eigentum umwandelt, um am Produktions- und Verteilungsprozess teilnehmen zu können.

Indem jeder Mensch mit anderen interagiert, initiiert er einen Prozess der Koordination, in dem stillschweigendes, praktisches und verstreutes Wissen kontinuierlich geschaffen, entdeckt und zwischen Menschen übertragen wird.

Soto (2013), S. 51.

Die gewaltsame Verletzung des Eigentums wird gemeinhin Raub genannt. Da die Produktion von Gütern und Leistungen immer dem Raub vorausgehen muss, geht der Markt dem Staat vorher. Der Staat kann unmöglich aus einem Gesellschaftsvertrag entstanden sein. Staatsausgaben sind folglich nichts anderes als die Beschlagnahme von Eigentum, um dies jemand anderem zu geben, dem es nicht gehört. Moralphilosophisch betrachtet ist diese Pervertierung des Rechts und der Moral legalisierter Raub. Erzwungene Wegnahme wird in Recht verwandelt und die legitime Verteidigung von Person, Freiheit und Eigentum in ein Verbrechen. Dabei beruft sich die Herrschergruppe entweder auf gottgegebenes Recht oder auf den Willen einer unbestimmten Mehrheit (Sozialdemokratie). Die Sozialdemokratie ist durchdrungen von den Herrschaftsprinzipien des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Thron des Königs wurde nur von einem anderen König besetzt. Der Liberalismus dagegen ist ein Entmachtungsinstrument für diese überkommene Institution.

Eigentum ist ein anderes Wort für Freiheit

Befürworter einer auf Eigentum basierenden Gesellschaftsordnung müssen die Frage beantworten, was Eigentum ist und wie es entsteht. Grundgedanke der Eigentumsphilosophie ist, dass kein Mensch über das Eigentum eines anderen Menschen ohne dessen Zustimmung verfügen kann. Da unsere Reichweite in diesem Universum begrenzt ist, wird es immer Konflikte um die Kontrolle und die angemessene Nutzung der knappen Ressourcen geben. Der Liberalismus regelt dies über die Institution des Eigentums. Das Programm des Liberalismus in einem Wort zusammengefasst lautet: Eigentum, so Ludwig von Mises in Liberalismus, S. 17. Keine Gesellschaftsordnung kann auf Dauer ohne Eigentumsordnung bestehen.

Das Programm des Liberalismus in einem Wort zusammengefasst lautet: Eigentum.

Die Vorstellung, dass der Mensch Eigentümer seiner Person sei (Selbsteigentum), an dem niemand anderer ein „Recht“ hat, entstammt dem Naturrecht. Sie findet sich bei John Locke, (141977, 1689), S. 216. Ein Recht ohne eine entsprechende Verpflichtung gibt es nicht. Das „Selbsteigentum“ ist eine Freiheit. Schon Kant verwirft die Idee des Selbsteigentums[1]. Eigentum stellt eine Beziehung dar zwischen einem Subjekt, in seiner Rolle als Eigentümer, und einem Objekt. Es ist unmöglich gleichzeitig Subjekt und Objekt zu sein. Es ist die Freiheit des Eigentümers, die Sache, die er besitzt, zu nutzen und darüber zu verfügen. Aus dem gleichen Grund gibt es kein „kollektiv besessenes Eigentum“.

Kollektiveigentum [widerspricht] dem eigentlichen Zweck von Eigentum, nämlich Einzelpersonen die Souveränität über den Einsatz knapper Mittel zu übertragen. Die Souveränität in bestimmten Arten von Entscheidungen kann auf Widerruf delegiert oder endgültig einem anderen übertragen werden, aber teilen lässt sie sich nicht.

Jasay (2021), S. 111.

Es ist offensichtlich, dass die „Beimengung eigener Arbeit“ allein ein Trugschluss ist.

Wenn die Sache ihm nicht von vornherein gehörte, so gehört sie ihm auch jetzt nicht, gleichgültig, was er hinzugefügt hat. Ihr seine Arbeit beizumengen, ohne unabhängig davon sicherzustellen, dass er einen Rechtstitel auf die gesamte neue Mischung haben wird, erscheint, gelinde gesagt, voreilig.

