Das System Fiat-Geld: Schrecken ohne Ende statt Ende mit Schrecken – von Thorsten Polleit

15. Juli 2022 – von Thorsten Polleit

Thorsten Polleit

Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form am 25. Juni 2022 auf dem GVS Finanzkongress in Wien gehalten.

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1.

Vielleicht kennen Sie das: Man bekommt den Verdacht, etwas stimmt nicht, man kann nicht genau sagen, warum, aber man meint, etwas ist nicht so, wie es den Anschein hat.

Seit geraumer Zeit hat mich ein solcher Verdacht beschlichen, der Verdacht, dass sich hinter Klimawandel, Coronavirus und Lockdown-Krise ein kollektivistisch-sozialistischer, ein neomarxistischer oder neo-feudalistischer Umsturzversuch verbergen könnte; dass es sich vielleicht um eine Neuauflage der Marx‘schen Verelendungstheorie handelt, die mittels Angst und Schrecken und Not die freie Gesellschaft unfrei zu machen sucht, sich anschickt, den Kapitalismus – oder das Wenige, was von ihm übrig geblieben ist – auch noch zu zertrümmern.

Nun weiß ich, ein Verdacht kann sich auch als unbegründet erweisen. Was mich aber zögern lässt, meinen Argwohn leichthin beiseitezuschieben, ist die Tatsache, dass die Zentralbanken in den letzten Jahren immer mächtiger geworden sind: Sie sind in vielen Ländern zum wahren Machtzentrum aufgestiegen. Mit ihren geldpolitischen Entscheidungen befinden die Zentralbankräte mehr denn je, welche Regierung überlebt und welche abgelöst wird; welche Wirtschaftssektoren günstige Kredite bekommen und welche nicht; ob die Menschen ihre Ersparnisse behalten oder sie verlieren.

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Ich erinnere mich auch daran, dass die Idee, eine Zentralbank zu errichten, eine „Maßregel“ ist, die Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem „Kommunistische Manifest“ aus dem Jahr 1848 einfordern, um den Kommunismus als anti-liberales Herrschaftssystem zu errichten. Die Maßregel Nummer fünf, die Marx und Engels nennen, lautet:

Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol.

Nun sind sicherlich nicht alle, die eine Zentralbank befürworten, Marxisten. Und viele von ihnen wissen vermutlich nicht einmal, dass die Idee, eine Zentralbank zu haben, eine Zutat aus dem marxistischen Herrschafts-Rezeptbuch ist.

Wie dem auch sei. Sie werden vermutlich jetzt erkannt haben, warum mich eine gewisse Aufregung ergreift, wenn es um Zentralbanken und ihr Fiat-Geld geht.

2.

Am Anfang meines Vortrages stehen zwei Zitate, die nahezu alle zentralen Einsichten meiner nachfolgenden Ausführungen schon in sich tragen:

Das erste Zitat stammt von Ludwig von Mises aus dem Jahr 1912:

Es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, daß der Bestand der modernen Organisation des Tauschverkehres für die Zukunft gesichert sei. Sie trägt in ihrem Innern bereits den Keim der Zerstörung. Die Entwicklung des Umlaufsmittels (gemeint: Fiat-Geld, A.d.V.) muß notwendigerweise zu ihrem Zusammenbruche führen.

Was sagt Mises uns damit? Er sagt uns, dass die Verwendung von Fiat-Geld die freie Marktwirtschaft zerstört, und dass man sich über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen sollte.

Das zweite Zitat stammt von Friedrich August von Hayek aus den 1970er Jahren:

Es besteht weniger Grund denn je für die Hoffnung, daß Staaten vertrauenswürdiger werden, solange das Volk keine andere Wahl hat, als dasjenige Geld zu verwenden, das der Staat ihm zur Verfügung stellt.

Was sagt Hayek uns damit? Er sagt uns, dass der Staat uns sein Geld, sein Fiat-Geld, diktiert, und dass wir, solange das so ist, Vorbehalte haben müssen, dem Staat zu vertrauen.

Beide Zitate zusammen ergeben eine geradezu explosive Botschaft. Mises sagt, Fiat-Geld zerstört die Marktwirtschaft; und Hayek sagt, der Staat zwingt uns, Fiat-Geld zu verwenden.

Daraus folgt: Der Staat wie wir ihn heute kennen zerstört mit seinem Fiat-Geld die freie Marktwirtschaft und damit die freie Gesellschaft. Und damit zerstört er letztlich auch das produktive und friedvolle Miteinander der Menschen, national wie international.

Sie werden mir vermutlich zustimmen, dass wir diese ungeheuerlichen Einsichten, die sich aus den zwei genannten Zitaten erschließen, auf Herz und Nieren untersuchen, die zugrundeliegenden Überlegungen genauer betrachten sollten.

3.

Beginnen wir mit dem Fiat-Geld. Es zeichnet sich durch drei Eigenschaften aus.

(1.) Fiat-Geld ist staatlich monopolisiertes Geld. Die staatlichen Zentralbanken haben das Produktionsmonopol des Geldes.

(2.) Fiat-Geld wird in der Regel durch Kreditvergabe geschaffen, der keine echte Ersparnis gegenübersteht. Fiat-Geld wird aus dem Nichts geschaffen, oder ex nihilo, wie der Lateiner sagt.

Und (3.): Fiat-Geld ist entmaterialisiertes Geld. Es hat die Form von bunt bedruckten Papierzetteln (genauer gesagt ist der Euro aus Baumwolle gefertigt) und Einträgen auf Computerfestplatten (Bits und Bytes).

