Die Weltherrschaft, das Grab der Menschheit (1814) – Anselm von Feuerbach

8. Juli 2022 – von Stephan Ring

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Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach

Die folgenden Zeilen sind eine unkommentierte, chronologische Reihe von Zitaten aus der 50-seitgen Schrift von Anselm von Feuerbach (1775 – 1833) „Die Weltherrschaft, das Grab der Menschheit“ aus dem Jahre 1814 zum gescheiterten Einigungsversuch Europas unter Napoleon. Über die Aktualität der Gedanken mag jeder selbst urteilen.

In einigen Fällen wurde die altdeutsche Sprache angepasst. Zudem wurde auf Kenntlichmachung von kleineren Auslassungen oder Überleitungsworten verzichtet, um den Text angenehm lesbar zu gestalten. Größere Auslassungen werden durch Absätze dargestellt.

Dass die Weltherrschaft Heil der Menschheit bringe, war ein Traum manches gutmütig schwärmenden Geistes. Auf sie harrte schon mancher, als auf ein Reich des Friedens und des Glücks, als auf den Erlösungstag von all den großen und kleinen Übeln, welche das stets unruhige Hin- und Herschwanken frei nebeneinander stehender Staaten, das ewige Hinstreben vom Gleichgewicht zum Übergewicht und das Zurückfallen von diesem in jenes notwendig begleiten.

Was du aus deinem Füllhorn uns schenktest war tödliches oder betäubendes Gift; dein Becher war mit Menschenblut gefüllt; dein Friede war verstummendes Elend; deine Ruhe war geistiger Tod.

Herrliches Bild des Traumes! Goldenes Zeitalter europäischer Weltherrschaft, du warst uns endlich in der Wirklichkeit erschienen! Uns, den Glücklichen, war es aufbehalten, die Segensfrüchte aus deinem unerschöpflichen Füllhorn zu sammeln, aus deinem vollen Becher zu trinken, an deiner Sonne uns zu wärmen! Und die Gerechtigkeit, die Entflohene, die du wieder zur Erde brachtest, wir haben sie gesehen und empfunden, haben ihren Frieden erfahren und die erquickliche Ruhe genossen, womit sie die Erde überschüttet hat! Die Nachwelt soll es wissen, was du uns gewesen bist und die Nachwelt wird uns glauben, wenn wir zu ihr sprechen: Was du aus deinem Füllhorn uns schenktest war tödliches oder betäubendes Gift; dein Becher war mit Menschenblut gefüllt; dein Friede war verstummendes Elend; deine Ruhe war geistiger Tod. So werden unsere späteren Nachkommen die Wahrheit unseres Wortes erkennen und keine Einbildungskraft wird jemals wieder von einer goldenen Zeit in dem Kerker einer Weltherrschaft träumen.

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Wo die Selbständigkeit der Völker in der Einheit eines Weltreiches unterginge, da würde zuletzt alles, was die moralische Persönlichkeit der Völker ausmacht, Sprachen, Sitten, Gesetze, Denkungsweise in ein einförmiges flaches Einerlei auseinander fließen, aller Reichtum der Menschennatur und des Menschengeistes in dürftiger ekelhafter Allgemeinheit sich verflachen; alle tausend und tausend verschiedene Blüten eigentümlicher Ausbildung der Völker und Geschlechter in einer einzigen gemeinsamen Form erstarren.

Es liegt in der Natur, dass in Verbindung gebrachte ungleichartige Teile einander abstoßen, unablässig nach Absonderung streben und dadurch dem Ganzen, dessen Teile sie geworden, stets mit Auflösung drohen. Darum ist das Gleichmachen einer der ersten Grundzüge des Welteneroberers.

… so verdienen schon darum mehrere frei nebeneinander bestehende Staaten von mäßigem Umfange den entschiedensten Vorzug vor einem einzigen, alles verschlingenden Staats-Kolossen, wo in dem ungeheuren Ganzen jede Individualität in Unbedeutendheit versinkt …

