Mises über den Faschismus – schon wieder …

19. August 2022 – von Jeffrey A. Tucker

In einem Artikel, der Ende Juli 2022 in einem deutschen Online-Medium erschien, behauptete ein nicht unbekannter amerikanischer „Intellektueller“ und Antikapitalist, dass Ludwig von Mises ein Anhänger des Faschismus gewesen sei. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein, und wir nutzen diesen Anlass, einen Artikel von Jeffrey A. Tucker wieder zu veröffentlichen, der sich bereits am 30. August 2011 mit einer derartigen Verunglimpfung Ludwig von Mises befasste.

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Jeffrey A. Tucker

Da haben wir es wieder. Heute pickt der etatistisch-national gesinnte Michael Lind in Salon eine Passage aus Mises’ Buch Liberalismus [1927] heraus, um zu behaupten, Mises sei insgeheim ein Anhänger des Autoritarismus gewesen (was ausgerechnet aus Linds Feder ein ziemlicher Vorwurf ist; Lind hat ein ganzes Buch geschrieben, das den Nationalismus als politische Ideologie wiederbeleben will – und bedauert sogar, dass der Faschismus den Nationalismus diskreditiert habe).

Die willkürlich herausgegriffene Passage von Mises lautet:

Es lässt sich nicht leugnen, dass der Faschismus und ähnliche Bewegungen, die auf die Errichtung von Diktaturen abzielen, von den besten Absichten erfüllt sind und dass ihr Eingreifen die europäische Zivilisation vorerst gerettet hat. Damit hat sich der Faschismus einen bleibenden historischen Verdienst erworben.

Und hier endet Lind, ohne die eigentliche Schlussfolgerung von Mises hinzuzufügen:

Aber auch wenn ihre Politik für den Augenblick Rettung gebracht hat, ist sie nicht von einer Art, die dauerhaften Erfolg versprechen könnte. Der Faschismus war ein Notbehelf. Es wäre ein fataler Irrtum, ihn als etwas anderes zu betrachten.

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Die Passage war Teil eines Buches von Mises, das 1927 veröffentlicht wurde, kurz nachdem Mussolini die Macht übernommen hatte. Mises konnte leicht erkennen, dass zu dieser Zeit viele Menschen den Faschismus als Heilsbringer betrachteten, und diese Passage bestätigt lediglich diese damals verbreitete Ansicht. Diese Ansicht hielt sich über viele Jahre hinweg. Zum Beispiel veröffentlichte das New York Times Magazine (NYT) ganze sechs Jahre später (19. März 1933) eine große Lobeshymne auf Professore Mussolini. Die NYT schreibt:

In einer Zeit, in der alle Politiker entweder abgestumpft sind oder nicht bereit, aus der Routine – der ‚Tradition‘ – auszubrechen; in der es scheint, als ob in jeder westlichen Nation die Quelle der Phantasie versiegt, vermittelt Mussolini den Eindruck einer unversiegbaren Quelle. Man mag gegen jede Art von Diktatur sein, aber man kann nicht umhin, sich von der phänomenalen Vitalität dieses Mannes anregen zu lassen, der in seiner Rolle als Diktator dem unfruchtbaren Boden Italiens befohlen hat, innerhalb einer bestimmten Zeit Weizen zu produzieren; der die Ausdehnung seines Territoriums (durch die Rückgewinnung von Sümpfen) angeordnet hat, ohne seine Fronten zu erweitern; und der sich nicht damit begnügt, neue Städte ins Leben zu rufen, sondern das Gesicht der Ewigen Stadt verändert, indem er die verschüttete Pracht des kaiserlichen Roms ausgräbt …

Um ein neues Italien zu schaffen, kehrt er zu den alten Quellen der römischen Stärke und Herrschaft zurück. Er möchte die materiellen Überreste des antiken Roms wiederbeleben, weil sie schön und von unschätzbarem Wert sind, aber auch und vor allem, weil er hofft, auf diese Weise die alten Tugenden der rauen Männer wiederzubeleben, die einst unter eiserner Disziplin die römische Macht begründeten … Hier hatte ich das Gefühl, dass es keine Grenzen für ein faschistisches Projekt gibt; ein seltsamer Eindruck, dass alles, was Mussolini befiehlt, ohne praktische oder finanzielle Probleme ausgeführt wird.

Und so weiter. Die NYT war mit ihren Lobeshymnen auf Mussolini nicht allein. Fast das gesamte Establishment wurde von diesem Aufschneider getäuscht.

Mises hingegen ließ sich nicht täuschen. Er war ein Prophet, der das Böse des Faschismus erkannte – und das bereits sechs Jahre zuvor, als alle anderen noch den Ruhm dieses italienischen FDR (Franklin Delano Roosevelt) verkündeten (so sahen die Leute Mussolini damals). Ja, böse. Das ist das Wort, das Mises verwendet, was Sie leicht aus dem gesamten Abschnitt ersehen können, den Sie lesen können und sollten. Die Faschisten und Kommunisten verwendeten die gleichen „skrupellosen Methoden“ … Wieder andere sehen im vollen Wissen um das Übel, das die faschistische Wirtschaftspolitik mit sich bringt, den Faschismus im Vergleich zu Bolschewismus und Sowjet-Kommunismus zumindest als das kleinere Übel an. Für die Mehrheit seiner öffentlichen und heimlichen Anhänger und Bewunderer besteht seine Anziehungskraft jedoch gerade darin, dass seine Methode die Gewalt ist.“

Mises verurteilt diese Ansicht eindeutig und weist darauf hin, dass es reiner historischer Zufall ist, dass der Faschismus weniger schlimm ist als der Kommunismus; beides sind Ideologien der Gewalt, die den Liberalismus ablehnen – also genau dasjenige, was Mises gegen Sozialismus und Faschismus zu verteidigen suchte. Der Kommunismus war damals nur weiter entwickelt; Mises sagt voraus, dass der Faschismus schlussendlich zum Gleichen führen wird:

Die große Gefahr, die der Innenpolitik von Seiten des Faschismus droht, liegt in seinem vollkommenen Glauben daran, dass Gewalt die alles entscheidende Kraft ist. Um den Erfolg zu sichern, muss man vom Siegeswillen beseelt sein und immer gewaltsam vorgehen. Das ist sein oberstes Prinzip. Was aber passiert, wenn der Gegner, ebenfalls vom Siegeswillen beseelt, ebenso gewalttätig vorgeht? Das Ergebnis muss eine Schlacht sein, ein Bürgerkrieg.

Zum Glück gibt es Online-Texte und die Möglichkeit, sie zu teilen. Leute, die wie der Verfasser des oben genannten Artikels in Salon andere verunglimpfen, können nicht mehr mit diesem Unsinn davonkommen. Was den Rest von Linds Beitrag angeht, so ist er typisch für diese Art von Journalismus – eine bewusst verständnislose, unehrliche und anti-intellektuelle Tirade, und das von einem Autor, der selbst ein Apologet des Staates und seiner Kriege (sogar Vietnam!) ist. Wer sich dafür interessiert, welche Überzeugungen Libertäre wirklich haben, braucht heute [30.08.2011] nur einen Blick auf die Homepage von Mises.org werfen und Danny Sanchez’ Beitrag über soziale Harmonie zu lesen.

Dieser Beitrag von Jeffrey A. Tucker erschien ursprünglich am 30. August 2011 auf der Website des Mises Institute, Auburn, Alabama (USA) unter dem Titel Mises on Fascism, Again. Jeffrey A. Tucker ist der Gründer des Brownstone Institute und unabhängiger redaktioneller Berater. Ins Deutsche übersetzt von Florian Senne.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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