Ob US-Dollar, Euro, chinesischer Renminbi, japanischer Yen, Britisches Pfund oder Schweizer Franken: Sie alle sind Fiat-Geld.

Aus der Geldtheorie wissen wir, dass das Fiat-Geld kein “natürliches”, kein “unschuldiges” Geld ist.

Es ist durch einen erzwungenen Akt in die Welt gekommen. Darauf will ich jedoch hier nicht näher eingehen, sondern sogleich auf die Folgen hinweisen, die die Verwendung von Fiat-Geld nach sich zieht.

(1.) Fiat-Geld ist inflationär. Es verliert seine Kaufkraft im Zeitablauf, weil seine Menge von den staatlichen Zentralbanken unablässig und nach politischen Erwägungen vermehrt wird. Inflationäres Geld ist schlechtes Geld, weil es die Wirtschaftsrechnung erschwert und viele Menschen um die Früchte ihrer Arbeit und Sparsamkeit bringt.

(2.) Fiat-Geld privilegiert einige auf Kosten und zu Lasten der Masse der Bevölkerung. Es sorgt für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, indem es die Erstempfänger des neuen Geldes begünstigt auf Kosten derjenigen, die die neue Geldmenge erst später erhalten oder gar nichts von ihr abbekommen (das ist der „Cantillon-Effekt“).

Zwar führt jede Erhöhung der Geldmenge zu einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen, und zwar notwendigerweise. Das ist beim Warengeld wie auch beim Fiat-Geld der Fall.

Die Umverteilung fällt jedoch beim Fiat-Geld besonders stark aus – und das ist ja auch der Grund, warum die Machthaber das Warengeld durch ihr eigenes, beliebig vermehrbares Fiat-Geld ersetzt haben: Die Regierungen und die ihr nahestehenden Gruppen profitieren vom inflationären Geld auf Kosten der übrigen.

(3.) Fiat-Geld sorgt für Wirtschaftsstörungen, für Boom-und-Bust-Zyklen. Die Vermehrung der Geldmenge durch Bankkreditvergabe senkt die Marktzinsen künstlich ab. Es wird weniger gespart, und Investitionen und Konsum nehmen zu. Die Volkswirtschaft beginnt, über ihre Verhältnisse zu leben. Früher oder später zerplatzt der monetär angezettelte Scheinaufschwung, und aus dem Boom wird ein Bust.

(4.) Fiat-Geld treibt die Volkswirtschaft in die Überschuldung. Die künstlich gesenkten Zinsen verleiten Private, Unternehmen und Staaten zur Schuldenwirtschaft. Die Schulden wachsen dabei im Zeitablauf stärker an, als die Einkommen zunehmen.

Um Ihnen einen Eindruck von der Schuldenlast im weltweiten Fiat-Geldsystem zu vermitteln, möchte ich Ihnen folgende Zahlen nennen: Ende 2021 belief sich die globale Verschuldung auf 303 Billionen US-Dollar, das waren 351 Prozent des Welt-Bruttoinlandsproduktes. Eine Situation, bei der man mit Fug und Recht eine (noch nicht ganz offen in Erscheinung getretene) Überschuldungssituation befürchten muss.

(5.) Fiat-Geld lässt den Staat hypertrophieren, also übermäßig anschwellen – und dies zu Lasten der Freiheit der Bürger und Unternehmen. Das Fiat-Geld erlaubt es den politischen Akteuren, ihre Finanzkraft gewaltig auszuweiten; sie können mit dem Fiat-Geld im wahrsten Sinne des Wortes die Abstimmenden korrumpieren und sich eine wachsende Gefolgschaft erkaufen.

(6.) Das Fiat-Geld beschädigt die Moral- und Wertevorstellungen der Menschen, die mit Fiat-Geld tagtäglich umgehen. Beispielsweise lässt die Zukunftsorientierung der Menschen nach, es kommt sozusagen zu einer infantilen Regression, in der man alles „sofort“ haben will; Ökonomen sprechen hier von einem Ansteigen der Zeitpräferenz.

Ausdruck einer künstlich erhöhten Zeitpräferenz können zum Beispiel sein übersteigerter Konsum, Raubbau an der Natur und Umweltverschmutzung, unzureichende Bildung, zunehmende Ehescheidungen, sich auflösende Familienbande.

4.

Fiat-Geld ist, ich sagte es bereits, vor allem eines: Es ist inflationär. Daher an dieser Stelle ein paar zusätzliche Anmerkungen zur Inflation.

Inflation ist ein Wort, das vielfach gebraucht wird, das aber von unterschiedlichen Personen mitunter höchst unterschiedlich interpretiert wird.

Etwas Klarheit kommt in die Sache, wenn man zwischen Güterpreisinflation und Geldmengeninflation unterscheidet.

Güterpreisinflation bedeutet ein fortgesetztes Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front. Sie steht damit für Kaufkraftverlust des Geldes: Wenn alles teurer wird, gibt’s eben weniger für das Geld.

Wie aber kommt es zur Güterpreisinflation? Der nicht-monetären Inflationstheorie zufolge kann die Güterpreisinflation durch zum Beispiel steigende Produktionskosten verursacht (das ist die Cost-Push-Theorie) oder durch eine übermäßige Nachfrage (das ist die Demand-Pull-Theorie) ausgelöst werden.

Die monetäre Inflationstheorie besagt, dass Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist. Sie entsteht, vereinfacht ausgedrückt, wenn das Geldmengenwachstum das Gütermengenwachstum übersteigt.

Zwar stehen sich diese Erklärungen auf der Theorieebene diametral gegenüber, sie können aber in der Praxis durchaus miteinander kombiniert werden. Blicken wir dazu auf die aktuelle Hochinflation in der westlichen Welt.