Wenn aber derjenige Zustand der Bestimmung der Menschheit am angemessensten ist, in welchem die größte Summe menschlicher Kräfte in regsamer Übung erhalten wird, wo alle Anlagen auf das Vielseitigste angeregt werden, wo die Kräfte des Geistes und die Tugenden des Herzens in den mannigen Bestrebungen nach allen Seiten hin vielfach sich regen, ausbreiten und entfalten, so verdienen schon darum mehrere frei nebeneinander bestehende Staaten von mäßigem Umfange den entschiedensten Vorzug vor einem einzigen, alles verschlingenden Staats-Kolossen, wo in dem ungeheuren Ganzen jede Individualität in Unbedeutendheit versinkt, wo alle Teile unbemerkt in der großen Masse sich verlieren, alle Sterne vor dem Strahlenkranz einer einzigen Weltsonne erbleichen. Mehrere Einzelstaaten finden eben so viele besondere Übungsplätze mannigfaltiger Kräfte, welche insgesamt verschwinden, sobald jene Staaten in einem einzigen untergehen. Ein Weltstaat setzt immer weit weniger Kräfte in Bewegung, bietet weit weniger Gegenstände, Zwecke, Mittel und Veranlassungen des Strebens und Wirkens, als auf gleichem Raume eine Menge selbständiger Staaten, die in freier Tätigkeit nur ihrem eigenen Zwecke dienen. Was ist ein Riese gegen hunderte von Menschen, wäre auch die Masse von diesen hunderten an jenen einzigen Körper verschwendet? Dort ist doch immer nur ein Leib, nur eine Seele, einerlei Wille, einerlei Zweck, einerlei Handeln und Wirken.

War es eine Weltmonarchie, in welcher der Genius Griechenlands seine Flügel schwang? Oder waren es nicht vielmehr kleine Staaten, oft unbedeutende Städte und Städtchen? Wie kann die Menschheit den Reichtum ihrer inneren Kräfte entwickeln, wenn eigentlich nur ein einziger selbständig handelt – der Weltmonarch, an dessen Thron die Welt gefesselt liegt?

Im Bewusstsein seiner Übermacht, welcher nichts mehr zu erringen, künftig zu erstreben übrigbleibt, welcher nur die Faust erheben braucht, um zu schrecken, nur den Fuß, um das Widerstrebende zu zertreten, wird dieses Volk sehr bald in Trägheit, Lauheit, Weichlichkeit versinken, in den tiefen Pfuhl geistiger und sittlicher Entartung, in welchem selbst Rom versank.

Die Regentengewalt eines kleinen aber mäßig großen Staates ist immer wenigstens durch die Furcht vor der öffentlichen Meinung beschränkt. Die Gewalt seines Oberhauptes reicht nur bis an die Grenzen seines Reiches, welche gleichsam die Ufer sind, an denen sich die Wellen seines Zorns brechen.

Eine Gewaltherrschaft kann zwar überall versucht, aber in einer aus freien Staaten zusammengesetzten Völker-Republik, wie Europa vor den Jahren seiner Unterdrückung, in keinem  Staate gegründet werden. Die Regentengewalt eines kleinen aber mäßig großen Staates ist immer wenigstens durch die Furcht vor der öffentlichen Meinung beschränkt. Die Gewalt seines Oberhauptes reicht nur bis an die Grenzen seines Reiches, welche gleichsam die Ufer sind, an denen sich die Wellen seines Zorns brechen.

Dass unser Europa nach der örtlichen Beschaffenheit seiner Lage und seines Bodens von außen überall offen, im Inneren überall zugänglich ist, dass auf diesem verhältnismäßig kleinen Teil des Erdbodens mancherlei Völkerschaften gesondert nebeneinander standen und in kleinen aber doch mäßig großen Staaten vereint ihre Selbständigkeit behaupteten: Dieser Gunst der Natur verdankt es Europa, dass es so lange Wohnung der Freiheit war.

Sobald es dahin gekommen war, dass Staaten wie Frankreich, Deutschland, Holland, Italien, Spanien als Provinzen eines Reiches gezählt werden konnten, sobald streckte der Despotismus seine eisernen Arme über Europa aus.

Ein aus ungleichen Teilen zusammengehäufter Klumpen ist nur durch Druck der sich ballenden Faust zusammen zu halten. Sobald diese sich öffnet fällt das Spröde in seine Teile auseinander.