Jasay (2021), S. 108, Fn. 10.

Ein Trugschluss, den auch Immanuel Kant[2] schon aufdeckte.

Ein Recht ohne eine entsprechende Verpflichtung gibt es nicht.

Was aber begründet Eigentum? Ein knappes Gut geht aufgrund von zwei zeitlosen Konventionen zunächst von einem herrenlosen Status in einen Eigentumsstatus über. Die erste Konvention ist das Prinzip des „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, die andere Konvention ist das Prinzip des „Der Finder darf es behalten“, die die Eigentümerschaft an einer bisher unbekannten Ressource demjenigen überträgt, der sie entdeckt. Nur der Erste, der eine Sache findet, trifft zum Zeitpunkt der Auffindung auf keinen, der eine vorrangige Präferenz vorzeigen kann. Insofern ist sein Aneignen nichts weiter als die Wahrnehmung einer Freiheit. Der Erste ist nicht nur in der Lage, sondern auch frei, solche von ihm realisierbaren Handlungen durchzuführen, die nicht gegen eine spontan vereinbarte und von den Teilnehmern der Konvention angenommene Regel verstoßen oder anderweitig unter die Freiheitsvermutung fallen. Für alle nachfolgenden gilt das nicht. „Der Finder darf es behalten“ impliziert auch das Vorhandensein von Forschungskosten in der Technologie und Erkundungskosten für natürliche Ressourcen. Es gibt logischerweise eine Eigentumsvermutung – das heißt des Besitzes, der unbestreitbares Eigentum signalisiert, wenn es keinen hinreichenden Grund gibt, ihn anzufechten.

Wenn Eigentum durch Vertrag erworben wird, so bestehen Recht und Verpflichtung bis die Übertragung bestätigt und die Bezahlung erfolgt ist. Nach vollständiger Erfüllung erlöschen diese Rechte und Verpflichtungen, und das Eigentum ist somit unbelastet und frei. Dies schließt eine Reihe von Bedingungen ein, die mit der Nutzung, dem Fruchtgenuss und mit der Auflösung des Eigentums einhergehen, alle Handlungen also, die unter die Regeln gegen Unrecht fallen. Mit einem Wort, Eigentum kommt einer Freiheit gleich.

Jasay (2008), S. 183–184.

Die Einräumung von Rechten durch den Eigentümer ist ein wesentlicher, unabdingbarer Bestandteil des Eigentums. Der Eigentümer hat Vertragsfreiheit vorbehaltlich des Nachweises entgegenstehender Rechte. Vertragsfreiheit und Eigentum bedingen einander wechselseitig und das eine hat ohne das andere keinen erkennbaren Sinn.

Eigentum muss nicht notwendig ein gesellschaftliches Produkt sein. Es kann auch durch individuellen Einsatz, vollkommen losgelöst von der Gesellschaft entstehen. […] Der größte Teil des materiellen und immateriellen Eigentums aber wird natürlich im Zuge gesellschaftlicher Kooperation produziert. Diese Tatsache macht es in keiner Weise zu einem gesellschaftlichen Eigentum, außer in einem rein semantischen Sinn. Jeder vom Eigentümer besessene Gegenstand entstand in seiner momentanen Form durch den Einsatz zahlloser Güter und Leistungen, bereitgestellt von ehemaligen oder gegenwärtigen Mitgliedern der Gesellschaft. Diese aber wurden bereits zum Zeitpunkt ihrer jeweiligen Leistungen entlohnt. Ihnen auch jetzt noch einen Anteil am Produkt zukommen zu lassen, würde einer zweiten Bezahlung gleichkommen. […] Der gegenwärtige Besitzer hält sein Eigentum nicht, weil ihm die Gesellschaft dies großzügig erlaubt, sondern weil er alle, die ihn bei der Produktion unterstützt haben, schon entlohnte, oder weil er es von irgendjemandem, der dies schon erledigt hat, erwarb oder erbte. […] Eigentum ist weder ‚gesellschaftlich’, weil viele oder gar der größte Teil der ‚Gesellschaft’ zu seinem Entstehen beigetragen haben, noch ist es von Individuen bedingt besessen, weil es die ‚Gesellschaft’ für sie schützt. Wäre der letztere Einwand richtig, so könnte man sagen, dass Ihr Haus Ihrem Hund gehört.[3]

Jasay (2008), S. 182–183.