Die politisch diktierten Lockdowns, die angeblich „grüne Politik“ und der Ukraine-Krieg haben eine Verknappung und Verteuerung vieler Güter herbeigeführt und so einen „negativen Güterpreisschock“ bewirkt.

Dieser negative Preisschock trifft auf einen gewaltigen „Geldmengenüberhang“, den die Zentralbanken mit Beginn 2020 erzeugt haben. So hat die US-Zentralbank die Geldmenge M2 seither um 43 Prozent ausgeweitet, die Europäische Zentralbank die Geldmenge M3 um 21 Prozent, während sich die Wirtschaftsleistung kaum oder gar nicht erhöht hat.

Es ist letztlich die Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbank, die es möglich macht, dass der negative Preisschock sich in Inflation entlädt. Ohne den übergroßen Geldmengenüberhang wäre die weltweit hohe Inflation in dieser Weise nicht denkbar.

Und für die Geldmengenausweitung – ich darf es hier noch einmal betonen – ist die staatliche Zentralbank verantwortlich. Sie agiert allerdings dabei nicht im „luftleeren Raum“, sondern sie vermehrt die Fiat-Geldmenge mit System.

5.

Deshalb habe ich in der Überschrift meines Vortrages auch ganz bewusst „Das System Fiat-Geld“ geschrieben. Das Wort „System“ stammt aus dem Altgriechischen sýstēma und bedeutet „ein aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“.

Wenn ich also vom „System Fiat-Geld“ spreche, so ist ein aus unterschiedlichen Akteuren bestehendes Ganzes gemeint, wobei die Akteure – und das werde ich sogleich erklären – ein Interesse entwickeln am Fortgang, am Erhalt des „Systems Fiat-Geld“.

Das Fiat-Geld – wird es erst einmal in Umlauf gebracht – erzeugt handfeste ökonomische Abhängigkeiten.

So werden zum Beispiel Unternehmer durch das künstliche Absenken der Zinsen zu Investitionen verleitet, die sich nur dann rechnen, wenn die bereitgestellte Kredit- und Fiat-Geldmenge zu immer tieferen Zinsen führt und die Fiat-Geldmenge ständig weiter anschwillt. Um Verlusten zu entgehen, werden sie daher eine weitere monetäre Expansion begrüßen, und dies insbesondere dann, wenn eine Rezession droht.

Vor allem auch Unternehmer, die staatliche Aufträge beziehen, sind an der Fortführung des Fiat-Geldsystems sehr interessiert. Sie haben ihre Produktion darauf ausgerichtet, politische Akteure mit Gütern zu beliefern. Man denke hier nur an Infrastruktur-Unternehmen, die etwa Züge, Ampelanlagen herstellen, oder Unternehmen, die von der medizinischen Zwangsversicherung profitieren, oder an den Militärisch-industriellen-Komplex.

In ähnlicher Weise befürworten Arbeitnehmer, die ihre Jobs und ihr Einkommen einem künstlichen, mit Fiat-Geld angetriebenen Aufschwung verdanken, das unbeirrte Weiterführen des Fiat-Geldsystems.

Weil im Fiat-Geldsystem aber vor allem der Staat immer größer wird, werden auch immer mehr Menschen direkt oder indirekt abhängig von seiner Finanzkraft. Dazu zählen die Staatsangestellten und Empfänger staatlicher Renten-, Pensions- und Transferzahlungen. Auch sie haben ein Interesse daran, dass das System Fiat-Geld nicht endet.

Ein existenzielles Interesse an einer Fortführung des Fiat-Geldsystems hat – wenig überraschend – vor allem auch die Banken- und Finanzwirtschaft. Es lässt sich schließlich prächtig verdienen, indem man etwa vermittels Kreditvergabe neues Geld „aus dem Nichts“ schafft.

Zudem darf der mit Fiat-Geld angetriebene Boom kein Ende finden. Denn dann wären die Bilanzvermögen der Banken (in Form von Krediten und Wertpapieren) perdu, und die Untragbarkeit ihrer Verbindlichkeiten käme ans Tageslicht.

Ein Fiat-Geldsystem macht also weite Teile der Bevölkerung und des Unternehmenssektors im wahrsten Sinne des Wortes abhängig von seiner Fortführung, macht die Mehrheit zu Komplizen. Das Fiat-Geld erzeugt sozusagen eine „Kollektive Korruption“.

Dadurch formt sich eine mehrheitliche Unterstützung für eine Politik, die einen drohenden Bust (der ja notwendige Folge eines vorangegangenen Booms ist) mit immer mehr Kredit und Geld zu immer tieferen Zinsen zu „bekämpfen“ sucht.

Zu erwarten ist, dass die Mehrheit der Fiat-Geld-Abhängigen sogar weitreichende Verletzungen der Prinzipien, auf denen die freie Wirtschaft und Gesellschaft ruht, akzeptiert, wenn es gilt, den Kollaps des Fiat-Geldsystems abzuwenden.

Beispielsweise werden gewaltige Ressourcen aufgewendet, um unsolide Banken und Unternehmen vor der Pleite zu bewahren – auf Kosten zukunftsorientierter Investitionen.

Oder es werden Handelsverbote für Wertpapiere erlassen und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt.

Oder die Zentralbank kontrolliert die Zinsen und verhindert dadurch, dass der Markt Ungleichgewichte bereinigen kann, verunmöglicht also den Bust.

Sie setzt dadurch natürlich auch die wichtige Koordinationsfunktion des Zinses, die Ersparnisse in Übereinstimmung mit den Investitionen zu bringen, außer Kraft – ebenfalls zum Schaden der künftigen Wohlstandsmöglichkeiten der Volkswirtschaft.