Je ausgedehnter das Reich, je zahlreicher die verschiedenen Völkerschaften, die in dem einen großen Pferch zusammen gefangen, nebeneinander gedrängt, übereinander gehäuft sind, desto mehr ist immer zu besorgen, dass sie im Gefühle ihres banglichen, widernatürlichen Zustandes die beengten Schranken niederwerfen und die mit Unrecht verlorene Selbständigkeit mit Recht wieder zu erobern suchen. Ein aus ungleichen Teilen zusammengehäufter Klumpen ist nur durch Druck der sich ballenden Faust zusammen zu halten. Sobald diese sich öffnet fällt das Spröde in seine Teile auseinander. Ein Reich, in welchem Staaten zu Provinzen geworden sind, kann nicht mehr durch gewöhnliche Kräfte in allen Teilen von einem Mittelpunkte aus geordnet, gelenkt und in Verbindung gehalten werden.

Wer keine anderen Titel seiner Herrschaft aufzeigen kann, als die Gewalt, sucht vergebens seinen eigenen Schutz in den Gesetzen, die er zertreten musste, ehe er herrschen konnte.

An dem Verhältnis also, in welchem durch Ausdehnung des Reiches die Gefahr für dessen Einheit zunimmt und die Notwendigkeit, von oben herab auf alle Teile kräftig einzuwirken, stärker und dringender geworden ist, in dem selben Verhältnisse verlieren diejenigen Anstalten und Mittel, wodurch Staaten von naturgemäßem Umfange erhalten werden können, ihre ausreichend wirkende Kraft. Durch das Gesetz zu regieren kann ein solcher Monarch nicht hoffen, denn hierzu bedarf es in den Gehorchenden der Liebe und Achtung für das Gesetz. SEIN Gesetz aber wird gehasst und daher nur so lange befolgt, so lange es nicht möglich ist, dasselbe zu übertreten. Wer keine anderen Titel seiner Herrschaft aufzeigen kann, als die Gewalt, sucht vergebens seinen eigenen Schutz in den Gesetzen, die er zertreten musste, ehe er herrschen konnte. Wer die Gerechtigkeit von sich stößt, wird auch von ihr zurückgestoßen. Ein Thron, der aus den Trümmern zerstörter Staaten erbaut worden und desto höher er steht, desto leichter zu erschüttern und niederzuwerfen ist, kann daher nur beschützt werden, wenn die Furcht, welche dem Herrscher überall vorangeht, weiter reicht als sein Arm und schreckend in die verborgensten Winkel selbst in das Geheimnis der Gedanken dringt. Durch eine schnelle, scheinbar überall gegenwärtige und allmächtige Willkür, die in die weite Ferne selbst aus heiterem Himmel die Blitze der Macht aussendet und jeden Anspruch auf ein Recht gegen den Allherrn als Anfang eines Hochverrates mit Vernichtung bestraft.

Alle Kraft des Druckes liegt zuletzt auf der großen, dem Staate nützlichen Menschenmasse, welche nur lebt, um zu leiden, nur arbeitet, um zu geben, und welche nichts mehr unter sich hat, woran sie sich für das, was sie erdulden muss, wieder zu entschädigen vermöchte.

Alle Kraft des Druckes liegt zuletzt auf der großen, dem Staate nützlichen Menschenmasse, welche nur lebt, um zu leiden, nur arbeitet, um zu geben, und welche nichts mehr unter sich hat, woran sie sich für das, was sie erdulden muss, wieder zu entschädigen vermöchte.Ein despotisches Reich ist einer Maschine zu vergleichen, wo eine Reihe von Hämmern, einer über dem anderen seht, wo immer der obere den unteren trifft und durch seine Streiche zum Schlagen bringt. Die einzig freie Hand, die das Ganze in Bewegung setzt, ist der Herrscher und der breite Amboss, auf dem die Kraft aller Hämmer endet, ist das Volk.

Nun tragen die mittelbar Untergebenen doppelte Beschwerden. Neben den billigen Lasten des eigenen Staates auch die unbilligen, willkürlichen, an sich selbst schon fast unerträglichen des fremden Staates.

Die Zerrüttungen im Inneren der Staaten, welche von solchem Systeme unzertrennlich sind, dienen denn auch, wenn Zeit und Gelegenheit gekommen, zu schicklichem Vorwande, um jenen Wunsch zu gewähren und die Dienstbarkeit sogar wie eine Wohltat, wie ein Almosen zu verschenken.