Das Eigentum als solches dem „Willen der Gesellschaft“ zu unterwerfen, ist eine sozialistische Position und ist letztlich mit dem Grundsatz verbunden, dass der Einzelne rechtmäßiges Eigentum weder an sich noch an seinen Vermögenswerten hat, nur die „Gesellschaft“ hat es. Eigentum ist Freiheit. Eigentum entsteht, sobald jede an einem freiwilligen Tausch beteiligte Partei ihren Beitrag geleistet hat. Weil jede Partei ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, gibt es auch keinen an die „Gesellschaft“ zu verteilenden Rest. Erbschaftssteuern sind doppeltes Abrechnen für bereits abgegoltene Leistungen. Es ist im Wesentlichen der Verwechselung von Freiheiten und Rechten zu verdanken, dass geglaubt wird, während jeder Mensch zwar ein Recht auf das hat, was er besitzt und was er verdient hat, die Gesellschaft oder die Regierung als deren Vertreter eine Art „Superrecht“ haben sollte, um diese Rechte jedes Menschen zu übertrumpfen.

Das Eigentum als solches dem „Willen der Gesellschaft“ zu unterwerfen, ist eine sozialistische Position und ist letztlich mit dem Grundsatz verbunden, dass der Einzelne rechtmäßiges Eigentum weder an sich noch an seinen Vermögenswerten hat, nur die „Gesellschaft“ hat es.

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[1] Ein Mensch ist „sein eigener Herr, […] aber nicht Eigentümer von sich selbst […] geschweige denn von anderen Menschen“, Kant (142014,1797), Bd. VIII, S. 382.

[2] „[D]aß der, welcher an einen Boden, der nicht schon vorher der seine war, Fleiß verwendet, seine Mühe und Arbeit gegen den Ersteren verloren hat,“ Kant (142014,1797), Bd. VIII, S. 380.

[3] Anthony de Jasay: Ihr Haus gehört Ihrem Hund, online auf Ludwig von Mises Institut Deutschland, vom 5. Juli 2021.

Literaturverzeichnis

Bastiat, Frédéric (2001): Das Gesetz, in: Der Staat, die große Fiktion.

Ders. (21848): Physiology of plunder, in: Economic sophisms, Kapitel 1.

Hayek, Friedrich August von (2013): Recht, Gesetz und Freiheit.

Hume, David (1988) Politische und ökonomische Essays 1.

Jasay, Anthony de (2021c): Ihr Haus gehört Ihrem Hund, online auf Ludwig von Mises Institut Deutschland, vom 5. Juli 2021.

Ders. (2021b): Der indische Seiltrick.

Ders. (2021a): Liberalismus neu gefasst.

Ders. (2020b): Gegen Politik.

Ders. (2020a): Der Gesellschaftsvertrag und die Trittbrettfahrer.

Ders. (2018): Der Staat.

Ders. (2010): „Justice, luck, liberty “, in: Political Philosophy, Clearly.

Ders. (2008): Liberale Vernunft, soziale Verwirrung.

Kant, Immanuel (142014,1797): Die Metaphysik der Sitten, Bd. VIII.

Locke, John (141977, 1689): Zwei Abhandlungen über die Regierung, § 27.

Mises, Ludwig von (42006, 1927): Liberalismus.

Oppenheimer, Franz (1990, 31929): Der Staat.

Soto, Jesús Huerta de (2013): Sozialismus, Wirtschaftsrechnung und unternehmerische Funktion

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Burkhard Sievert engagiert sich in der Fachgruppe Liberalismus der Atlas Initiative. Er hat von Anthony de Jasay die Bücher Der Gesellschaftsvertrag und die Trittbrettfahrer, Gegen Politik sowie Der Indische Seiltrick übersetzt und das Buch Liberalismus neu gefasst wiederaufgelegt.

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