6.

Mittlerweile zeigt sich das, was viele zuvor nicht sehen und hören wollten, ganz ungeschminkt: dass das Fiat-Geld inflationär ist.

In den letzten Jahrzehnten hatten vor allem die Vermögenspreise – Aktien- und Häuserpreise – stark inflationiert. Viele Menschen haben diese „Vermögenspreisinflation“ als echte Inflation verstanden. Deshalb konnte sie nahezu ungestraft praktiziert werden.

Nun aber steigen für alle Augen sichtbar und für den Geldbeutel fühlbar die Konsumgüterpreise. Jetzt erfahren die Menschen die Inflation hautnah.

Politiker, Zentralbankräte, viele Volkswirte von Universitäten, Forschungsinstituten und Banken versuchen eifrig, die Situation zu beschönigen. Etwa indem sie von „grüner Inflation“ sprechen. Dadurch soll der Inflation der Schrecken genommen, ihre Akzeptanz bei den Menschen erhöht werden. Oder indem sie versuchen, die wahre Ursache der Inflation – die Geldmengenvermehrung durch die staatlichen Zentralbanken – vor der Öffentlichkeit zu verbergen.

Dazu werden Sündenböcke bemüht, um von der wahren Ursache der Inflation abzulenken – wie etwa durch den Verweis auf Lieferkettenprobleme, gierige Unternehmer, unverantwortliche Gewerkschaften und den russischen Krieg gegen die Ukraine.

Alles wird getan, um die wahren Urheber der Preisinflation auf breiter Front zu verbergen: die staatliche Zentralbank und die Geschäftsbanken mit ihrem inflationären Fiat-Geld.

Und wenn man ausspricht, dass der Staat und seine Zentralbank für die Inflation verantwortlich sind, wollen das viele Menschen gar nicht glauben. Mir kommt da ein Zitat von Max Frisch in den Sinn: „Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise, die glaubt niemand.”

7.

Die bereits stark gestiegene Güterpreisinflation veranlasst die Zentralbanken, der Öffentlichkeit zu signalisieren, man werde die Inflation (die sie ja selbst verursachen) „bekämpfen“, die Zinsen anheben.

Es geht ihnen vor allem darum, das Vertrauen in das Fiat-Geld zu bewahren, zu verhindern, dass das wahre Wesen des Fiat-Geldes, erkennbar wird.

Das Überleben des Fiat-Geldes hängt davon ab, dass es akzeptiert wird, dass es von den Menschen für Geldzwecke verwendet wird.

Und das ist dann der Fall, wenn die Menschen der Auffassung sind, dass man mit dem Fiat-Geld zahlen kann, und dass es – metaphorisch gesprochen –als „Wertaufbewahrungsmittel“ taugt.

Sichtbar hohe Inflation gefährdet die Akzeptanz des Fiat-Geldes. Sie führt zunächst dazu, dass die Nachfrage nach Fiat-Geld zu Wertaufbewahrungszwecken abnimmt; und wenn die Inflation zu hoch wird, wird es irgendwann auch nicht mehr als Zahlungsmittel akzeptiert.

Besonders gefährlich wird es für das Fiat-Geld dann, wenn die Marktakteure erwarten, dass die Wachstumsraten der Fiat-Geldmenge fortan unablässig steigen werden: von, sagen wir, 4 Prozent pro Jahr auf 6 Prozent im nächsten Jahr, dann auf 10, auf 16 auf 24 Prozent und so weiter. Denn das ist der Weg, der in die Hyperinflation führt.

Regierungen und Sonderinteressengruppen, die in besonderem Maße vom Fiat-Geldsystem profitieren, haben jedoch meist kein Interesse an Hyperinflation – weil Hyperinflation das Fiat-Geld zerstören und damit letztlich ihre Machtposition aufheben könnte.

Hochinflation kann hingegen politisch genutzt werden, denn nicht jede Hochinflation muss in Hyperinflation enden.

Ein Fiat-Geldsystem kann durchaus lange Zeit in der Hochinflation verharren – mit Inflationsraten zwischen 5, 10 oder 15 Prozent pro Jahr. Ein Beispiel dafür ist die Türkei.

In der Türkei beispielsweise schwankte die Konsumgüterpreis-Inflation von 2008 bis 2020 zwischen 5 und 25%, lag mithin bei durchschnittlich 10% pro Jahr. Mittlerweile ist sie bei 74% angelangt. Eine ähnliche Inflationsentwicklung würde mich im Euroraum in den kommenden Jahren nicht überraschen.

Will die Zentralbank mit ihrer Inflationspolitik davonkommen, muss es ihr gelingen, die Menschen über etwas hinwegzutäuschen: Die Menschen müssen glauben, die hohe Inflation sei nur vorübergehend; sie werde „bekämpft“; oder dass die Inflation ein Schicksal sei, von Faktoren beeinflusst werde, die nicht in der Verantwortung der Zentralbank liegen.

Der Staat und seine Zentralbank sowie einflussreiche Fiat-Geldsystem-Profiteure setzen daher alle Hebel in Bewegung, um die Alternativlosigkeit des Fiat-Geldsystems aufzuzeigen und, bei Bedarf, die Inflation als vorübergehend klein- und ungefährlich zu reden.

Und solange die Menschen das glauben und die Inflation einen kritischen Schwellenwert nicht übersteigt, wird das Fiat-Geldsystem fortbestehen – und das kann länger sein, als viele es für möglich halten.

8.