Den höchsten Fluch verdient er darum, weil er die Menschen zugleich um ihre inneren Güter, um ihr besseres selbst betrügt, weil er das Göttliche im Menschen, alle Würde, alle Kraft, alle Hoheit der menschlichen Seele, alles Licht des Geistes, alle Tugend des Herzens nicht bloß niederhält, sondern unterdrückt und bei andauerndem Bemühen selbst bis aufs kleinste Fünkchen auslöscht. Unter ihm versinkt das Menschengeschlecht unaufhaltsam in Ehrlosigkeit, in Trägheit, in Gleichgültigkeit gegen alles Gute, in Leichtsinn oder in hinbrütende Dummheit.

Die Heimat findet jeder nur noch in sich selbst, wenn es hoch kömme, im Inneren seines Hauses.

Die Heimat findet jeder nur noch in sich selbst, wenn es hoch kömme, im Inneren seines Hauses. Und so wird Eigennutz und Selbstsucht das alles beherrschende, alles bewegende Gefühl. Preisgegeben der Willkür einer Macht, die nichts Bleibendes anerkennt, lebt jeder nur von heute auf morgen, rafft schnell an sich, was ihm die eilende Gunst des Augenblicks zuwirft, und betäubt die ihm vielleicht noch übrigen besseren Gefühle in dem Opiumrausche der sinnlichen Lust. Die Furcht, welche Zungen und Augen bewacht, bannt das Zutrauen, die Offenheit und mit diesen selbst die heilige Freundschaft aus dem Umgange. List und Heimtücke nehmen ihre Stelle ein. Offene Feindschaft wird selten aber desto häufiger mischt die Feindschaft, welche auch von dem Feigen geübt werden kann, im Dunklen ihr tödliches Gift. Hohe Tugenden werden gefürchtet, denn zu den Tugenden gehört auch die Gerechtigkeit und daher wird das Laster zur Tugend und die Gemeinheit zum Verdienst. Wahre Ehre wird nicht mehr gefunden, denn diese Ehre ist stolz und unbeugsam und erhebt den Anspruch, für sich selbst etwas zu gelten. Nur eine Ehre bleibt noch übrig, diejenige nämlich, die der Weltfürst selbst geschaffen hat und mit seinen eigenen Zeichen bezeichnet hat.

Der Weltmonarch muss so lange heimlich vor den Millionen zittern, die unter seinem eisernen Zepter gebeugt liegen, solange noch etwas in ihren Seelen ist, woran sie sich aufrichten können. Ein freier Gedanke über die Bestimmung des menschlichen Geschlechts, ein Glaube an Menschenwürde, ein Gefühl für die eigene Erniedrigung, ein Maßstab für Recht und Gerechtigkeit.

Denn wo sich Geister regen, wo noch der Genius den freien Fittich hebt, da kann die bequemliche Ruhe, die tiefe Stille nicht erhalten werden, deren der Despotismus zu seinen Zwecken bedarf.

Wird daher eine Weltenthron über bereits gebildete Völker errichtet, über welche die Sonne geistiger Erleuchtung in ihrem Mittagslicht steht, unter denen Wissenschaften und Künste nicht fremden Zwecken dienbar frei sich selber gestalten, für sich selber wirken und schaffen, wo die unendlich reiche Quelle des Geistes noch nicht vertrocknet ist, sondern noch frisch und lebendig aus den Tiefen der freien Seele hervorbricht, da wird der Weltenherr rufen: Bis dahin und nicht weiter! Da wird er eiserne Schirme dem Licht entgegenstellen, damit der Thron wenigstens gehörig im Dunkel stehe. Er wird die sprudelnde Feuerquelle des geistigen Lebens erst abzuleiten und dann so gut es gehen will einzudämmen suchen bis sie allmählich in sich selbst versiegt und nur noch Schlacken übrigbleiben. Denn wo sich Geister regen, wo noch der Genius den freien Fittich hebt, da kann die bequemliche Ruhe, die tiefe Stille nicht erhalten werden, deren der Despotismus zu seinen Zwecken bedarf.

Dazu ist aber vonnöten, dass die lebenden Glieder dieser Maschine sich so viel wie möglich nicht als Mensch, als Geist, als Seele, sondern nur als Rad oder als Walze fühlen.