Murray N. Rothbard merkte an, dass man nicht meinen sollte, das System Fiat-Geld sei notwendigerweise selbstzerstörend, schaffe sich selbst aus der Welt. Weit gefehlt, so Rothbard! Er schreibt:

I am not saying that fiat money … cannot … continue indefinitely … Unfortunately … if fiat money could not continue indefinitely, I would not have to come here to plead for its abolition.

Rothbard teilt uns mit, dass das Fiat-Geld seiner Meinung nach keine begrenzte Lebenszeit hat. Könnte es nicht ewig fortbestehen, bräuchte er, Rothbard, nicht für die Abschaffung des Fiat-Geldes zu plädieren.

Murray N. Rothbard

Das ist eine wichtige Einschätzung, die auch die Befunde der Währungsgeschichte widerspiegelt. Hoch- oder gar Hyperinflation bedeutet zwar die massive Herabsetzung der Kaufkraft des Geldes, aber nicht immer auch ihre vollständige Zerstörung.

Hyperinflationen gab es zuhauf: Argentinien (Mai 1989 bis März 1990), Brasilien (Dezember 1989 bis März 1990), Ukraine (Januar 1992 bis November 1994), Zimbabwe (März 2007 bis November 2008).

Nur in extremen Fällen ging das Geld sprichwörtlich kaputt, verlor vollständig seine Kaufkraft und wurde durch neues Fiat-Geld ersetzt (wie in der Weimarer Republik 1923 oder in Zimbabwe 2008).

Nicht selten versah das durch Hyperinflation stark wertgeminderte Geld nachfolgend weiterhin seinen Dienst – nachdem beispielsweise auf den Geldscheinen ein paar Nullen gestrichen wurden (also alle Güterpreise nominal reduziert wurden).

Eine Volkswirtschaft, hat sie sich erst einmal mit dem Fiat-Geld eingelassen, kommt nicht so ohne weiteres wieder von ihm los – wie es Rothbard in seinem zuvor genannten Zitat ausspricht.

Das liegt, so mutmaße ich, am mangelnden Wissen über die weitreichenden und zerstörerischen Folgen des Fiat-Geldes, aber eben auch an seiner korrupten Wirkung auf die Moral der Menschen.

9.

Das weltweite Fiat-Geldsystem geht aktuell in eine neue, vermutlich besonders schwere Krise. Die Zentralbanken heben angesichts der hohen Inflation der Konsumgüterpreise die Zinsen an, und folglich stürzt die Produktions- und Beschäftigungsstruktur, die sich in Jahrzehnten sinkender Zinsen aufgebaut hat, in sich zusammen. Aus dem Boom wird ein Bust.

Doch – wie bereits angedeutet – hoch verschuldete Volkswirtschaften halten einen Bust, der Fehlinvestitionen und Überkonsum voll und ganz korrigiert, gar nicht mehr aus. Die zwangsregulierten Arbeitsmärkte, die zwangsverkammerten Unternehmen, Freiberufler und Handwerker, die hochbesteuerten Angestellten ohne nennenswerte Ersparnisse, aber dafür mit Hypotheken bis unter die Dachkante und Autokrediten oben drauf, können sich von einem Bust nicht so erholen, wie dies in einer unerzwungenen Wirtschaftsordnung der Fall wäre. Der Schmerz wird rasch so groß, dass vermutlich das Übel der fortgesetzten Inflationspolitik als vergleichsweise kleiner empfunden wird als Rezession und Massenarbeitslosigkeit.

Und sind weite Teile der Bevölkerung erst einmal ökonomisch abhängig vom Fiat-Geld – und das trifft vor allem für die westlichen Umverteilungs-Demokratien zu –, legt die bereits erwähnte Theorie der kollektiven Korruption nahe, dass der Fiat-Geld-Boom nicht nur in einer Depression enden wird, sondern dass ihr eine Phase der Hochinflation, möglicherweise sogar der Hyperinflation vorausgeht.

Das war übrigens auch in den 1920er Jahren in der Weimarer Republik so. Ende 1922 lag die Arbeitslosenquote bei 2,8%, im Juli 1923 war sie mit 3,5% immer noch vergleichsweise niedrig. Im Sturm der Hyperinflation, als der Geldwert der Mark kollabierte und das Wirtschaften unmöglich wurde, stieg auch die Arbeitslosigkeit stark an. Sie schnellte auf 19,1% im Oktober, erreichte 23,4% im November und 28,2% im Dezember.

Die Deutsche Reichsbank hatte es also durchaus vermocht, mit ihrer Hoch- und dann Hyperinflation die Massenarbeitslosigkeit eine geraume Zeit abzuwenden, aber ihr letztlich zu entkommen durch das gewaltige Vermehren der Geldmenge, gelang ihr dann doch nicht; sie verschlimmerte sogar den Absturz der Volkswirtschaft gewaltig.

10.

Das bisher Gesagte gilt für eine Volkswirtschaft, in der die Güter- und Kapitalmärkte noch relativ frei von staatlicher Einflussnahme sind. Diese Bedingungen finden wir jedoch in der heutigen Zeit so nicht mehr vor.

Zum einen sind die Märkte heute weitestgehend „gehemmt“, nicht mehr frei, weil der Staat viele Weisungen, Regulierungen, Ge- und Verbote, Verordnungen und Gesetze erlässt, weil er Steuern erhebt, Zinsen, Kredit und Geld manipuliert.

Zum anderen kehrt die westliche Welt seit geraumer Zeit dem System der freien Märkte, dem Kapitalismus, den Rücken zu und bewegt sich immer stärker in Richtung Kollektivismus, Neo-Sozialismus oder Neo-Feudalismus.

Stichworte sind an dieser Stelle „Great Reset“ und „Große Transformation“. Bei ihnen handelt es sich um Konzepte, die ihre intellektuelle Grundlage in kollektivistischen-sozialistischen, neo-marxistischen Ideologien haben.

Konkret gesprochen: Die Menschen sollen ihre Geschicke auf dem Planeten nicht im System der freien Märkte gestalten, sondern sie sollen gezwungen und gesteuert werden nach den Vorgaben, die von zentraler Stelle (wie etwa dem „Gipfeltreffen der Regierungschefs“ oder den „Vereinten Nationen“) bestimmt und durchgesetzt werden.

Um diese Agenda in die Tat umzusetzen, ist Fiat-Geld unverzichtbar: Das Fiat-Geldsystem erlaubt es nämlich, zumindest anfänglich, die wahren Kosten eines „weltwirtschaftlichen Umbaus“ vor den Augen der Öffentlichkeit weitestgehend zu verbergen und so den Widerstand der Geschädigten lahmzulegen.

Das macht es für die „Transformatoren“ erforderlich, die wenigen, die verbliebenen Elemente des freien Marktes immer weiter einzuschränken, die Volkswirtschaft in eine sogenannte Befehls- und Lenkungswirtschaft zu überführen.

In einer Befehls- und Lenkungswirtschaft bleibt das Eigentum formal erhalten. Der Staat bestimmt jedoch in entscheidendem Maße, was der Eigentümer mit seinem Eigentum tun darf und was nicht. Er gibt vor, und die Unternehmen und Konsumenten folgen. Und diese Befehle werden letztlich mit Gewalt durchgesetzt. Die verbleibenden Elemente einer freiwilligen, auf unerzwungenem Austausch beruhenden Gesellschaftsordnung werden zu Gunsten einer erzwungenen Gewaltordnung immer weiter zurückgedrängt.

Und genau das ist auch das Modell, das sich in der westlichen Welt seit Jahr und Tag ausbreitet – das Modell der Befehls- und Lenkungswirtschaft, das übrigens nach der Blütezeit des Liberalismus im Deutschen Reich Ende des 19. Jahrhunderts mit der Bismarck’schen Arbeiterzwangsversicherung seinen Anfang nahm, das ab 1916 unter dem Namen „Hindenburg-Plan“ etabliert wurde und ein weiteres Mal im nationalsozialistischen Dritten Reich in den 1930er Jahren.

Übrigens ist es gar nicht so weit von Chinas Modell entfernt; vermutlich ist es daher nicht allzu weit hergeholt, hier von einer Chinarisierung des Westens zu sprechen.

11.

Wenn aber das Fiat-Geld Inflation bringt, wie wird man ihr Herr? Wie verhindert man den Protest der Menschen dagegen? Die Antwort der Politiker wird vermutlich sein: Preiskontrollen. Und da sich bei Preiskontrollen das Problem vom Preis auf die Menge verschiebt, ist die logische Folge eine Rationierungs- und Zuteilungswirtschaft.

Verteuert sich die Versorgungslage für die breite Bevölkerung aufgrund der Fiat-Geldinflation immer mehr, erlässt der Staat Höchstpreise für zum Beispiel Energie, Nahrungsmittel, Mieten und Transport.

Preiskontrollen können zwar in den offiziellen Statistiken dafür sorgen, dass die Inflation niedriger ausgewiesen wird, als sie tatsächlich ist. Jedoch sind die Folgen solcher Maßnahmen desaströs.

Um ein Beispiel zu geben: Der Milchpreis im Markt liegt bei 2 Euro pro Liter. Das ist den Politikern zu hoch, und sie erlassen einen Höchstpreis für Milch von, sagen wir, 1 Euro pro Liter.

Das führt dazu, dass das Angebot von Milch schrumpft – weil es nunmehr weniger Milchproduzenten gibt, die Milch für 1 Euro pro Liter anbieten können. Gleichzeitig gibt es mehr, die Milch zu 1 Euro pro Liter nachfragen als zu 2 Euro pro Liter. Es entsteht ein Nachfrageüberhang nach Milch.

Wie aber verteilt man das verknappte Milchangebot? Ein Schwarzmarkt entsteht oder es kommt zu Korruption und Vetternwirtschaft. Das wiederum ruft den Staat auf den Plan: Er bestraft die, die sich nicht an den Höchstpreis halten. Dazu braucht der Staat Spitzel, Polizei, Gefängnisse, öffentliche Schauprozesse, zuweilen auch sehr harte Strafen.

Die Deutschen haben leidvolle Erfahrungen mit der Befehls- und Lenkungswirtschaft gemacht. Es war das Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der deutschen Nationalsozialisten.

Mit der Politik der Preiskontrollen hielten die Nationalsozialisten die offizielle Inflation niedrig (beziehungsweise niedriger, als sie tatsächlich war).

Nach dem Ende des Krieges entlud sich der gewaltige Geldmengenüberhang auf dem Schwarzmarkt in stark steigenden Güterpreisen. Die Reichsmark wurde von den Alliierten einem „Geldschnitt“ unterzogen, der Restbetrag wurde 1948 in den D-Markt umgetauscht. Der Geldhalter erlitt fast einen Totalverlust.

12.

Sie werden vielleicht interessiert sein, wie ich die nächsten Jahre einschätze?

Ich befürchte, die wirtschaftliche Lage in der westlichen Welt, vor allem in Europa, wird sich dramatisch verschlechtern.

Die vorgeblich “grüne Politik“, der Energiepreisschock, gepaart mit der antikapitalistischen Verblendung in Politik und Gesellschaft werden wohl die vielleicht schwerste Rezession der Nachkriegszeit heraufbeschwören. Es geht vermutlich erst noch viel weiter abwärts, bevor man Hoffnung schöpfen kann, dass es wieder besser werden wird.