Alle Wirksamkeit der Staatskräfte eines solchen Reiches ist ein Mechanismus, der, sobald die Kette gezogen wird, sogleich alle Räder in Bewegung bringt. Dazu ist aber vonnöten, dass die lebenden Glieder dieser Maschine sich so viel wie möglich nicht als Mensch, als Geist, als Seele, sondern nur als Rad oder als Walze fühlen. Licht muss auch noch in einem Gefängnisse sein, wenn in demselben zweckmäßig gearbeitet werden soll. Allein der Rat, welchen der römische Landwirt Markus Varro für die Vogelzucht erteilte, ist auch für die Gefangen im Weltgefängnisse anwendbar: “In den Käfig”, sagt Varro, “muss Tageslicht einfallen, damit die Vögel munter fressen. Aber nicht zu viel, ja nicht von der Seite, dass die Gefangenen andere frei fliegende Vögle sehen, denn sonst würden jene vor Verlangen mager werden.” Nach dieser Maxime wurden dann – wir haben es mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört – bereits die nützlichen Wissenschaften von sogenannten unnützen oder verderblichen ausgeschieden. Jene allein belobt, begünstigt, unterstützt, diese der Unterstützung beraubt oder durch Spottnamen verrufen oder der Empörung verdächtigt angeklagt.

… alle Zugänge des menschlichen Geistes [mussten] sorgsam bewacht, alle Wege geistiger Mitteilung mit Ausspähern, Wächtern und politisch-wissenschaftlichen Zollhütern besetzt [werden] …

Nach gleicher Maxime mussten alle in besseren Tagen gewonnenen geistigen Schätze von oben herab so gut als möglich in Beschlag genommen, die Gedanken, die man noch haben und mitteilen durfte, von Staats wegen abgewogen und zugeschnitten, alle Zugänge des menschlichen Geistes sorgsam bewacht, alle Wege geistiger Mitteilung mit Ausspähern, Wächtern und politisch-wissenschaftlichen Zollhütern besetzt und alle Organe höherer menschlicher Bildung als bloße Werkzeuge der Gewalt in Besitz genommen werden. Die Siegel des Briefgeheimnisses nicht mehr heilig. Der Mann von Geist und Herz musste selbst vor den Gedanken, die in seinem Inneren aufstiegen, zittern.

… damit ja kein Gedankenhüter aus irgendeinem Satz den Verdachtsgrund herauswittere, der Mann habe in seinem Inneren etwas gedacht, gefühlt, geglaubt, gehofft, was nun eben nach dem bestehenden Gedankenreglement nicht gedacht, gefühlt, gehofft werden dürfe.

Und wie kann eine Seele sich aufschwingen zu jener Begeisterung, in welche allein alles Schöne, Große, Ewige empfangen und geboren wird, wenn stets die kalte Besonnenheit mit ihrem Zirkel dabei sein muss, damit ja kein Gedanke, keine Empfindung die angemessene Linie überschreitet, damit ja nichts verleumdet, verdreht und gebeutelt werden könne, damit ja kein Gedankenhüter aus irgendeinem Satz den Verdachtsgrund herauswittere, der Mann habe in seinem Inneren etwas gedacht, gefühlt, geglaubt, gehofft, was nun eben nach dem bestehenden Gedankenreglement nicht gedacht, gefühlt, gehofft werden dürfe. Unterdrückung der Redefreiheit ist daher mit Unterdrückung des Geistes selbst eins und dasselbe. Und wo solche Tyrannei mit gehöriger Beharrlichkeit fortgesetzt worden ist, wird zuletzt alles Wissen zur Tradition, alle Wahrheit zum blinden Glauben werden, alle Kunst in handwerksmäßigen Fertigkeiten ausarten, alles geistige Leben zu geistigem Tod erstarren.

… die Erde selbst ein weites Grab und frei nur noch der Mann, welcher den Mut hat zu sterben.

Alle Staaten, alle Provinzen, die von dem Weltreiche umschlossen werden, sind nur geräumige Kerker, die Erde selbst ein weites Grab und frei nur noch der Mann, welcher den Mut hat zu sterben.

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Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach (1775 – 1833) war einer der bedeutendsten Juristen des 19. Jahrhunderts und gilt als Begründer des modernen Strafrechts, erstmals niedergelegt im Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813. Mit dem Ansatz, dass schon die Androhung von Strafe abschreckende Wirkung haben kann, formulierte er den bis heute gültigen und in Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes festgesetzten Gedanken „keine Strafe ohne konkretes Gesetz“.

Dr. Stephan Ring ist Jurist und Vorstand des Ludwig von Mises Institut Deutschland.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto und Bild Anselm v. Feuerbach: Adobe Stock

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