Die Zentralbanken werden die Zinsen nicht entschieden genug erhöhen, die Inflation bleibt sehr hoch in den kommenden Jahren. Die Finanzierung der Löcher im öffentlichen Haushalt mit der elektronischen Notenpresse geht weiter.

Der Euro wird drastisch entwertet (ich wäre nicht überrascht, wenn seine Kaufkraft um bis zu 40% in den kommenden fünf Jahren nachgibt) – und damit auch die in Euro ausgewiesenen Ersparnisse wie Bankguthaben, Geldmarktfonds und Anleihen.

Das Endspiel des Fiat-Geldes und des Systems, das es erzeugt hat, hat begonnen. Wie lange es noch dauert, weiß man nicht.

Der Euroraum wird jedoch, so fürchte ich, der ganz große Verlierer in der „Neuordnung der Welt“.

13.

Mises und Hayek hatten die Problematik des Systems Fiat-Geld hellsichtig erkannt. Und weil sie sahen, dass das Fiat-Geld nicht dauerhaft mit einer freien Wirtschaft und Gesellschaft vereinbar ist, sprachen sie sich für eine Abkehr von ihm aus. Das ist mittlerweile dringlicher denn je.

Viele Zentralbanken arbeiten bereits daran, digitales Zentralbankgeld auszugeben, das absehbar das Bargeld aus dem Verkehr drängen und die finanzielle Privatsphäre der Menschen vollends beseitigen wird.

Digitales Zentralbankgeld hat zudem das Potential, die letzten verbliebenen marktwirtschaftlichen Elemente aus dem Kredit- und Geldproduktionsprozess zu verdrängen, ihn ganz und gar zu verstaatlichen. Die staatliche Lenkung des Kapitals würde damit perfektioniert.

Digitales Zentralbankgeld, ist es erst einmal akzeptiert, lässt sich für weitere politische Zwecke instrumentalisieren. Ich will hier nur auf Chinas „Social Credit Score“ verweisen: Zugang zum digitalen Zentralbankgeld wird abhängig gemacht davon, ob sich eine Person dem Regime gegenüber wohlgefällig verhält oder nicht; Dissidenten werden bestraft, sie können nicht mehr reisen, keine Miete bezahlen, keine Lebensmittel kaufen. Zusammen mit „Digital ID“ ließe es sich beispielsweise auch einrichten, dass Menschen, die gewisse politisch gewollte medizinische Interventionen nicht über sich ergehen lassen möchten, in einen „finanziellen Lockdown“ gesperrt würden.

Aber auch ohne digitales Zentralbankgeld droht ohnehin eine Zentralisation, eine Kartellierung der Fiat-Geldproduzenten weltweit, die – logisch zu Ende gedacht – den Weg in Richtung einer einheitlichen Fiat-Weltwährung und einer Weltregierung ebnet. Eine wahrlich dystopische Perspektive. Ich habe übrigens die Logik, die dieser Entwicklung zugrunde liegt, in meinem Buch „Mit Geld zur Weltherrschaft“ aus dem Jahr 2018 beschrieben.

Was vor wenigen Jahren vielleicht noch futuristisch klang, ist nach der Corona-Krise und den offenkundigen Bestrebungen, die Welt einem „Great Reset“, einer „Großen Transformation“ zu unterziehen, leider realistisch geworden: zum digitalen Impfpass, der digitalen Identität, dem digitalen Zentralbankgeld gesellt sich die Chimäre eines digitalen Welt-Fiat-Geldes.

Die Tür zur „Hölle einer weltweiten digitalen Tyrannei“ ist dann nicht mehr nur einen Spalt weit geöffnet.

14.

Wie aber kann die Lösung des „Geldproblems“, des Fiat-Geldproblems, aussehen? Es ist vergeblich, Hilfe von der Politik zu erwarten: dass bessere Politiker es besser machen; oder dass verantwortlichere Zentralbankräte die Fiat-Geldmengenvermehrung aufhalten würden.

Aus meiner Sicht gibt es nur einen überzeugenden Weg: und das ist ein freier Markt für Geld.

Ein freier Markt für Geld bedeutet, dass du und ich die Freiheit haben, das Geld zu verwenden, das wir für unsere Zwecke am vorteilhaftesten ansehen; und dass jeder die Freiheit hat, seinen Mitmenschen ein Gut anzubieten, das diese als Geld zu verwenden wünschen.

Dazu kann man dem Beispiel vieler US-Bundesstaaten folgen. Sie haben die Mehrwert- und Kapitalertragssteuer auf Gold und Silber abgeschafft. Die Bürger und Unternehmer in den jeweiligen Bundesstaaten haben dort die Freiheit, ihre Transaktionen mit US-Dollar oder mit Gold und Silber abzuwickeln.

Ein freier Markt für Geld bedeutet, auch alternative Geldkandidaten wie zum Beispiel Krypto-Währungen von hinderlichen Steuern und Regulierungen zu befreien.

Im Grunde ist die technische Umsetzung, die einen freien Markt für Geld ermöglicht, denkbar einfach.

Und es würde vermutlich nicht lange dauern, und die Menschen würden sich für ein Geld entscheiden. Vielleicht für ein Gold- oder Silbergeld. Im digitalen Zeitalter könnte es damit zu einer Art Neuauflage der „Mark Banco“ in digitaler Form kommen – der Rechenwährung der Hamburgischen Kaufmannszunft, die über 250 Jahre hinweg höchst erfolgreich ihre Gelddienste verrichtete.

Leider stehen jedoch der Idee des freien Marktes für Geld noch – und das sollte aus meinen bisherigen Ausführungen hervorgegangen sein – beträchtliche ideologische Hürden entgegen. Ludwig von Mises hatte sie 1923 wie folgt identifiziert:

Man irrt … sehr, wenn man meint, man könnte wieder zu geordneten Währungsverhältnissen gelangen, ohne daß sich in der Wirtschaftspolitik Wesentliches zu ändern brauchte. Was zunächst und in erster Linie nottut, ist die Abkehr von allen inflationistischen Irrlehren. Doch diese Abkehr kann nicht von Dauer sein, wenn sie nicht durch vollständige Loslösung des Denkens von allen imperialistischen, militaristischen, protektionistischen, etatistischen und sozialistischen Ideen fest begründet wird.

Das Denken vieler Menschen ist aber bedauerlicherweise imperialistischen, militaristischen, protektionistischen, etatistischen und sozialistischen Ideen verfallen.

Ludwig von Mises

Der Staat müsse das Geldmonopol innehaben; eine Zentralbank sei gut und richtig und notwendig; Fiat-Geld sei besser als Gold- und Silbergeld; Inflation im Sinne von politisch motivierter Geldmengenvermehrung sei akzeptabel; der Staat dürfe und solle auf Pump finanzieren; der Staat sei nicht eine Gruppe eigensinniger Menschen, die machtpolitische Ziele verfolgen, sondern quasi als Staat selbst eine handelnde Wesenheit, die, obgleich als solche unsichtbar, in Symbolen und Hymnen zu verehren sei (Etatismus); und vieles andere mehr. All das ist Ausdruck der ideologischen Geisteshaltung, die so oder in ähnlicher Weise heute tief verankert ist im Bewusstsein und – vor allem – im Unterbewusstsein der meisten Menschen.

Die Inflation unserer Zeit – eine der vielen schädlichen Folgen des Fiat-Geldes – ist damit letztlich geistigen Ursprungs. Sie ist kein Elementarereignis, sie ist das Ergebnis einer Politik und der ihr zugehörigen Propaganda.

Die Überwindung des inflationären Fiat-Geldregimes erfordert zuallererst eine Änderung der Geisteshaltung der Menschen, eine Zurückbesinnung zum liberalen Ideengebäude, zur Lehre der Freiheit und des Kapitalismus, eine moralische Läuterung, die Überwindung der „Kollektiven Korruption“.

Denkbar ist aber auch, dass das Fiat-Geldsystem durch eine technologische Disruption überwunden wird. Beispielsweise indem sich in einer Region der Welt ein neues Geld und das dazugehörige Zahlungsverkehrssystem herausbildet, sich erfolgreich als Referenzprojekt etabliert – und dann Schule macht, Nachahmer findet. Einige US-Bundesstaaten haben dafür ja schon die Basis bereits gelegt.

15.

Fiat-Geld bedeutet ein Schrecken ohne Ende, es hat kein Ende mit Schrecken. Es schafft sich nicht von selbst ab, sondern sein Ende muss bewusst herbeigeführt werden, weil man es loswerden will.

Und das ist unumgänglich, soll die freie Gesellschaft, die freie Wirtschaft wieder aufleben – wie es die Eingangszitate von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek zum Ausdruck gebracht haben.

Die Lösung, die ich vorgestellt habe, ist das Beenden des staatlichen Geldmonopols, das Ermöglichen, das Eröffnen eines freien Marktes für Geld.

Wie aber soll denn solch eine Veränderung zustande kommen, so werden Sie jetzt vielleicht fragen? Wie kann ein freier Markt für Geld sich entwickeln in einer Welt, die immer unfreier wird?

Verzagen Sie nicht. Nur weil wir die Lösung nicht erblicken können, heißt das noch nicht, dass es sie nicht doch geben wird.

Unterschätzen Sie die Macht der Ideen nicht. Die gesellschaftliche Entwicklung wird in letzter Konsequenz von Ideen getrieben. Gute Ideen (wie z. B. Freiheit, Eigentum, freie Märkte) können schlechte Ideen (wie z. B. Gewaltpolitik, Interventionismus, Fiat-Geld und Sozialismus) ersetzen – wenn sie ausgesprochen, vermittelt, verbreitet und wieder und wieder wiederholt werden.

Der Wandel der Ideen ist möglich. Auch wenn die Widrigkeiten erdrückend erscheinen, möchte ich Samweis den Mutigen aus J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe“ Epos frei zitieren: Auch die Dunkelheit ist eine zeitweilige Erscheinung. Und wenn das Licht wiederkommt, wird es um so heller scheinen. Noch gibt es etwas, für das es sich zu streiten lohnt.

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[Der Beitrag wurde für den Zweck der Umgestaltung in einen Schriftbeitrag gegenüber dem ursprünglichen Vortrag redaktionell editiert.]

Professor Dr. Thorsten Polleit ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa, Europas größtem Edelmetallhandelshaus. Davor war er als Ökonom 15 Jahre im internationalen Investment-Banking tätig. Thorsten Polleit ist zudem Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institut, Auburn, Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „ROME“ und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Im Jahr 2012 erhielt er den The O.P. Alford III Prize In Political Economy. Thorsten Polleit ist Autor zahlreicher Aufsätze und Bücher: „Vom Intelligenten Investieren“ (2018), „Mit Geld zur Weltherrschaft“ (2020), „Der Antikapitalist“ (2020) und „Ludwig von Mises. Der kompromisslose Liberale“ (2022), „Der Weg zur Wahrheit. Eine Kritik der ökonomischen Vernunft“ (2022). Die Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

 

 

 

 

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